Doris Auerbach - Der EU-Kongoeinsatz - Wie sich die BRD, Mitglied der Wertegemeinschaft EU, im Kongo verhält, zeugt von einer nicht zu unterschätzenden Arroganz:

In einem offenen Brief protestieren hochrangige kongolesische Exiloffiziere gegen Gewaltdrohungen des Bundeswehrgenerals Viereck. Als Einsatzleiter des europäischen Expeditionskorps hat Viereck mit "tödlicher Gewalt" gedroht, sollte sich die Bevölkerung des Kongos gegen die Interventen erheben. Wie es in dem Schreiben heisst, gehe es bei dem Militäreinsatz nicht um den Schutz der kongolesischen Wahlen; vielmehr verfolge die EU eine andere Absicht - den Testlauf europäischer Militärverbände an afrikanischen Zivilisten zu exekutieren. Man werde die beabsichtigte Unterwerfung der Kongolesen und die Verletzung ihrer staatlichen Souveränität zu erwidern wissen, kündigen die kongolesischen Offiziere an. 1 Die Ankündigung sei exzessiv und sehr schwerwiegend und beunruhige, weil sie sich gegen Zivilisten wende, wird in dem offenen Brief an Viereck ausgeführt. Selbst französische Generäle, die mit ihren Truppen seit den 1960er Jahren häufig in Afrika eingeschritten sind, hätten nie in einer solch verächtlichen Sprache geredet, schreiben die Unterzeichner. Offenbar werde erwartet, dass sich die kongolesische Bevölkerung wie unter einer Diktatur ruhig verhalten müsse; erkennbare Aufgabe des EU-Militärs sei es, durch Einschüchterung Zwang auszuüben. Wegen der martialischen Drohungen werfen die kongolesischen Exiloffiziere Viereck vor, er missachte grundlegende Menschenrechte und kündige Prinzipien des internationalen Kriegsrechts auf. 2 "Wenn die Abschreckung nicht ausreicht (...), können wir Gewalt anwenden, wenn nötig auch tödliche Gewalt", hatte Viereck bereits Mitte Juni erklärt. Ebenso hat er angekündigt, notfalls auch auf bewaffnete Kinder schiessen zu lassen. Im Zuge der Forderung der Beendigumg der ausländischen Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes war von den Demonstranten ihrerseits damit gedroht worden, Soldaten der europäischen Eingreiftruppen zu töten. Es sollte auch niemand überrascht sein, wenn es bei den gegen die europäischen Interventionstruppen gerichteten Protesten in der kongolesischen Hauptstadt hiess: "Wenn sie nicht vorsichtig sind, werden wir vielleicht einige von ihnen verbrennen müssen."Was Karlheinz Viereck betrifft, so wähnt er sich ganz offensichtlich in einem wiedergekehrten Kolonialzeitalter.

BRD Verteidigungsminister Jung seinerseits liess verlauten, auch er richte sich auf etwa vier Wochen nach den Wahlen - wenn das Ergebnis feststehen wird - eintretende Kampfhandlungen ein, was dem Friedenswillen der Europäer einmal mehr Hohn spricht. Er bekräftigte in der kongolesischen Hauptstadt, dass die EU-Truppen im Ernstfall klar und deutlich einschreiten werden. Mit welchem Recht? Soll etwa nach dem Irak und Afghanistan jetzt auch noch der Kongo unterworfen und besetzt werden? Die 2 000 unter dem blauen Sternenbanner der Europäischen Union agierenden Soldaten kommen aus 16 Ländern, einschliesslich der Türkei. Mit je 780 und 800 Soldaten stellen die Deutschen und Franzosen die stärksten Kontingente. Was die Kosten des Einsatzes resp. dessen Finanzierung betrifft, so hält man sich vorläufig bedeckt. Es könnte durchaus sein, dass Deutschland und Frankreich, die die Hauptkontingente stellen, auch den Löwenanteil übernehmen müssen, gemäss dem bislang geltenden Prinzip, dass die Kosten dort gezahlt werden, wo sie anfallen.
 
