Keine Privilegien verschenken! - Einbürgern ist kein Verwaltungsakt

Einem Komitee um Nationalrat und »sifa«-Präsident Andreas Glarner

ist es zu verdanken, dass der Abstimmungskampf über erleichterte Einbürgerungen an Fahrt aufgenommen hat und die längst überfälligen Diskussionen darüber, welchen Wert das Schweizer Bürgerrecht hat, endlich geführt werden. Das ach so verschmähte Burka-Plakat trifft eben doch ins Schwarze – und rückt die Grundsatzfrage ins Zentrum, wer in unserem Land über Einbürgerungen entscheiden soll. 

Am 12. Februar 2017 stimmen wir über die erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der sogenannten dritten Generation ab, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind. Diese Verfassungsänderung geht auf einen Vorstoss der Linken zurück, deren Strategie es seit Jahrzehnten ist, zwecks erhoffter Erschliessung von Neuwählern den Zugang zum Schweizer Pass für Ausländer Schritt für Schritt zu vereinfachen. Im Abstimmungsbüchlein führt der Bundesrat ziemlich dreist die Behauptung aus, diese Terzos seien allesamt gut integriert: »Sie machen im Sportclub mit, singen im Chor oder engagieren sich in anderen Vereinen.« Welch ein durch die rosarote Brille verfasstes Gesülze!

Schweizer Pass im Eilverfahren  
Neu sollen Ausländer der dritten Generation den Schweizer Pass im Eilverfahren und zum Discount-Preis beantragen können: Dies, wenn sie in der Schweiz geboren wurden, nicht älter als 25 Jahre sind und hierzulande mindestens fünf Jahre die obligatorische Schule besucht haben. Während der ersten fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes dürfen sich zusätzlich auch unter 35-Jährige erleichtert einbürgern lassen. Mindestens ein Grosselternteil muss ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz besessen haben oder in der Schweiz geboren sein, dann besteht ein Anrecht auf erleichterte Einbürgerung. Fehlen die Beweis-Dokumente, müssen die Antragsteller deren Aufenthaltsrecht nur glaubhaft machen  - nicht beweisen -  schliesslich existiert das zentrale Ausländerregister erst seit 1970.

Im Gegensatz zum ordentlichen Einbürgerungsverfahren, bei dem in urföderalistischer Tradition von den Gemeinden bestimmte Gremien, nämlich Einbürgerungskommission, Gemeindeversammlung, Legislative oder Exekutive, über die Erteilung des Bürgerrechts entscheiden, soll der Bund erleichterte Einbürgerungen von Ausländern der dritten Generation zentral verfügen können. Es erfolgt dann keine Prüfung mehr durch ein kommunales Einbürgerungsgremium: Das Einbürgerungsverfahren verkommt so zum Verwaltungsakt. Die Gemeinden hätten zwar noch ein Beschwerderecht, doch wer garantiert, dass der Informationsfluss zwischen den Gemeinden und dem Bund lückenlos klappen wird?

Unkontrollierte Einbürgerungen 
Es sollen zwar auch für die Drittgeneratiönler angeblich weiterhin strenge Kriterien gelten [Prüfung des Vorstrafenregisters, keine Sozialhilfeschulden]. Es liegt aber auf der Hand, dass problematische Personen, die im ordentlichen Verfahren in den Gemeinden mit ihrem Gesuch durchgefallen wären, vom Bund im erleichterten Verfahren durchgewinkt werden. In der Gemeinde, wo man einen näheren Bezug zum Einbürgerungswilligen hat, spricht es sich indessen eher herum, wenn ein junger radikal-muslimischer Einbürgerungskandidat Frauen den Handschlag verweigert, auch wenn dies in keinen Strafakten vermerkt ist. Beispiele aus Frankreich haben gezeigt, dass besonders Ausländer der dritten Generation für die islamistische Ideologie anfällig sind und auch durch terroristische Aktivitäten auffielen. Da in Frankreich die Landespässe à gogo verteilt wurden, agiert diese Problem-Klientel mit einem französischen Pass und kann nicht mehr abgeschoben werden. Gerade in Zeiten akuter Terrorgefahr ist es fahrlässig, den Schweizer Pass zu vergeben, ohne dass in den Gemeinden, dort wo die Menschen leben und man sie kennt, eine genaue Kontrolle stattgefunden hat.  

