Frontalangriff auf die Direkte Demokratie - Von Ulrich Schlüer

Aus Angst vor der EU hat die Classe politique ihren Traum,

die Schweiz doch noch irgendwie der EU angliedern zu können, nie aufgegeben, mag der Widerstand in der Bevölkerung gegen den EU-Beitritt noch so gross sein: Der Bundesrat will die Schweiz mittels eines Rahmenvertrags an den EU-Bürokratieapparat institutionell anbinden. 

Bundesrätliche Zugeständnisse  
Das will er herbeiführen, indem die Schweiz sämtliche EU-Beschlüsse, die bilateral irgendwie mit zwischen Bern und Brüssel getroffenen Vereinbarungen in   Zusammenhang stehen, automatisch  - der Bundesrat wählt dafür allerdings den tarnenden Ausdruck dynamisch -  zu übernehmen hat. Die Landesregierung ist zusätzlich bereit, beim Entstehen von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bern und Brüssel den Europäischen Gerichtshof für Vertragsverletzungen als oberste, nicht anfechtbare Instanz der Rechtsprechung anzuerkennen.

Der Bundesrat räumt der EU sogar das Recht ein, gegen unser Land  - gegen das Land, dessen Interessen er als Regierung eigentlich zu wahren hätte -  Sanktionen, also Strafmassnahmen ergreifen zu können, wenn die Schweiz einen EU-Beschluss einmal nicht im Sinne Brüssels übernehmen würde. Ausserdem will Bundesbern der EU die Einsetzung eines EU-Überwachungsorgans zugestehen, das im Dienste Brüssels die Vertragstreue Berns beaufsichtigen soll. Und auch Jahresbeiträge will der Bundesrat fortan nach Brüssel entrichten. So, als wäre die Schweiz eine bevogtete, tributpflichtige Untertanin Brüssels. Würde man Brüssel, so lautet die angsterfüllte Begründung dieses Souveränitätsverzichts, all dies nicht zugestehen, wäre die EU in der Lage, wichtige bilaterale Verträge mit der Schweiz kurzerhand zu annullieren.

Parlament und Bundesgericht ziehen nach  
Der Nationalrat hat soeben beschlossen, die von Volk und Ständen in einer Volksabstimmung gutgeheissenen Massnahmen gegen die Masseneinwanderung nicht umzusetzen. In Sachen Einwanderung würde nur noch angeordnet, was Brüssel zuvor ausdrücklich genehmigt hätte. Nicht mehr der Schweizer Souverän, Brüssel hat für die Grosse Kammer fortan das Sagen. Und das Bundesgericht hat letzten Herbst festgehalten, es werde sich in Sachen Personenfreizügigkeit konsequent nur noch am EU-Recht orientieren. Was auch immer der Schweizer Souverän in Sachen Einwanderung beschliesse, sei für unser höchstes Gericht nicht verbindlich, sofern der Schweizer Entscheid von Brüssel nicht ausdrücklich gutgeheissen worden sei. Nicht mehr der Schweizer Souverän, vielmehr Brüssel bzw. Luxemburg, wo der EU-Gerichtshof seinen Sitz hat, schafft fortan das Recht, an welches sich unser höchstes Gericht gebunden fühlt. 

Die Bundesverwaltung dirigiert 
Hinter diesen Entwicklungen steht die übermächtige Bundesverwaltung, deren Exponenten seit Jahren von glänzenden, grosszügig salarierten Karrieren in der EU-Bürokratie träumen. Seit Dezennien schon sorgen sie  - an allen legislativen Instanzen der Schweiz vorbei -  dafür, dass das Schweizer Recht bis in alle Einzelheiten konsequent den Vorgaben aus Brüssel unterworfen wird. Es existiert zu Bundesbern keine Mehrheit mehr, welche für die Eigenständigkeit der Schweiz einzutreten bereit ist, mag sich der Souverän, mögen sich Volk und Stände noch so deutlich zu einer eigenständigen, souveränen, freien und neutralen Schweiz bekennen. 

