Die Geopolitik des Erdöls in der Trump-Ära - Von Thierry Meyssan

Die Vereinigten Staaten sind der weltweit größte Produzent von

Kohlenwasserstoffen geworden. Sie nutzen nun ihre marktbeherrschende Stellung ausschließlich zur Maximierung ihrer Gewinne, ohne zu zögern, konkurrierende Großproduzenten zu beseitigen und deren Völker ins Elend zu stürzen.

Während in der Vergangenheit der Zugang zum Erdöl aus dem Nahen Osten für die US-Wirtschaft eine lebenswichtige Notwendigkeit war, danach ein Markt wurde, den die USA total beherrschten, um anschließend sogar ein ausgehender Rohstoff zu werden, zu dem die USA den Zugang kontrollieren wollten, sind die Kohlenwasserstoffe jetzt wieder das schwarze Gold geworden. Thierry Meyssan schildert die Entwicklung dieses Marktes.

Die Wirtschaft hängt in erster Linie von der Energie ab, über die sie verfügt. Dieser Bedarf ist seit jeher eine der Hauptursachen für Kriege gewesen. In alten Zeiten ging es darum, Sklaven zu haben, die das Feld bestellen, im 19. Jahrhundert darum, Kohle zu gewinnen, die die Dampfmaschinen versorgten, und heute sind die Kohlenwasserstoffe  - Öl und Gas -  für die Motoren.

Um sich selbst über diese Logik hinwegzutäuschen, haben sich die Leute immer gute Gründe ausgedacht, um zu rechtfertigen, was sie tun. Daher glauben wir

-   dass der Iran wegen seines militärischen Atomprogramms bestraft wird, das er jedoch bereits 1988 schloß;

-   dass die Einrichtungen und Vermögen der PDVSA, der Petróleos de Venezuela S.A, beschlagnahmt wurden, um die Vermögen des Diktators Maduro an das Team von Juan Guaido zu übertragen;

-   oder auch, dass die Vereinigten Staaten Truppen in Syrien aufrechterhalten, um ihre verbündeten Kurden gegen al-Assad zu unterstützen, obwohl diese Kurden Söldner sind, die nicht ihr Volk repräsentieren, während al-Assad demokratisch gewählt wurde.  

Diese Geschichten entsprechen absolut nicht der Wirklichkeit und sind durch Tatsachen widerlegt. Wir glauben ihnen jedoch, weil wir hoffen, daraus Profit zu schlagen.

Der globale Markt 
Die Kohlenwasserstoffe sind der an erster Stelle stehende Weltmarkt, noch vor dem der Nahrung, der Waffen, der Medikamente und der Drogen. Zunächst wurde er durch private Unternehmen betrieben, bis er in den 1960er Jahren ausschließlich von den Staaten betrieben wurde. Mit der wirtschaftlichen  Entwicklung kamen neue Spieler, wodurch der Markt immer unberechenbarer wurde. Darüber hinaus ist dieser Markt vom Ende der UdSSR bis zur Rückkehr von Rußland sehr spekulativ geworden, so dass der Preis bis zu 400 % zunahm. Ferner stellen wir fest, dass zahlreiche Lagerstätten nach langer Nutzung versiegen. Ende der 1960er Jahre verbreiteten Rockefeller und der Club of Rome die Idee, dass die Kohlenwasserstoffe eine fossile Energie seien und  deshalb begrenzt wären. Jedoch kennt man im Gegensatz zu dieser Ansicht die Herkunft der Kohlenwasserstoffe nicht mit Sicherheit. Es besteht die Annahme, dass sie wahrscheinlich Fossilien sind, aber vielleicht auch nicht. Selbst wenn Erdöl erneuerbar wäre, würde das jedenfalls nicht verhindern, dass es der Hubbert-Peak Theorie zufolge wegen zu großer Ausbeutung versiegen könnte. Der Club of Rome hat diese Frage mit einem malthusianischen a priori untersucht: Er hatte die Aufgabe zu zeigen, dass die Weltbevölkerung in Schranken gehalten werden sollte, weil die Ressourcen der Erde begrenzt seien. Dieser Glaube an das Ende des Öls ist jedoch lediglich ein Argument, um den Willen der Rockefeller zu rechtfertigen, den Bevölkerungszuwachs der armen Völker zu begrenzen. In einem halben Jahrhundert hat man fünfmal geglaubt, dass es in den nächsten Jahren an Öl mangeln würde. Dennoch gibt es heute nachgewiesene Reserven, die für den Bedarf der Menschheit noch mindestens ein Jahrhundert ausreichen werden.