Keine stichhaltigen Lockerungsgründe  
Die Befürworter argumentieren, einbürgerungswillige Terzos müssten »ein langes und oft sehr aufwendiges Einbürgerungsverfahren durchlaufen«  - dies lt. Abstimmungsbüchlein -  was nicht zumutbar sei. Doch objektiv betrachtet spricht rein gar nichts dagegen, dass sich Ausländer der dritten Generation über das ordentliche Verfahren, nämlich bei den Gemeinden, um das Schweizer Bürgerrecht bewerben. Dieses sieht vor, dass Ausländer mindestens zwölf Jahre in der Schweiz gelebt haben müssen, wobei die Jahre zwischen dem 10. und dem 20. Lebensjahr doppelt zählen. Kriterien also, welche gesetzestreue Drittgeneratiönler, die sich wirklich mit der Schweiz identifizieren, in der Regel erfüllen dürften. 

Auch das Argument, es seien ja derzeit nur etwa 25.000 Personen, die von der erleichterten Einbürgerung für Ausländer der dritten Generation profitieren könnten  - und fast 60 % von ihnen seien kulturnahe Italiener -  hinkt gewaltig. Wir ändern die Verfassung schliesslich nicht für den Jetzt-Zustand, sondern für die Zukunft. Und in zwanzig bis dreissig Jahren werden es vermehrt die Nachkommen der kulturfremden Zuwanderer von heute sein, die ihren Anspruch auf erleichterte Einbürgerung geltend machen dürften und deren Integration alles andere als gesichert sein wird. 

Von mehr als 35 % aller Einwohner der Schweiz ist mindestens ein Elternteil im Ausland zur Welt gekommen. Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund (Schweizer und Ausländer) ist zwischen 2013 und 2014 sieben Mal stärker gewachsen (+3 %) als jene ohne ausländischen Elternteil (+0,4 %). Nur schon deswegen wird der Anteil an Ausländern der dritten Generation in den nächsten Jahren weiter ansteigen.  

Worum es bei Einbürgerungen geht  
Es ist in Erinnerung zu rufen, worum es bei dem Akt der Einbürgerung überhaupt geht: Das Schweizer Bürgerrecht ist mit vielen, weltweit einzigartigen Rechten, aber auch mit Pflichten verbunden. Eingebürgerte erhalten einmalige demokratische Mitbestimmungsrechte: Wählen, gewählt werden, Referenden und Initiativen starten. Mit einer Einbürgerung bürgen die Schweizer Stimmbürger für jene Person, die neu in den Bund der Eidgenossen eintritt. Auf der ganzen Welt sind die Messlatten für Einbürgerungen sehr hoch. Es entspricht der Schweizerischen Historie, dass nie ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung bestanden hat, und genau dieses kluge und bewährte Vertrauensprinzip soll mit der Verfassungsänderung vom 12. Februar 2017 über den Haufen geworfen werden.

Zwischen 1990 und 2015 sind in der Schweiz 775.000 Ausländer eingebürgert worden. Das ist mehr als die Einwohnerzahl des drittbevölkerungsreichsten Schweizer Kantons, des Kantons Waadt. Nach dem Allzeitrekord von 2006, als infolge der Masseneinwanderung aus dem Balkan in den 90er Jahren fast 48.000 Personen eingebürgert worden sind, schnellte dieser Wert 2015 wieder in die Höhe, auf 42.699 (+21 % gegenüber dem Vorjahr!). Im Jahr 2013 ging von über 35.000 Einbürgerungen über ein Drittel von Personen aus dem Balkan und der Türkei aus.

Dies zeigt, dass der Schweizer Pass vor allem bei Personen, die nicht aus dem mitteleuropäischen Kulturkreis stammen, sehr beliebt ist. Umso wichtiger ist es, jedes Einbürgerungsgesuch im Einzelfall zu prüfen. Der Schweizer Pass darf nicht verschenkt werden.  [1]  

Darum ist am 12. Februar Nein zu stimmen.

 

Eine erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration ist, wie Dr. iur Marianne Wüthrich in Zeit-Fragen  [2]  ausführt, unnötig,  bürokratisch und zentralistisch.   

Der Abstimmungstext, über den wir am 12. Februar abstimmen werden, lautet:

»Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
-  Art. 38 Abs. 3

-  Er [der Bund] erleichtert die Einbürgerung von:

-  a. Personen der dritten Ausländergeneration

-  b. staatenlosen Kindern«

wobei die erleichterte Einbürgerung für staatenlose Kinder schon heute gilt.