Tödliche Auseinandersetzungen, die, wie jedermann erwartet hätte, absolut zu verhindern gewesen wären, sind inzwischen eingetreten. Bei den gegen die kongolesische Wahlkommission  gerichteten Protesten  wurden Demonstranten von Polizisten brutal  geschlagen. Damit stehen Polizeikräfte einmal mehr nicht auf der Seite ihres eigenen Volkes, sondern auf der Seite der herrschenden Eliten. UNO-Angaben vom Mai 2006 belegen, dass sich die Sicherheitskräfte im Kongo schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben. Armee und Polizei hätten im vergangenen Jahr vor allem im Osten des afrikanischen Landes systematisch Gewalt gegen die Zivilbevölkerung angewendet, heisst es in einer Untersuchung der UNO-Mission im Kongo (MONUC).  In den vergangenen Tagen sind in der ostkongolesischen Provinz Nordkivu Wahlkämpfer verschiedener Parteien Opfer bewaffneter Überfälle geworden. Dabei kam es auch zu Schiessereien mit mehreren Verletzten. Zahlreiche Gebiete der Provinz gelten als unzugänglich für Wahlkampfteams, insbesondere Gegenden, in denen aufständische Milizen Quartier bezogen haben. Aber auch in anderen Landesteilen wird der westliche Truppeneinmarsch von steigenden Spannungen begleitet.
 
Die Wahl selbst ist nach einem fünfjährigen Bürgerkrieg,  bei dem rund vier Millionen Menschen ums Leben kamen, die erste freie Wahl im Kongo seit 40 Jahren; dennoch wird bereits ein Wahlbetrug befürchtet. Anlässlich des Beginns der Wahlkampfphase gingen Exilkongolesen in  Brüssel auf die Strasse, wo zu Tausenden gegen die Interventionsarmee demonstriert wurde. ‚Nein zum Neokolonialismus’, hiess es in der belgischen Hauptstadt, ‚der Kongo ist nicht zu verkaufen’. Alle diese Demonstrationen in Ehren, dennoch ist schwer begreiflich, dass nie zur Sprache kommt, dass es ihre eigene Oberschicht ist, der der Verkauf des Landes resp. der Ressourcen anzulasten ist. Bei der Übermacht der Brüsseler EU-Kommission ist im übrigen kaum anzunehmen, dass Proteste dieser Art sie in irgendeiner Weise beunruhigen, sind wir als Bürger doch längst mehr oder weniger zu einer quantité négligeable herabgesunken.
 
Die Regierung der BRD wird im Zusammenhang mit dem Truppeneinsatz im Kongo von der UNO schwer belastet. Dabei geht es in erster Linie um eine deutsche Erzmine in der kongolesischen Provinz Nordkivu, die den UNO-Experten zufolge seit 2004 von Kriegsverbrechern und Waffenschiebern als Stützpunkt genutzt wird. Haupteigentümer der Mine, die den strategisch wichtigen und seltenen Rohstoff Pyrochlor, ein pulverartiges Erz, das für Legierungen in Triebwerken und Raketen verwendet wird, fördert, ist die Gesellschaft für Elektrometallurgie (GFE) mbH mit Sitz in Nürnberg. Die Kritik richtet sich auch gegen das Bundeswirtschaftsministerium der BRD, das, wie es heisst,  der GFE 1994 als Entschädigung für Kriegsschäden an der Mine 7 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt zahlte. Wo man hinblickt, wiederholt sich dasselbe Muster: Es wird weder etwas gegen die Rüstungsverkäufe in kriegsgefährdete Länder unternommen, noch die Kriegsherde als solche in erforderlichem Ausmass bekämpft, es ist wesentlich einfacher, zur Abdeckung der Folgen unsere Steuergelder zu missbrauchen. Der UNO-Bericht legt nahe, dass die GFE und die Bundesregierung die Verflechtungen mit Waffenschiebern dulden, um die Interessen an der Mine zu wahren. Der Anteil der GFE an dem Bergbauunternehmen beträgt 70 %. Wie der Erwerb eines derart hohen Anteils überhaupt zustande kommen kann, gibt zu denken. Wie weiter dargelegt wird, nutzten General Laurent Nkunda und Colonel Jules Mutebutsi die Mine im Sommer 2004 als Stützpunkt. Gegen diese ergeht der Vorwurf, im Juni 2004 für schwere, durch ihre Truppen in der ostkongolesischen Stadt Bukavu begangene Kriegsverbrechen verantwortlich zu sein. Berichten zufolge ist insbesondere der warlord Nkunda, ein langjähriger Kampfgefährte des ruandischen Staatspräsidenten, in den vergangenen Wochen mit modernstem Kriegsmaterial beliefert worden. Hinweise darauf, wer dieses zur Verfügung gestellt hat, fehlen naturgemäss.
 
