Steuern - Ein offenes Schreiben 05.06.2016 21:55
d.a. Wie der Staat beständig danach trachtet, Möglichkeiten anzubahnen,
die ihm zu einer zusätzlichen Besteuerung verhelfen
würden, belegt mein nachfolgendes an die
rheinland-pfälzische Ministerpräsidenten Malu Dreyer gerichtete offene
Schreiben:
Sehr
geehrte Frau Ministerpräsidentin,
ich beziehe mich auf das von Ihnen am 26. Mai mit dem
Südwestrundfunk geführte Interview [1].
In diesem haben Sie sich dafür ausgesprochen, ›Kapitalerträge höher zu besteuern‹. Ich darf Ihnen hiermit meine Stellungnahme zu Ihrem Vorschlag
übermitteln:
Wie in dem Bericht von SWR2 richtig vermerkt, wird auf
Kapitalerträge wie Zinsen, Dividenden oder Kursgewinne die sogenannte
Abgeltungssteuer erhoben. Sie beträgt pauschal 25 %. ›Arbeitseinkommen‹,
heisst es ferner, ›werden hingegen
mit bis zu 45 % besteuert‹. In
diesem Zusammenhang erklären Sie, dass ›das
Gefälle zwischen Arm und Reich etwas sei, was einen beschäftigen müsse.‹ Daraus, so folgere ich, sollte
offensichtlich der Eindruck gewonnen werden, dass es Ihnen einzig und allein um
die Forderung geht, den Superreichen höhere Steuerzahlungen aufzubürden.
Weit gefehlt!
Denn Ihre Aussage geht komplett an der Realität
vorbei. Nicht nur, dass Sie bei Ihren Vergleichszahlen Werte zitieren, die man
gar nicht miteinander vergleichen kann -
worauf ich zurückkomme - sie sind nicht
einmal korrekt.
Tatsache ist, dass seit 2015 auf die Erträgnisse aus
Zinsen, Dividenden resp. Kursgewinnen nicht nur die Kapitalertragssteuer
von 25 % zu entrichten ist, sondern darüber hinaus auch noch der
Solidaritätszuschlag von 5,5 % sowie die Kirchensteuer von 8 bzw. 9 %, welche
auf die 25 % der Abgeltungssteuer erhoben werden, womit wir - bei einer Kirchensteuer von 9 % - bereits eine Belastung von 27,99 % erreichen.
Das Ansinnen einer Erhöhung der Besteuerung der
Kapitalerträge betrachte ich allein schon in Anbetracht dessen, dass der
Solidaritätszuschlag nun auch noch über das Jahr 2019 hinaus beibehalten werden
soll, aber eigentlich gemäss den seinerzeitigen Regularien längstens beendet
werden müssen hätte, als eine ungeheuerliche Dreistigkeit gegenüber dem Volk.
Von der von Ihnen in den Raum gestellten Erhöhung der
Kapitalertragssteuer, die sich dann neu auf nahezu 28 % belaufen würde,
von dem geringen Freibetrag einmal abgesehen, wären ganz klar restlos alle
Bürger betroffen, gleich welchen Alters und welcher Einkommensklasse.
Aber weitaus schwerwiegender ist es, einen Vergleich
zwischen der Kapitalertragssteuer und der Einkommensteuer zu ziehen. Zieht man Ihre Feststellung, ›Arbeitseinkommen hingegen werden mit bis zu 45 % besteuert‹, in Betracht, so zitieren Sie diesen
Fakt gerade so, als fielen alle Bürger in diese Kategorie. Warum diese
Verzerrung der Tatsachen?
Den Spitzensteuersatz von 45 %, der von der
augenblicklichen Regierungskoalition eingeführt wurde und als sogenannte ›Reichensteuer‹ bekannt ist, zahlt gerade einmal eine Handvoll von superreichen
Bürgern, da er erst ab einem Jahreseinkommen von 254.447,00 Euro gilt. Und was
den Spitzensteuersatz von 42 % betrifft, so kommt dieser erst ab einem
Jahreseinkommen von 53.666,00 Euro zur Anrechnung.
Zum Vergleich:
Das Durchschnittsgehalt lag gemäss der Deutschen Rentenversicherung 2014 bei
lediglich 34.857,00 Euro p.a., somit erreichen ca. 90 % der Erwerbstätigen den
von Ihnen angeführten Höchststeuersatz erst gar nicht.
Wohlgemerkt:
Zu betonen ist hier das Durchschnittsgehalt, denn die
Wirklichkeit der Einkommen deutscher Bürger sieht erschreckend aus: Gemäss Eurostat
der Europäischen Kommission liegt Deutschland mit der Quote der Geringverdiener
an 7. Stelle, und - man bedenke! - dies hinter Lettland, Litauen, Rumänien,
Polen, Estland und Zypern! Beachten Sie bitte insbesondere, dass es sich
hierbei um sehr arme Länder handelt, hinter die sich die BRD einreihen muss.
Müssig zu erwähnen, dass Deutschland dennoch der grösste Nettozahler der EU
ist.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband kam in seinem
aktuellen Report auf eine Armutsquote von 15,5 % der Erwerbstätigen
in Deutschland!
Damit komme ich auf Ihren hinkenden Vergleich zwischen
Kapitalertragssteuer und Einkommenssteuer zurück, der - wie dies anhand des vorstehend dargelegten
Sachverhalts belegt ist - wohl absurder
nicht sein könnte.
Was also wollten Sie mit Ihrem Vergleich erreichen?
Diese Zahlen müssen Ihnen doch bekannt sein; insofern komme ich, wie bereits
angedeutet, nicht umhin, Ihre Aussage als bewusste Irreführung auszulegen.
