North Stream 2 unter Dauerangriff 19.07.2020 20:36
d.a. Was lange angedroht und dementsprechend befürchtet war, ist eingetreten.
Wie US-Aussenminister Mike Pompeo am 15. Juli bekannt gegeben hat, setzt die Trump-Administration die Zwangsmassnahmen gegen Unternehmen, die am Bau der Gaspipeline beteiligt sind, mit sofortiger Wirkung in Kraft. Nicht, dass man von Seiten der UNO auch nur ein Wort gegen die Umsetzung dieser erpresserischen Gesetzgebung vernommen hätte. Vernehmbar indessen sind Stellungnahmen aus der deutschen Industrie und auf Regierungsebene. Fakt ist, dass die enge Vernetzung der Unternehmen und Banken mit den Vereinigten Staaten
zweifelsohne die Grundlage dafür bildet, dass die USA Sanktionen nach Belieben verhängen
können, was allein schon ihre Militärmacht garantiert. Es
geht in diesem Fall um rund 120 Unternehmen aus 12 Ländern Europas. Dazu
gehören 5 westeuropäische Energiekonzerne, die an Nord Stream 2 beteiligt sind:
Uniper (Ex-EON), die sich mehrheitlich im Besitz der BASF befindliche
Wintershall Dea, die österreichische OMV, welche Öl und Gas fördert und vermarktet,
die französische ENGIE (Ex GDF Suez) sowie Royal Dutch Shell (Grossbritannien/Niederlande).
Allein diese fünf haben jeweils 950 Millionen € in die Erdgasleitung investiert.
Bedroht sind Investitionen von etwa 12 Milliarden Euro.
Wie der Vorsitzende des Ost-Ausschusses,
Oliver Hermes erklärt, markiert Washingtons Schritt einen unfassbaren Tiefpunkt
in den transatlantischen Beziehungen. Er stelle einen beispiellosen Eingriff in
die europäische Energiesouveränität dar. »Die EU und Deutschland dürfen sich nicht wie ein
amerikanisches Protektorat vorführen lassen«, wird Hermes zitiert. Es bleibe »nichts
anderes übrig, als in gebotener Schärfe auf diesen Erpressungsversuch zu reagieren«. So
müsse die EU-Kommission »alle Angriffe von aussen
auf ihre Souveränität abwehren
und hierfür rasch einen harten Massnahmenkatalog vorstellen«.
Zudem werde »ein
wirksamer Schutzschirm für zu Unrecht von US-Sanktionen betroffene europäische Unternehmen
benötigt, der sie vor finanziellen Schäden bewahrt«. Dies
gilt ein weiteres Mal für die Steuerzahler! Hermes erinnerte auch daran, dass
die seit 2014 bestehenden EU-Sanktionen gegen Russland dazu beigetragen haben, dass
der deutsch-russische Handel weiterhin jährlich rund 20 Milliarden € unter
seinem alten Niveau liegt.
›Völkerrechtswidrig‹
Auf
ungewohnt scharfe Art und Weise hat die Bundesregierung reagiert. Mit ihrer
Sanktionsankündigung, so Aussenminister Heiko Maas, »missachtet
die US-Regierung das Recht und die Souveränität Europas, selbst zu entscheiden,
von woher und wie wir unsere Energie beziehen«. »Die
europäische Energiepolitik wird in Europa gemacht und nicht in Washington.
Extraterritoriale Sanktionen lehnen wir klar ab«.