Der Geschäftsführer des Bergbauunternehmens ist laut den Experten der UNO, eng mit ‚Tous pour la paix et le développement’ (TPD) verbündet, eine Bewegung, die sowohl von der UNO als auch von der EU als Waffenschieberorganisation geächtet und mit Sanktionen belegt wurde. Man fragt sich unwillkürlich, wie diese zu ihrem Namen kommt, da sie dem Frieden ganz offensichtlich nicht dient. Zieht man, wie oben dargelegt, in Betracht, dass eine landeseigene Mine zu 70% in ausländischem Besitz ist  - was mit Sicherheit hinter dem Rücken der Bevölkerung, also ohne deren Beteiligung, ausgehandelt wurde - so lässt sich auch der Begriff ‚Entwicklung’ streichen.
 
Wie man erfährt, fordert der BRD Bundestagsabgeordnete Hans Christian Ströbele vom Bundeswirtschaftsministerium Aufklärung über die Vorwürfe. Es geht u.a. auch um die Einhaltung des Waffenembargos. Wie Report Mainz vom 3.7. ausführt, waren weder das Bundeswirtschaftsministerium noch das Auswärtige Amt zu einem Interview bereit. In diesem Zusammenhang gilt es festzuhalten, dass Gernot Erler, Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt, in einer Antwort auf eine Anfrage von Ströbele schrieb, die Bundesregierung führe bezüglich der Feststellungen der UNO-Experten einen engen Dialog mit dem Sanktionsausschuss der Vereinten Nationen. Erler wies die Unterstellung zurück, es bestünden zwischen Rebellenorganisationen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes und des Bundeswirtschaftsministeriums Verflechtungen und ein Zusammenwirken. Es wird sich zeigen, ob Erler - falls eine genaue Untersuchung der Hergänge überhaupt stattfinden wird - die Wahrheit gesagt hat, was man in Anbetracht des Umstands, dass die Bundesregierung in der Affäre um die deutsche Unterstützung ostkongolesischer Rebellenmilizen inzwischen unter Druck gerät, durchaus bezweifeln kann. Daher auch die Frage der Exiloffiziere an Karlheinz Viereck, warum er nicht gegen die betreffenden Milizen einschreite. Man ist  inzwischen ja daran gewöhnt, dass der wirkliche Tatbestand fast nur noch auf starken Druck hin ans Licht des Tages kommt. Auch die GFE stritt Report Mainz gegenüber jede Verantwortung für das Vorgehen ihrer Tochterfirma ab: die von den UNO-Experten kritisierten Verbindungen zu Kriegsverbrechern und Waffenschiebern seien in Nürnberg nicht bekannt. Das Inabredestellen ist schliesslich zunächst immer wieder das bequemste. Auch GFP  2  berichtet, dass Berlin die indirekte Unterstützung separatistischer Banden vorgeworfen wird.
 
