Rahmenvertrag unter Dach? - Von Ulrich Schlüer 30.05.2016 00:45
Die Verhandlungen über den sogenannten »Rahmenvertrag« zwischen
der
Schweiz und der EU seien ›praktisch
abgeschlossen‹, behauptet Bundesrat
Burkhalter. Andere Bundesräte widersprechen. Von Seiten Wirtschaft, FDP und CVP
erfährt er scharfe Kritik. Im Dezember 2012 liess Brüssel die Schweiz mit
offizieller Note wissen, die EU sei zu weiteren bilateralen Verträgen nicht
mehr bereit, solange sich unser Land der sogenannten ›institutionellen Einbindung‹
in die Strukturen der EU widersetze. Der Bundesrat zeigte sich ohne Verzug
willfährig: Man wolle, teilte er Brüssel mit, der geforderten ›Einbindung‹ mittels eines sämtliche bisherigen und künftigen bilateralen
Vereinbarungen überdachenden ›Rahmenvertrag‹ nachkommen.
Was ist eine ›institutionelle Einbindung‹? Sofort
begannen Vorverhandlungen. Diese wurden bereits im Mai 2013 abgeschlossen. In
einem als ›Non Paper‹ etikettierten Dokument
unterzeichneten die Spitzendiplomaten Berns und Brüssels im Auftrag ihrer
Regierungen eine genaue Definition, was unter der ›institutionellen Einbindung‹
zu verstehen ist: Bundesbern erklärte sich bereit, sämtliche EU-Beschlüsse und
EU-Gesetze zu Sachverhalten, die in bestehenden und künftigen bilateralen
Vereinbarungen geregelt sind bzw. werden, fortan automatisch - ohne eigene Beratung, ohne Beschlussfassung
in der Schweiz - von Brüssel zu
übernehmen.
Ergäben
sich, dies der zweite Grundsatz im ›Non
Paper‹, zur Auslegung bilateraler
Vereinbarungen Meinungsverschiedenheiten zwischen Brüssel und Bern, würde der
Sachverhalt dem EU-Gerichtshof - also
dem höchsten Gericht der Gegenseite - vorgelegt,
dessen Entscheid endgültig und für die Schweiz unanfechtbar sei. Wäre ein
solcher Entscheid - weil zum Beispiel
eine Volksabstimmung in der Schweiz anderes festlegen würde - hierzulande nicht umsetzbar, hätte Brüssel
das Recht, ›angemessene Sanktionen‹ gegen die Schweiz zu erlassen; so lautet
der dritte Grundsatz im ›Non Paper‹. Indem er diese drei Konzessionen
gegenüber Brüssel einging, erklärte sich der
Bundesrat
also damit einverstanden, dass fortan fremde Richter fremdes Recht für die
Schweiz verbindlich erlassen können.
Verschleppte
Verhandlungen Die
formellen Verhandlungen zur ›institutionellen
Einbindung‹ der Schweiz in die
EU-Beschlussfassungs-Abläufe begannen Mitte 2014. Ereignisse auf beiden Seiten
verursachten immer wieder Unterbrüche. Jetzt, zwei Jahre nach
Verhandlungsbeginn, lässt Bundesrat Burkhalter verlauten: Der Vertrag sei
unterschriftsreif. Andere Departemente äussern zwar Zweifel, aber gemäss
Burkhalter könne der Rahmenvertrag mit der EU vom Bundesrat unmittelbar nach
der Brexit-Abstimmung in England unterzeichnet werden.
Renaissance der
Bilateralen? Verkaufen
will der Bundesrat der Öffentlichkeit diesen Rahmenvertrag offensichtlich unter
dem Label ›Erneuerung des
Bilateralen Wegs‹. Er klammert sich
dabei allerdings ausschliesslich ans Schlagwort Bilaterale. Die unverzichtbaren
Elemente bilateralen Verhandelns lässt er wohlweislich unerwähnt: Weil er in
Wahrheit etwas ganz anderes anstrebt. Bilaterale
Verhandlungen finden zwischen gleichberechtigten, souveränen Staaten bzw.
staatlichen Gebilden, der EU gehören ja 28 Staaten an, statt. Die beiden
Verhandlungspartner begegnen sich auf gleicher Augenhöhe. Sie sind, völlig ungeachtet
der Grösse ihrer Länder, ebenbürtige Partner.
Unterwerfungsvertrag Der
Rahmenvertrag nimmt allerdings von der Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit
zwischen der Schweiz und der EU deutlich Abstand: Allein die Schweiz muss
die ›institutionelle Einbindung‹ vollziehen. Allein die Schweiz muss
sich fortan gefallen lassen, dass fremde Richter fremdes Recht über sie
verbindlich erlassen. Das hat nichts mehr mit bilateraler Gleichberechtigung zu
tun. Die EU befiehlt – die Schweiz hat sich zu unterwerfen und ist so keine
bilaterale gleichberechtigte Verhandlungspartnerin mehr; sie wird zur
Befehlsempfängerin. Und wenn sie Wünsche hat, kann sie ihre Anliegen nicht mehr
als gleichberechtigte Verhandlungspartnerin präsentieren: Sie ist nur noch
Bittstellerin. So, als wäre unser Land eine Kolonie Brüssels.
Lässt
sich die Schweiz mittels Rahmenvertrag von einer bilateralen
Verhandlungspartnerin zu einer blossen Bittstellerin degradieren, dann wird
jegliche Problemlösung selbstverständlich einfach. Zum Beispiel im Zusammenhang
mit der Einwanderung: Da ein bilateraler Vertrag über die Personenfreizügigkeit
existiert, würde fortan die gesamte Gesetzgebung zur Einwanderung nach Brüssel
transferiert. Brüssel allein würde bestimmen, und wir hätten die Brüsseler
Entscheide automatisch zu übernehmen. So schreibt es der Rahmenvertrag fest.
Auf der Strecke bliebe die direkte Demokratie. Der Schweizer Souverän würde auch
zur Umsetzung der von Volk und Ständen im Februar 2014 gutgeheissenen Initiative
gegen die Masseneinwanderung ausgeschaltet, zum Verstummen gebracht.
Der Rahmenvertrag
bedeutet das Ende des bilateralen Wegs
Die Schweiz wäre, wie gesagt, nicht mehr Verhandlungspartnerin, sie wäre eine den Brüsseler Entscheiden Unterworfene, was sie auch
hinsichtlich der sich nach dem Zusammenbruch von Schengen/Dublin über
Europa ergiessenden Völkerwanderung zu spüren bekäme, indem die bisherige
Schweizer Selbstbestimmung per Rahmenvertrag der ›institutionellen Einbindung‹
in die EU geopfert würde.
Der
Bundesrat strebt mit dem Rahmenvertrag ein derart schlechtes
Verhandlungsergebnis für unser Land an, dass hierzulande resigniert zur
Kenntnis zu nehmen wäre, dass eine Vollmitgliedschaft in der EU immer noch
besser wäre als das blosses Ausgeliefertsein an Brüssel.
Der
Rahmenvertrag würde diese Auslieferung an Brüssel bewirken - also
nichts mehr von einem bilateralem Weg! Der Bundesrat hätte die Schweiz vielmehr
in den Schnellzug ›ohne Halt bis
Brüssel‹ gestossen.
Quelle: http://eu-no.ch/news/bundesrat-burkhalter-behauptet_119
EU-NO
Newsletter vom 12. 5. 2016
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