Bereits
Ende Juni hatte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell erklärt, die Kommission
bereite einen ›erweiterten
Sanktionsmechanismus‹ vor, der die ›Resilienz‹ der EU »gegenüber den Auswirkungen extraterritorialer
Sanktionen, die durch Drittstaaten verhängt werden, verbessern werde«. Indessen
liegen hierzu keine Details vor. [1]
Die
soeben angeordneten Sanktionen gegen Nord Stream 2 beruhen auf dem sogenannten CAATSA-Gesetz, ein Gesetz über Massnahmen gegen Amerikas Gegner mittels
Sanktionen [Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act]. Mit diesem dürfen zwecks Abwehr von US-Gegnern jeweils Sanktionen gegen die Betreffenden verhängt werden; diese
dürfen ohne Zusage des Kongresses nicht aufgehoben werden. CAATSA, das sowohl
Sanktionen gegen Unternehmen wie auch gegen Einzelpersonen erlaubt, war im Juli
2017 im US-Kongress verabschiedet und am 2. August 2017 von US-Präsident Donald
Trump unterzeichnet worden. [1] So
zielt CAATSA beispielsweise auch auf russische
Waffenlieferungen, so dass grundsätzlich jeder Staat mit Sanktionen bedroht
wird, der etwa das russische Raketenabwehrsystem S-400 kauft. Betroffen hiervon
war Indien, als es dieses System erwarb; allerdings erhielt das Land, da
Washington es als potentiellen Verbündeten im Machtkampf gegen China umwirbt,
eine Ausnahmegenehmigung für den Kauf. Aktuell tobt erneut ein Streit zwischen
den USA und Indien, weil New Delhi den Kauf russischer Militärflugzeuge
beschlossen hat.
Die
Bestimmungen des 70 Seiten langen CAATSA-Gesetzes gebieten
einseitig allen anderen Staaten der Welt, die US-Handelsverbote zu respektieren.
Das
ist das eine; das Nächste, was aus den Forderungen Pompeos ersichtlich wird, scheint eine Vorstellung zu
zeigen, aus der hervorgeht, dass der US-Allmacht keine Grenzen gesetzt sind, so
dass man einerseits ein Land knebeln kann, von diesem aber dennoch, wenn
es gerade erforderlich ist, Beistand verlangt. Dass Pompeo Russlands Ostsee-Pipeline
zur ›Erdrosselung‹ bestimmt hat, hindert ihn keineswegs
daran, von dem jetzt der Willkür Washingtons ausgesetzten Land öffentlich zu verlangen,
dass es den USA neuerdings in ihrem selbst verschuldeten Afghanistan-Debakel zur
Seite steht. [2] Der Aussenminister hat
sich daher Mitte Juli in einer von der Zeitung ›The Hill‹ organisierten
Videoveranstaltung zu dem Thema wie folgt geäussert:
»Wir haben den Russen klargemacht, dass wir ihre Unterstützung
bei diesen Bemühungen benötigen. Wir haben ihnen klargemacht, dass wir
zusammenarbeiten müssen, damit Afghanistan ein souveränes, unabhängiges und
friedliches Land wird. Ich denke, das liegt im Interesse Russlands, Chinas, im
Interesse der Afghanen«.
Allein
schon die Formulierung ›klargemacht‹ zeugt eindeutig von einer krassen
Überheblichkeit. Im übrigen dürfte jeder, der sich den Zustand der von den Vereinigten
Staaten zu Unrecht angegriffenen und zerstörten Ländern bewusst macht, bezweifeln,
dass es den USA gerade in einem Land wie Afghanistan gelingen wird, eine sich ›Demokratie‹ nennende westliche Regierungsform durchzusetzen.
Unfassbar - in jeder Beziehung
Man
sollte nicht meinen, dass noch jemand mit Verstand nach all der Destruktion, wie
sie Sanktionen in den davon betroffenen Ländern hinterlassen, erwägen kann,
dieses Kampfmittel als Massnahme in Betracht zu ziehen. Man täusche sich nicht:
Wie einem Bericht von ›German
Foreign Policy‹ vom 16. Juli zu
entnehmen ist, ›plant Berlin während
seiner EU-Ratspräsidentschaft die Einführung eines Sanktionsmechanismus nach
US-Vorbild‹. [3] Man weiss nicht so recht, ob hier
der Grössenwahn obsiegt, sind doch allein schon die wirtschaftlichen Folgen,
die sich aus den von der EU gemeinsam mit den USA aufrechterhaltenen
Russland-Sanktionen für die gesamte Union ergeben, von grösstem Schaden.
