TTIP und die Bertelsmann-Stiftung 26.07.2015 23:49
Auch wenn die Verhandlungen zu diesem Freihandelsabkommen der Öffentlichkeit
über lange Zeit hinweg bewusst vorenthalten wurden, so sickerten
dennoch genügend Informationen durch, die einen wahren Flächenbrand an Bedenken
auslösten, so dass selbst die Handelskommissarin Cecilia Malmström einräumen
musste, dass die EU-Kommission bei dem umstrittenen Abkommen mit der USA den Fehler
begangen hatte, das Verhandlungsmandat so lange geheimzuhalten. Was indessen
kaum bekannt ist, ist auch hier die Einflussnahme im Hintergrund, die einmal
mehr durch eine Stiftung erfolgt ist. Diese hat der EU-Kritiker Wilhelm Neurohr
in seiner Studie
›Bertelsmann als TTIP-Strippenzieher - Die Machenschaften des einflußreichsten
TTIP-Lobbyisten und seiner Netzwerke‹
offengelegt. Die nachfolgenden Aufzeichnungen sind dieser Analyse
entnommen. [1]
»Die ›gemeinnützige‹ Bertelsmann-Stiftung wurde 1977 vom
Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn gegründet und ist zugleich die
einflußreichste und mächtigste neoliberale ›Denkfabrik‹ in Deutschland und Europa; der Hauptsitz
befindet sich in Gütersloh. Sie unterhält ein engmaschiges Netzwerk von
persönlichen Beziehungen, das bis in die Spitzen der nationalen,
europäischen und transatlantischen Politik reicht. In den 90er Jahren
übertrug Reinhard Mohn der Stiftung knapp 70 % des Grundkapitals der
Bertelsmann AG, im Jahr 2006 wurde der Anteil auf fast 77 % aufgestockt. Die
finanziellen und personellen Ressourcen sowie die daraus resultierenden Einflußmöglichkeiten
der Stiftung sind in Deutschland einzigartig. Die Vermengung zwischen
Stiftungsarbeit und Geschäftsinteressen ist offenkundig.
Bertelsmann aus Gütersloh, einer der 500 größten Familienunternehmen
weltweit, ist mit 16 bis 19 Mrd. € Umsatz und 100.000 Mitarbeitern in 50
Ländern sowie 6 Tochter-Unternehmen das größte europäische Medienunternehmen
und weltweit auf Platz 8 oder 9. Es unterhält zudem mehrere Institute und mit
der Bertelsmann-Stiftung die größte und reichste Unternehmensstiftung. Für die
strategische Vorbereitung und Umsetzung ihrer gesellschaftspolitischen Projekte
stehen der Stiftung 350 hauptamtliche und eine Vielzahl nebenamtlicher
Mitarbeiter zur Verfügung sowie erhebliche finanzielle Mittel mit fast 1 Mrd. € seit ihrer Gründung.
Die Unternehmensstiftung ist im eigenen Geschäftsinteresse des
Bertelsmann-Konzerns seit mindestens 10 Jahren ohne politisches Mandat auch
besonders auf dem Politikfeld des Freihandels und der Wettbewerbsförderung aktiv. Die maßgebliche
Einflußnahme von Bertelsmann pro TTIP sowie auf die TTIP-Befürworter und -kritiker
in der Politik, in Gutachter- und Beratergremien, aber auch durch erfolgreiche
Lobbyarbeit in diversen europäischen und transnationalen Lobbyisten-Netzwerken,
soll nachfolgend durchleuchtet werden.
Ohne Übertreibung und fern aller ›Verschwörungstheorien‹ kann
Bertelsmann als einflußreichster TTIP-Lobbyist bezeichnet und entlarvt werden,
und mit ihm wird zugleich sichtbar, wie sich willfährige Politiker, die
eigentlich dem Wohl des Volkes und nicht dem Wohl der Konzerne verpflichtet
sind, auch beim Streitthema TTIP von Bertelsmann vereinnahmen lassen. Die Kritiker halten TTIP, CETA und TiSA weder für
demokratiekonform noch für verfassungskonform, sondern betrachten sie als die
Vollendung einer weitreichenden ›Konzernherrschaft‹ durch ›Selbstentmachtung der Politik‹.
Das hält die steuerbegünstigte Bertelsmann-Stiftung trotz TTIP-Lobbyismus nicht
davon ab, andererseits scheinheilig für die ›Förderung der Demokratie‹
und mehr Transparenz in den Entscheidungsprozessen einzutreten, sowie
zweckgerichtete ›repräsentative‹ Umfragen zu veröffentlichen, wonach die
Bürger sich angeblich ›mehr
transatlantische Kooperation wünschen‹.
Doch weltweit schadet diese von Bertelsmann und den Politikern propagierte
Handelspolitik am Ende allen Beteiligten und Ausgeschlossenen; auch schadet sie
mit ihrer Blockbildung dem internationalen Handelssystem insgesamt. Es wird
ganz wenige Gewinner und ganz viele Verlierer geben – und Bertelsmann möchte
von vornherein auf der Seite der wenigen Gewinner stehen. Dafür ist dem Unternehmen
jedes Mittel recht, wie es diese Studie belegt.
Bertelsmann
als Treiber von TTIP und die getriebenen deutschen Politiker Auf Betreiben und unter maßgeblicher Beteiligung von Lobbyisten
und Profiteuren, allen voran Bertelsmann, wurde die TTIP schon von langer Hand
seit fast 25 Jahren von deutschen Politikern, also ursprünglich nicht von der
USA, vorbereitet und vorangetrieben, anfangs noch unter dem Kürzel TAFTA
[Trans-Atlantic Free Trade Agreement], was mit einer ersten Entschließung der
EU schon im Jahr 1990 begann. An Fahrt gewann das Vorhaben später mit dem 1999
berufenen deutschen EU-Kommissar und späteren Vizepräsidenten der
EU-Kommission, Günter Verheugen, der für Unternehmen und Industrie sowie für
die EU-Erweiterung zuständig war. Die gemeinsame Freihandelszone war und ist
auf Anraten von Bertelsmann, des BDI und der Deutschen Bank seit langem ein ›Lieblingsprojekt‹ der deutschen Kanzlerin als Treiberin des Abkommens [oder
Getriebene der Konzernlobby]; zu diesem setzte sie bereits auf dem
transatlantischen EU-USA-Gipfel 2007 bei Präsident Bush eine Rahmenvereinbarung
für eine ›transatlantische
Wirtschaftspartnerschaft‹ durch, mit
der »bürokratische Hemmnisse, unterschiedliche Standards und Bedingungen
vermindert werden« sollten. [2] Und sie thematisierte dies auch am 3. 11. 2009
in ihrer Rede vor dem US-Kongreß, weil sie sich von einem Abkommen dieser Art ›binnenmarktähnliche Strukturen‹ erhofft. 2009 begannen zugleich auch
die CETA-Verhandlungen für das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada. Wörtlich
sagte die deutsche Kanzlerin im US-Kongreß: »Ebenso kann der Transatlantische
Wirtschaftsrat eine wichtige Aufgabe erfüllen. Wir können damit
Subventionswettläufe verhindern und Anstöße zum Abbau von Handelshemmnissen
zwischen Europa und Amerika geben. Ich bitte Sie: Lassen Sie uns gemeinsam für
eine Weltwirtschaftsordnung eintreten, die im Interesse Europas und Amerikas
ist.«: Es geht also erklärtermaßen um eine (neue) Weltwirtschaftsordnung,
vornehmlich im Interesse Europas und Amerikas, so hat es die Bertelsmann-Denkfabrik
der Kanzlerin eingegeben – und zwar schon 4 bis 6 Jahre vor dem offiziell
erteilten TTIP-Verhandlungsmandat für die EU-Kommission durch das EU-Parlament
im Juni 2013.
