Strahlende Heuchler - Die Diskussion um die Uranmunition ist heuchlerisch und zielt auf eine Effektivierung der Kriegführung. Von Jürgen Elsässer

In Ergänzung zu dem am 11. 8. veröffentlichten Artikel "DU-Munition verseucht unseren Planeten für 4,5 Milliarden Jahre" bringen wir einen bereits etwas älteren Artikel von Jürgen Elsässer, der aufzeigt, dass sich in der Zwischenzeit niemand dieses Themas wirklich angenommen hat, so dass die DU-Munition weiterhin zum Einsatz kommt. Die so vollmundig vorgetragenen Forderungen lösten sich offenbar in Nichts auf, was nichts anderes bedeutet, als dass sich an der mehrheitlich zu verzeichnenden Verantwortungslosigkeit der Politiker nicht das Geringste geändert hat.

Soviel Betroffenheit war nie: Nachdem ein paar "unserer" Soldaten an Krebs erkrankt sind, sehen selbst hartgesottene Befürworter des Nato-Krieges gegen Jugoslawien Gelegenheit zu einer lauwarmen Verfahrenskritik am elfwöchigen Bombardement. Anlaß ist der damalige Einsatz von Munition, die mit abgereichertem Uran (engl. depleted uranium - DU) gehärtet wurde. ("Wir haben den begründeten Verdacht, daß die Dinge nicht so einfach sind, wie sie immer von der Nato dargestellt werden", meinte der italienische Ministerpräsident Guiliano Amato, sein portugiesischer Amtskollege Antonio Guterres forderte "lückenlose Aufklärung". Auch in Deutschland sprangen Politiker, die sich bisher noch für keine Lüge gegen die Serben zu schade waren, auf den Zug auf: Von Joschka Fischer hörte man, er sei "kein Freund dieser Munition", die frischgebackene Ministerin Renate Künast und die grüne Bundeswehr-Seelsorgerin Angelika Beer bezeichneten einen befristeten Einsatzstop für die Uranwaffe als nicht ausreichend, und die sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Margot von Renesse sprach gar von einem "Kriegsverbrechen". Auch die finnische Pathologin Helen Ranta, deren Expertise über das "Racak-Massaker" der Nato 1999 einen entscheidenden Kriegsgrund lieferte, fordert das Verbot der DU-Munition. Daß die ganze Empörung nicht dem Schicksal der betroffenen Bevölkerung auf dem Balkan galt, machte der Bundeskanzler deutlich: "Ich habe eine gesunde Skepsis gegen die Verwendung einer Munition, die zur Gefährdung der eigenen Soldaten führen kann."
 
Wenigstens einer hat sich ausnahmsweise etwas zurückgehalten: Der Verteidigungsminister wandelte auf dem Höhepunkt der Debatte mit seiner blaublütigen Gespielin und einer Flasche Champagner durch die Dünenlandschaft der Bretagne. In Bioleks Talkshow ("Nur die Liebe zählt") kraulte er Gräfin Pilati-Borggreve den Rücken und blickte bei einer uranhaltigen Frage des Moderators noch entrückter als sonst. Eine durchaus erfolgreiche Strategie: Kein Journalist mochte Scharping noch auf einen Eintrag in seinem "Kriegstagebuch" vom 28. Dezember 1998 ansprechen. Drei Monate vor dem Krieg hatte er als "einen Vorgeschmack auf das, was an Propaganda auf die Nato ... zukommen wird" perhorrisziert: "Behauptungen über Umweltzerstörung, die angebliche Verwendung atomarer Munition usw." Am 19. April 1999 trat, wie Scharping prognostiziert hatte, die "serbische Propaganda" in Aktion. "Dieser Krieg tötet Leute aller Nationalitäten in Jugoslawien und vergiftet ihr Land mit radioaktiven Waffen aus abgereichertem Uran," hieß es in einer Erklärung des serbischen Informationsministeriums. Es sollte noch zehn weitere Monate dauern, bis diese Behauptung höchstoffiziell vom Pentagon besätigt wurde. Am 21. März 2000 räumte die US-Regierung ein, daß im Kosovo 31.500 DU-Geschosse abgefeuert worden waren. Spätestens an diesem Tag war Scharping also einer weiteren Desinformation überführt worden.
 