Die bereits in Gang befindliche EU-Intervention, so GFP, führt zu einer weiteren Militarisierung der innerkongolesischen Fraktionskämpfe. Kongolesische Medien berichten von einer rund 3.000 Mann umfassenden Einheit, die als Teil der Privatmiliz des Vizepräsidenten und ehemaligen Rebellenchefs Jean-Pierre Bemba fungiert; sie ist nur 80 km von Kinshasa entfernt stationiert. Es wäre nicht nur wissenswert, zu erfahren, wer die besagte Privatmiliz mit Waffen ausrüstet, sondern auch, woher die Mittel, mit denen Bemba seine Truppe unterhält, stammen. In den Kivu-Provinzen im Osten des Landes halten die Spannungen zwischen den UNO-Truppen und proruandischen Rebellenmilizen um Laurent Nkunda an. Ein Erkundungstrupp der Europäischen Union ist in der vergangenen Woche in der Diamantenstadt Mbuji-Mayi eingetroffen, die als Hochburg der Oppositionspartei UDPS gilt; letztere boykottiert die Wahlen und ruft zu Protesten gegen die europäische Militärintervention auf.
 
Berlin hat somit nicht nur die UDPS, die grösste Oppositionspartei, welche über zahlreiche Unterstützer in den Armenvierteln Kinshasas verfügt 3, gegen sich. Wie bei dem immensen  Reichtum des Kongos an Rohstoffen wie Uran, Diamanten, Gold, Silber, Kupfer, Kobalt (65 % der Weltreserven), Zink, Zinn, Titan, Mangan, Blei, Niob, Rohöl und Coltan, das für Computer-Mikroprozessoren und Handys benötig wird, noch immer von Armenvierteln die Rede sein kann, muss allein schon als ein offener Beweis für eine nicht abreissende gnadenlose Korruption interpretiert werden. In der Tat hat dieser Rohstoffreichtum die Bevölkerung nichts anderes als arm gemacht. Seit Jahrzehnten muss sie dafür unendlich leiden, weil sie schon früh ins Visier von Geostrategen und Rohstoffausbeutern geriet. Bereits 1884 übernahm der belgische König den Kongo als Privatbesitz und ermordete oder verstümmelte mindestens ein Zehntel der Bevölkerung. Sodann verhinderte Belgien in den darauffolgenden Jahrzehnten, dass die Bevölkerung Zugang zur Bildung hatte. Der erste Präsident, Lumumba, wurde unter Anleitung von Belgien und den USA im Januar 1961 ermordet, weil er dem Volk echte Selbstbestimmung geben und den Einfluss der westlichen Firmen zurückdrängen wollte. Statt Lumumba wurde dann Mobutu eingesetzt, der vor allem einer kleinen Clique zu immensem Reichtum verhalf und das Volk in Armut beliess. Anschliessend konnte die Ausbeutung wie gewohnt ihren Gang nehmen. 'Sowohl Mobutu als auch Kabila haben ihre Herrschaft den Vereinigten Staaten und deren Auslandsgeheimdienst CIA zu verdanken." Wie wir selbst mit afrikanischen Ressourcen umgehen, belegt ein Bericht über das für die Mikrochips in Handys notwendige Erz Coltan, das praktisch nur im Kongo abgebaut wird. Der weltweite Handyboom und die Unlust zum Recycling, was einen immer höheren Abbau erfordert, bedroht inzwischen den Lebensraum der Menschenaffen in Afrika. Allein in der USA liegen eine halbe Milliarde ausgemusterter Handy herum.
 
Die UDPS begründet ihren Wahlboykott mit der Aussage, von den EU-Staaten ins Abseits manövriert worden zu sein, da diese ihre Geschäfte mit den jetzigen Regierungsfraktionen fortführen wollten. Darüber hinaus wird die Regierung der BRD verdächtigt, ihre langjährige Unterstützung für sezessionswillige proruandische Kräfte im Osten des Landes fortzusetzen. In den beiden rohstoffreichen ostkongolesischen Kivu-Provinzen dominieren Seilschaften und Milizen, die über enge Kontakte zur Regierung im benachbarten Kigali verfügen und einen Anschluss des Gebiets an die ehemalige deutsche Kolonie Ruanda nicht ablehnen. Nach Auskunft des Afrika-Experten Dr. Helmut Strizek hat die Bundesregierung bereits vor Jahren eine mögliche Abspaltung der beiden Kivu-Provinzen "faktisch (...) gebilligt" 4. Die Deutschen spielen ein doppeltes Spiel, heisst es daher unter Verweis auf das EU-Einsatzmandat, das ein Eingreifen der europäischen Truppen in den beiden Kivu-Provinzen ausdrücklich ausschliesst, in der kongolesischen Tageszeitung L'Avenir.
 