Formell hätte es einer solchen Entschließung des EU-Parlaments gar
nicht bedurft, weil die Lobbyisten bereits während der damaligen
EU-Ratspräsidentschaft von Kanzlerin Merkel im Jahr 2007 dafür gesorgt hatten,
daß im Lissabon-Grundlagenvertrag die Alleinzuständigkeit der EU-Kommission
für alle Handelsfragen festgelegt wurde. Noch heute bestreitet die
EU-Kommission ein Beteiligungsrecht der Nationalparlamente zur TTIP. Zu den
einflußreichen deutschen Vertretern im damaligen EU-Verfassungskonvent
2002/2003 gehörte auch der CDU-Europa-Abgeordnete Elmar Brok, damals
Europa-Beauftragter des Bertelsmann-Konzern-Vorstands. Der gültige
Lissabon-Vertrag als EU-Verfassungsersatz ist inhaltlich nahezu identisch mit
dem vorherigen EU-Verfassungsentwurf, der an Referenden in 3 EU-Ländern
gescheitert war.
Konkret eingeleitet und besiegelt wurde das Vorhaben des
Freihandelsabkommens dann auf dem erwähnten EU-USA-Gipfel am 30. April 2007
zwischen US-Präsident Bush, der deutschen Bundeskanzlerin Merkel und
EU-Kommissionspräsident Barroso, unter Beteiligung auch von Außenminister
Frank-Walter Steinmeier, und zwar zunächst durch Einrichtung eines
vorbereitenden ›Transatlantischen
Wirtschaftsrates‹ [TEC - Transatlantic Economic Council] aus Vertretern der USA und der EU zur ›Harmonisierung von Marktregulierungen‹ und ›Beseitigung von Handels- und Investitionsbarrieren‹. Das Gremium wird aus einer
Doppelspitze mit je einem Vertreter der EU und der USA geführt; es nahm seine
Arbeit offiziell im Juli 2007 auf. Mit eingebunden in dem Gremium als
Interessenvertreter und Berater sind die Bertelsmann-Stiftung sowie aus den
Bertelsmann-Netzwerken auch der ›Europäische
Dachverband der Arbeitgeber‹
[BusinessEurope] [3] , ferner die
US-amerikanische Denkfabrik und Lobbyorganisation ›Atlantic Council‹ [mit
Ex-Militärs] und mehrere Vereinigungen europäischer und US-Großunternehmen zum
Abbau transatlantischer Handelshemmnisse wie TABD, TACD und TLD sowie das ›Transatlantic Policy Network‹ TPN, wo der Bertelsmann Lobbyist
Elmar Brok stellvertretender Lenkungsausschußvorsitzender ist, desgleichen die
einflußreiche US-Handelskammer. Das TPN ist eine Organisation großer
europäischer und US-amerikanischer Unternehmen sowie wirtschaftsnaher
Netzwerke, die durch die Einbindung von europäischen und US-amerikanischen
Politikern die transatlantische Politik im Sinne ihrer wirtschaftlichen
Interessen beeinflußt. Das TPN setzt sich insbesondere für das geplante
US-EU-Freihandelsabkommen TTIP ein.
Bertelsmann-Strategiepapier
zur Veränderung der TEC-Entscheidungsstrukturen Nachdem sich das TEC-Gremium im Klein-Klein transatlantischer
Handelsstreitigkeiten verstrickt hatte und die erhofften Spielräume im
Interesse der Konzerne nicht ermöglicht hatte, riet die Bertelsmann-Stiftung in
einem Strategiepapier dazu, das Gremium künftig ganz oben in der Hierarchie
beim amerikanischen Präsidenten und beim EU-Kommissionspräsidenten zu
plazieren, um die erhofften Fortschritte aus Unternehmenssicht zu erzielen.
Bertelsmann und der vormalige EU-Kommissionspräsident Barroso pflegten ein
enges Kooperationsverhältnis und Barroso
war ein gern gesehener Gastredner und Schirmherr auf
Bertelsmann-Veranstaltungen, so daß sich Bertelsmann mit seinem Vorschlag ›ein leichteres Spiel‹ bei der Beeinflussung der
TEC-Verhandlungen erhoffte. Ko-Vorsitzender der Doppelspitze wurde Günter
Verheugen, der auch mit zu den Ideengebern und ›Treibern‹ des
TTIP-Abkommens gehörte, während sich der Europa-Politiker und langjährige
Europa-Abgeordnete Elmar Brok, vormals Vorstandsbeauftragter des
Bertelsmann-Konzerns, von Beginn an in Brüssel, Straßburg und Berlin als
Lobbyist für die Freihandelsabkommen betätigte. Damit wurde das Ziel eines gemeinsamen
transatlantischen Wirtschaftsraums angesteuert, auch wenn eine schnelle Konkretisierung
zunächst an Präsident Bush und der Agrarlobby scheiterte. Noch heute hat das
transpazifische Freihandelsabkommen TPP mit dem asiatischen Raum [ohne China]
unter Präsident Obama Priorität und Vorrang vor dem Freihandelsprojekt TTIP mit
Europa.