Genau nach Geheimgutachten Thürer 
Das alles läuft nach einer Handlungsanleitung, wie sie im Jahre 2010 in einem Gutachten des Zürcher Staatsrechtlers Daniel Thürer formuliert worden ist, ab. Thürer verfasste dieses Gutachten im Auftrag des Bundesrats. Als dieser es der Landesregierung vorlegte, erklärte es der Bundesrat umgehend zum Geheimgutachten. Womit er zu verstehen gab, dass er im Papier Thürer mehr als nur ein Gutachten unter vielen andern sah, nämlich eine konkrete Handlungsanweisung. Anderthalb Jahre lang war dieses Papier eine geheim gehaltene Handlungsanleitung für unsere Landesregierung, bis seine Existenz entdeckt und der Öffentlichkeit schliesslich zugänglich gemacht wurde. Der Ratschlag in Thürers Gutachten lautet wie folgt: Der Bundesrat müsse fortan alles, was zu Brüssel bzw. Luxemburg als EU-Recht geschaffen werde, konsequent als allen europäischen Ländern übergeordnetes Völkerrecht bewerten. Denn dem Völkerrecht könne sich niemand entziehen. Wer dies wollte, würde das eigene Land geradezu der verfemten Minderheit der Schurkenstaaten zuordnen, die dem Völkerrecht demonstrativ die kalte Schulter zu zeigen versuche.

Der Völkerrechts-Trick 
Damit würde eine Volksabstimmungs-Frage theoretisch wie folgt lauten: »Wollt Ihr Euch der übergeordneten europäischen Rechtsordnung anschliessen - oder wollt Ihr die Schweiz den Schurkenstaaten zuteilen?« Eine solche, alles abendländische Recht verratende Frage zu stellen, verbietet sich allerdings einem Staat, der Rechtsstaat sein und bleiben will. Und damit, so der Gedankengang Thürers, sei der Weg für einen Anschluss der Schweiz an die EU sogar ohne Volksabstimmung geebnet. Dieses Rezept Thürers scheint Bundesbern immer offenkundiger als Handlungsanweisung nutzen zu wollen. Man weiss in den erwähnten Gremien natürlich, dass die Schweiz in freier Abstimmung nie und nimmer den Beitritt zur EU beschliessen würde. Nur mittels Ausschaltung, ja Zerstörung der Direkten Demokratie kann die Classe politique ihr grosses Ziel, den EU-Beitritt, erreichen – sozusagen durch die Hintertür.

Eine ernüchterte Öffentlichkeit muss heute wahrnehmen: Die Unterminierung der Direkten Demokratie ist bereits weit fortgeschritten. Die derzeitige Session der Eidgenössischen Räte liefert dazu den Anschauungsunterricht.  [1]

Der EU-Rahmenvertrag  
Dieser beendet, wie Lukas Reimann darlegt, die über Jahrhunderte gewachsene demokratische Tradition der Schweiz. Die Schweiz ist eine von mehreren Volksgruppen mit verschiedenen Sprachen und Religionen gebildete Willensnation. Seit 1848 ist sie ein Bundesstaat, einer von weltweit 23 und unter diesen, nach den Vereinigten Staaten, der zweitälteste. Der staatliche Aufbau ist föderalistisch und gliedert sich in die drei politischen Ebenen Bund, Kantone und Gemeinden. Mit dem Rahmenabkommen würde eine vierte Ebene – jene der EU-Bürokratie - diesen erfolgreichen Schweizer Staatsaufbau plattwalzen.

Ein politischer Rahmen oder eben ein Rahmenabkommen schränkt Handlungsfreiheit, Unabhängigkeit und Demokratie ein. Mit einem Rahmen wird ein Bereich festgelegt, innerhalb dessen man sich bewegen muss. Es werden Ketten um die demokratische und freiheitliche Schweizer Tradition gelegt. Und es kommt noch schlimmer: Diese Ketten können mittels dynamischer – also automatischer – Rechtsanpassung immer enger angezogen werden. Bis jeder Schritt zur Qual wird.

Ein Rahmenvertrag ist ein Unterwerfungsvertrag  
Bilaterale Gleichberechtigung und bei Konflikten fair zusammengesetzte, gemischte Ausschüsse Schweiz-EU würden beseitigt und durch das EU-Sanktionsrecht mit fremder Rechtsprechung und fremder Rechtsetzung ersetzt. Die bewährte Mitsprache von Volk und Kantonen in der Aussenpolitik würde auf ein absolutes Minimum beschränkt. Diese Entrechtung ist nichts anderes als das Ende der demokratischen, freiheitlichen Tradition der Schweiz. Das Volk soll nichts mehr zu sagen haben. Über die Zukunft des Landes sollen wenige machthungrige Funktionäre entscheiden: Fremdbestimmung statt Selbstbestimmung! Wozu überhaupt einen Rahmen? Es soll für die «institutionelle Einbindung der Schweiz» ein Rahmen gebildet werden, ein Tarnbegriff für den EU-Beitritt der Schweiz. Nach dem Brexit braucht Brüssel dringend ein Erfolgserlebnis. Die Schweiz als neuer Nettozahler, mit Ketten an die EU-Rahmenbedingungen angebunden, wäre dazu hochwillkommen. Ein Blick in die EU-Mitgliedsstaaten genügt, um Auswirkungen auf die Schweiz aufzuzeigen:

