Türkei

Die Aufnahme der Verhandlungen mit der Türkei über einen Beitritt des Landes zur EU haben auch in der EU-Bevölkerung schwerste Bedenken ausgelöst. Dieser Beitritt, so lässt sich folgern, wird dieser notfalls aufgezwungen werden. Bereits 1999 hatte die EU der Türkei in Helsinki auf Druck der USA den Status einer Beitrittskandidatin eingeräumt, was im Dezember 2002 in Kopenhagen bestätigt wurde. Am 17. 9. 2004 erklärte der Ministerpräsident Luxemburgs, Jean-Claude Juncker, in einer Rede vor Abgeordneten der EVP in Strassburg, dass er bezüglich des Türkeibeitritts allen Versuchen, jetzt noch eine Grundsatzdebatte darüber zu führen, wie ein Beitritt noch vermieden werden könnte, eine Absage erteile. Diese hätte vor 1997 geführt werden müssen resp. zuletzt 1999, als die Türkei den offiziellen Kandidatenstatus erhielt. Er selbst habe sich damals als Einziger gegen diese Beschlüsse ausgesprochen, aber niemand habe die Diskussion ernsthaft führen wollen. Jetzt sei der Zug unterwegs. Den Antrag auf Aufnahme in die EU stellte die Türkei erstmals 1987, ihre Kandidatur wurde jedoch auf dem europäischen Gipfel in Luxemburg im Jahr 1997 in Anbetracht der Menschenrechtslage in der Türkei und auch wegen Zypern nicht aufrechterhalten.

Mit der USA im Rücken erstaunt es natürlich nicht, dass der türkische Ministerpräsident Erdogan der EU am Vorabend der Verhandlungsaufnahme sogar drohen konnte. Die USA ist jedoch, wie jetzt zutage tritt, nicht seine einzige Stütze, denn Joschka Fischer liess die Deutschen in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung folgendes wissen: « Wir haben der Türkei Zusagen gemacht, seit Adenauer Bundeskanzler war. Jetzt der Türkei die Tür vor der Nase zuzuschlagen, wäre hochgradig unverantwortlich.»  Es ist nirgendwo ersichtlich, dass den Deutschen diese nicht unerhebliche und auf ihr eigenes und das Geschick der übrigen EU-Bürger Einfluss nehmende Information zur Kenntnis gelangt wäre. In diesem Interview liess sich Fischer noch wie folgt vernehmen: «Jede Form der Absage, wie sie Angela Merkel betreibt, würde nicht nur in der Türkei auf scharfe Kritik stossen, sondern in der islamisch-arabischen Welt als Zurückweisung empfunden.» Ein erstaunlich offenes Herz für die Türken; welche Auswirkungen das für seine eigenen Bürger hat, darüber scheint er sich keine Gedanken zu machen. Es stellt sich im übrigen die Frage, ob die deutschen Zusagen mit oder ohne Wissen der übrigen Regierungschefs der EU erfolgten. Der Nichteinbezug der Bevölkerung in Verhandlungen von einer derartigen Tragweite  - auch wenn diese als ‘ergebnisoffen’ bezeichnet werden -  widerspricht jeglichem Demokratieverständnis.
 
Nach der formellen Eröffnung der Beitrittsverhandlungen begrüsste Erdogan das Ergebnis als "Sieg des gesunden Menschenverstands. Unsere Hoffnungen auf einen globalen Frieden sind auf diese Weise bestärkt worden". Der gesunde Menschenverstand ist schwer zu erkennen und die salbungsvollen Worte zum globalen Frieden haben wir zu oft gehört, als dass man ihnen noch das geringste Gewicht beimessen könnte, zumal die USA als engster Türkeiverbündeter den Frieden durch neuerliche, mit unbewiesenen Anschuldigungen untermauerten Drohungen gegen den Iran und Syrien erneut aufs höchste gefährdet. Besonders ‚friedliche’ Töne erklangen auch aus der Ecke des Wall Street Journals. Der von Bundeskanzler Schüssel angeführte Widerstand gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei wurde als Ausfluss von „Rassismus, schierer Unverschämtheit und vollkommener Unkenntnis der politischen Klasse dieses Alpenlandes” bezeichnet. Was man sich jenseits des grossen Teiches doch alles ungestraft herausnehmen darf.