Die westliche Öffentlichkeit reagierte erst elf Monate später alarmiert, als bekannt wurde, daß eine Reihe von Nato-Soldaten - die britische Times errechnete Mitte Januar 2001 insgesamt 26 - an Krebs gestorben waren. In Portugal hatte der Vater eines Toten als Ursache die im Kosovo verwendete Uranmunition ins Spiel gebracht, und damit eine zumindest publizistische Kettenreaktion ausgelöst: Unsichtbare Todesstrahlen plus unheilbare Leukämie plus unverantwortliche Politiker - in Portugal standen Präsidentschaftswahlen an - das ist der Stoff, der in der Mediengesellschaft Quote bringt. Die Medien erinnerten schnell an mysteriöse Opfer des Golfkriegs - damals hatten US-Amerikaner und Briten sogar noch erheblich mehr Uranmunition verfeuert als auf dem Balkan. So berichtet die ansonsten Nato-konforme Tageszeitung von "einigen hundert" nach dem Krieg an Krebs oder Leukämie gestorbenen US-GIs, Shaun Rusling vom britischen Veteranenverband beziffert die am Golfkriegssyndrom gestorbenen in der Armee Ihrer Majestät auf 521. Die Kriegspartei warnte vor "Hysterie" (US-Außenministerin Albright) und bemühte die Fakten, wenn auch recht selektiv. So wurde die radioaktive Wirkung von DU in Frage gestellt - abgereichertes Uran hat mit 0,2 % tatsächlich weitaus weniger zellschädigende Zerfallsisotope als Natururan mit 0,7 %, von AKW-Brennelementen (3 % oder gar Atomwaffen (über 90 %) ganz abgesehen. Allerdings wird bei diesen Angaben die chemo-toxische Wirkung des Schwermetalls ebenso ignoriert wie die anhaltende wissenschaftliche Debatte über radioaktive Niedrigstrahlung. "Die wissenschaftliche Literatur kenne ... keinen Fall von Leukämie, der durch Kontakt mit abgereichertem Uran hervorgerufen wurde", behauptet zumindest die Weltgesundheitsorganisation WHO. Allerdings ist die empirische Basis der "wissenschaftlichen Literatur" unzureichend, da die WHO die gesundheitliche Lage im Irak nach 1991 gar nicht untersucht hat (die USA und Großbritannien hatten ihr Veto eingelegt). Zwei weitere Argumente der DU-Verharmloser schließen sich gegenseitig aus: Einerseits heißt es, die Leukämierate etwa unter den italienischen Balkan-Soldaten sei niedriger als im statistischen Bevölkerungsdurchschnitt. Andererseits wird gesagt, es sei sehr unwahrscheinlich, daß schon so kurze Zeit nach dem Einsatz in Bosnien und auf dem Kosovo bei Soldaten Krebs ausbreche - die Krankheit müsse andere, frühere Ursachen haben. Drei der acht in Italien verstorbenen Soldaten seien gar nicht auf dem Balkan eingesetzt gewesen. Was bleibt vom ersten Argument noch übrig, wenn mit größerem zeitlichen Abstand zu ihrer Balkan-Mission ähnlich viele Sfor- und Kfor-Soldaten an Krebs wie Teilnehmer der Operation ‚Desert Storm’?
 
Ein konkretes Beispiele mag verdeutlichen, wie man mit Wissenschaft und Statistik lügen kann. Edward Luttwak, Berater am Center for Strategic and International Studies in Washington, berichtet von den 33 GIs, die am Golf unter "friendly fire" durch Uranmunition verwundet wurden. "Die Hälfte von ihnen rägt immer noch beträchtliche Splitter von Uranmunition im Körper. [….] Alle stehen unter strenger ärztlicher Überwachung. Keiner leidet unter irgendwelcher Strahlenerkrankung, geschweige denn an Leukämie." Bei Luttwak erfährt man nichts über das Schicksal anderer unfreiwilliger Versuchskaninchen: Eine Einheit der US-Army hatte nach dem Golfkrieg von DU-Munition beschossene Fahrzeuge und die darin gefundenen Körperteile vergraben oder dekontaminiert. Mindestens zehn der 50 Mann starken Truppe sind bisher gestorben, und nur ein einziger ist nicht am Golfkiegssyndrom erkrankt - der, der die ganze Zeit einen ABC-Schutzanzug geragen hatte. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen besteht offenichtlich darin, daß im zweiten Fall, bei den intensiven Aufräum- und Putzarbeiten, massiv Uranstaub in die Lunge und das Verdauungssystem gelangte - ein Punkt, der auch bei der Belasung der Zivilbevölkerung eine Rolle spielt (s. unten). David Rokke, damals US-Oberst, Direktor eins Pentagonprojektes zur Erforschung der Folgewirkungen der Uran-Munition und Kommandeur der besagten Einheit, beurteilte den DU-Einsatz im Irak als "Verbrechen gegen Gott und die Menschheit".
 