Die deutsche Bundesregierung kooperiert eng mit dem Militärregime in Ruanda, das nach dem Genozid im Jahr 1994 an die Macht gelangte. Bundeswehrsoldaten hatten 1994 den Machtwechsel im Rahmen eines UN-Einsatzes in Ruanda begleitet; in Kigali werde ‚anerkannt, dass sich Deutschland (...) rasch mit humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit engagiert hat’, heisst es im Auswärtigen Amt. In der Folge hielten ruandische Truppen in Abstimmung mit dem Westen den Ostkongo besetzt, die Ausbeutung der dortigen Rohstoffe zugunsten Ruandas erreichte neue Höhepunkte. Konsequenterweise wertete Berlin im Jahr 2001 Ruanda zum Schwerpunktland der deutschen Entwicklungshilfe auf. 5 Was die Finanzierung der Militäroperationen Kigalis in Kongo-Zaire betrifft, so führte Prof. H. Wolff, Bochum, in der Neuen Zürcher Zeitung Nr. 123 vom 1.6.99 aus, dass schätzungsweise mindestens 80 % des Staatshaushaltes Ruandas aus ausländischen Zuwendungen stammen. Je nach Quelle werden davon 38 bis 50 % für das Militär ausgegeben. Das Ausland, nämlich Grossbritannien und die USA, seien direkt an der Finanzierung des Krieges in Kongo-Zaire beteiligt.
 
Wir haben hier erneut den Beweis dafür, dass unsere unaufhörlich und praktisch unkontrolliert in die Entwicklungshilfe rinnenden Steuergelder  - was die Verschuldung der Geberländer zusätzlich in die Höhe treibt -  in hohem Ausmass statt in Bildung und Gesundheit in die Rüstung investiert werden. Andernfalls könnten die Kriege um die Ressourcen kaum eine Fortsetzung finden. Das alles kümmert unsere Regierungen offensichtlich in keiner Weise, findet dieser Mechanismus doch nie einen Unterbruch. So befand auch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit [DEZA] unter ihrem Chef Walter Fust im Januar 2005, dass die Hilfe für Ruanda zu verlängern sei, eine Auffassung, die auch Nationalrat Erwin Jutzet teilte. Das Land könne nicht gemäss westlicher Kriterien beurteilt werden, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Wieso auch, da wäre man ja gezwungen, zunächst dafür zu sorgen, dass die abgrundtiefe Korruption ausgeräumt wird. «Zuerst muss die Sicherheit wiederhergestellt sein, bevor demokratische Finessen in den Vordergrund rücken können» sagte Jutzet, der Präsident der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats und plädierte dafür, dass die Hilfe an Ruanda ausgeweitet wird. Dies hatten auch mehrere Westschweizer NGO in einer Petition gefordert. Das gegenwärtige Programm der DEZA beläuft sich auf fünf Millionen Franken pro Jahr. Von welchen Überlegungen hier ausgegangen wird, bleibt ein Rätsel, so dass man durchaus annehmen darf, dass solche überhaupt nicht angestellt werden. Wenn die demokratischen Finessen so aufzufassen sind, dass sie vor der Endverteilung der Ressourcen nicht zum Tragen kommen können, dann muss man sich angesichts der geschilderten Tatsachen zwangsweise auf einen weiteren Kriegsabschnitt einrichten. Wäre es möglich, dass unsere Politiker einmal begriffen, dass dieser nicht endenwollende Kreislauf von Korruption, Bereicherung und Missbrauch  - vor allem unserer Steuergelder - der seit Jahren in Afrika greifbar ist, den Ausgangspunkt für die Migrationen bildet, die uns derzeit aus Afrika ins Haus stehen.
 
