Wie bekannt wurde, ist gegen Uri Averny, der 1997 den Aachener Friedenspreis erhielt, ein Mordaufruf ergangen

Der Gründer und Vorsitzende der rechten israelischen Partei »Jüdisch-Nationale Front« und Kandidat für die israelischen Parlamentswahlen, Baruch Marzel, hat die »gezielte Tötung« Uri Avnerys durch die israelische Armee gefordert. Der zum Mord aufrufende Politiker wurde im israelischen Fernsehsender "Kanal 10" ausführlich interviewt, wobei ein grosses Foto von Averny im Hintergrund zu sehen war. Wer sich an den Mord an dem israelischen Premierminister Yitzhak Rabin erinnert, so Otmar Steinbicker, der Vorsitzende des Aachener Friedenspreises e.V., der weiss, dass sich da schnell jemand finden kann, der nicht abwarten will, ob die israelische Armee Avnery jemals tötet. Steinbicker hat nicht nur an den Botschafter des Staates Israel, Herrn Shimon Stein, appelliert, darauf hinzuwirken, dass die israelische Regierung die Sicherheit von Uri Avnery gewährleistet und die israelische Justiz den Aufruf zum Mord mit aller gebotenen Härte bestraft. Auch an Bundesaussenminister Steinmeier erging die Bitte, in dieser Richtung auf die israelische Regierung einzuwirken.

Von Uri Averny selbst traf am 22.03. 06 folgende Nachricht bei Otmar Steinbicker ein: 
"Lieber Otmar, Ich habe im Laufe der Jahre einige Attentate erlebt, nachdem ich im Unabhängigkeitskrieg (1948) schwer verwundet worden bin. Ich lasse mich nicht einschüchtern. Herr Baruch Marzel würde in jedem anderen Land als Neo-Nazi bezeichnet. Die Tatsache, dass so ein Mensch heute in Israel für das Parlament kandidieren darf, spricht Bände. Dass er nach dieser Morddrohung im israelischen Fernsehen darüber lange interviewt worden ist (mit meinem Bild im Hintergrund) besagt noch mehr. Die Besatzung verroht Israel. Wir müssen sie loswerden, zusammen mit dem ganzen faschistischen Gesindel.

Schalom, Uri Avnery
Aufruf: Bitte intervenieren Sie bei der Botschaft des Staates Israel und bei Bundesaussenminister Steinmeier.
 
Der in Straubing lebende Pater Rainer Fielenbach stellte fest, dass es <<bis heute (21.3.) auf diesen Mordaufruf ausser bei Friedensgruppen keine Reaktion gab. Obwohl Uri Avnery in Beckum geboren und in Deutschland gut bekannt ist, gab es auch bei uns ausser bei den Friedensgruppen fast keine Reaktion. Bei den deutschsprachigen Suchmaschinen im WWW gab es bei diesem Thema eine Fehlanzeige. Zahlreiche Briefe an Verantwortliche in der deutschen Politik wie Bundeskanzlerin Merkel und Aussenminister Steinmeier mit der Bitte um Intervention in Israel zum Schutz von Uri Avnery und zur Strafverfolgung von Baruch Marzel bleiben unbeantwortet. Im Fall des zum Christentum übergetretenen Afghanen Rahmann schaltete sich die Bundesregierung sofort ein - selbstverständlich berechtigt. Warum fordert sie nicht auch gegenüber der israelischen Regierung öffentlich den Schutz von Uri Avnery?! Warum wird gegenüber Israel wieder einmal geschwiegen? >>
 
Es hat tatsächlich den Anschein, als würde das, was Fielenbach schreibt, auch weiterhin zutreffen, da in den deutschsprachigen Meldungen nichts über diese ungeheuerliche Aufforderung zu hören ist.
 