Wie
man im Programm für die aktuelle deutsche EU-Ratspräsidentschaft nachlesen kann,
dringt die Bundesregierung also »auf die Einführung
eines neuen globalen EU-Sanktionsmechanismus nach dem Vorbild von US-Zwangsmassnahmen.
Man wolle sich in diesem Halbjahr dafür einsetzen, die Kapazitäten der Union zur
Verhängung und Umsetzung von Sanktionen zu erweitern«. Nun heisst es zwar, dass die EU-Aussenminister bereits letztes Jahr die
›Arbeit an einem EU-Gesetz, das Menschenrechtsverletzungen
offiziell bestrafen soll‹, auf den
Weg gebracht haben, doch richtet sich dieses ›GFP‹ zufolge »faktisch
nur gegen Funktionsträger gegnerischer Staaten und schont verbündete Menschenrechtsverbrecher, dient also, wie sein US-Sanktionsvorbild, als
Instrument im globalen Machtkampf. Es ergänzt ein wucherndes EU-Sanktionsregime,
das sich schon jetzt etwa gegen Russland, Syrien und Venezuela richtet und für
die massive Mangelversorgung einiger betroffener Länder mitverantwortlich ist«.
Auch die von der EU gegen Syrien gerichteten
Sanktionen sind Ende Mai
verlängert worden. Zur Zeit sind
in der EU angelegte Guthaben von 273 Personen sowie 70 Institutionen und
Unternehmen aus Syrien eingefroren; die Betroffenen sind mit Einreisesperren
belegt. Dies richte sich, erklärt Brüssel, insbesondere ›gegen Firmen und Geschäftsleute, die aus ihren Verbindungen zum
Regime und aus der Kriegswirtschaft Nutzen ziehen‹. Darüber hinaus beinhalten die Massnahmen ›das Verbot der Einfuhr von Erdöl, Restriktionen gegen bestimmte
Investitionen, das Einfrieren des Vermögens der syrischen Zentralbank in der EU
und Exportbeschränkungen für Ausrüstung und Technologie, die für die innere
Repression genutzt werden können‹.
Entgegen
der konstant wiederholten Behauptung, dass es sich in Syrien um einen
Bürgerkrieg handelt - diese Unterstellung
ist ein weiterer Beleg für die Art und Weise, wie wir mit groben Lügen versorgt
werden - handelt es sich nachweislich um
einen weiteren völkerrechtswidrigen illegalen Angriffskrieg. [4]
Beim
European Council on Foreign Relations etwa hiess es bereits im Februar 2019, dass
die westliche Sanktionspolitik »eine Politik der
verbrannten Erde ist, die unterschiedslos und willkürlich gewöhnliche Syrer
bestraft und legitime Geschäfte bedroht«. [5]
Ausgeweitet
worden sind zuletzt auch die EU-Sanktionen gegen Venezuela, obwohl eine
wissenschaftliche Untersuchung bereits im April 2019 zu dem Schluss gekommen
war, dass die seit 2017 verhängten Sanktionen über 40.000 Menschen das Leben kosteten.
Am 29. 6. 2020 fügte der Rat der EU seiner landesspezifischen Sanktionsliste 11
Venezolaner hinzu, die nun gleichfalls nicht mehr in die Union einreisen
dürfen; zudem wird auch ihr Vermögen in der EU eingefroren. Zu den mit Zwangsmassnahmen
belegten Personen zählen vor allem hochrangige Politiker, Juristen und Militärs.