Was den Kampf um die Ressourcen betrifft, so machten Leonce Ndarubagiye vom Rat zur Verteidigung der Demokratie in Burundi (CNDD) und Jean Gahrururu, der Beauftragte für Aussenpolitik der Flüchtlingsorganisation  RDR aus Ruanda, in ihrem erschütternden Bericht vom Mai 2001 über die Lage im Gebiet der Grossen Seen deutlich, dass die Ursache des völkermörderischen Gemetzels in Burundi und Ruanda nicht etwa der ethnische Konflikt zwischen Hutus und Tutsis gewesen sei, sondern vielmehr eine vorsätzliche  Entvölkerungsstrategie derer, die Afrikas reiche Vorkommen an Gold, Diamanten, Kobalt und anderen Rohstoffen ausbeuten wollen. Auch eine Offenlegung dieser Art wird nichts daran ändern, dass der neue Menschenrechtsrat in Genf  - genau gleich wie sein Vorgänger - eine unendliche Farce bleibt, vermutlich die Beruhigungspille für unsere Politiker und ihre ‚hehren Beschlüsse’. Die Kriege um die Rohstoffe, so steht zu befürchten, werden sich daher in gewohnter Weise fortsetzen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem entweder alles verteilt oder alles zerstört ist. Ein Einsehen ist kaum zu erwarten, was indirekt durch die ebenfalls neu geschaffene UNO-Kommission für Friedensbildung - man lese genau - in Nachkriegszeiten bestätigt wird, da uns deren Präsident, Jan Eliasson, am 23. 6. 06 folgendes wissen liess: „Die Vereinten Nationen sind sehr erfolgreich darin, Kriege zu beenden. Dauerhaften Frieden zu schaffen hat sich als sehr viel schwieriger erwiesen. Durch dieses neue regierungsübergreifende Organ haben wir die Chance, dies in den kommenden Jahren zu ändern.“ Nun wissen wir einmal mehr, dass das, was sich über Jahrzehnte hinweg konstatieren liess, nämlich die Unfähigkeit - oder auch das Nichtgewilltsein - der UNO, Kriege zu verhindern, offenbar in das offizielle Repertoire Eingang gefunden hat, auch wenn die Andeutung erfolgt, hier eine Änderung herbeiführen zu wollen. Das unverwechselbar gleichbleibende Ziel besteht auch hier darin, zu garantieren, dass Länder im Anschluss an bewaffnete Auseinandersetzungen von der Internationalen Gemeinschaft unterstützt werden. Es ist nie die Rede davon, dass erwogen würde, einen Teil der Erlöse der landeseigenen Ressourcen für solche Vorhaben zuzuziehen. 
 
Alles, was uns im übrigen der neue Menschenrechtsrat noch zusätzlich bescheren wird, ist eine Reihe von Prozessen gegen sogenannte Kriegsverbrecher, deren ausufernde Kosten wir zusätzlich zu schultern haben. Die wahren, an dem Ausbruch von Kriegen eine Mitschuld tragende Missetäter, zu denen ich beispielsweise einen Kissinger oder den Hauptarchitekten des mörderischen Irakkriegs, Paul Wolfowitz, zähle, werden praktisch nie zur Verantwortung gezogen. Im Gegenteil: letzterer kann heute ruhig an der Spitze der Weltbank stehen, deren Politik in den vergangenen Jahrzehnten höchst umstritten war und dem Wohlergehen der Bevölkerung der die Kredite nutzenden Länder nur sehr begrenzt diente. Aber auch das stört unsere Parlamentarier mehrheitlich in keiner Weise.
 
Die proruandischen Kräfte in den beiden Kivu-Provinzen, die von dem Berliner Verhalten bis heute profitieren, gelten als mögliche Saboteure der kommenden Wahlen. Sie sind in der Bevölkerung unbeliebt und müssen daher am 30. Juli mit einer Niederlage rechnen. Während militärische Aufstände ihrerseits nicht ausgeschlossen werden, halten Beobachter auch eine zweite Variante für möglich. Demnach könnten sie tatsächliche oder angebliche Übergriffe seitens der bislang erfolgreich beherrschten Bevölkerung geltend machen, um Ruanda als ‚Schutzmacht’ zum Eingreifen aufzufordern. Dies wäre der Beginn eines dritten Krieges im Osten der Demokratischen Republik Kongo und würde den geplanten Abzug der EU-Truppen erschweren. Wegen der weitreichenden militärischen Afrika-Pläne Berlins schlägt der deutsche Verteidigungsminister daher vor, Bundeswehreinheiten aus Südosteuropa abzuziehen, um sie als Verstärkungen für das Afrika-Kontingent bereitzuhalten. 2
Die Bundeswehr ist inzwischen mit rund 35 Soldaten in Kinshasa und mit rund 110 Soldaten in Libreville (Gabun) präsent und wartet auf Verstärkung. 2
 