Der EU-Zentralismus entwickelt sich zur Hochsteuer-Hölle 
mit Überschuldung, wirtschaftlichem Niedergang und unentwirrbarer Überregulierung. Die EU ist innerlich bis zur Handlungsunfähigkeit zerstritten. Die unkontrollierte Masseneinwanderung und die Islamisierung – inklusive Terror durch fanatische Islamisten – sind die Folge dieser irren EU-Funktionärsdiktatur. Rekord-Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit für die europäische Jugend – ohne Mitbestimmungsrechte. Das ist keine Zukunftsperspektive für die Schweiz! Als Schweiz beweisen wir, dass es ohne EU besser geht. In den verschiedensten Statistiken  - etwa bezüglich Innovationskraft, Lebensqualität, Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit, geringe Schuldenlast oder Stabilität -  überflügeln wir die EU bei weitem. Nicht trotz – sondern gerade wegen unserer Unabhängigkeit! Das Rahmenabkommen würde diesen bewährten Schweizer Weg kaputtmachen. Es macht uns zum Nettozahler eines maroden Konstrukts. Die einmaligen Volksrechte würden geopfert;

Demokratie ist der Erzfeind der EU-Elite
Natürlich wollen wir mit der ganzen Welt Handel treiben, aber ohne politische Einmischung aus Brüssel. Das heutige EU-System organisierter Verantwortungslosigkeit schwächt Europa. Geldverschwenden wird belohnt, bis zur Pleite. Im Gegensatz zum Wettbewerb der Staaten führt die Transfergemeinschaft zur Abstumpfung: Man orientiert sich nach unten. Die Guten finanzieren die Schlechten, solange, bis es keine Guten mehr gibt. Die EU schwächt Europa und verbaut Europas Jugend die Zukunft. Die Schweiz darf nicht als Trophäen-Rahmen an das sinkende EU-Schiff genagelt werden. Wir orientieren uns nicht nach unten, sondern wir messen uns mit den Besten auf der ganzen Welt.

Der Vorteil von Europa gegenüber anderen Kontinenten war die bewundernswerte Vielfalt: Der aufbauende Wettbewerb zwischen den Staaten. Die Orientierung an den Besten. Nationalstaaten haben Europa aufgebaut, nicht um sich aufzulösen wie ein Stück Zucker im Tee. Die Ablösung der Länder durch einen EU-Superstaat ist nicht im Sinne der Europäer. Brüssel tut gut daran, diese Einsicht in der Politik umzusetzen. Die verbissene Euro-Ideologie kostet Europa Kopf und Kragen, wenn die EU-Politiker nicht eingestehen, dass sie falsch kalkuliert haben. Das Rahmenabkommen ist Teil dieser verbissenen EU-Verliererpolitik und nicht Teil vom Erfolgsmodell Schweiz.

Noch ist jeder Ballon, der zu fest aufgeblasen wurde, geplatzt. Die aufgeblasene EU ist ein Auslaufmodell. Die Zukunft Europas ist jetzt zu überdenken. Als Schweiz können wir einen wichtigen Beitrag dazu leisten, gerade weil wir kein EU-Mitglied sind und es ohne Rahmenabkommen auch nie werden. Bei aller Freundschaft bedeutet eine gesunde Distanz zur EU-Bürokratie für die Schweizer Wirtschaft und für alle Bürgerinnen und Bürger: Mehr Sicherheit und Stabilität.  [2]

 

Quellen:
[1]  http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/news/frontalangriff_auf_die_direkte_demokratie-2827  
Der Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 23. September 2016 von Ulrich Schlüer                            

[2]  http://eu-no.ch/news/eu-rahmenvertrag-beendet-ueber-jahrhunderte-gewachsene-demokratische-tradition-der-schweiz_127
Referat von Nationalrat und AUNS-Präsident Lukas Reimann, das dieser am 5. 8. 2016 an einer Medienkonferenz in Bern hielt