Trotz dieser Fakten stößt die Agitation der amerikanischen Friedensbewegung unter den Golfkriegs-Veteranen nur begrenzt auf Resonanz. Zu viele wissen aus unmittelbarer Erfahrung: Selbst wenn alle Opfer des "Golfkriegs-Syndroms" auf den Einsatz von abgereichertem Uran zurückgeführt und andere Erklärungen - durch Kriegsschäden entwichene Pestizide, irakische Chemiewaffen, Impfstoffe - ausgeschlossen werden könnten, so hätte der Einsatz dieser mysteriösen Waffe immer noch mehr Nato-Soldaten das Leben gerettet als gekostet. Mit ein wenig Mathematik und einem Minimum an militärischem Sachverstand kann man sich die lebensrettende Wirkung der Uranwaffen - jedenfalls für die angreifenden Soldaten - klarmachen: Durch die Intervention der Alliierten kamen mindestens 190.000 irakische Soldaten ums Leben - teilweise durch den in den ersten Wochen geführten Luftkrieg, teilweise im Laufe der danach einsetzenden Bodenoffensive von Kuweit aus. Auf diese Bodenoffensive waren die Irakis gut vorbereitet: Da der Angriff nicht überraschend kam, sondern monatelang durch ein Ultimatum vorbereitet war, konnten sie dichtgestaffelte Artilleriestellungen im Wüstensand eingraben und dahinter einige hundert T-72 sowjetischer Bauart in Stellung bringen. Trotz dieser ausgezeichneten Abwehrposition wurden die Panzerschlachten zu einem blutigen Fiasko für die Truppen Saddam Husseins. Die Amerikaner konnten ohne nennenswerte Verluste durchstoßen: Ganze 126 tote GIs blieben auf den Schlachtfeldern zurück, mehr als die Hälfte davon starben durch versehentlichen Beschuß aus den eigenen Reihen. Das Verhältnis von irakischen Gefechtstoten zu denen der anti-irakischen Koalition dürfte also bei mindestens 500:1 liegen - eine um ein Vielfaches schlechtere Relation zwischen Angreifern und Angegriffenen als etwa im Zweiten Weltkrieg oder in den israelisch-arabischen Kriegen. Mit ausschlaggebend dafür war die Verwendung abgereicherten Urans durch US-amerikanische und britische Streitkräfte: Durch die Härtung mit DU erreichten die Panzergeschosse der Alliierten eine durchschlagende Wirkung auf eine  weitaus größere Distanz als die der Irakis. Im Schnitt konnte ein M-1-Panzer einen T-72 auf eine Distanz von 3 km ausschalten - dieser hätte auf knapp 2 km herankommen müssen, um seinerseits in eine effektive Schußposition zu kommen. Es wude sogar ein Fall bekannt, wo ein britischer Challenger-Tank auf 5,1 km einen irakischen Panzer zerstörte. In einem anderen Fall durchschlug eine amerikanische DU-Granate den Turm eines eines T-72 glatt und bohrte sich dahinter in einen zweiten irakischen Panzer - auch dieser wurde zerstört. Auf diese Weise kamen die alliierten Panzer nur selten unter feindliches Feuer - und wenn doch, dann erwies sich das abgereicherte Uran ein weiteres Mal als lebensrettend: Durch die Verstärkung der M1-Panzerungen mit DU prallten die irakischen Geschosse oft wirkungslos ab. Fazit: Selbst wenn man alle nach dem Krieg am ominösen "Golfkriegssyndrom" verstorbenen amerikanischen und britischen Soldaten der Spätwirkung der Uran-Munition zur Last legt, bisher maximal 1000 Tote, so hätte dieselbe Waffe doch einer weitaus größeren Zahl von alliierten Soldaten das Leben gerettet.
 