Bertelsmann
und die politischen Gefolgsleute ignorieren kompetente TTIP-Kritik Der Startschuß zur TTIP-Vorbereitung erfolgte zu einem Zeitpunkt,
als der bis 2008 amtierende damalige britische EU-Handelskommissar Peter
Mandelson, der Architekt des New Labour Wandels, den von der deutschen Kanzlerin
ins Gespräch gebrachten Freihandelsvertrag für die weltweit größte
Freihandelszone EU-USA noch in Frage stellte und ablehnte, weil er [nach seiner damaligen Einschätzung] »kein einziges der 26 EU-Länder kenne, das
diese Idee unterstütze.« Das sieht bei den mittlerweile 28 EU-Ländern inzwischen
anders aus, nicht zuletzt durch die beharrlichen Werbefeldzüge von Bertelsmann
in den diversen europäischen Lobbynetzwerken und bei den Bertelsmann-Foren mit
europäischen Spitzenpolitkern. Dort wollte man auch nicht auf den bis 2004 amtierenden
französischen EU-Kommissar für Außenhandel, Pascal Lamyn hören, der ab 2005
(bis 2013) Generaldirektor bei der Welthandelsorganisation (WTO) war und wie
Mandelson seinerzeit zu den Skeptikern bezüglich der geplanten
Freihandelsabkommen gehörte. »Regeln verhindern Albträume«, sagt Lamy. Der
Franzose, ein überzeugter Freihändler, glaubt, daß man den Bürger nicht allein
durch den Abbau von Regeln für mehr Liberalisierung gewinnen kann. Viele
Vereinbarungen seien schließlich Errungenschaften entwickelter Gesellschaften.
Es sei ein Erfolg, wenn man in der Nacht nicht von Pestizid verseuchtem Essen
träumen müsse. Lamy hält deswegen nichts davon, in Handelsabkommen Standards zugunsten
der Industrie nach unten zu schrauben. Er ist überzeugt, daß die TTIP eher
andersherum populär werden könnte: Als gemeinsamer Wirtschaftsraum mit den
besten Standards der Welt, die alle anderen akzeptieren müssen, wenn sie
dorthin exportieren wollen. Doch Bertelsmann, dessen politische Gefolgsleute
und Gewährsmänner sowie die Lobbyisten, die Bertelsmann in den Netzwerken um
sich scharte, hatten all diese Bedenken ignoriert und mit ihrer neoliberalen
Handelspolitik als TTIP-Maßstab obsiegt.
Kein
geheimes TTIP-Gremium und -treffen ohne Bertelsmann Nicht nur in dem 2007 beim Verhandlungsstart zur Vorbereitung der
TTIP zwischen der USA und Europa gebildeten transatlantischen Wirtschaftsrat
TEC war Bertelsmann als Berater und Interessenvertreter offiziell eingebunden,
sondern nach offizieller Berufung durch den damaligen EU-Ratspräsident Herman
Van Rompuy auch in die hochrangige ›TTIP-Arbeitsgruppe
für Beschäftigung und Wachstum‹ HLWG
[High Level Working Group on Jobs and Growth], die die Unterhändler der
TTIP-Verhandlungen einschließt und deren Besetzung lange Zeit geheimgehalten
wurde. ›BusinessEurope‹ mit den deutschen Mitgliedsverbänden
BDI und BDA gehören ebenso dazu wie mehrere US-amerikanische und europäische
Lobbyorganisationen und Vereinigungen [z.B.
TABC und TABD] von Großkonzernen und Banken [wie die Deutsche Bank]. Diese
einflußreichen Lobbygremien wurden eigens für das Gelingen von TTIP & Co.
zum Abbau transatlantischer Handelshemmnisse mit offiziösem Anstrich gebildet
und haben
privilegierten Zugang zu den EU- und US-Institutionen auf höchster Ebene.
Als weitere einflußreiche Lobbyorganisationen pro TTIP sind zu nennen: Der
US-Dienstleistungsverband CSI [Koalition für Industrie-Services] und das ESF [Europäisches
Services Forum]; zusammen bilden sie die GSC [Global Services Koalition]. Der ›Transatlantic Business Dialogue‹ [TABD] führt seit 1995 führende Vertreter
von europäische und US-Großunternehmen zusammen, um über den Abbau von
Handelshemmnissen im transatlantischen Wirtschaftsverkehr zu beraten und den
politischen Akteuren der USA und der EU hierüber Empfehlungen zu unterbreiten.
Es handelt sich um antidemokratische Netzwerke, die mehr im Verborgenen ihre Fäden
ziehen.
Bertelsmann
und die transatlantischen TTIP-Bündnisse der Konzerne Der TABD wird als eine neuartige Form des Zusammenwirkens von
staatlichen und wirtschaftlichen Akteuren betrachtet, das sich im Zeichen der
Globalisierung grundlegend zu verändern scheint, dessen Reichweite und
Tiefenwirkung aber noch auszuloten sind. Die Universität Köln hat untersucht,
inwieweit eine fundamentale Verschiebung der Gewichte im globalen Kräftefeld
zugunsten von (Groß-) Unternehmen durch den TABD zum Ausdruck kommt. Der
Weltkonzern Bertelsmann befindet sich in dieser einflußreichen pro TTIP-Lobbyorganisationen
in vernetzter Gesellschaft mit anderen Weltkonzernen wie Nokia, Telekom, IBM,
UPS, Bayer, Monsanto, Ford, Siemens, Unilever, Hoffmann-La Roche, Price Waterhouse
Coopers und anderen, die in besonderem Maße von den Freihandelsabkommen
profitieren werden. Der TABD sowie der TABC [Trans Atlantic Business Council] setzen sich nicht nur bei der US-Regierung
und EU-Kommission mit Stellungnahmen aktiv für das Gelingen des TTIP-Abkommens
ein, sondern sie begrüßen vor allem den Investitionsschutz über private Schiedsgerichte
mit möglichst wenigen Ausnahmen. Auf ihrer Homepage brüsten sich diese
Organisationen, 40 bis 80 % der Inhalte und Texte der Freihandelsabkommen
beigesteuert zu haben - um nicht diktiert zu sagen. Auf ihren Jahrestagungen am
Rande des jährlichen Weltwirtschaftsforums von Davos werben sie ebenso wie
Bertelsmann heftig für das TTIP-Abkommen und konnten auf ihren Treffen auch die
TTIP-Verhandlungsführer der US-Regierung, Michael Froman und denjenigen der
EU-Kommission, Karel de Gucht, als Teilnehmer begrüßen. Dort finden hinter den
Kulissen die eigentlichen Vereinbarungen und Weichenstellungen statt, die nicht
für die Öffentlichkeit [und auch nicht für die ahnungslosen
Verhandlungsdelegationen der nachrangigen US- und EU-Beamten] bestimmt sind. Nachdem
die TTIP-Kritiker sich auch in der USA zu Wort meldeten, bekam Bertelsmann den
Auftrag für eine umfassende TTIP-Werbekampagne nicht nur in Europa, sondern
auch in der USA.
Bertelsmann
als Musterbeispiel für Konzernmacht durch erfolgreiche Lobbyarbeit Die Experten der Bertelsmann-Stiftung sind also im EU-Auftrag beim
TTIP-Projekt von Anfang an
allgegenwärtig, d.h. sie sind in allen Gutachter- und Beratergremien
sowie in den maßgebenden europäischen und transnationalen Netzwerken vertreten.
