Der Iran und die Tauschbörse der EU

Mit einem Aufruf, den Iran weltweit zu isolieren, hat Präsident Trump

jüngste Bemühungen der EU um die Weiterführung des Handels mit dem Land beantwortet. Die von Washington neu gestarteten Sanktionen gegen Teheran, müßten weltweit umgesetzt werden, forderte Trump am 25. 9. 18 vor Vollversammlung der Vereinten Nationen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, schreibt German Foreign Policy, hatte am Vorabend die Gründung einer Zweckgesellschaft angekündigt, die nach Art einer Tauschbörse funktionieren und sowohl iranische Erdölexporte als auch europäische Lieferungen in den Iran ermöglichen soll. Mit der neuen Institution, die grundsätzlich auch nichteuropäischen Teilnehmern offenstehen wird, soll ein Mindestmaß an Handelstätigkeiten bewahrt werden. Das Vorhaben gilt als Testfall für die Berliner Bemühungen um eine eigenständige Weltpolitik. 

Trumps Aufruf zur weltweiten Isolierung des Irans erfolgte nur wenige Tage nach dem Terroranschlag vom 22. 9. in der südwestiranischen Großstadt Ahwaz, bei dem 29 Menschen ihr Leben verloren haben. Zu dem Anschlag hatten sich arabischsprachige Separatisten, die unter dem Namen Movement for the Liberation of Ahwaz in der iranischen Provinz Khuzestan operieren, bekannt. Teheran beschuldigt nun Golfstaaten um Saudi-Arabien - enge Verbündete nicht zuletzt auch der deutschen Außenpolitik im Mittleren Osten -  die Terroristen unterstützt zu haben.

Selbst westliche Beobachter schließen das nicht aus. So weist etwa eine Expertin von der School of Foreign Service an der renommierten Georgetown University   darauf hin, dass ein bis heute sehr einflußreicher einstiger Berater der Staatsführung der Vereinigten Arabischen Emirate es dezidiert abgelehnt habe, den Anschlag als Terrorismus zu verurteilen: »Wir hatten den Iran gewarnt.« Zudem habe der saudische Kronprinz Muhammad bin Salman angekündigt, den Krieg in den Iran hineintragen zu wollen; es sei tatsächlich denkbar, dass Riad seine Finger im Spiel habe. Saudi-Arabien und Ägypten hätten schon zuvor arabischsprachige Separatisten im Iran unterstützt, um Teheran zu schwächen, wenngleich sie dies bislang nur auf politischer Ebene getan hätten. Der ehemalige irakische Außenminister Tariq Aziz habe die Zerschlagung des Irans einst gar offen als Ziel ausgegeben: »Fünf kleine Irans sind besser als ein großer Iran.«  [1] 

Der aktuelle Schwerpunkt der deutschen Außenpolitik liegt gegenwärtig darauf, das Nuklearabkommen mit Teheran zu bewahren und deshalb die Geschäftstätigkeit westlicher Firmen im Iran gegen den US-Sanktionsdruck aufrechtzuerhalten. Erste Vorstöße Deutschlands und der EU haben sich dabei als gänzlich erfolglos erwiesen. So hatte Brüssel eine EU-Verordnung in Kraft gesetzt, die es Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten untersagt, US-Sanktionen Folge zu leisten und ihre Iran-Aktivitäten auf Grund von Druck aus Washington zu beenden. Da jedoch eine überwiegende Mehrheit der im Iran tätigen EU-Firmen umfangreichere Geschäftsinteressen in den USA hat, ist die Verordnung ohne jede Wirkung geblieben: Vor allem große Konzerne haben sich, um US-Strafen zu vermeiden, bereits aus dem Iran zurückgezogen oder jedenfalls angekündigt, dies in Kürze zu tun. Dabei hatte der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, persönlich den Druck auf einzelne Konzerne erhöht. »Siemens hat mir mitgeteilt«, twitterte Grenell etwa Ende August, »dass sie sich aus dem Iran zurückziehen, um US-Sanktionen zu erfüllen.« »Der Botschafter hat sich täglich mit seinem Team darum gekümmert, bei den einzelnen Unternehmen nachzuhaken«, bestätigte eine Sprecherin der US-Botschaft in Deutschland jetzt.« [2]

