Bern muss klagen - Schweizer Antwort auf die EU-Erpressung 08.01.2018 00:59
Die in erpresserischer Absicht verfügte Benachteiligung der Schweizer Börsen
durch die Europäische Union verletzt das Diskriminierungsverbot der Welthandelsorganisation WTO klar. Verzichtet der Bundesrat darauf, die EU bei der WTO aufgrund dieser klaren Verletzung verbindlicher WTO-Regeln einzuklagen, zeigt er sowohl Brüssel als auch der Schweizer Öffentlichkeit, dass er der ihm übertragenen Regierungsaufgabe nicht gewachsen ist. Die Schweiz ist, genau gleich wie die EU, Vollmitglied der WTO. Sowohl die Schweiz als auch die EU haben sich damit verpflichtet, geltende WTO-Regeln korrekt anzuwenden. Der Welthandelsorganisation WTO ist der Auftrag
erteilt worden, weltweit geltende Regeln für eine möglichst hindernisfreie
Entfaltung grenzüberschreitender wirtschaftlicher Tätigkeit zu schaffen und
über deren Einhaltung durch alle WTO-Mitglieder zu wachen.
Diskriminierungsverbot Die WTO hat insbesondere ein weltumspannendes Diskriminierungsverbot
beschlossen, dessen Regeln alle WTO-Mitglieder einzuhalten haben. Das
Diskriminierungsverbot verlangt bezüglich des wirtschaftlichen Austauschs die
Gleichbehandlung aller ebenfalls der WTO angehörenden Länder.
Soeben hat die Europäische Union, Mitglied der WTO,
der Schweiz gegenüber einschränkende Anordnungen bezüglich der Anerkennung
ihrer Börsen getroffen. Diese sind eindeutig schlechter als jene, die für alle
anderen Nicht-Mitglieder der EU bezüglich der Börsenanerkennung in Kraft sind.
Das Motiv dieser Schlechterbehandlung der Schweiz ist eindeutig erpresserischer
Natur: Das Nicht-EU-Mitglied Schweiz soll zum Abschluss eines Rahmenvertrags
mit der EU gezwungen werden. Dieses würde die Souveränität der Schweiz
gegenüber der EU deutlich einschränken. Die Schweiz müsste EU-Beschlüsse, welche
Brüssel von sich aus als ›binnenmarktrelevant‹ einstuft, automatisch übernehmen. Und sie müsste
den EU-Gerichtshof in von Brüssel als ›binnenmarktrelevant‹ bezeichneten Streitfällen als höchstes, nicht
anfechtbares Gericht anerkennen. Die Schweiz müsste sich also fremdem
Recht - von fremden Richtern ausgelegt
und erlassen - vorbehaltlos unterziehen.
Nichts auch nur annähernd Vergleichbares verlangt
die EU von anderen Nicht-EU-Mitgliedern. Und allein um sich die Schweiz
bezüglich der erwähnten souveränitätseinschränkenden Zugeständnissen gefügig zu
machen, erlässt Brüssel gegenüber der Schweiz Einschränkungen zur
Börsenanerkennung, die sie keinem anderen Nicht-Mitglied der EU auch nur in
annähernd vergleichbarer Form zumutet. Damit liegt ein geradezu klassischer
Fall von Diskriminierung, angewendet mit erpresserischer Absicht, vor: Ein
klarer Bruch geltender WTO-Regeln.
Fehlt der Mut? Aufgrund solcher, aus politisch erpresserischer
Absicht verfügter Benachteiligung kann die Schweiz die EU bei der WTO
einklagen. Auch der Bundesrat hat in seiner Reaktion auf die
EU-Erpressung völlig zu Recht und vollumfänglich WTO-konform von
Diskriminierung gesprochen. Die Medien haben diese bundesrätliche Erklärung als
›stark‹
gewürdigt. Glaubwürdigkeit erlangt der Bundesrat damit allerdings nur, wenn er
seinen starken Worten auch konsequente Taten folgen lässt.
Dass die EU-Anordnung WTO-Regeln gegen die Schweiz
verletzt, ist nicht eine Erfindung der ›Schweizerzeit‹-Redaktion. Ausgewiesene Experten des
internationalen Rechts stufen die Schlechterstellung der Schweiz durch die EU
ebenfalls als nach WTO-Regeln strafbare Diskriminierung ein (vergleiche dazu:
Tages-Anzeiger vom 29. Dezember 2017, Seite 4).
Noch macht es den Anschein, als ob der Bundesrat
vor einer ernsthaften juristischen Demarche gegen die Europäische Union
zurückschrecken würde. Verzichtet er darauf, beweist er, dass ihm in Brüssel
untertänig ›lieb
Kind zu sein‹
wichtiger ist als die Wahrnehmung elementarer Interessen der Schweiz. Aus Bern
vernimmt man die Ausrede, wonach das juristische Verfahren, selbst wenn es mit
einem Erfolg enden würde, viel zu lange dauern würde, wenn der Weg der Klage
wirklich beschritten würde. Dieser Einwand sticht in keiner Art und Weise. Eine
Klage der Schweiz dürfte vielmehr rasch sichtbare politische Wirkung zeitigen.
Kein Land - und gewiss auch nicht die EU
- würde eine drohende WTO-Verurteilung
wegen Diskriminierung gleichmütig hinnehmen. Selbst zu Brüssel würde nur schon
die eingereichte Klage mit Sicherheit ein Überdenken der die Schweiz
diskriminierenden Anordnung auslösen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die EU, um
einer möglichen Verurteilung zu entgehen, ihren Erlass zur Benachteiligung der
Schweiz widerrufen könnte, ist - wenn
auch vom Bundesrat sträflich unterschätzt -
alles andere als von der Hand zu weisen: Ungesetzlich herrisch kann sich
die EU bloss aufführen, solange Bundesbern zum Klagen zu feige ist.
Trümpfe Die Schweiz hat weitere Trümpfe in der Hand. Im
Handelsaustausch mit der EU beziehen Schweizer Firmen aus EU-Ländern seit
Jahren erheblich mehr Dienstleistungen und Güter als sie dorthin liefern. Mit
anderen Worten: Die Schweiz ist Kundin der EU, notabene zahlungsfähige Kundin. Eine
Tatsache, die gegenüber allen EU-Ländern nachdrücklich zu betonen, derzeit
vorrangige Aufgabe Bundesberns sein müsste.
Verzichtet der Bundesrat angesichts der unser Land
eindeutig diskriminierenden Rechtsverletzung durch Brüssel auf eine WTO-Klage
gegen die EU, dann zeigt er sowohl Brüssel als auch der Schweizer
Öffentlichkeit, dass er seiner ihm übertragenen Regierungsaufgabe
offensichtlich nicht gewachsen ist. Nicht Kuss-Diplomatie bringt unser Land
weiter, allein konsequente Interessenwahrnehmung wird der Schweiz die ihr von
Brüssel zugefügte Diskriminierung vom Halse schaffen.
Quelle: http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/news/bern_muss_klagen-3253 Der Freitags-Kommentar vom 5. Januar 2018 von
Ulrich Schlüer, Verlagsleiter ›Schweizerzeit‹
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