Das US-Imperium und seine Regimewechsel

Wie Washington unverändert auf die stets gleiche Weise vorgeht,

wenn es gilt, nach Möglichkeit einer seiner regime changeszu erzwingen, erhellt sich aus immer mehr Details zur Vorgeschichte Guaidos, wie sie die US-Journalisten Dan Cohen und Max Blumenthal aufgezeigt haben: So ist auch dieser ein Geschöpf der USA, das Produkt eines langfristigen Projektes der Washingtoner Eliten. Er gibt sich zwar als Musterdemokrat aus, betreibt jedoch seit Jahren an der Spitze einer gewalttätigen Kampagne die Destabilisierung Venezuelas. 

Vor dem schicksalhaften 22. Januar war Guaido noch nicht einmal einem Fünftel der Venezolaner bekannt und war bis vor wenigen Monaten lediglich als übler Charakter und Kopf einer politisch unbedeutenden, weit rechts stehenden, Gewalttaten verübenden Gruppierung aufgefallen. Sogar in seiner eigenen Partei, der Voluntad Popular, zählte er nur zu den mittleren Rängen. Es war dann in der Folge nach lediglich einem einzigen Anruf des US-Vizepräsidenten Mike Pence, dass sich Guaido in einer öffentlichen Erklärung selbst zum Präsidenten Venezuelas ausrief. Washington hat also einen bisher kaum bekannten Hinterbänkler dazu angestiftet, sich der internationalen Öffentlichkeit als von den USA auserwählter Führer des Staates mit den grössten Ölreserven der Welt zu präsentieren.  

Indessen kam Guaido nur scheinbar aus dem Nichts; in Wirklichkeit ist er das Produkt einer vor mehr als zehn Jahren gestarteten gründlichen Schulung, mit der die US-Regierung Kandidaten ausbilden lässt, die sie bei einem regime change an die Macht hieven kann. Gemeinsam mit anderen rechtslastigen Studenten wurde er systematisch darauf vorbereitet, die sozialistisch orientierte Regierung Venezuelas zu diskreditieren und das Land zu destabilisieren, um eines Tages die Macht übernehmen zu können. Ein Jahrzehnt lang hat Washington den politischen Nobody Guaido zu dem wertvollen Werkzeug geformt, als das er sich gerade erweist. »Juan Guaido ist eine Figur, die speziell für diesen Umsturz geschaffen worden ist«, erklärt Marco Teruggi, ein argentinischer Soziologe und führender Chronist der venezolanischen Politik, gegenüber gray zone. »Er ist ein aus mehreren Elementen gemixtes Labor-Produkt; um ehrlich zu sein, ein Typ, der gleichzeitig zum Lachen reizt und Furcht erregt«.

Guaido wird zwar als Garant der demokratischen Erneuerungverkauft, hat seine politische Karriere aber in der gewaltbereitesten Splittergruppe der radikalsten Oppositionspartei Venezuelas begonnen und sämtliche Destabilisierungskampagnen angeführt. In Venezuela hat sich seine Partei selbst dadurch diskreditiert, dass sie massgeblich an der Schwächung und Zersplitterung der Opposition beteiligt war. »Diese Radikalinskis haben in Meinungsumfragen nicht mehr als 20 %«, stellt Luis Vicente Leon, der führende Meinungsforscher Venezuelas, fest. Nach Leons Meinung hat die Partei Guaidos deshalb so relativ wenig Zuspruch, weil die Mehrheit der Bevölkerung keinen   Umsturz, sondern eine Lösung ihrer Probleme will. Aber genau deshalb setzt Washington auf Guaido: Es soll Venezuela nicht demokratisieren, sondern einen Umsturz in dem Land, das in den beiden letzten Jahrzehnten eine Festung des Widerstands gegen die US-Hegemonie war, herbeiführen. Sein seltsamer Aufstieg ist der Höhepunkt eines seit zwei Jahrzehnten laufenden Projekts zur Zerstörung eines vielversprechenden sozialistischen Experiments. Aus e-mails, die venezolanischen Sicherheitsbehörden in die Hände fielen und die der damalige Justizminister Miguel Rodríguez Torres der Öffentlichkeit präsentierte, geht hervor, dass Guaido und mehrere andere studentische Aktivisten im November 2010 ein geheimes fünftägiges Training in einem Hotel mit dem Namen Fiesta Mexicanain Mexiko absolvierten. Die Regime-Change-Schulung war von Otpor-Trainern aus Belgrad im Auftrag der US-Regierung durchgeführt worden.

