Die NATO stürmt voran - Die Militärallianz will künftig zwei große und sechs kleine Kriege gleichzeitig führen - auch mit Wehrpflichtigen von Rainer Rupp

Die neuesten Pläne der NATO lasssen den Eindruck zurück, als seien der Aggression des Westens keine Grenzen mehr gesetzt. Bis zu 300?000 Soldaten will die NATO künftig gleichzeitig in Kriege schicken. Dabei will die Allianz bis zu acht Kampfeinsätze parallel führen können - rund um die Welt. Das beschlossen die Verteidigungsminister des Bündnisses am Donnerstag in Brüssel, wo sie entsprechende Richtlinien für die militärische Planung verabschiedeten.

Den Plänen zufolge will die Allianz künftig imstande sein, parallel zwei größere Kampfeinsätze mit jeweils bis zu 60’000 Soldaten und sechs weitere, kleinere »Missionen« mit jeweils bis zu 30’000 Soldaten durchzuführen. Nach Auskunft der NATO sind diese Vorhaben schon dadurch gedeckt, daß die Mitgliedstaaten bei der Verteidigungsplanung zusammen 1,4 Millionen Soldaten angemeldet haben. Mit dem Beschluß seiner Kollegen wäre US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld seinem Ziel, für US-Interessen mehr Truppen aus Europa rund um die Welt einzubinden, einen wesentlichen Schritt näher gekommen. Weil aber nur ein Bruchteil der geplanten NATO-Streitmacht mit Berufssoldaten abgedeckt werden kann, bedeuten die Pläne auch, daß künftig auch wehrpflichtige Soldaten aus Europa für das transatlantische Bündnis in gefährliche Kampfeinsätze geschickt werden.
 
Bei ihrem Treffen in Brüssel forderten die NATO-Minister zudem, die Rüstungshaushalte auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Der deutsche Militäretat liegt laut NATO-Angaben derzeit bei etwa 1,6 Prozent. Eine Aufstockung auf die geforderte Rate würde allein in Deutschland fast neun Milliarden Euro jährlich mehr verschlingen. So äußerte sich der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) schon mal dahingehend, daß die Bundesregierung mittelfristig wieder »etwas mehr Mittel für den Verteidigungsetat vorsehen« müsse.
 
Derweil unterstrich NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer die Entschlossenheit des Bündnisses, seinen Einsatz in Afghanistan trotz zunehmender Sicherheitsrisiken bis spätestens November auf ganz Afghanistan auszudehnen, den gefährlichen Süden und Osten des Landes eingeschlossen. Jung zeigte sich besorgt darüber, daß es in diesem Jahr bereits so viele Anschläge gegeben habe wie im gesamten Vorjahr. Dennoch betonte er: »Wir haben jetzt die Aufgabe, Gesamtafghanistan zu stabilisieren«. Deshalb hatte er sich wohl dafür eingesetzt, daß deutschen Soldaten bei Bedarf kurzfristig auch außerhalb ihres Einsatzgebietes im derzeit noch ruhigen Norden und in der Hauptstadt Kabul in den Süden und Osten des Landes entsandt werden können.
 
In einer ersten Reaktion auf das NATO-Treffen erklärte Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, »die Eskalation der Gewalt in Afghanistan« habe gezeigt, daß das Einsatzkonzept der NATO »gescheitert« sei. Die weitere Ausweitung des Truppeneinsatzes führe nur zu weiteren Opfern unter der Bevölkerung. Dies habe auch »das US-Massaker in Haditha im Irak gezeigt«. Statt dessen fordert die Linksfraktion den »sofortigen Abzug der deutschen ISAF-Einheiten aus Afghanistan«.
 
Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/06-09/011.php 9. 6. 2006