Die sehr unterschiedlichen Kosten der Förderung  [vom Faktor 1 in Saudi Arabien bis zum Faktor 15 in den USA], der technische Fortschritt, die beträchtlichen Unterschiede der Preise und die ideologische Debatte haben den Ertrag auf die Investitionen mehrmals unwahrscheinlich gemacht. Im Hinblick auf die langfristige Dauer verursacht jedoch jede Verzögerung von Investitionen in die Forschung, in die Verwertung und den Transport einen Mangel an verfügbaren Produkten in den darauffolgenden fünf Jahren; dieser Markt ist daher besonders chaotisch.

Die globale Energiepolitik
Die Schaffung der Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC) durch den Venezolaner Juan Pablo Pérez Alfonzo im Jahr 1960 hat die Macht zur Festlegung der Preise allmählich von den Ölgesellschaften auf die exportierenden Staaten verlagert. Diese Übertragung hat sich während des im Westen als
Yom-Kippur-Krieg bekannten ägyptisch-syrischen Krieges gegen Israel im Oktober 1973 gezeigt, ebenso bei der weltweiten Ölkrise, die er verursachteDie Vereinigten Staaten haben als erste Weltmacht unterschiedliche Politiken gegenüber den Kohlenwasserstoffen geführt:

-   Präsident Jimmy Carter dachte, dass sein Land diese Energiequellen brauche, und dass der Zugang zum Öl aus dem Nahen Osten eine Frage der nationalen Sicherheit sei. Die Araber und die Perser konnten ihm nicht verweigern, das schwarze Gold zu verkaufen, oder zu wagen, dessen Preis zu übertreiben.

-   Präsident Ronald Reagan schuf das Centcom, das United States Central Command für diese Region - definiert nach den damaligen Kenntnissen der Ölfelder. Um die Politik seines Vorgängers zu übernehmen, verhandelte er über permanente Militärbasen und begann, Truppen dorthin zu verlegen.

-   Präsident George Herbert Walker Bush stellte sich an die Spitze einer universellen Koalition und zerstörte den Irak, der gedacht hatte, seine Kunden selbst wählen zu können und den Versuch gewagt hatte, die Ölquellen von Kuwait, die ihm von den Briten verweigert worden waren, zurückzuerobern.

-   Präsident Bill Clinton und sein Vizepräsident Al Gore erbten eine unipolare Welt, ohne die Sowjetunion. Sie stellten eine Karte von den in der Welt zu bauenden Durchzugsgebieten auf, Rohrleitungen, Autobahnen, Eisenbahnen und Internetleitungen, sowie von den zu führenden militärischen Operationen, um diese bauen und absichern zu können, wie zum Beispiel den Krieg gegen Jugoslawien, damit der 8. Korridor gebaut werden konnte.

-   Präsident George Walker Bush und sein Vizepräsident Dick Cheney, davon überzeugt, dass die Kohlenwasserstoffe bald auslaufen würden, starteten eine Reihe von Kriegen, nicht mehr, um sich des schwarzen Goldes zu bemächtigen, sondern um die Produktion und den Markt zu kontrollieren. Mit der Rückkehr zur malthusianischen Theorie des bevorstehenden Endes dieser Energiequellen wollten sie bestimmen, wer das Recht zum Kauf hätte und somit seine Bevölkerung beschützen könnte.

-   Präsident Barack Obama nutzte die Gelegenheit der Schiefergas- und Schieferöl-Gewinnung in seinem Land und beschloß, die Extraktion zu fördern. Er hoffte, sein Land dadurch von dem malthusianischen Fluch zu befreien.

-   Präsident Donald Trump kam an die Macht, als sein Land der weltweit größte Produzent geworden war. Er beschloß, die US-Strategie völlig zu verändern.

Die Politik von Donald Trump
Als Präsident Trump Mike Pompeo, der den Bundesstaat Kansas von 2011 bis 2017 im US-Repräsentantenhaus vertreten hatte, im Januar 2017 zum Direktor der CIA ernannte, führten wir diese unerwartete Nominierung auf die Schwierigkeit des Präsidenten zurück, Verbündete in der Republikanischen Partei zu finden. Wir hatten vergessen, dass Pompeo von 2006 bis 2010 Präsident von
Sentry International war, ein Unternehmen der Koch Industries, das  schweres Gerät für die Ölförderung bereitstellt. Er wußte, wie der Ölmarkt funktioniert und kannte dessen Hauptdarsteller in der Welt persönlich. Zur gleichen Zeit ernannte Trump Rex Tillerson, Chef eines der führenden Öl- und Gasindustrie-Unternehmen, Exxon-Mobil, zum Staatssekretär. Wir hätten daher daran denken sollen, dass es die Energiepolitik sein würde, die im Mittelpunkt des Geschehens von Trumps Amtszeit stehen würde. Es ist heute offensichtlich unmöglich, eine Bestandsaufnahme der Wirkung von Pompeo an der Spitze des Geheimdienstes zu machen. Man kann jedoch vermuten, dass seine damaligen Ziele nicht weit von den heutigen entfernt waren.