Hierbei sind sie auch personell eng mit der deutschen und europäischen
Politik-Elite verflochten. Wenn Bertelsmann das Thema TTIP oder Europa-Politik
auf die Tagesordnung setzt, dann treten nicht nur die maßgeblichen
TTIP-Chefunterhändler der EU-Kommission bei den Bertelsmann-Veranstaltungen
auf, sondern auch die deutsche Kanzlerin, europäische Staatschefs sowie der
EU-Kommissionspräsident. Für kritische Beobachter erscheint die
Bertelsmann-Unternehmensstiftung als Strippenzieherin, an deren Fäden die
EU-Kommissare und die Kanzlerin wie Marionetten hampeln. Bertelsmann ist das
Musterbeispiel für eine durch erfolgreiche Lobbyarbeit erzielte Konzernmacht, mit
der die verfassungsmäßigen demokratischen Entscheidungswege unterlaufen werden,
dies zu Lasten der Allgemeinheit und zum Schaden der Demokratie. Die
Bertelsmann Stiftung ist die einflußreichste neoliberale Denkfabrik im Land.
Wirkmächtig propagiert sie die Privatisierung von staatlichen Bereichen und
fördert den Wettbewerb auf allen Ebenen.
Doch damit nicht genug: EU-Kommissare wechseln ohne Karenzzeit zu
Bertelsmann oder in deren Lobbynetzwerke, und führende Bertelsmann-Vertreter
wechseln in die Politik. Bundeskanzlerin Merkel hat damit anscheinend keinerlei
Probleme. Vor dem Asien-Pazifik-Ausschuß der deutschen Wirtschaft, einem
Lobbygremium, erklärte sie am 3. Februar 2014: »Deutschland ist ein Treiber des
TTIP-Abkommens, auch wenn es in Deutschland eine breite Diskussion darüber
gibt, wie nahe sich Politik und Wirtschaft kommen dürfen.« Aus der Nähe zwischen
Politik und Wirtschaft ist längst Verschmelzung geworden, denn auch die
Kanzlerin geht bei Bertelsmann ein und aus sowie umgekehrt, getreu der ›marktkonformen Demokratie‹.
Bertelsmann-Stiftung
engagiert sich an allen Fronten für die Freihandelsabkommen Bereits im Oktober 2013 monierte die ›Lobby Control‹, daß die
Bertelsmann-Stiftung als die größte, reichste und mächtigste
Unternehmensstiftung durch zahlreiche Studien, Webseiten und Veranstaltungen ›über die Vor- und Nachteile‹ des Freihandelsabkommen zwischen der
EU und der USA aufklären will und fragt: Geht es wirklich um Aufklärung oder um
Meinungsmache und eigene Geschäftsinteressen? Die Ergebnisse und Methoden ihrer
zwei in Auftrag gegebenen Studien beim neoliberalen ›ifo-Institut‹ erwiesen
sich als fragwürdig und unhaltbar. Die darin als Folge der Freihandelsabkommen propagierten Wachstums- und
Beschäftigungseffekte erwiesen sich als Seifenblasen, als maßlos übertriebene,
auf der Basis bloßer Modellrechnungen mit unrealistischen Annahmen erstellte
Voraussagen. Die Bertelsmann-Stiftung wirbt nicht ohne Grund massiv für die
TTIP, da der Bertelsmann-Konzern selbst möglicher Nutznießer des Abkommens ist;
sie unterstützt daher Lobbygruppen, die sich für die TTIP einsetzen. Die
Stiftung verletzt damit ihren eigenen Grundsatz, nicht zugunsten der
Handlungs- und Geschäftsfelder des Bertelsmann-Konzerns zu arbeiten und hat
dadurch eigentlich ihren Anspruch verwirkt, den Gemeinnützigkeits-Status mit
seinen Steuervorteilen zu behalten [der andererseits dem TTIP-Kritiker Attac
vom Finanzamt aberkannt wurde]. Vor kurzem hat eine TTIP-Werbetour der
Bertelsmann-Stiftung durch die USA begonnen, während viele Kritiker seit Mai
2014 gegen die TTIP-Werbung der Stiftung protestieren. Inzwischen liegt eine
vielbeachtete, seriöse alternative TTIP-Studie des ›Global Development and Trade-Institut‹ der Tufts University USA vor, in der überzeugend und
differenziert nachgewiesen ist, daß mit
der TTIP eher negative Effekte für Beschäftigung, Einkommen, Wachstum eintreten
werden. Statt Wachstum und sozialer Sicherheit drohen Europa insbesondere
Zerfall, Arbeitslosigkeit und Instabilität.
[4] Damit wird Bertelsmann mit
seinen Gefälligkeitsgutachten ›Lügen
gestraft‹.
Das ›Schattenkabinett
aus Gütersloh‹ mischt ohne Mandat
kräftig mit Besonders bedenklich erscheint der politische Einfluß, den die
Bertelsmann-Stiftung und der Bertelsmann-Konzern auf allen Ebenen ausüben. »Die
Experten der Bertelsmann-Stiftung sind in der deutschen Politik allgegenwärtig:
Von den Kommunen bis zum Kanzleramt, von den Hochschulen bis zur Sozialhilfe.
Die entscheidende Frage ist die: Beraten sie die Politiker nur, oder machen sie
selbst Politik?« Diese stellte der Journalist Harald Schuman schon 2006 unter
dem Titel: ›Macht ohne Mandat?‹ [5] Dort ist bereits vom ›Schattenkabinett aus Gütersloh‹
die Rede und von der ›Krake
Bertelsmann‹, die überall ihre
Finger im Spiel hat – so auch vorneweg erfolgreich bei der TTIP. So greift das
Bertelsmann-Institut ›Centrum für
angewandte Politikforschung‹ CAP mit
Vorschlägen zur verstärkten Militarisierung und geostrategischen Ausrichtung
der deutschen und europäischen Außenpolitik in die internationale Politik ein. [6]
Gleich, ob es um die TTIP geht, um die Reform von Schulen und
Hochschulen oder den Umbau der Sozialsysteme, ob die steigende Alterung der
Bevölkerung bewältigt werden muß oder der Aufbau einer europäischen Armee
organisiert wird, eines ist fast immer sicher: Die Experten der
Bertelsmann-Stiftung sind auf höchster Ebene beteiligt, als Berater, als Moderatoren
– und als Antreiber. Von den Kultusministerien bis zum Kanzleramt, von den
Kommunalverwaltungen bis zum Amt des Bundespräsidenten gibt es kaum eine
politische Behörde, die nicht mit der Stiftung kooperiert. Diese, so heißt es
im Leitbild der Organisation, verstehe sich ›als Förderin des gesellschaftlichen Wandels‹ und nehme ›aktiven
Einfluß‹ zugunsten einer ›zukunftsfähigen Gesellschaft‹. Die politischen Anstifter von
Bertelsmann sichern sich dafür den Zugang zu allen Projekten, die sie
beeinflussen wollen. Im Ergebnis ist es gleich, wer gewählt wird.
