Eher Missbrauch statt Menschenrecht

Der Europäische Gerichtshof habe in jüngster Vergangenheit jegliches Augenmass verloren

kommentiert Markus Melzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt.

Die SVP hat Mitte August dieses Jahres die Selbstbestimmungs-Initiative »Schweizer Recht statt fremde Richter« bei der Bundeskanzlei eingereicht. Dabei soll das Verhältnis zwischen Landesrecht und internationalem Recht geklärt sowie festgeschrieben werden, dass das schweizerische Recht und die Bundesverfassung die oberste Rechtsquelle sind. Die Eidgenössische Bundesverfassung steht über dem Völkerrecht und die Schweiz wahrt somit die Menschen- und Grundrechte eigenständig; vorbehältlich bleiben die zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Die Gegner der Selbstbestimmungs-Initiative erwecken nun den Anschein, dass die Schweiz ein finsterer Schurkenstaat wäre, und unterschlagen, dass sämtliche Grundrechte in unserer Bundesverfassung umfassend festgeschrieben sind. Die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgehaltenen Menschenrechte und Grundfreiheiten sind also nichts Neues unter der Sonne. Die Rechtssicherheit in der Schweiz ist vollumfänglich gewahrt und es stellt sich die Frage, weshalb gewisse politische Kreise ein derart tiefes Misstrauen gegenüber unserem Rechtssystem hegen und dem Schweizerischen Bundesgericht die Urteilsfähigkeit weitgehend absprechen.

Nun ist es aber so, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der jüngsten Vergangenheit jegliches Augenmass verloren hat, und es macht den Anschein, dass die Euro-Richter in Strassburg die Schweiz mit einer gewissen Genugtuung sanktionieren. Die Selbstbestimmungs­Initiative fordert nicht die Kündigung der EMRK, nimmt diese aber in Kauf. Und das ist auch gut so. Wir können sehr wohl auf ein Gericht verzichten, welches die Überwachung einer Person, die des Versicherungsbetrugs verdächtigt wird  - oder einer afghanischen Flüchtlingsfamilie im Widerspruch zu Schengen/Dublin den Verbleib in der Schweiz gestattet, obwohl diese in Italien bereits ein Asylgesuch gestellt hat -  im öffentlichen Raum verbietet.

Zudem haben sich die Strassburger Richter mit einer Versicherungsstreitigkeit im Zusammenhang mit der Geschlechtsumwandlung einer nahezu 70jährigen transsexuellen Person befasst, was wohl auch nicht gerade eine Menschenrechtsfrage ist.

Schliesslich unterläuft der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die von Volk und Ständen angenommene Initiative für die Ausschaffung krimineller Ausländer mit einer beinahe boshaften Regelmässigkeit und desavouiert dadurch nicht nur das Schweizerische Bundesgericht, sondern auch den Schweizer Souverän. Bevor jetzt aber eine vertiefte politische Diskussion zur Selbstbestimmungs-Initiative einsetzt, verfallen die Gegner reflexartig in Schnappatmung und gründeten den Verein Schutzfaktor M. Auf ihrer Website halten die Vereinsverantwortlichen fest, dass die EMRK nach dem Zweiten Weltkrieg als Mindeststandard an Menschenrechten definiert wurde, um Demokratien zu fördern und Frieden zu sichern. Es bleibt die Frage, ob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Verein Schutzfaktor M überhaupt realisieren, wie stark sich das Strassburger Gericht schon lange von seinem Gründungsgedanken verabschiedet hat. 

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass das M im Vereinsnamen Schutzfaktor M sowohl als Menschenrechte wie auch als Missbrauch interpretiert werden kann.

 

Quelle: 
http://bazonline.ch/schweiz/eher-missbrauch-statt- menschenrecht/story/19054799  18. 11. 16