»Die USA im Niedergang« 05.05.2019 20:31
Ein Gerede, schreibt Albrecht Müller, das verdeckt, dass das Imperium
nach wie vor weltweit agiert und uns voll im Griff hat. Immer
wieder ist zu hören und zu lesen, die USA befänden sich im Niedergang. Der
Historiker Münkler und der sogenannte Querdenker Dylan Grice äußerten sich dem
Sinne nach so, auch Joschka Fischer und jetzt Michael Lüders.
Weil China ökonomisch erfolgreich ist, hohe Forderungen gegenüber
dem Ausland anhäuft und Milliarden dort investiert, weil Rußland aufrüstet und
Indien eigene Wege geht, ist doch das Ende des US-Imperiums nicht eingeläutet!
Die USA sind weltweit tätig und regieren in Europa bis ins Kleinste hinein: Hierzulande
sind sie die offenkundigen Herren des Geschehens.
Dem Gerede vom Niedergang der USA sind ein paar Fakten und Fragen
entgegenzusetzen. Weltweit kein Rückzug, im Gegenteil; nur weil die USA sich
aus Syrien zurückzuziehen erklärt haben, kann man doch nicht blind für die
sonstigen Realitäten werden: So sind die USA sind nach wie vor dort und haben
zum Beispiel der Annexion der Golanhöhen zugestimmt. Sie sind im Irak, sie sind
in Afghanistan und in vielen anderen Ländern.
- Die USA haben zusammen
mit der NATO deren Betätigungsfeld bis an die Grenzen Rußlands
ausgedehnt. Der Westen hat Rußland erfolgreich
eingekreist. Die USA und der Westen machen weiter beim Versuch, auch die
Ukraine und Georgien in den Bereich ihres Imperiums einzubeziehen. Sie haben
dafür nach wie vor ihre Helfershelfer: Die deutsche Bundeskanzlerin zum
Beispiel; sie hat den Kandidaten für das Präsidentenamt in der Ukraine, den
bisherigen Präsidenten Poroschenko, als Wahlhilfe extra nach Berlin eingeladen.
Meint jemand, das hätte Frau Merkel ohne Anbindung an die Interessen des
Imperiums getan?
- Die USA haben im Vorfeld
des Maidan 5 Milliarden $ zur Umerziehung der Menschen in der Ukraine und zum
Aufbau genehmer NGOs investiert.
- Die USA haben sehr
großen Einfluß auf einzelne Regierungen in Europa und auch auf die
Einrichtungen und Personen der EU.
- Lange Zeit galt die
Vereinigung größerer Staaten außerhalb des Imperiums unter dem Namen Brics als
ein hoffnungsvolles Zeichen für einen Zusammenschluß gegen das US-Imperium. Wo
ist denn Brics geblieben? Wo Indien?
- Brasilien ist inzwischen
eines der wichtigsten Instrumente und Partner des US-Imperiums geworden.
- Wo sind denn die
sonstigen eigenständigen Völker und Staaten Lateinamerikas geblieben? Wo Chile
und Argentinien? Venezuela, Kuba, Nicaragua und allenfalls Mexiko sind noch
widerborstig. Ansonsten beanspruchen die USA die ungeteilte Macht in ihrem
Hinterhof – schlimmer als vor 10, vor 20 und vor 30 Jahren. Vom Niedergang des
Einflusses der USA in Lateinamerika kann keine Rede sein.
- Weltweit beanspruchen
die USA die Entscheidung, bestimmen zu können, wie andere Völker regiert
werden. Sie haben Kriege zum Regime Change mit der Folge von Millionen Toten geführt.
- Europäische Staaten
einschließlich der Bundesrepublik Deutschland machen die Politik des Regime
Change in Venezuela mit durch
Anerkennung eines fragwürdigen Interimspräsidenten.
- Die USA gehen offen
gegen Venezuela, gegen Kuba und Nicaragua vor. Um zu begreifen, wie falsch die
Vorstellung ist, die USA seien im Niedergang, muß man
sich daran erinnern, dass und wie die europäischen Staaten und Völker vor
einigen Jahrzehnten noch solidarisch mit aufmüpfigen Völkern im Hinterhof der
USA waren. Unzählige Menschen, Stiftungen und auch Parteien setzten sich für
den Widerstand gegen die USA in Nicaragua, in Kuba und anderen Ländern
Lateinamerikas ein, reisten dorthin und halfen praktisch vor Ort und von zu
Hause aus. Das ist alles dezimiert oder ganz vergessen. Zeichen eines Niedergangs
der USA? Im Gegenteil: Zeichen brutaler Machtausübung.
- Die USA haben die
anderen NATO-Staaten gezwungen, aufzurüsten, obwohl beim Ende der
West-Ost-Konfrontation 1990 alles dafür sprach - und es so auch beabsichtigt war - abzurüsten, auf gemeinsame Sicherheit zu
setzen anstatt auf Abschreckung und Aufrüstung.
- Allein schon das Gehabe
beim Umgang mit der Forderung nach mehr Geld für die Rüstung ist typisch für
Vasallen und keineswegs typisch für eine eigenständige politische Kraft.
- Der Generalsekretär der
NATO hat zum 70jährigen Jubiläum vor dem amerikanischen Kongreß
geredet, also nicht in Brüssel, sondern in Washington; er ist dort gefeiert
worden, und nicht zu Unrecht, weil die Abgeordneten und Senatoren der USA sehr
genau wissen, dass NATO-Generalsekretär Stoltenberg ihr
Mann ist und nicht der Beauftragte aller anderen NATO-Mitglieder.