Völlig anders muß DU-Munition aber beurteilt werden, wenn man ihre Wirkung auf das angegriffene Land, seine Soldaten und vor allem die Zivilbevölkerung betrachtet - der Terminus Kriegsverbrechen ist hier durchaus gerechtfertigt. Der Unterschied ergibt sich im Wesentlichen aus der andersartigen radiologischen und toxischen Belastung für Angreifer und Angegriffene: Wenn ein DU-Geschoß aufschlägt, wird die Uranumantelung pulverisiert und verteilt sich in der Luft - die überlebenden Opfer des Angriffs atmen die Partikel unmittelbar ein. Bis jedoch die Soldaten der angreifenden Kriegskoalition in das beschossene Gebiet einrücken, vergeht einige Zeit, im Falle der Besetzung des Kosovos sogar Tage oder gar Wochen - in diesem Fall hat der Regen die DU-Partikel bereits aus der Luft herausgewaschen. Nun befindet sich der DU-Staub zwar immer noch im Erdreich oder gar im Grundwasser, aber das stellt für die Angreifer keine Gefährdung mehr dar (ausgenommen selbstverständlich Dekontaminationstrupps wie der oben geschilderte): DieNato-Soldaten wurden bekanntlich sofort nach Kriegsende wieder aus dem Irak abgezogen, und die Kfor-Truppen im Kosovo werden zumeist mit importierten Nahrungsmitteln versorgt. Die Zivilbevölkerung der angegriffenen Länder muß weiter mit dem giftigen Erbe leben: Kinder spielen in ausgebrannten Panzern und nehmen kontaminierte Geschoßhülsen und Bodenpartikel in Hände und Mund, Vieh grast auf verseuchter Erde, das Trinkwasser reichert sich an.. Die
kumulierte Wirkung über längere Zeiträume hinweg ist jedenfalls verheerend: Im Irak sollen sich die Krebserkrankungen und die Zahl der Mißbildungen bei Neugeborenen verzehnfacht haben. Auch eine Studie der britischen Atomenergiebehörde, im November 1991 zum Independent durchgesickert, geht von 500.000 zusätzlichen Krebstoten im Irak aus. Dieser Hochrechnung wurden eine Hinterlassenschaft von 40 Tonnen DU-Munition zugrundegelegt. In der Realität waren es im Irak zwischen 260 und 400 Tonnen, im Kosovo 10,5 Tonnen, in Bosnien mehr als drei Tonnen. Die Prognose des serbischen Arztes Dejan Dimov, wonach 30 % mehr Krebserkrankungen aufgrund des DU-Einsatzes zu erwarten sind - bei derzeit 150.000 Krebskranken wären das 45.000 - ist also noch vergleichsweise optimisisch. Immerhin sollen bereits 192 bosnisch-serbische Soldaten an Leukämie erkrankt sein, so die Schweizer Sonntagszeitung mit Verweis auf Belgrader Regierungsquellen. Robert Fisk, Korrespondent des britischen Independent, hat vor Ort recherchiert: "Ich sehe 300 Grabsteine, die die Inschrift tragen könnten: An abgereichertem Uran gestorben", berichtet er Mitte Januar aus dem ostbosnischen Dörfchen Bratunac. "Bis zu 300 der 5.000 serbischen Flüchtlinge, deren Stadtteil in Sarajevo im Spätsommer 1995 von Nato-Kampfflugzeugen schwer bombardiert worden ist, sind an Krebs gestorben." In der taz hatte Erich Rathfelder ähnliche Informationen aus Bratunac noch als "neue Gerüchte" bezeichnet. Daß nicht Rahfelder, sondern Fisk auf der richtigen Spur ist, beweisen die Zahlen, die das Gesundheitsministerium in Sarajevo - also der pro-westlichen Regierung der moslemisch-kroatischen Föderation - bekanntgegeben hat. Demnach starben 1998 je 152 von 100.000 Bosniern an Krebs, 1999 waren es bereits 230 - ein Anstieg von über 50 %. (Dafür kann sich die Nato auf die Erklärung der kosovo-albanischen Behörden berufen, wonach keine Zunahme von Kebskrankheiten unter der Zivilbvölkerung regisriert werden konnte. Wie können sie da so sicher sein? Bis zum Krieg wurde das (serbische) Gesundheitssystem in der Krisenprovinz von den Kosovo-Albanern boykottiert, folglich konnten keine statistischen Daten über sie erhoben werden. Nach Kriegsende haben sich außerdem mehrere hunderttausend Albaner, die zuvor nicht im Kosovo gelebt haben, im Kfor-Protektorat niedergelassen - über sie liegen überhaupt keine Krankenakten vor. Wie gut, daß gesicherte Erkenntnis auch durch politische Absicht substituierbar ist. Ibrahim Rugova sagte jedenfalls, daß "die gegenwärtige Kampagne (gegen DU, Anm. J.E.) einfach eine Fortführung einer früheren aus der Milosevic-Ära ist, die die Nato-Intervention in Kosova im Jahre 1999 diskreditieren sollte".)  "Diese Streitigkeiten (um die DU-Munition) könnten zukünftige Friedensoperationen der Nato in Frage stellen", fürchtet die Londoner Times. Immerhin wird in Italien und Griechenland - Ländern mit einer starken Opposition schon während des Krieges - jetzt verstärkt der Rückzug der eigenen Soldaten vom Balkan gefordert. In Deutschland jedoch dümpelt die ganze Diskussion im Windschatten der BSE-Krise vor sich hin, nur mit dem Unterschied, daß die Uran-verseuchten Jugoslawen weit weniger bemitleidet werden als die BSE-verseuchten Kühe. Die Gefährdung "unserer Soldaten" steht im Mittelpunkt - folgerichtig verlagert sich die Diskussion auch weg vom Kosovo und hin zum Einsatz von DU-Munition auf heimischen Truppenübungsplätzen und zur Röntgenstrahlengefährdung für die Landser. Diese aus der Öko-Bewegung bekannte Sankt-Florians-Argumentation wird aber, leider ganz im Gegensatz zur Befürchtung der Times, künftige Nato-Interventionen nicht erschweren, eher im Gegenteil. Man erinnere sich: Einige der schlimmsten "Verbrechen im Krieg" gingen darauf zurück, daß die Nato die Leib und Leben der eigenen Soldaten schützen wollte. Zur Sicherheit vor der jugoslawischen Flak galt in der ersten Kriegshälfte eine Mindestflughöhe von 5.000 Metern - aus dieser Entfernung wurden Traktoren für Panzer gehalten und Flüchtlingszüge mit Militärkonvois verwechselt.
Wenn die Nato im DU-Streit der mangelnden Fürsorge für ihre Soldaten überführt würde, wäre das ein Pyrrhus-Sieg für die Friedensbewegung: Die Logik wäre die Entwicklung von Waffen, mit denen "die anderen" noch effektiver ohne eigene Verluste vernichtet werden können - Gefechtsfeldroboter, Neutronenbomben und auf die gegnerische DNS kodierte B-Waffen lassen grüßen.
 