Auch im Falle Venezuelas begleiten die EU-Massnahmen US-Restriktionen, die noch
deutlich weiter reichen; zudem sind die Folgen für die Bevölkerung ebenfalls
katastrophal. [6] Der ehemalige US-Spitzendiplomat
Thomas Shannon urteilte über die Sanktionspolitik: »Wir
sehen die Zerstörung Venezuelas als Land und als Gesellschaft«.
Mit
Blick auf die Covid-19-Pandemie hatte UN-Generalsekretär António Guterres gefordert,
alle ökonomischen Zwangsmassnahmen gegen Drittstaaten auszusetzen, um ›Zugang zu Nahrung, zur notwendigen
Gesundheitsversorgung und zu medizinischer Covid-19-Hilfe sicherzustellen‹: »Jetzt
ist es Zeit für Solidarität, nicht für Ausschluss«. [7]
Nichts
Dergleichen ......
»An
eine friedliche Lösung des syrischen Konflikts«, hatte
Werner Pirker schon im Oktober 2012 festgehalten,
»wurde
von der Supermacht in Übersee und ihrem europäischen Juniorpartner nie auch nur
ein einziger Gedanke verschwendet. Der Regimewechsel gilt längst als
beschlossene Sache, mag er auch noch so langwierig und blutig verlaufen. An
freie Wahlen ist dabei nicht gedacht. Das Land in der Levante soll
wirtschaftlich stranguliert, die Bevölkerung und das Regierungslager sollen
demoralisiert werden. Mit ihrer Politik der Sanktionen unterstützt die EU den
bewaffneten Aufstand und begibt sich damit indirekt in die Rolle einer
kriegsführenden Partei. Obwohl die erhöhte Gewaltbereitschaft der
Antiregierungskräfte inzwischen offenkundig ist, wird die Forderung nach einem
Gewaltverzicht ausschliesslich an die Adresse der regulären Streitkräfte
gerichtet. Sanktionen gegen die Halsabschneider sind nicht vorgesehen«. [8]
Auf
welche Weise sich die EU gegen die Sanktionen, die ihre Gasversorgung bedrohen,
zu wehren beabsichtigt, bleibt fürs erste dahingestellt. Man sollte eigentlich
annehmen können, dass diese Zwangslage dazu führt, ihre eigene
Sanktionsstrategie, die niemand gutheissen kann, zu überdenken und davon
abzusehen, diese in EU-Gesetzen zu verankern.
Eines dürfte allerdings unumstösslich sicher sein:
Washington wird jede Art von EU-Sanktionen
- die den USA im Weg sind, oder die die US-Administration selbst nicht
billigt – zu verhindern wissen, wogegen sich die EU ganz klar als machtlos erweisen
wird.
Quelle:
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8338/
17. 7. 20 Transatlantische Konflikte
(III)
[1] Siehe hierzu http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2685 13.
8. 17 ›Das Sanktionsgesetz gegen
Rußland, den Iran und Nordkorea‹ sowie
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2849
23. 9. 2018 US-Sanktionen - endlos ……
[2] https://de.sputniknews.com/politik/20200715327505429-usa-russlands-unterstuetzung-afghanistan/ 15. 7. 20
[3]
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8336/
16. 7. 20 Aus der Folterkammer des
Wirtschaftskriegs (II)
[4] Siehe hierzu http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1940
23. 4. 12
Die »Freunde« Syriens
[5] Nour Samaha: The economic war on Syria: Why
Europe risks losing. ecfr.eu 11. 2. 2019
[6] Mark Weisbrot,
Jeffrey Sachs: Economic Sanctions as Collective Punishment: The Case of
Venezuela. Center for Economic and Policy Research. Washington, April 2019
[7] Funding the fight against COVID-19
in the world’s poorest countries. un.org 25. 3. 2020
[8] http://www.jungewelt.de/2012/10-16/033.php 16. 10. 12 Friedensaktivismus
- Syrien, Iran: Schärfere EU-Sanktionen - Von Werner Pirker
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