- Das Imperium nutzt seine
Militärstützpunkte in Deutschland und Europa ohne Hemmungen für die eigene
Politik, auch für Interventionen und für Mord und Totschlag, so etwa über die
Drohneneinsätze, die vom deutschen Standort Ramstein zwischengesteuert werden.
- Die USA zwingen uns zum
Transport von Militärgütern auf deutschen Straßen und Schienen, auch bis an die
Grenze Rußlands in den baltischen Staaten.
- Wir zahlen für die
Stationierung von US-Truppen in Deutschland und Europa. Ein Beispiel: In
Weilerbach bei Ramstein in der Westpfalz wird gerade das größte
US-Militär-Krankenhaus außerhalb der USA errichtet. Allein die (aktuellen)
Planungskosten verschlingen 151 Mio. Euro, gezahlt aus deutschen Steuergeldern.
- Sie haben uns, die
Europäer, dazu veranlaßt, ihre kriegerischen Interventionen in Afghanistan, in
Syrien, in Libyen und im Irak mitzumachen und/oder logistisch zu unterstützen.
- Die USA haben inzwischen
direkten Einfluß auf entscheidende Personen in der deutschen Politik: Der
außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Röttgen, der stellvertretende
Fraktionsvorsitzende der FDP und zugleich sicherheitspolitische und
außenpolitische Sprecher seiner Fraktion, Alexander Graf Lambsdorff, und der
außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Nils Schmid stehen
offensichtlich alle drei auf dem Ticket der USA. Vermutlich konnten sie diese Funktion
auch nur deshalb übernehmen, weil sie so nah an die
USA und atlantische Organisationen angebunden sind.
- Wichtige Stiftungen
stehen unter Einfluß der USA. Die Bertelsmann-Stiftung zum
Beispiel oder auch die Heinrich-Böll-Stiftung. Der ehemalige Chef der
Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, hat vor kurzem in devoter Weise ein
Interview mit dem US-Diplomaten Kornblum geführt. Dieser typische Vertreter des
Imperiums wird regelmäßig zu Talkshows in Deutschland eingeladen.
- Der US-Botschafter
mischt sich in Deutschland in innere Angelegenheiten des Landes ein.
- Die große Anzahl der
deutschen etablierten Medien steht unter dem Einfluß des
US-Imperiums, berichtet und kommentiert jedenfalls ganz auf der Linie des
Interesses der zentralen Macht in der Welt.
- Sie alle, Politiker und Medien,
wirken mit am Aufbau des Feindbilds Rußland.
- In vielen dieser
genannten Bereiche war das vor 30 und 40 Jahren nicht so, jedenfalls
gemischter. Der Einfluß der USA auf Meinungsbildung und politische
Entscheidungsfindung hat seit 1990 zu- und nicht abgenommen.
- Die USA bestimmen unsere
wirtschaftlichen Beziehungen und unsere wirtschaftspolitischen Entscheidungen
in markanter Weise: Sie schreiben uns vor, jene Sanktionen, die sie z.B.
gegenüber Rußland und dem Iran verhängen, zu befolgen.
- Wir haben wie geölt und
eingeübt die Sanktionen gegen Syrien und die Blockade des syrischen Volkes
mitgemacht. Wir haben Hunderttausende von Flüchtlingen aus Syrien ohne
Überprüfung aufgenommen – alles dem Ziel untergeordnet, Syrien personell
ausbluten zu lassen und so unter Druck zu setzen. Das war und ist die Strategie
des Imperiums USA. Wir sind dem ohne die in einer Demokratie übliche und
notwendige Debatte und demokratische Entscheidungsfindung gefolgt. Ohne Wenn
und Aber.
- Die USA intervenieren
gegen einzelne Projekte wie etwa North Stream 2 und verlangen von Staats wegen
den Import ihres Flüssiggases. Auf Kosten der Bürger Europas werden die
entsprechenden technischen Einrichtungen in den Häfen gebaut.
- US-Unternehmen wie
Microsoft, Facebook, und Amazon zum Beispiel, können ihre monopolartig
auftretenden Angebote ohne Beschränkungen und ohne angemessene Steuern zu
bezahlen, in Europa und in Deutschland und in der Welt feilbieten.
Wettbewerbsrecht kommt nicht konsequent zur Anwendung; Steuervermeidung und
Steueroasen werden nicht konsequent bekämpft.
- In jedem DAX-Konzern in
Deutschland gibt es inzwischen eine Beteiligung des großen amerikanischen Fonds
›BlackRock‹. Durch diese
Verflechtung haben die Vertreter dieses Unternehmens trotz geringer
Beteiligungen einen spürbaren Einfluß von 3 bis 5 % auf die
Unternehmensleitungen.
Diese lange Liste, die keinesfalls vollständig ist, vorzutragen,
war nötig, um sichtbar zu machen, wie grotesk die Vorstellung ist, das
US-Imperium sei auf dem Rückzug und die USA würden eine Art von Niedergang
erleben.
Statt den Niedergang der USA zu behaupten, sollten wir eher
darüber nachdenken, wie wir uns aus dieser Vormacht befreien. Wie schon bei
früherer Gelegenheit, zum Beispiel im Oktober 2014, vermerkt, sollten wir offen
von unserem Koloniestatus reden, statt diesen zu verschleiern. Die offene
Diskussion darüber ist die Voraussetzung dafür, dass die Diskussion, wie wir
uns aus dieser gefährlichen Vormacht entledigen können, überhaupt einmal in
Gang kommt.
Einfach ist das nicht, aber notwendig.
Quelle:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=50975 15. 4. 19 ›Die USA im Niedergang‹– ein Gerede, das verdeckt, dass das Imperium
nach wie vor weltweit agiert und uns voll im Griff hat - Von Albrecht Müller
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