Klingt vernünftig, oder? Wer soll etwas dagegen haben, dass junge Leute, die in der Schweiz geboren wurden und deren Familien schon lange hier leben, das Schweizer Bürgerrecht erhalten? Wer die rechtlichen und politischen Hintergründe unter die Lupe nimmt, kommt allerdings zu einem anderen Schluss.

Die ordentliche Einbürgerung 
Das ordentliche Einbürgerungsverfahren beruht  - wie bereits oben dargelegt -  auf der föderalistischen Staatsstruktur der Schweiz. Es beginnt mit dem Einbürgerungsgesuch in der Wohngemeinde/dem Wohnkanton. Das Verfahren im Kanton und in der Gemeinde wird durch das kantonale Recht geregelt (Art. 15 BüG). Erst wenn die zuständige Behörde  - in der Regel die Gemeindeversammlung oder die Einbürgerungskommission -  dem Gesuch zustimmt und auch vom Kanton her keine Gründe dagegen sprechen, wird es an das Staatssekretariat für Migration (SEM) weitergeleitet; dieses erteilt bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen die Einbürgerungsbewilligung (Art. 13 BüG). Bisher sind ordentliche Einbürgerungen die Regel.  

Das erleichterte Einbürgerungsverfahren 
ist zentralistisch konzipiert: Der Bundesrat regelt das Verfahren; das Staatssekretariat für Migration trifft den Entscheid. Weil die einbürgerungswilligen Personen dem SEM kaum persönlich bekannt sind, »hört es den Kanton an« (Art. 25 BüG). Dieser hat aber kein Entscheidungsrecht, und die Gemeinde wird gar nicht erwähnt. Weil das erleichterte Einbürgerungsverfahren sich über die in der Schweiz übliche föderalistische Regelung hinwegsetzt, gilt es bisher nur in Spezialfällen: Für Ausländer, die mit einem Schweizer oder einer Schweizerin verheiratet sind  - weil deren Integration dank der engen Gemeinschaft mit dem Ehepartner meist leichter ist und um die Einheit des Bürgerrechts in der Familie zu unterstützen -  sowie für minderjährige staatenlose Kinder. Für diese Personen gilt eine kürzere Aufenthaltsdauer, aber auch sie müssen die Integrationskriterien lt. Artikel 12 erfüllen.

Der erste und wichtigste Einwand gegen die erleichterte Einbürgerung auch für Personen der dritten Ausländergeneration ist der, dass sie unnötig ist: Die jungen Ausländer, die seit ihrer Geburt in der Schweiz leben und hier in die Schule gehen, brauchen diese Neuregelung nicht. Denn für sie zählen die Jahre zwischen dem vollendeten 8. und 18. Lebensjahr ohnehin doppelt; wenn sie seit mindestens sechs Jahren hier leben, können sie ihr Einbürgerungsgesuch in ihrer Wohngemeinde stellen (Art. 9 Abs. 2 BüG). Von meinen zahlreichen Berufsschülern ausländischer Herkunft, die ich in 30 Jahren unterrichtet habe  - in vielen Klassen waren sie in der Mehrzahl -  waren bereits während der Berufslehre, also mit 16 bis 20 Jahren, praktisch alle, die das wollten, eingebürgert. Manche zusammen mit ihrer Familie, viele aber auf eigene Faust. Dies ist einer der vielen Vorteile der dualen Berufslehre: Wer eine Lehrstelle findet und sich dort und in der Berufsschule bewährt, ist praktisch ausnahmslos erfolgreich integriert (Art. 11a BüG). Falls zum Beispiel einer kriminell wird, verliert er in der Regel seine Lehrstelle und erfüllt dann auch die Integrationskriterien nicht. So einfach ist das.