Die e-mails belegen, dass Guaido und seine Mitverschwörer einen Plan ausheckten, der vorsah, mit länger andauernden, gewaltsamen    Strassenprotesten Chaos zu stiften, um dann Chavez zu stürzen. Drei Galionsfiguren der Erdölindustrie, Gustavo Torrar, Eligio Cedeno und Pedro Burelli sollen die Schulung in Mexiko mit 52.000 $ finanziert haben. Torrar ist nach eigener Aussage ein Menschenrechtsaktivist und Intellektueller, sein jüngerer Bruder Reynaldo Torrar der Repräsentant der privaten mexikanischen Öl- und Gasfirma Petroquimica del Golfo, die einen (Förder-)Vertrag mit dem venezolanischen Staat hat. Cedeno ist ein geflüchteter venezolanischer Unternehmer, der Asyl in den Vereinigten Staaten beantragt hat, und Pedro Burelli ist ein ehemaliger Manager von JPMorgan Chase, der auch schon Direktor der staatlichen venezolanischen Ölgesellschaft Petróleos de Venezuela, PDVSA‹, war. Er verliess die PDVSA 1998, als Hugo Chavez Präsident wurde, und gehört jetzt dem Beraterstab für das Latin America Leadership Program an. Burelli  behauptet, die e-mails, in denen über seine Beteiligung an der Finanzierung der Schulung berichtet wird, seien gefälscht. Er macht aber kein Geheimnis daraus, dass er sich die Absetzung von Maduro wünscht; er hofft sogar, dass Maduro auf ein Bajonett aufgespiesst und durch die Strassen geschleift wird, wie der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi von NATO-unterstützten Milizionären. Im Dezember 2018 hatte sich Guaido unbemerkt nach Washington, Kolumbien und Brasilien begeben, um anlässlich der Amtseinführung des Präsidenten Maduro Massenproteste zu organisieren. Da Guaido bisher wenig Unterstützung aus der venezolanischen Bevölkerung erhält, bleibt er auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen.

Der Analyst Sequera stellte im staatlichen venezolanischen Fernsehen fest: »Es ist egal, ob er nach dem misslungen Start abstürzt und aufgibt. Die US-Regierung wird sich dann eben eine andere Marionette suchen«.   [1]

Die USA - Ein korruptes Imperium   

Über den Zustand von Politik und Gesellschaft in den USA hat der Philosoph und Theologe Cornel West ein vernichtendes Urteil gefällt. In dem mit der Wochenzeitung Der Freitag geführten Interview mit dem Titel Die USA sind keine Demokratie, sondern ein Imperium  [2]  kritisiert er zudem deutlich den ersten afroamerikanischenPräsidenten Barack Obama und bestätigt damit Einschätzungen anderer US-Quellen.

West zufolge ist der Friedensnobelpreisträger Obama ein Kriegsverbrecher.  Zudem stellt er fest: Obama hat Trump zwar nicht geschaffen, aber es war unter anderem seine Wall Street-freundliche Politik, die Trump zum Sieg verholfen hat. Die deutliche Kritik des US-Philosophen an Barack Obama bekommt ihre besondere Note dadurch, dass West wie Obama Afroamerikaner ist. Er lehrt derzeit auf den Gebieten Afroamerikanische Studien und Theologie an der Universität Princeton. In dem besagten Interview warnt der marxistisch orientierte Philosoph vor einer aktuellen Transformation der US-Gesellschaft in eine neofaschistische, die sich auf dem Rücken von ethnischen und religiösen sowie anderen Minderheiten aufrichtet. Das sei aber nicht nur ein Problem der USA, so West. Wir haben soviel Korruption an der Spitze, die Hand in Hand mit einem Konformismus feiger Menschen geht; dies das Zeugnis, das er den USA ausstellt. Dies findet man in politischen Parteien, Universitäten, bei Wirtschaftseliten oder in religiösen Institutionen.                  