Gänzlich unglaubwürdig wird es in meinen Augen, wenn der deutsche Bundespräsident Horst Köhler um  Sondermassnahmen für Afrika kämpft [so geschehen am 1. 12. 2004] und sich  für eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ausspricht, wenn dort Menschenrechte massiv verletzt werden. Über das auslösende Element für diese Verletzungen hüllt er sich offenbar in Schweigen. Im Hinblick auf die Zustände in vielen afrikanischen Ländern forderte der Bundespräsident bei einer Rede in Tübingen mehr Hilfe von der Weltgemeinschaft, was nichts anderes als die Bereitstellung vermehrter finanzieller Mittel von Seiten der Internationalen Gemeinschaft - die seit langem über die UNO gezwungen ist, schlichtweg für alles aufzukommen - bedeuten kann. So mahnte Köhler das 30 Jahre alte Versprechen der Industrieländer an, 0,7 % ihres Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe aufzuwenden. ‚Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft weltweit eine Lücke von fast 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr.’ Wie wir diese noch erarbeiten sollen, daran wird wir üblich kein Gedanke verschwendet, geschweige denn an die Tatsache, dass bei der gigantisch hohen Verschuldung der Haushalte in keinem Industrieland noch die Rede von Reichtum sein kann. Doch ist es, wie gesagt, auch in diesem Zusammenhang so bequem, auf dem ausgetretenen Pfad der immer gleichbleibenden Forderungen zu wandeln, was einen der Pflicht enthebt, sich mit den dieser Notwendigkeit zugrunde liegenden Ursachen zu befassen.
 
„Der Respekt vor einer anderen Kultur darf aber keine pseudo-kulturelle Bemäntelung von Unterdrückung, Diktatur und Armut hinnehmen", sagte Köhler ferner vor den Gästen der Stiftung Weltethos in der Universität Tübingen. Ausdrücklich bezog er sich dabei auf Afrika. Hier bin ich der Auffassung, dass dies jedoch genau das ist, was der Westen der afrikanischen Bevölkerung seit Jahrzehnten immer wieder angedeihen liess. Die Haltung, fährt Köhler fort, dass man sich überhaupt nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen solle, sei ‚nicht nur moralisch fragwürdig, ich halte sie auch politisch für fatal’, was kaum überrascht, würde ein Nichteingreifen doch unsere Chancen, sich der Schätze anderer Nationen mit Hilfe der ‚Eliten’ des Landes zu bemächtigen, drastisch verringern „Oftso Köhler ferner,  „verhinderten aber politische und ökonomische Interessen, dem Recht auf ein menschenwürdiges Leben, auf Freiheit und Selbstbestimmung wenigstens näher zu kommen.“ Hier spricht er - sicherlich unbeabsichtigt, wie ich vermute - ein wahres Wort aus. Denn dafür ist der Kongo neben Indonesien wohl das schreiendste Beispiel, da der Westen dort die Fäden lange genug so gezogen hat, dass weder die Selbstbestimmung noch die Freiheit zum Zug kommen konnten. Abschliessend noch die folgenden Worte Köhlers: „Gerade wir in den westlichen Demokratien ziehen uns oft den Vorwurf der Heuchelei zu, und manchmal sicher zu Recht“, was für meine Begriffe den jetzt erfolgenden Eingriff der EU-Truppen im Kongo vollumfänglich charakterisiert.
 
 
1http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56428  04.07.2006
2 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56428  04.07.2006
3 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56414  27. 6. 06
4 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56408  20.06.2006
5 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56376  29. 5. 06