Special Purpose Vehicle

Die EU hat nun ihren nächsten Versuch gestartet, um den vollständigen Kollaps des Irangeschäfts zu verhindern. Dabei geht es zunächst vor allem um Aktivitäten der relativ wenigen Unternehmen, die keine relevanten Interessen in den Vereinigten Staaten verfolgen, sowie um die geringen Geschäftstätigkeiten, die nicht von US-Strafmaßnahmen betroffen sind. So gibt beispielsweise die BASF an, nur gut die Hälfte ihres Vorjahresumsatzes im Iran falle unter die Sanktionen; demnach könnten weiterhin rund 40 Millionen Euro jährlich umgesetzt werden. Auch VW dürfe, heißt es, einige kleinere Geschäfte »auf Grund einer humanitären Ausnahmeregelung weiterführen.« Dazu müssen freilich, weil Washington sämtliche Finanztransaktionen mit dem Iran bestrafen will, neue Zahlungsmodalitäten gefunden werden. Auch muß, damit Teheran weiterhin zahlungsfähig bleibt, zumindest ein Teil des iranischen Erdölexports weitergeführt werden. Beides will die EU nun, wie die EU-Außenbeauftragte am späten Montagabend, 24. 9., in New York angekündigt hatte, mit einer eigens zu gründenden Zweckgesellschaft ermöglichen; diese  offiziell als Special Purpose Vehicle (SPV) bezeichnete Einrichtung fungiert faktisch als eine Art  Tauschbörse. So sollen iranische Erdöllieferungen an EU-Staaten bei dem SPV als Guthaben notiert werden, mit dem Teheran dann Einkäufe in der EU tätigen kann. Käufer iranischen Öls würden den Preis beim SPV bezahlen, das damit seinerseits die Warenlieferungen an den Iran beim jeweiligen Hersteller begleicht. Das SPV soll prinzipiell auch von nichteuropäischen Staaten genutzt werden können. Das Vorhaben, das bei  Rußland und China auf Zustimmung stößt, wird zur Zeit von EU-Experten präzisiert.

Dem Vorhaben kommt in zweierlei Hinsicht besondere Bedeutung zu. Zum einen wird es sich zeigen, ob Berlin und die EU sich in einem ernsten weltpolitischen Konflikt gegen die Vereinigten Staaten behaupten können; der Streit um die Iranpolitik ist diesbezüglich ein Testlauf für die deutsch-europäische Weltpolitik. Zum anderen weisen Beobachter darauf hin, dass die Bemühungen, die US-Sanktionen gegen den Iran auszuhebeln, auch im Hinblick auf die Ausweitung der US-Rußland-Sanktionen zu sehen sind: Gelänge es Washington, Deutschland und die EU zur Unterordnung unter seine jüngsten Boykottschritte gegen Moskau zu zwingen, dann müßte die Bundesrepublik auf strategische Vorhaben in der Erdgasbranche verzichten - insbesondere auf die Pipeline Nord Stream 2. Während Berlin diese mit allen Mitteln verteidigt, attackiert die Trump-Administration die Röhre erbittert; nicht zuletzt deshalb, um den Absatz von US-amerikanischem Flüssiggas in Europa auszuweiten.  [3]

 

Anmerkung d.a.: Wie schon des öfteren dargelegt, könnten wir uns den Mammutapparat in Brüssel durchaus sparen und die Regierung der längst als US-Kolonie eingestuften EU in Washingtons Hände legen. Man fragt sich ferner, inwieweit die Konzernwelt bedenkt, was die planmässige US-Sabotierung der wirtschaftlichen Beziehungen der EU zum Iran auf die Dauer an Verlusten zeitigen wird, selbst wenn man dagegen hält, dass gerade die deutschen Konzerne in den Vereinigten Staaten wesentlich mehr Arbeitsplätze schaffen als umgekehrt. Wie die AmCham Germany, die amerikanische Handelskammer in Deutschland, am 27. 9. mitteilte, erzielen die 50 grössten in den USA engagierten deutschen Unternehmen, die dort ungefähr 650.000 Mitarbeiter beschäftigen, einen Umsatz in Höhe von 366 Milliarden €. Daimler und BMW betreiben in den Vereinigten Staaten grosse Fabriken, wobei BMW sogar mehr Autos als die amerikanischen Hersteller Ford und General Motors aus dem Land exportiert. Der Gesundheitskonzern Fresenius beschäftigt mit 60.000 Angestellten mehr Menschen als jedes andere deutsche Unternehmen in den Staaten.  [4]

Nun hat der US-Präsident in seiner Rede vor den Vereinten Nationen nicht nur globalistischen Bestrebungen eine Absage erteilt, sondern auch erklärt, dass Amerika keinem Land vorschreiben werde, wie es zu leben habe: »Wir bitten euch im Gegenzug nur um eines, unsere Souveränität zu respektieren.« Im Prinzip hätte es an den UNO-Mitgliedern gelegen, ihm unmittelbar nach seinen Parolen aufzuzeigen, dass die von seinem Land willkürlich verhängten Sanktionen die Souveränität jeder davon betroffenen Nation im Kern treffen. Durch die mit diesen Repressalien einhergehenden folgenschweren Einschränkungen schreibt er den davon betroffenen Nationen direkt vor, unter welchen Umständen die Bevölkerung zu leben hat. Gänzlich im Gegensatz zu Trumps beschworener Respektierung der Souveränität stehen ferner die von Washington beständig angestrebten Regimewechsel globlistischer Färbung. So beliebte der US-Aussenminister Mike Pomopeo Ende Juli gar darüber zu referieren, wie Amerika Gottes Arbeit tue, indem es sich dem iranischen Volk zuwende, um es zu ermutigen, ihr   - wörtlich-  Mafia-Regime zu stürzen. »Unseren iranischen Amerikanern und iranischen Freunden erkläre ich heute abend, dass die Administration von Präsident Trump für das iranische Volk die gleichen Träume träumt wie ihr. Und kraft unserer Anstrengungen und Gottes Vorsehung wird dieser Tag kommen, wobei er Irans Regierende als heuchlerische heilige Männer zu bezeichnen wusste.« Eine schwere Verblendung, wie sie hier vorliegt, darf ungestraft als akute geistige Erkrankung betrachtet werden.  [5]