Nun hat es sich aber ereignet, dass er diese offengelegt hat. Ein von Daniel Yergin, dem unbestrittenen Spezialisten des Kohlenwasserstoff-Marktes erstelltes Beratungsunternehmen organisiert jedes Jahr ein internationales Treffen zur Entwicklung der Lage. Der diesjährige Kongreß, die CERAWeek 2019, die vom 11. bis 15. März in Houston stattfand, war das größte internationale Treffen der Geschichte zu diesem Thema, bei dem die Führungskräfte großer Unternehmen aus 78 Ländern anwesend waren. Der Höhepunkt der Veranstaltung war das Auftreten von Mike Pompeo. Die ganze Branche war auf die Bedeutung seiner Rede aufmerksam gemacht worden und es war das einzige Mal, dass das Auditorium zum Bersten voll war. Nach dem Gruß an seine ehemaligen Kollegen beglückwünschte sich Mike Pompeo zu dem unglaublichen Erfolg der Öl-Industrie seines Landes, das in sechs Jahren dank der neuen Techniken für die Gewinnung von Schiefergas der größte Produzent der Welt geworden ist. Er kündigte an, dass er ein spezielles Büro im Außenministerium geschaffen habe, um die Energie-Ressourcen zu verwalten. Die Leiter der spezialisierten US-Unternehmen müßten sich jetzt an ihn wenden. Seine Aufgabe werde es sein, ihnen dabei zu helfen, Aufträge im Ausland zu erhalten. Im Gegenzug sollten sie ihrem Land helfen, seine Energiepolitik zu fördern.  

Diese Energiepolitik besteht darin, nicht nur soviel wie möglich in den Vereinigten Staaten herzustellen, sondern auch einen Teil des weltweiten Angebots zu reduzieren, um den Markt auszugleichen. Nur auf diese Weise werde das Land Schiefer-Gas und -Öl verkaufen können, da deren Gewinnung besonders kostspielig ist. 

Gemäß der Pompeo-Doktrin sollte die Weltproduktion nicht durch Quoten auf das Niveau der Nachfrage reduziert werden, wie es die OPEC seit zwei Jahren macht, sondern durch die Schließung des Markts für einige große Exporteure: Iran, Venezuela und Syrien  - dessen gigantische Reserven erst vor kurzem entdeckt wurden und noch nicht ausgebeutet werden. Das Projekt NOPEC, No Oil   Producing and Exporting Cartels Act, sollte also wieder auftauchen. Der Gesetzesvorschlag NOPEC, für den seit zwei Jahrzehnten eine Menge Varianten im Kongreß eingereicht worden sind, zielt darauf ab, die Staatenimmunität, auf die sich die OPEC-Länder berufen, um trotz der US-Anti-Trust-Gesetze als Kartell fungieren zu können, zu unterbinden. Er würde ermöglich, alle Firmen der OPEC- Mitgliedstaaten vor den US-Gerichten zu verklagen, obwohl sie verstaatlicht wurden, weil sie ihre marktbeherrschende Stellung nutzten und damit zum Preisanstieg beitrugen.    

Es verhält sich so, dass Rußland mit Ende 2016 der OPEC beigetreten ist, um die Preise anzuheben. Rußland hat also akzeptiert, seine eigene Produktion zu senken. Dies ist für das Land umso wichtiger, da seine Wirtschaft unter den Sanktionen des Westens leidet und der Export von Kohlenwasserstoffen sowie der von Waffen seine wichtigsten Exporterlöse ausmachen. Daher sind die Interessen von Moskau und Washington in der aktuellen Situation zwar nicht identisch, stimmen aber überein: Den Markt nicht zu überschwemmen. Deshalb unternimmt Rußland auch nichts, um dem Iran zu helfen, sein Öl zu exportieren und beutet noch immer nicht die Lager aus, für die die staatseigenen Unternehmen ein Monopol in Syrien erhalten haben. Es ist wahrscheinlich, dass Rußland auch Venezuela auf diesem Gebiet nicht mehr helfen wird; so ist auch   die Übertragung der Europazentrale der PDVSA nach Moskau verschoben worden. Rußland, das Syrien vor den Dschihadisten der NATO-Söldner gerettet hat, hat sich nie dazu verpflichtet, noch weiter zu gehen. Es steht ihm hilfreich zur Seite, ohne auf den langsamen Zusammenbruch dieses einst wohlhabenden Landes zu reagieren. Die Situation ist noch nicht wie im Jemen bei der Hungersnot angelangt, aber sie geht unaufhaltsam in diese Richtung.