Die deutschen Soldaten können sich nicht beklagen: Ein elfwöchiger Kampfeinsatz plus mittlerweile eineinhalb Jahre Besatzung ohne einen einzigen Toten durch Feindeinwirkung - das hat es bei Willem Zwo und Adolf nicht gegeben. Und was die Verluste in der serbischen (und albanischen!) Zivilbevölkerung angeht, müssen sich Fischer und Scharping auch nicht
hinter ihren blutigen Vorgängern verstecken: Durch die Nato-Bombardements starben 2.000 Zivilisten und über 1.000 Polizei- und Armee-Angehörige. In den 12 Monaten nach dem Krieg wurden im Kosovo weitere 150 Personen durch nicht geräumte Nato-Splitterbomben getötet. Im selben Zeitraum töteten albanische Terroristen unter den Augen der Kfor-Soldaten 1.027 Menschen - ein Ende ist nicht absehbar. Die Frankfurter allgemeine Zeitung hatte also Recht, als sie Anfang Januar über Fischer und seine Gang schrieb: "Die Republik ist geworden, was sie ist, weil sie diesen Ansturm der neuen Barbaren überlebte." Nur fand dieser Ansturm nicht 1968 ff., sondern 1999 statt, und er galt nicht der deutschen, sondern der jugoslawischen Bundesrepublik.
 
 
Quelle: Konkret 2/2001 resp.
http://www.juergen-rlsaesser.de/html/template.php?inhalt=archiv