Wer die USA beherrscht

Der Philosoph beklagt, dass sich die Korrumption durch die Macht in den Elitekreisen fortsetze. Sie versuchen, Fehler zu vertuschen und Lügen zu verbergen. Dadurch geraten sie in eine Beziehung zwischen Verlogenheit und Kriminalität, was einem neuen Faschismus, der auf die Ära des Neoliberalismus der letzten 70 Jahre folge, den Weg ebne. Die Jahre seit 1945 seien von einem globalen Finanzkapitalismus, der Wall Street und einer Wirtschaftselite, die die Zügel unseres Imperiums in der Hand hielten, geprägt worden. Politiker, die enge Beziehungen zu den Ikonen der Finanz-Elite pflegen, seien beeinflusst und kontrolliert worden. »Die USA werden immer mehr zu einer plutokratischen Oligarchie« hatte unter anderem auch der Historiker Fritz Stern im Jahr 2015 in einem Interview für mit dem Schweizer Magazin NZZ Geschichte erklärt. Stern beklagte darin, dass die USA zum Polizeistaat geworden seien, zu einer Zeit, als Obama noch regierte und niemand mit Trump rechnete. »Dieser ungeheure Drang nach Überwachung, nach Sicherheit, höhlt die Demokratie aus. Und kann sich ein Land noch Demokratie nennen, wenn nur noch diejenigen entscheiden, die Geld haben? Der Staat ist nicht mehr unter Kontrolle der Parlamente, sondern unter Kontrolle des Geldes - und der Korruption«.

Imperiale Kernschmelze
 

Selbst der ehemalige Präsident Jimmy Carter stellte 2015 fest, dass die USA inzwischen eine Oligarchie mit unbegrenzter politischer Bestechung geworden seien. Eine Studie der Universität Princeton über die US-Politik kam bereits 2014 zu dem Ergebnis: Die USA werden von einer reichen und machtvollen Elite beherrscht. Die imperiale Kernschmelze der USA beschreibt West gegenüber dem Freitag wie folgt: Es ist die Kombination der Herrschaft des grossen Geldes und des obszönen Niveaus an ungerechter Vermögensverteilung. Es ist die Herrschaft des grossen Militärs, bei der 56 Cent jedes US-Dollars in den militärisch-industriellen Komplex fliessen. In mehr als 80 Ländern sind US-Truppen stationiert, und sie betreiben etwa 1.400 Militärbasen in aller Welt. Er stellt fest, dass die US-Bürger allerdings nicht über die aussenpolitischen Verfehlungen des Imperiums informiert werden. Man hat ihnen bisher kaum gesagt, wie viele Menschen im Irak infolge unserer militärischen Intervention getötet wurden. Im Fernsehen hören Sie nichts vom Tod der 500.000 Zivilisten, die wir auf dem Gewissen haben. 

Bürger zu Konsumenten degradiert   

Er glaube nicht an die selbstkorrigierende Macht der Demokratie, antwortet er auf eine entsprechende Frage. Es gebe in den USA nur eine schwach ausgeprägte demokratische Praxis. Die US-Amerikaner sind zu Konsumenten geworden, statt dass sie ihre Rolle als Bürger wahrnehmen. Dazu habe die Herrschaft des grossen Geldes beigetragen, das darüber entscheide, wer politisch Einfluss hat. So seien die Kandidaten bei den Wahlen im Vorfeld von den fünf grössten Wahlkampfspendern ausgesucht worden, erinnert sich West. Das würde Menschen das Gefühl geben, ohnmächtig zu sein und sie in die Arme derjenigen treiben, die sich als starke Männer darstellen und versprechen, mit denen da oben aufzuräumen. Der Philosoph widerspricht dem verbreiteten Bild des Ex-Präsidenten Obama als Lichtgestalt der Demokratie. Obama besass zu wenig Mut, um gegen die Herrschaft der Wall Street vorzugehen. Er habe mit Larry Summers oder Timothy Geithner sogar Vertreter der Wall Street in die Regierung gebracht.