Die Junge Welt * schrieb hierzu am 23.3.06 <Es war wohl eine Rede von Uri Avnery in der vergangenen Woche nach dem israelischen Angriff auf ein palästinensisches Gefängnis in Jericho, die Marzel zum hasserfüllten Mordaufruf inspirierten. Avnery hatte es doch tatsächlich gewagt, die Verschleppung von Gefangenen, die im Jahr 2001 an der Tötung des damaligen israelischen Tourismusministers Rehavam Zeevi beteiligt waren, scharf zu kritisieren. » Es gibt unter uns Hunderte von Menschen, die „gezielte Vorbeugungen“  [eine häufig verwendete israelische Umschreibung für „gezielte Tötungen“] ausgeführt haben, was die Ermordung von Passanten einschliesst«, so Avnery. »Die Tötung von Kabinettsminister Zeevi war im wahrsten Sinne des Wortes eine „gezielte Vorbeugung“. Jene, die „gezielte Vorbeugungen“ loben, können nicht sagen, dass dies, wenn wir es tun, grossartig ist und ein nationaler Akt, aber wenn es andere mit uns machen, ein schreckliches Verbrechen ist.« Und weiter: Rehavam Zeevi befürwortete offen die Ausweisung aller Araber aus dem Land, und ich sehe keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen seiner Tötung und der von Anführern der palästinensischen Fraktionen.«
 
In diesem Zusammenhang ist auch der nachfolgende Artikel lesenswert:
 
Gideon Levy - Eine rassistische Nation 
 
Auch wenn es nicht so aussieht: die Wahlen in dieser Woche sind wichtig, weil sie das wahre Gesicht der israelischen Gesellschaft offenbaren und ihre verborgenen Ziele: mehr als 100 gewählte Kandidaten werden zur Knesset geschickt: auf Grund einer Karte - der Rassismuskarte. Auch wenn wir gewöhnlich denken, dass zwei Israelis drei Meinungen haben, hier wird deutlich, dass fast jeder Israeli nur eine Meinung hat - Rassismus. Die Wahlen von 2006 werden dies deutlicher als je zuvor machen. Eine absolute Mehrheit der Mitglieder in der 17. Knesset wird eine Position einnehmen, die auf einer Lüge beruht: „Israel hat keinen Partner für den Frieden.“ Eine absolute Mehrheit der Knessetmitglieder der nächsten Knesset glaubt nicht an Frieden, ja wünscht ihn nicht einmal - genau wie ihre Wähler. Schlimmer noch: sie sehen die Palästinenser nicht als gleichwertige Menschen an. Rassismus hatte nie so viele freimütige Unterstützer. Dies ist der wirkliche Hit dieser Wahlkampagne.
 
Man muss nicht Avigdor Lieberman sein, um Rassist zu sein. Der von Ehud Olmert vorgeschlagene „Frieden“ ist nicht weniger rassistisch. Liebermann möchte sie weit weg von unseren Grenzen haben und Olmert & Co möchte sie aus unserem Bewusstsein entfernen. Keiner spricht mit ihnen über Frieden, keiner wünscht ihn wirklich. Nur ein Wunsch vereinigt sie: sie los zu werden - auf diese oder eine andere Weise. Vertreibung oder Mauer, „Trennung“ oder „Sammlung“ - „Hauptsache: sie verschwinden aus unserem Blickfeld.“ Das einzige Spiel in der Stadt, die „einseitige Vereinbarung“, basiert nicht nur auf einer Lüge, es gäbe keinen Partner, es basiert auch nicht ausschliesslich auf unserem „Eigenbedarf“ wegen eines Überlegenheitsgefühls, sondern führt zu einem gefährlichen Verhalten, das die Existenz des anderen Volkes total ignoriert. Das Problem ist, dass dieses Gefühl sich ganz auf einer illusorischen Voraussetzung gründet. Die Palästinenser sind hier - genau wie wir. Sie werden deshalb gezwungen sein, uns weiter an ihre Existenz zu erinnern, in einer Weise, wie wir und sie es kennen, durch Gewalt und Terror.
 