Dieselbe Verblendung zeigt sich auch in den Aussagen der Vertreterin der Vereinigten Staaten im UN-Sicherheitsrat, Nikki Haley, vom 5. September: »Die iranische Regierung benutzt den Atomdeal, um die Welt als Geisel ihrer Handlungen zu halten.« »Wir müssen ehrlich sein, um uns selbst die Frage zu stellen: Was passiert, wenn 10 Jahre vergehen, aber der Iran seine Verpflichtungen nicht erfüllt und dies zu einem Atomkrieg führen wird?« ergänzte sie. Dies angesichts des Berichts des stellvertretenden UNO-Generalsekretärs Jeffrey Feltman vom Ende Juni, dass die UNO über keine Beweise für Verstöße gegen den Atomdeal verfügt, was auch anderweitig wiederholt bestätigt worden ist.  [6]

Die Attacken, denen der Iran von Seiten der USA unverändert ausgesetzt ist, spielen sich auf allen Ebenen ab. So kritisierte der Sondergesandte der USA für den Iran, Brian Hook, Ende August das Hilfspaket für die Islamische Republik, das die EU auf den Weg gebracht hatte, scharf, mit folgender Begründung: Die Unterstützung sende »die falsche Botschaft zur falschen Zeit.« »Ausländische Hilfe der europäischen Steuerzahler verlängert die Fähigkeit des Regimes, die Bedürfnisse des Volkes zu vernachlässigen und bedeutsame politische Veränderungen«  - also einen regime change nach US-Art -  »zu unterdrücken.«  [7]   

»Auch der Iran«, schrieb der US-Professor James Petras diesen April, »soll mit militärischen Drohungen dazu gebracht werden, auf die nur zu seiner Verteidigung vorgesehenen Raketen zu verzichten und seine guten Beziehungen zu regionalen Verbündeten zu kappen. Wenn sich Teheran entwaffnen und isolieren ließe, könnten die Oligarchen der USA, Israels und Saudi-Arabiens die 80 Millionen Iraner mit einem für die Angreifer gefahrlosen Überfall leichter unterwerfen. Und China soll mit einem Handelskrieg sowie mit einer in der Luft und auf See vom US-Militär vorgenommenen Umzingelung in die Knie gezwungen werden. Damit will man den Chinesen ihre wirtschaftliche Souveränität, ihren Einfluß auf die Finanzmärkte und ihre industrielle Wettbewerbsfähigkeit nehmen, um das Wachstum der chinesischen Wirtschaft und den technischen Fortschritt des Landes zu stoppen. Ins Visier genommene Staaten sollen Schritt für Schritt unterjocht werden: Schon US-Präsident Harry Truman wollte den Einfluß des asiatischen Riesen reduzieren, und die Chinesen so arm machen, dass sie mit einer verrosteten Schüssel um Reis betteln müssen.«  [8] 

Zu bedenken ist jedenfalls, dass sich mit einer totalen Wirtschaftsblockade auch ein Krieg provozieren lässt. 

Fürs erste bleibt jetzt abzuwarten, ob es Brüssel mit dem als Tauschbörse vorgesehenen Special Purpose Vehicle gelingen wird, die Auswirkungen der US-Sanktionen abzumildern.

 

[1]  Shireen T. Hunter: Ahwaz Attacks: Is Saudi Arabia Taking the War Inside Iran? lobelog.com   24. 9. 2018
[2]  Grenell irritiert mit angeblichem VW-Rückzug  n-tv.de   20. 9. 18
[3]  https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7734/   26. 9. 18
Die Tauschbörse der EU
[4] 
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/deutsche-konzerne-beschaeftigen-650-000-mitarbeiter-in-amerika-15810199.html    27.9. 18
Deutsche Konzerne beschäftigen 650.000 Mitarbeiter in Amerika

[5]  https://www.rt.com/op-ed/434240-iran-regime-change-us/   25. 7. 18
[6] 
https://de.sputniknews.com/politik/20170905317320888-usa-im-sicherheitsrat-iran-haelt-welt-in-geiselhaft/   5. 9. 17
[7]  https://www.epochtimes.de/politik/welt/usa-kritisieren-eu-wegen-iran-hilfspaket-mehr-geld-in-haenden-des-ajatollahs-bedeutet-mehr-geld-fuer-attentate-in-europa-a2613086.html   25. 8. 18
[8] 
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP06618_200518.pdf
Friedenspolitische  Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein   LP 066/18 – 20.05.18
Original auf https://www.globalresearch.ca/an-empire-built-on-fear-at-home-and-abroad/5636226   15. 4. 18  An Empire Built on Fear at Home and Abroad. War Fever is Everywhere – By Prof. James Petras