Warum Obama ein Kriegsverbrecher ist              

Der von Obama versprochene Wechsel, sei endgültig zur Illusion geworden, als er John O. Brennan aus dem Team von George W. Bush zum CIA-Direktor und Anti-Terror-Berater machte. Brennan hatte Foltermethoden bei Verhören befürwortet. West erinnert ausserdem daran, dass der Trump-Vorgänger nach der Finanzkrise 2008 den Chefs der grössten Banken und Finanzinstitute zusicherte, ihre Macht zu schützen und erklärt hatte: Meine Regierung ist das Einzige, was zwischen Ihnen und den Mistgabeln steht. Obama habe kein Rückgrat gehabt und sei eine Romanze mit diesen obskuren Figuren aus der Finanzelite eingegangen. Der Philosoph bezeichnet den auch hierzulande bewunderten ersten afroamerikanischen US-Präsident als Kriegsverbrecher. Das begründet er unter anderem mit der von ihm genannten Zahl von 26.172 US-Bomben, die während Obamas Amtszeit auf Menschen in anderen Ländern abgeworfen wurden. Die USA haben in den Jahren von 2009 bis 2017 in fünf Ländern gleichzeitig Krieg geführt. Zudem sei der von Bush begonnene Drohnen-Krieg ausgeweitet worden. Doch darüber werde in den USA nicht gesprochen.

Das Imperium hat nur das Gesicht gewechselt

Es gebe keinen Beweis, dass Obama den Willen gehabt hätte, tatsächlich etwas an der US-Politik zu ändern, so West. Der Trump-Vorgänger sei kein Kämpfer gewesen: Er weigerte sich, die Probleme des US-Imperiums anzupacken. Der ehemalige CIA-Analytiker Ray McGovern hatte 2015 in Berlin unter anderem erklärt, dass Obama vor den mächtigen US-Geheimdiensten Angst habe. Er habe auf Kritik aus progressiven US-Kreisen an seiner wenig fortschrittlichen Politik 2012 gesagt: Könnt Ihr Euch nicht erinnern, was Martin Luther King passiert  ist? Er hätte auch an John F. Kennedy erinnern können, meinte McGovern und hatte hinzugefügt: Es ist verständlich, dass er Angst hat. Unter Obama, so West, waren die USA weiterhin ein eskalierendes Masseneinkerkerungsregime, mit überdurchschnittlich vielen armen Schwarzen und Latinos in den Gefängnissen. Der Unterschied zwischen dem jetzigen US-Präsidenten und seinem Vorgänger lautet gemäss West: Während Obama das schwarze lächelnde Gesicht des US-Imperiums war, ist Trump das weisse, grausame Gesicht das amerikanischen Imperiums. Es bleibt also alles innerhalb der imperialistischen Zone.

 

Quellen   - auszugsweise - 

[1]  http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_19/LP02119_180219.pdf
18. 2. 19  Juan GuaidO, der Anführer des Putsches in Venezuela, ist ein Geschöpf des Regime-Change-Labors der USA; Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein

Original auf  
https://grayzoneproject.com/2019/01/29/the-making-of-juan-guaido-how-the-us-regime-change-laboratory-created-venezuelas-coup-leader/
  29. 1. 19
The Making of Juan Guaidó: How the US Regime Change Laboratory Created Venezuela’s Coup Leader by Dan Cohen and Max Blumenthal

[2]  der Freitag – Das Meinungsmedium, Ausgabe 8 /2019 https://www.freitag.de/

Original auf
https://de.sputniknews.com/politik/20190227324128210-usa-obama-kriegsverbrechen/   27. 2. 19