Irgendwie
regiert die Bertelsmann-Stiftung immer mit. Und sie ist eine
einzigartige Organisation: Sie verwandelt das Geld aus ersparten Steuern von
Europas größtem Medienkonzern in strategische Politikberatung.
Das
eigene Konzerninteresse hat Vorrang vor den demokratischen Bürgerinteressen Das Brüsseler Büro der Bertelsmann-Stiftung als Lobby-Stützpunkt »unterstützt
die Europäisierung und Internationalisierung der Stiftungsarbeit« des einflußreichen
Konzerns, und dies besonders intensiv zugunsten von TTIP unter Einbezug des
Dienstleistungs- und Bildungshandels sowie des Investitionsschutzes im eigenen
Konzerninteresse, aber zu Lasten der demokratischen Gewaltenteilung und der von
Bertelsmann propagierten EU-›Bürgernähe‹ und ›Demokratieförderung‹.
Doch die Bertelsmann-Stiftung begnügt sich nicht mit solchen Themen im Rahmen
dieser Agenda und mit der Kontaktpflege
zu ähnlich ausgerichteten Akteuren, sondern hat, wie zuvor festgestellt,
weltmachtpolitische Allüren. Der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung,
Aart de Geus, ließ im Dezember 2013 in einem Beitrag für das ›Handelsblatt‹ zu TTIP die Katze aus dem Sack: Die ökonomische Perspektive von
TTIP allein reiche nicht aus. ›Das
transatlantische Freihandelsabkommen muß weit über alles hinausgehen, was multilaterale
Handelsabkommen bislang regeln. Ging es bisher vorrangig um den Abbau von
Zollhürden, geht es nun um die Harmonisierung von Regulierungen in Gesundheit,
Medizin, Umwelt, Kultur und Lebensmittelsicherheit, allesamt Bereiche, die uns
alle ganz direkt berühren‹. Er
warnte aber vor einem Scheitern wie beim ACTA-Abkommen und empfahl
deshalb [aus taktischen Gründen?] eine Abkehr von der bloßen
Hinterzimmer-Politik zu etwas mehr Transparenz für die Öffentlichkeit; dies durch
eine ›neue Balance zwischen der
Vertraulichkeit sensibler Informationen und dem Interesse der Öffentlichkeit‹. Denn Mißtrauen führe zu Ablehnung,
und dafür sei das TTIP-Abkommen zu wichtig.
Die
kommunale Finanznot als ›Segen‹ für die Privatisierungsstrategie
von Bertelsmann Die politisch herbeigeführte desolate Finanzausstattung der
Kommunen [z. B. durch die ›Jahrhundert‹-Steuerreform von Finanzminister Hans Eichel im Jahr 2000 mit
jährlichen Einnahmeverlusten in zweistelliger Milliardenhöhe bei gleichzeitigen
Steuererleichterungen für die Unternehmen] wurde von dem inzwischen verstorbenen Reinhard Mohn sinngemäß
so kommentiert: Es sei ›ein Segen‹, daß die Kommunen nicht mehr so viel Geld
zur Verfügung hätten, denn dann stehe der privaten Betreibung ihrer
Dienstleistungen nichts mehr im Wege. Das Bertelsmannsche ›Neue Steuerungsmodell‹
für die Kommunalverwaltungen und kommunalen Eigenbetriebe war nichts anderes
als ein sozialer Angriff auf die öffentlichen Dienste, die seither notleidend
sind und der weiteren Privatisierung Tür und Tor geöffnet haben. Von dieser
Bertelsmann-Ideologie sind auch das TTIP-und TiSA-Abkommen geprägt, für die das
›New Public Management‹ nur die Vorbereitung war. Mit der in der
TTIP vorgesehenen Einbeziehung des kommunalen Vergabe- und Beschaffungswesens
von Hunderttausenden Kommunen im transatlantischen Handelsraum erhofft man sich
an den Finanzmärkten Billionengewinne. Ebenso wecken die Milliardenumsätze der
kommunalen Betriebe Begehrlichkeiten bei den Privaten.
Bertelsmann
suggeriert den Politkern geopolitische Vormachtstellung mittels TTIP Sogar die deutsche Kanzlerin läßt sich hierbei folgsam vor den
Karren des TTIP-Lobbyisten Bertelsmann spannen, etwa mit ihrer Aussage vor der
CDU-Bundestagsfraktion: »Ich will TTIP gegen alle Widerstände durchkämpfen. Das
Abkommen ist für Europa so wichtig wie die EU-Gründung oder der damalige NATO-Doppelbeschluß.«
Damit verdeutlichte sie, daß die Treiber von TTIP mit den Freihandelsverträgen
der neuen Generation vor allem die geopolitischen Machtinteressen im Visier
haben. Indem nun sogar militärische Vergleiche und Begriffe damit in Verbindung
gebracht werden, will die Kanzlerin die TTIP-Kritiker [im Sinne einer Bertelsmann-Studie] daran gewöhnen, daß es hierbei auch um eine
Art Wirtschafts- oder Handelskrieg geht. Dem halten die TTIP-Kritiker entgegen:
»Handelsabkommen werden gezielt als machtpolitisches Instrument der
internationalen Beziehungen genutzt, das andere ausschließt.« Dies entspricht
der außenpolitische Agenda der Bertelsmann-Stiftung, die einen eindeutigen
Fokus hat: »Europa soll innerhalb der globalen Wirtschafts- und Machtblöcke
seine Interessen wahrnehmen, sich als Weltmacht definieren und zum globalen
Militärakteur entwickeln, der bei Bedarf jeden Punkt der Welt kontrollieren
kann. Damit sollen die sogenannten sicherheitspolitischen Interessen gewahrt
werden, Hand in Hand mit wirtschaftlichen Interessen: Sicherer Zufluß von
Rohstoffen, ungehemmte Kapitalflüsse sowie reibungslos funktionierende globale
Liefer- und Absatzketten. Auf der NATO-Sicherheitskonferenz 2014 in München
klang demgemäß der Originalton Bertelsmann aus den politischen Mündern von Steinmeier,
von der Leyen und Gauck zur neuen militärischen Weltmachtrolle Deutschlands.