Ihre Vorstellung, Kapitalerträge höher zu besteuern,
setzt dem Steuersystem vor allem deswegen die Krone auf, wenn man weiss, dass
der deutsche Steuerzahler seit Jahren als regelrecht ausgebeutet zu betrachten
ist; Fakt ist, dass Deutschland laut OECD in der EU an 3. Stelle mit der
höchsten Steuerlast steht.
Das Einkommen aus Bund, Ländern und Gemeinden betrug
2015 600.000.000.000,00 €, also 600
Milliarden. Der deutsche Steuerzahler arbeitet längst ein halbes Jahr nur für
den Staat. Würden seine Steuern sinnvoll für das Gemeinwohl eingesetzt, könnte
man dafür noch Verständnis haben, jedoch sehe ich das erarbeitete Vermögen - dies vor allem auch in Brüssel - seit Jahren mit vollen Händen ›zum Fenster hinaus geworfen‹, während der Zustand der Strassen,
Schulen und der Infrastruktur gerade in der BRD immer desaströser wird.
Hochgradig bedenklich ist ferner, dass jeder 8. Deutsche laut Armutsbericht arm
ist, und das im fünfreichsten Land der Welt. Diese Diskrepanz haben
ausschliesslich die Politiker zu verantworten.
Es sind genau die hier vorgetragenen, für meinen
Begriff konträr zu Ihrer Sicht der Dinge stehenden Fakten, auf die in Interviews
unentwegt hinzuweisen wäre. Dazu gehört, dass der Sparer mit vollem
Einverständnis der politischen Klasse und deren Unterstützung der EZB seit
Jahren um die Zinsen aus seinem mühselig Ersparten betrogen wird. Dieser Raubzug
dient einzig und allein dazu, die grossen Finanzinstitute und staatlichen
Kreditnehmer finanziell zu unterstützen. So schrieb ›Die Welt‹ bereits im
April 2015: ›Nullzinspolitik kostet
jeden Deutschen 1400 Euro‹. Seit
2010 haben die Deutschen durch die niedrigen Zinsen bereits rund 112 Milliarden
€ eingebüsst. 2015 kamen noch einmal 71 Milliarden € dazu.
Dies alles vorausgeschickt, müsste sich in meinen
Augen jeder Politiker, der nach mehr Steuern ruft, zutiefst schämen! Es nimmt
einem schier den Atem, wenn man lesen muss, was sich unsere Politiker so alles
einfallen lassen, und nun würde sich der Staat gerne auch noch an den paar
bereits kräftig besteuerten Ertragszinsen aus Kapitalerträgen, einer
Anlageform, die vor allem wegen des Verlusts der Sparzinsen angeboten wurde,
zusätzlich bereichern.
Vor allem aber
- um dies nochmals hervorzuheben -
trifft es entgegen der in Ihrem Interview bewusst in den Fokus
gestellten wohlhabenden Klasse eben nicht nur die Reichen, denn die
Kapitalertragssteuer wird nicht, wie die Einkommensteuer, progressiv, also
ertragsabhängig berechnet, sondern sie trifft, wie dargelegt, alle
Bürger gleichermassen, egal, ob es um kleine, grössere oder extrem grosse
Kapitalanlagen geht; wobei ich, wie gesagt, den minimalen Freibetrag hier
ausser Acht gelassen habe. Wieder einmal würde bei der Durchführung einer
solchen Erhöhung - was für mich einem
unverantwortlichen Irrsinn gleichkäme -
die breite Masse der Steuerzahler eindeutig von einem weiteren Verlust
betroffen sein.
Es bleibt die Frage: Können Sie nach Darlegung dieser
Gegebenheiten Ihr Ansinnen, für das sich, wie es heisst, vor kurzem auch Sigmar
Gabriel stark gemacht hat, angesichts Ihrer Jahres-Diät von Euro 108.984,00 €
noch vor sich selbst vertreten? Als noch empörender empfinde ich den Fakt, dass
Sigmar Gabriel, der laut ›Focus
online‹ [2]
sogar dreimal abkassiert, nämlich als Minister, Abgeordneter und
Parteichef und bereits 2011 ein Jahresnettoeinkommen von 130.000,00 € auswies,
mit Ihnen ins gleiche Horn zu blasen scheint.
Der sozialdemokratischen Partei ist das Sozialwesen
seit langem abhanden gekommen; kein Wunder, dass die ehemalige Partei der
sozial Schwachen immer mehr Stimmen einbüsst. Und mit diesem neuerlichen
Vorschlag gewinnen Sie ganz sicherlich keine zusätzlichen Wählerstimmen!
Insofern müssen mir die Worte Ihrer
Regierungserklärung vom 3. Juni 2016 ›Wir
sind für alle da. Wir werden in dieser Koalition sozial gerecht, wirtschaftlich
stark und ökologisch verantwortlich regieren‹, leider zwangsläufig geradezu wie blanker Hohn erscheinen.
Für eine kurze Eingangsbestätigung meines Schreibens
wäre ich Ihnen verbunden.
In Besorgnis
Doris Auerbach
d.auerbach@gmx.ch
cc:
lv.rheinland-pfalz@svp.de
wolfgang.schaeuble.@bundestag.de
[1] http://www.swr.de/landesschau-aktuell/rp/schere-zwischen-arm-und-reich-dreyer-will-mehr-steuern-auf-kapitalertraege/-/id=1682/did=17495372/nid=1682/1ugov3/index.html 26. 5. 16 [2] http://www.focus.de/politik/deutschland/d-d_id_3922240.html 15. 6. 14
Üppige Bezüge dank Triple-Einkommen - Minister, Abgeordneter, Parteichef:
Sigmar Gabriel kassiert dreifach ab
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