Dieses düstere Kapitel der Geschichte Israels begann in Camp David, als es Ehud Barak gelang, die Unwahrheit zu verbreiten, es gäbe auf palästinensischer Seite niemanden, mit dem man reden kann, dem man zwar den Himmel, die grössten je vorgeschlagenen Konzessionen versprochen, der aber mit Gewalt reagiert habe. Dann kamen die grösseren Terroranschläge, und die israelische Gesellschaft zog sich in eine nie vorher gekannte krankhafte Apathie zurück. Während sie gewöhnlich völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem palästinensischen Leiden demonstriert, „verbreitete sich die Apathie und schloss die schwachen Israelis mit ein, die Araber, die Armen, die Kranken.“ In dieser Hinsicht scheint die augenblickliche Wahlkampagne - langweiliger denn je - fast ein Ausdruck des Zustandes öffentlicher Fürsorge zu sein. Nichts kann sie aus ihrem Koma wecken: weder die Gefangenschaft des benachbarten Volkes, noch das Töten und die Zerstörung, die wir in seine Gesellschaft hineintragen, noch das Leiden der Schwachen unter uns. Wer hätte je geglaubt, dass im Israel des Jahres 2006 das Töten eines 8jährigen Mädchens aus nächster Nähe, wie es in der vergangenen Woche in Yamoun geschah, kaum erwähnt wird; dass der unbarmherzige Versuch, einen aidskranken Äthiopier, der mit einer Israelin verheiratet ist, auszuweisen, nur weil er nicht jüdisch ist, kein Zetermordio auslöst; und dass die Ergebnisse einer Umfrage aufzeigen, „dass eine Mehrheit der Israelis, 68%, nicht in der Nachbarschaft eines Arabers leben möchte.“ Auch das regt keinen auf. 1981 wurden Tomaten gegen Shimon Peres geworfen, 1995 wurde gegen Yitzhak Rabin gehetzt, jetzt gibt es keine Tomaten, keine Hetze und nicht einmal eine Wahlkundgebung.
 
Nichts bringt die Israelis auf die Strassen, nichts kann sie wütend machen. Eine Wahl ohne Beteiligung und Interesse ist für die Demokratie gefährlicher als eine Tomate. Es ist eine Demonstration der Apathie und Gleichgültigkeit, die das Regime ausnützen kann, um zu machen, was immer es will. Die Tatsache, dass es keinen wirklichen Unterschied zwischen den drei grossen Parteien gibt - mit nur einem Ausspruch: „fast das ganze Land gehört mir“ - ist eine schlechte Nachricht für die Demokratie. Die kommenden Wahlen sind also schon entschieden worden. Eine grosse Mehrheit wird ihren Stimmzettel für das rassistische System geben, das die Palästinenser ignoriert, wie es von Kadima, von Likud und zum grossen Teil auch von Labour vorgeschlagen wird. Keiner von ihnen versucht, einen gerechten Frieden vorzuschlagen; ihre Führer schweigen über Kriegsverbrechen und das Leiden, das durch Israel verursacht wurde. Ihnen werden sich die extremen Rechten und die Ultra-Orthodoxen anschliessen. Und damit haben wir eine Nation, in der Rassismus der wahre gemeinsame Nenner ist, der alle vereint. Fast jeder wird nein zum Frieden sagen und ja zur Fortführung der Besatzung ( wenn auch unter einem neuen Decknamen) und ja zur totalen Konzentration auf uns selbst.
 
Moralische Grundsätze sind schmutzige Wörter geworden und die schlimmste Korruption in der Geschichte des Landes, die Besatzung, wurde niemals erwähnt. Nur einseitige Landkarten, die sich alle ähneln und die die „Siedlungsblöcke“ einschliessen, ein Rückzug, entsprechend „unseren Bedürfnissen“, mit einer Trennungsmauer und der erschreckenden Atmosphäre von „Gleichgültigkeit, die über allem liegt.“
 
Quelle: http://www.zmag.de/artikel.php?id=1767
Ha'aretz / ZNet Deutschland 26.03.2006
 
 
Uri Avnery ist der Gründer der Gruppe »Gush Schalom« (Friedensblock). Er wurde 1923 in Beckum im Münsterland geboren und ging 1933 ins damalige Palästina. Er war in drei Amtsperioden Knesset-Abgeordneter und wurde 1997 mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Seine Analysen über den Nahost-Konflikt erscheinen regelmässig in derJungen Welt
 
* http://www.jungewelt.de/2006/03-23/038.php
Hassprediger des Tages: Baruch Marzel - von Norman Griebel und Rüdiger Göbel
 
Siehe auch Uri Averny - Und das große Spiel geht weiter auf politonline