Wie
Ex-EU-Handelskommissar Karel de Gucht die wahren TTIP-Motive ausplauderte Der Vorgänger der amtierenden EU-Handelskommissarin Malmström, der
Belgier Karel de Gucht, ein strammer Neoliberaler, der das TTIP-Abkommen für
die EU maßgeblich verhandelte und inhaltlich gestaltete, hat an verschiedenen
Anlässen die wahren Motive öffentlich oder in vertraulicher Runde unverblümt
ausgeplaudert: »Wir arbeiten an einem geopolitischen Abkommen. Gentechnik und
Chlorhühnchen spielen nur am Rande eine Rolle. Ziel ist es vielmehr,
Regulierungen, Standards und Gesetze in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft
und des öffentlichen Sektors anzugleichen. (…) Bei der TTIP handelt
es sich um die weitreichendsten Veränderungen der Gesellschaft in Europa,
weit über alle bisherigen Handelsabkommen hinausreichend«. Er wurde noch
deutlicher, ganz im Sinne der Bertelsmann-Strategie: »Das ist es, worum es in
Wahrheit geht: Die politische und wirtschaftliche Führung und die Führung in
Bezug auf das Gesellschaftsmodell für die nächste Generation. Es geht darum,
den Rahmen für die Zukunft festzulegen.« Nicht gewählte Handelskommissare
wollen also unter Ausschluß der Öffentlichkeit nicht etwa nur über Zölle oder
technische Standards verhandeln, sondern außerhalb der dafür verfassungsgemäß
vorgesehenen politisch-parlamentarischen und gesellschaftlichen öffentlichen
Diskurse einen gesamtgesellschaftlichen Paradigmenwechsel für die Zukunft
vornehmen, und zwar ganz nach der Interessenlage von Lobbyisten wie Bertelsmann
& Co. Oder entspringt das der Phantasie von ›Verschwörungstheoretikern‹?
TTIP
als der entscheidende Endkampf von Konzernen wie Bertelsmann Die politische Gleichsetzung privater Unternehmensinteressen mit
öffentlichen Gemeinwohlinteressen - oder
sogar die Höherrangigkeit von Konzerninteressen vor öffentlichen
Interessen - ist längst politischer
Alltag, an den man die Bürger gewöhnen möchte, von ÖPP-Modellen bis zu TTIP mit
seinen privaten Schiedsgerichten oder seinen unternehmerischen
Vorprüfungsinstanzen namens ›regulatorischer
Kooperationsrat‹, und zwar bevor
die Gesetzgebungsverfahren die demokratisch gewählten Parlamentarier erreichen.
Das entspricht der Ideologie und Interessenlage der großen Unternehmen und
Imperien wie Bertelsmann, die hierfür erfolgreich gekämpft haben und sich jetzt
mit dem finalen Abschluß der Freihandelskommen kurz vor ihrem Ziel wähnen: Unternehmen
sollen auf eine Stufe mit Staaten gestellt werden oder sogar noch darüber, was seinerzeit
im Fall des multilateralen OECD-Investitionsabkommens MAI von der Zivilgesellschaft
allerdings verhindert wurde. Mit der TTIP erfolgt ein neuer Anlauf, die Rechte
internationaler Investoren wie Bertelsmann und anderen gegenüber den Staaten zu
stärken. Das Primat der Politik soll in ein Primat der Wirtschaft verwandelt
werden. Schon zuvor war es ihnen mit vereinten Kräften gelungen, im neoliberal
geprägten Lissabon-Grundlagenvertrag verfassungswidrige Grundregeln zu
etablieren, wie etwa die Alleinzuständigkeit der von Lobbyisten am Standort
Brüssel leicht zu beeinflussenden EU-Kommission für alle Handelsfragen, die
Garantie der ungehinderten Eigentumsverfügung
[ohne jede Sozialverpflichtung des Eigentums] oder den ungehinderten ›freien Kapitalverkehr‹ ohne lästige Regulierung. Erst durch
solche vorausgegangenen Bestimmungen lassen
sich nun die fragwürdigen Regelungen der Freihandelsabkommen wie TTIP
europarechtlich legitimieren.
TTIP
ist der Endkampf Nach seiner umstrittenen Rolle bei den TTIP-Verhandlungen und
seinem Einsatz für die privaten Schiedsgerichte für die Konzerne wechselte der
Ex-Handelskommissar der EU, Karel de Gucht, in die Privatwirtschaft, in die Vorstände
des belgischen Telekommunikationsunternehmens ›Belgacom‹ und der
Privatbank ›Merit Capital‹. Beide Unternehmen betreiben auf
EU-Ebene Lobbyarbeit pro TTIP und gehören zu den Profiteuren der Freihandelsabkommen,
so daß erhebliche Gefahren für Interessenkonflikte mit seinem ehemaligen Job
auftreten und den Seitenwechsel äußerst anrüchig machen. Bertelsmann dürfte es
begrüßen, daß so kompetentes und hochkarätiges EU-Spitzenpersonal als
Lobbyisten weiterhin für die gemeinsame Sache des Freihandels engagiert bleibt.
›Belgacom‹ ist ferner Mitglied der Lobbygruppe ›European Telecommunications Network Operators Association‹ [ETNO] und der ›Federation
of Enterprises in Belgium‹ [FEB].
Innerhalb der Amtszeit de Guchts als Handelskommissar haben ETNO und Skynet
Treffen mit der EU-Kommission wahrgenommen. Und schon vor Beginn der
TTIP-Verhandlungen haben Beamte von Karel de Guchts EU-Handelskommission bei
einem Treffen am 31. Juli 2013 das Lobbynetzwerk ETNO über die erste
TTIP-Verhandlungsrunde informiert und versprochen, die Standpunkte von ETNO
weiter zu analysieren, zu diskutieren, um festzustellen, ob neue Elemente in
die Verhandlungen mit aufgenommen werden sollten. Indessen hat die
EU-Kommission den Wechsel von Karel de Gucht am 18. März 2015 nur unter der
Voraussetzung genehmigt, daß er im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeiten
keine Lobby-Arbeit bei der EU-Kommission betreibt und nicht auf sein
Insiderwissen aus der Zeit als Kommissar zurückgreift. Wofür haben dann die
Unternehmen den Ex-EU-Beamten angeheuert? War die Auflage für Karel de Gucht nur
›augenzwinkernd‹? Erwiesenermaßen betreiben beide Unternehmen in eigener Sache
Lobbyarbeit auf EU-Ebene und hatten hierzu den früheren Handelskommissar mehrfach
aufgesucht. Und bereits vor seiner Zeit bei der EU-Kommission
gehörte de Gucht dem Aufsichtsrat der ›Merit
Capital‹ als Vertreter von ›Immo Degus‹ an. Die Geschäftsführerin dieses Immobilienunternehmens, an dem
Karel de Gucht auch Anteile hat, ist seine Ehefrau; und auch seine beiden Söhne
sind oder waren in der Geschäftsführung.«
Anmerkung
politonline d.a. Wie einer Meldung vom März dieses Jahres zu entnehmen war, ist
Viviane Reding, die vom 10. Februar 2010 bis Mitte 2014 Vizepräsidentin der
EU-Kommission und Kommissarin für das Ressort Justiz war, ohne die vorgeschriebene
Karenzzeit einzuhalten am 1. Januar 2015 bei Bertelsmann eingetreten,
was einmal wieder ein Beispiel dafür ist, was sich Brüssel an Freiheiten
herausnehmen kann, ohne dass mit Strafen gedroht wird, wie dies beim
Staaten-Fussvolk üblich ist. So im März 2011 hinsichtlich der Forderung, den
Anteil der Frauen in den Führungsetagen zu erhöhen. Die zuständige BRD-Ministerin
Schröder wollte der deutschen Wirtschaft diesbezüglich bis 2013 Zeit einräumen.