Der zweite Einwand ist der, dass die geplante Regelung  - wie dies Ständerat Stefan Engler (CVP GR) am 13. 6. 2016 im Ständerat erklärte -  ein gesetzgeberischer Murks ist. Mit ihrer parlamentarischen Initiative führten Nationalrätin Ada Marra (SP, VD) und ihre Mitunterzeichner in Wirklichkeit etwas ganz anderes im Schilde, als nun im Parlament herausgekommen ist: Nämlich das ius soli  - wer auf dem Gebiet eines Staates geboren wird, erhält automatisch das Bürgerrecht -  neu aufzugleisen, obwohl dieses 2004 von Volk und Ständen deutlich abgelehnt worden ist. Einen solchen Automatismus hat die Mehrheit im National- und im Ständerat seit Beginn der Beratungen abgelehnt. Anstatt aber die ganze Vorlage zu versenken, versuchte das Parlament   - wenig überzeugend -  zu gewährleisten, dass der in der Schweiz geborene Antragsteller auch wirklich aus einer Familie stammt, die schon über zwei Generationen hinweg hier gelebt hat. Gemäss dem künftigen Artikel 24?a BüG2 muss er glaubhaft machen, dass mindestens ein Grosselternteil ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz hatte, mindestens ein Elternteil eine Niederlassungsbewilligung erworben, sich mindestens zehn Jahre lang in der Schweiz aufgehalten und mindestens fu?nf Jahre lang die obligatorische Schule in der Schweiz besucht hat (vgl. Bundesbüechli, Seite 6/7).

Viel Spass bei der Ahnenforschung! 
Ich würde dem eher Bürokratie-Monster als erleichterte Einbürgerung sagen,   abgesehen davon, dass unter der dritten Generation eigentlich Kinder verstanden werden, deren Eltern (oder wenigstens ein Elternteil) ebenfalls in der Schweiz geboren wurden, hier gelebt haben (und zwar nicht nur zehn Jahre) und hier zur Schule gegangen sind (nicht nur fünf Jahre).

Dass vom Einbürgerungskandidaten selbst lediglich verlangt wird, dass er mindestens fünf Jahre lang die obligatorische Schule in der Schweiz besucht hat, ist besonders fragwürdig: Entweder gehört er zur dritten Ausländergeneration  - dann ist er hier geboren und aufgewachsen und hat hier seine Schulausbildung gemacht -  oder er gehört nicht dazu. Die einzigen, die sich über dieses Konstrukt freuen, sitzen vermutlich im Staatssekretariat für Migration: Dort müsste die Verwaltungsblase um viele weitere Stellen ausgebaut werden … Die jungen Ausländer, die hier geboren und aufgewachsen sind, sind mit der heutigen Regelung der doppelt zählenden Jugendjahre jedenfalls besser bedient. 

Dritter Einwand: Föderalismus stärken statt schwächen! 
Der Föderalismus gewährleistet wie in vielen anderen Bereichen auch hier viel feiner abgestimmte und von den Bürgern getragene Regelungen. Denn die erleichterte Einbürgerung für in der Schweiz geborene Ausländer gibt es bereits in 16 Kantonen, und zwar in vielfältiger Ausgestaltung: Diese Vereinfachungen beziehen sich etwa auf den Verzicht auf Sprach- und Staatskundetests, auf die Reduktion der Einbürgerungstarife, auf kürzere Wohnsitzfristen oder generell auf vereinfachte Verfahren. (Lt. Ständerat Stefan Engler, CVP GR). Die Minderheit, die Engler im Ständerat vertrat, wollte deshalb anstatt einer erleichterten Einbürgerung durch den Bund die vereinfachte Einbürgerung durch die Kantone unterstützen: »Es ist gescheiter, beim ordentlichen Verfahren zu bleiben und den Kantonen die Möglichkeit zu geben, die Privilegierung solcher Einbürgerungen selber zu bestimmen, oder aber im Bürgerrechtsgesetz einen Rahmen zu skizzieren, an dem sich die Kantone in dieser Frage zu orientieren haben.« Mit einer solchen Regelung blieben die Kompetenzen beim Kanton und bei den Gemeinden.

Kurz und bündig
Es spricht nichts für die Erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration in der Form, welche Volk und Ständen am 12. Februar 2017 zur Abstimmung vorgelegt wird. Sowohl den jungen Ausländern als auch dem Föderalismus ist mit der geltenden Regelung im Bürgerrechtsgesetz, welches zudem erst vor zweieinhalb Jahren total revidiert wurde, weit mehr gedient. 

 

[1]  Quelle:
http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/news/keine_privilegien_verschenken-2986  20. 1. 17 

Der Freitags-Kommentar vom 20. Januar 2017 von Anian Liebrand, Redaktion Schweizerzeit

[2]  Quelle – auszusweise -
http://www.zeit-fragen.ch/de/ausgaben/2017/nr-2-17-januar-2017/erleichterte-einbuergerung-von-personen-der-dritten-auslaendergeneration-unnoetig-buerokratisch-zentralistisch.html    17. 1. 17 
Erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration – unnötig, bürokratisch, zentralistisch  -  von Dr. iur Marianne Wüthrich