Die Vereinigten Staaten versuchen jedoch nicht nur das globale Angebot zu stabilisieren, sondern auch das Austauschvolumen zu bestimmen, deshalb ihr Druck sowohl auf die Europäische Union als auch auf ihre Mitgliedstaaten, damit sie die Pipeline North Steam 2 nicht fertigstellen. Es geht für sie darum, die Union von der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zu befreien. Wenn dieser Eingriff erfolgreich wäre, würde Rußland diesen Strom nach China umlenken, das ihn aber nicht zum gleichen Preis kaufen könnte. Um auf die Bedürfnisse der EU zu reagieren, lassen die Vereinigten Staaten schon jetzt schnellstens Flüssiggas-Terminals bauen, die ihr Schiefergas aufnehmen können, währenddessen Rußland seinerseits den Bau der Turkish Stream Pipeline, die einen anderen Weg in die Union schaffen würde, beschleunigt.

Darüber hinaus blockiert das US-Finanzministerium alle Transportmittel für iranisches und venezolanisches Öl, ebenso wie den Transport nach Syrien. Die Informationen, die das Ministerium besitzt, beweisen, dass die CIA angefangen hat, diesen Handel seit der Wahl von Donald Trump, aber auch schon während der Übergangszeit, im Detail zu beobachten, was die Idee der Zentralität der Energie in ihrer Politik bestätigt. Die Haltung des Weißen Hauses gegenüber Syrien ist anders, insofern dieses Land seine Reserven derzeit nicht selbst ausbeuten kann und Rußland die Zeit verstreichen läßt. Es geht darum, den Wiederaufbau zu verhindern und so das Leben des syrischen Volkes unmöglich zu machen. Die CIA verfolgt eine intensive Sabotage-Strategie gegen jegliche Energieversorgung. Die Mehrheit der Bevölkerung Syriens hat zum Beispiel kein Gas mehr zum Heizen oder Kochen. Noch schlimmer, ein türkischer Tanker, der iranisches Öl nach Syrien transportierte, wurde im Februar an der Küste von Latakia sabotiert. Er explodierte und verursachte den Tod der Besatzung und eine schwarze Flut, von der kein westliches Media gesprochen hat. Da die Hisbollah an der libanesischen Regierung teilnimmt, während sie iranischen Interessen dient, hat die US-Regierung das Ausfuhrverbot von Öl auf Beirut erweitert. Mike Pompeo versucht nun, eine neue Aufteilung der Hoheits-Gewässer durchzusetzen, die die libanesischen Ölreserven unter israelische Hoheit bringen würden.

Im Austausch für seine militärischen Experten und die Arbeit seiner Ärzte erhält Kuba von Venezuela Öl. Das US-Außenministerium versucht jeglichen Austausch zwischen den beiden Ländern zu bestrafen, umso mehr als man die kubanischen Militärexperten für die Unterstützung verantwortlich hält, die Präsident Maduro durch die venezolanische Armee zuteil wurde.

Zukünftige Entwicklungen
Derzeit kann sich die Politik von Donald Trump nur durchsetzen, indem die Nachfrage in seinem Land gesenkt wird. Bis jetzt wurden die Kohlenwasserstoffe hauptsächlich für Automobile verwendet, daher die Entwicklung der Projekte für Elektroautos. Die Nutzung von Öl für die Stromerzeugung ist für die USA viel billiger als die direkte Nutzung für die Motoren der Autos. Vor allem kann der Strom auf dem amerikanischen Territorium aus verschiedenen Quellen kostengünstig und zu einem stabilen Preis produziert werden.

Es ist zu beachten, dass die Entwicklung des Elektroautos kaum mit der Ideologie zu tun hat, laut der die Produktion von CO2 zu senken sei, um die Temperatur der Erde zu senken. Einerseits, weil die Herstellung der Batterien selbst eine Menge an CO2 produziert, und andererseits, weil Elektrizität, wird sie wie in Deutschland und in China aus Kohle produziert, viel mehr CO2 entwickeln kann als Öl. Im übrigen ändert sich der Öl-Verbrauch. So dient er weltweit nicht mehr vorrangig dem Transport, sondern der Herstellung von Kunststoffen.

Die Vereinigten Staaten werden die Öl- und Gas-Exporte des Irans, von Venezuela und Syrien erst ab 2023 und 2024 zulassen, zu einem Zeitpunkt, zu dem laut der Internationalen Energie Agentur (IEA) ihre eigene Schiefergasproduktion schnell zurückgehen wird.

Noch einmal wird sich dann die ganze geopolitische Lage wieder umwälzen.

 

Quelle: 
https://www.voltairenet.org/article206031.html
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Original auf  https://www.voltairenet.org/article205943.html
9 avril 2019  -  Géopolitique du pétrole à l’ère Trump par Thierry Meyssan