Nicht so die EU-Kommission: »Wenn die Kommission eine solche Richtlinie erläßt,
muß sie in Deutschland umgesetzt werden. Denn europäisches Recht geht vor
nationales Recht«, sagte der Rechtsexperte des Centrums für Europäische Politik
(CEP), Klaus-Dieter Sohn. Wird die Zielmarke verfehlt, sollen ab 2013 Strafen erfolgen.
Als besonders fragwürdig kann man den Fakt erachten, dass Reding weiterhin
Abgeordnete des EU-Parlaments und Mitglied im dortigen Handelsausschuss bleibt;
dort soll sie ohne die erforderliche Unabhängigkeit Berichterstatterin für das
Dienstleistungsabkommen TiSA werden.
Auch Reding wünschte sich die Vereinigten Staaten von Europa und
hatte sich für ein engeres
Zusammenwachsen der Europäischen Union auf allen Ebenen ausgesprochen: »Ich halte die Vereinigten Staaten von Europa
für die richtige Vision, um die aktuelle Krise, vor allem aber die architektonischen
Defizite des Maastricht-Vertrags – eine Währungsunion ohne parallele politische
Union – mittelfristig zu überwinden.« Wie sie im Oktober 2012 sagte, halte sie es für sehr wahrscheinlich, dass die Euro-Staaten
unter dem Einschluss der baltischen Staaten und Polens bis 2020 gemeinsam die
Vereinigten Staaten von Europa gründen würden, während sich Grossbritannien in
einem loseren Verbund an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beteiligen werde.
Persönlich wünsche sie sich zudem bis 2020 eine gemeinsame Vertretung Europas
im UNO- Sicherheitsrat. »Wir
brauchen klare föderale Strukturen, Entscheidungsbefugnisse an der richtigen
Stelle und starke demokratische Kontrollen dort, wo Entscheidungen getroffen
werden«, skizzierte Reding ihre
Vision eines künftigen Europas. Das bedeute auch, dass die EU-Kommission gerade
in der Wirtschaftspolitik zu einer europäischen Regierung werden müsse, die vom
Europäischen Parlament umfassend zu kontrollieren sei. [7]
Dass das EP jemals eine ausreichende
Kontrollfunktion besitzen wird, darf ins Reich der Legenden verwiesen
werde - es besitzt ja nicht einmal ein
Vorschlagsrecht - desgleichen die ›starken
demokratischen Kontrollen‹, ist doch kaum anzunehmen, dass ein Vereinigtes Europa an weniger
Demokratiemangel kranken würde als die jetzige Union. Am 10. Juni hatte Martin Schulz die TTIP-Debatte im EP mittels einer
grossen Koalition abgewürgt und für deren Verschiebung gesorgt, was zu Tumulten
im Plenarsaal führte. Am 8. 7. hat sich das EP dann grundsätzlich für den
Abschluss des umstrittenen Freihandelsabkommens ausgesprochen, und die folgenden
Nachbesserungen verlangt: Ein transparenteres
Verfahren, robuste Arbeitnehmerrechte, Schutz personenbezogener Daten sowie
öffentlicher Dienstleistungen.« Hierzu der
Vorsitzende des EP-Handelsausschusses, Bernd Lange: »Wir bestehen darauf, dass das Recht der Gesetzgeber auf beiden Seiten
des Atlantiks, Gesetze erlassen zu dürfen, nicht durch private Schiedsgerichte
oder andere Einrichtungen unterlaufen werden darf.« Ein schlechtes Abkommen werde man ablehnen. Bei der geballten Übermacht
von Kommission und Konzernwelt stehen diese Forderungen allerdings auf
unsicherem Grund. So erklärte denn auch die
Unternehmerin und Nationalrätin Jacqueline Badran sehr richtig: »Es ist eigentlich ein völliger Irrsinn, was
sich auf der EU-Ebene vollzieht. Es ist absolut undemokratisch und völlig
absurd, in dem Sinne, dass sich die EU selber schwächt.«
Vor der Schweizer Initiative gegen
Masseneinwanderung hatte Reding die Schweiz
im Januar 2014 wegen ihrer
geplanten Einwanderungspolitik unter Druck gesetzt. »Die Schweiz ist für die EU ein wichtiger
Partner. Aber die EU ist für die Schweiz ein unerläßlicher Partner.« »Man sollte also gut überlegen, was man da tut.« Anders als der Schweizer Bundesrat, der dem
Europäischen Gerichtshof in Streitfällen das unverbindliche Recht auf eine
Stellungnahme einräumen will, pochte Reding auf den »Grundsatz, daß Entscheidungen eines Gerichts
nicht auseinandergenommen oder ignoriert werden können«. Wenigstens räumte sie ein, dass es
innerhalb der EU »mancherorts
eine Konzentration von ärmeren Zuwanderern gibt, die Schwierigkeiten bereiten«, auch wenn diese »viel kleiner sind, als dies von rechten
Parteien mit extremen Parolen«
dargestellt werde. Das falle allerdings in die nationale Zuständigkeit. Nachdem 2012 mehrere EU-Staaten damit
gedroht hatten, das EU-Budget für 2014 / 2020 scheitern zu lassen, meldete sich
Reding mit einer geradezu diktatorischen Forderung zu Wort: »Das Veto-Recht in der EU muß verworfen werden«. Stattdessen sollten Entscheidungen künftig
auf der Basis von einfachen Mehrheiten zustande kommen können, erklärte sie
einem Bericht des ›EU-Observers‹ zufolge. »Das Mehrheitswahlrecht sollte auf mehreren
Politikfeldern eingeführt werden, zum Beispiel bei den Steuern.« Während
ihrer Amtzeit verteidigte sie auch die Richtlinie der Kommission zur
Frauenquote. Am 14. 11. 12 hatte sie einen stark abgemilderten Entwurf vorgelegt, der vorsah, 40 % aller
Aufsichtsratsposten börsennotierter Unternehmen mit dem ›unterrepräsentierten
Geschlecht‹ zu besetzen, was Schröder zu der Kritik
veranlasste, wie dies mit der freien Wahl der Aufsichtsräte zu vereinbaren sei.
In einem Interview mit dem ›Wiener Kurier‹ vom 19. 2.
2012 erklärte Reding: »Die Menschen
dürfen nicht das Gefühl haben, völlig vergessen zu werden. 2013 wird das
Europäische Jahr der Bürger.« Also einmal in 5 Jahren, so die ›Deutschen
Wirtschafts Nachrichten‹, erinnert sich die EU-Kommission der
Bürger: Rechtzeitig vor dem EU-Wahltermin im Mai 2014. Dafür verschwendete die
EU im Mai 2013 europaweit viele Millionen € für ganzseitige Anzeigen in fast
allen Zeitungen. ›Im Europäischen Jahr 2013 stellen wir die
Unions-Bürgerinnen und -Bürger in den Vordergrund‹, war da zu lesen. Doch
bitte, sehr geehrte Frau Reding, die Frage muß erlaubt sein: ›Für wie einfältig halten Sie eigentlich die
Bürger Europas?‹ Wie stand/steht es mit den Jahren vor und
nach 2013 bzw. nach dem EU-Wahljahr 2014? Waren das keine ›Jahre
der Bürger? Werden es wieder Jahre
der Lobbyisten sein, wie selbst im Jahr der Bürger, mit
industriefreundlichen Verordnungen und Richtlinien, die gegen die Bürger
Europas gerichtet waren?‹ Da werden auch wieder die allseits
bekannten ›Errungenschaften‹ der EU, wie ›Wirtschafts-
und Währungsunion, Friedenssicherung, Klima- und Verbraucherschutz, sowie
Wohlstand‹, mantraartig wiederholt. [8] Dass
wir mitnichten im Vordergrund stehen, das hat Herman Van Rompuy, den
Paul Craig Roberts auch schon als Handlanger Washingtons bezeichnet hat, am 23. 4. 2014 mehr als deutlich
ausgedrückt: Er hält die EU-Wahl für überflüssig, denn, wie er sagte, Entschieden
wird woanders“. Er fügte zwar nicht hinzu, wo, dennoch geht man nicht
fehl, bezieht man dies auf die Trilaterale Kommission, den European Council on
Foreign Relations, den American Council on Germany, die
Atlantik-Brücke sowie die internationalen Stiftungen und die sogenannten Think
Tanks. [9] Wie man versucht,
uns zu beeinflussen, bewies auch Barroso bei den Europa-Wahlen 2014: Am 30. 3.
warnte er die Wähler eindringlich vor eurokritischen Parteien: Diese könnten
den Frieden in Europa gefährden - und nicht etwa die NATO! Man mache sich nichts vor: Wer immer das Ziel der Entsouveränisierung
der EU-Staaten begriffen hat, weiss, dass die herbeigewünschten Vereinigten
Staaten von Europa genau dieses erfüllen würden. Und was die von Reding
zitierten ›Entscheidungsbefugnisse‹ betrifft, so werden diese auch dann stets der demokratisch nicht
legitimierten EU-Kommission resp. einer EU-Regierung vorbehalten bleiben, zumal
die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten schon heute grosse Teile ihrer
Souveränität eingebüsst haben. Zieht man nun die Auffassung Redings insgesamt
in Betracht, so wird klar, dass sie bei Bertelsmann bestens aufgehoben ist.
Van Rompuy hatte die Zielrichtung der
EU Anfang Mai 2014 wie folgt skizziert:
»Die globalistische Europäische Union werde letztendlich jedes Land an der
russischen Westgrenze kontrollieren.« Rompuys Vision ist die, dass sich alle
Balkanstaaten, die früher einmal zum sowjetischen Machtbereich gehörten, sowie
›das gesamte europäische Gebiet ausserhalb Russlands‹ mit der Europäischen
Union verbinden würden. Hierzu erklärte er: Auch wenn die Unterstützung für
derartige Bemühungen in der Öffentlichkeit sehr gering ist, »werden wir es
dennoch machen.« Der britische Journalist und Politiker der Conservative Party,
Daniel Hannan, seit 1999 EP-Mitglied, hat dies im Juni 2007 einmal treffend
formuliert: »In der EU dominieren die
Leute, die diese als so glorreich betrachten, daß sie vor der Wahrheit die
Augen zumachen. Es heißt immer, die EU sei undemokratisch, ich würde
mittlerweile sagen: Nein, sie ist antidemokratisch. Wir sollten die EU wieder
zu dem machen, womit sie einst auch so erfolgreich war: Eine Freihandelszone.
Beginnen sollten wir mit der Repatriierung finanzieller Hoheit an die
Nationalstaaten.«
»Die transatlantischen und
transpazifischen Handels- und Investitionspartnerschaften«, so Roberts, »haben mit freiem Handel nichts zu tun. Der ›freie Handel‹ wird als eine Fassade benützt, hinter der sich die Macht versteckt, die den
Unternehmen durch diese Abkommen gegeben ist, mit gesetzlich fundierten Klagen
souveräne Gesetze von Ländern, die die Umweltverschmutzung, Nahrungssicherheit,
genmanipulierte Lebensmittel und Mindestgehälter regeln, auszuhebeln.« Wie Gerhard
Wisnewski schreibt, »steht jede Grenze des Menschen unter Beschuß. Das
geplante Freihandelsabkommen zwischen der USA und der EU ist dafür ein weiteres
eindrucksvolles Beispiel. Im Ergebnis haben wir es mit einem strukturellen
Krieg gegen die gesamte Menschheit zu tun.«
Zu Bertelsmann
siehe u.a. Die
Bertelsmann-Stiftung und die Weltregierung Stiftungen
in der Politik Transformation
Thinkers Unsere
Medienwelt Blick
auf Bertelsmann, eine der zahlreichen steuerbefreiten und daher äusserst
vermögenden Stiftungen, was ihrer Einflussnahme entgegenkommt German
Foreign Policy - Die Massen führen Weiteres
zur Bertelsmann-Stiftung [1] http://www.wilhelm-neurohr.de/aktuelles/studie-bertelsmann-als-ttip-strippenzieher-die-machenschaften-des-einflussreichsten-ttip-lobbyisten-und-seiner-netzwerke/ Siehe auch http://www.futurumverlag.com/warenkorb/detailansicht/procat/autoren/prod/wilhelm-neurohr.html
[2] http://www.n24.de/n24/Mediathek/videos/d/131814/merkels-rede-vor-us-kongress.html
[3] http://www.businesseurope.eu/
[4] http://www.iwipo.eu/arbeitsfelder/oekonomie-globalisierung/ttip-studie-des-global-development-and-trade-institute-der-tufts-university-usa/
[5] http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=1773
[6] http://www.bertelsmannkritik.de/index.htm und http://labournet.de/diskussion/wipo/gats/bertelsmannkritik.html Aus dem ›Aufruf gegen
Bertelsmann, Frankfurt Oktober 2007‹
[7]
http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M58aec2162cb.0.html 10. 12. 12 Reding wünscht sich Vereinigte Staaten von
Europa
[8]
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/02/18/eu-nur-demokratie-defizit-oder-bereits-diktatur-2/ 18. 2. 14
[9] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/04/23/van-rompuy-haelt-eu-wahl-fuer-ueberfluessig-entschieden-wird-woanders/ 23. 4. 14 Siehe hierzu Wie man verdummt wird - Von Doris Auerbach
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