Wie wir manipuliert werden

Um dem Leser oder Zuhörer unangenehme Wahrheiten besser verkaufen zu können, werden Begriffe sogenannt neurolinguistisch zurechtgebogen. Einfach ausgedrückt werden Begriffe weich gewaschen, damit sie besser verdaulich sind. Aus Krieg wird robuster Einsatz, zerfetzte Leiber von Frauen und Kindern werden zu Kollateralschäden; wer sich gegen Ausbeutung und Demütigung wehrte, war früher Rebell, heute ist er ein Terrorist, der absolut rechtlos ist und mit allen Mitteln bekämpft werden darf. Bombardierung nennt man Luftschlag, den Angriffskrieg Befreiungseinsatz; aus Ausbeutung wird Gewinnoptimierung; Manipulation ist Information; Lügen sind Missverständnisse; sich von der Verantwortung drücken heisst delegieren; Indiskretionen nannte man einst Waschweibergeschwätz. Die Liste könnte man beliebig verlängern.

Die Menschen merken schon, dass sie für dumm verkauft werden. Viele fühlen sich mehr und mehr ohnmächtig und resignieren. Sie ziehen sich in sich selbst zurück, versuchen, sich irgendwie durchzuwursteln und vereinsamen. Sie leben nach dem Prinzip: ich höre nichts, ich sehe nichts und ich sage nichts. Dieses Phänomen trifft man vor allem in Städten und Agglomerationen. Die Manipulierer reiben sich die Hände, weil sie damit ihr Ziel erreicht zu haben glauben. Leider hat jede Medaille zwei Seiten.
 
Eine gesunde Gesellschaft braucht aktive Menschen, die denken und an anstehende Probleme tatkräftig herangehen. Allgemeine Resignation und Passivität führen in den Abgrund und bilden Nährboden für eine Diktatur. Parlamentarier, die den Bundesrat zum Führen auffordern, weil sie ihre Verantwortung delegieren wollen,  dürfen sich nicht beklagen, wenn sie manipuliert werden. Keine Verfassung, keine Gesetze und Verordnungen schützen davor. Man kann  immer gesetzeskonform handeln, wenn man den Sinn von Begriffen etwas umformuliert. In der Bundesverwaltung sitzen genug Leute, die dem Bundesrat mit geeigneten „Informationen“ so an die Hand gehen, dass er selbst den Durchblick verliert. Sie nennen sich „Kommunikationsbeauftragte“ und sind nichts anderes als psychologisch geschulte Journalisten, die mit den Medien eng zusammenarbeiten und mit „Indiskretionen“ ihre Einschaltquoten und Auflagen erhöhen. Die Parlamentarier, die die eigene Verantwortung an die Exekutive delegiert haben, damit bei der Wiederwahl nicht sie, sondern andere an allem schuld sind, sitzen nun in der eigenen Falle. Heute beklagen sich viele, dass sie statt informiert manipuliert werden. Wer kann es den Medien verdenken, wenn sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, um ihr Geschäft zu optimieren.
 
Zusammenfassend kann man sagen, dass niemand mehr für irgendetwas verantwortlich ist, weil alles anonym geregelt wird. Die Grosskonzerne sitzen nirgends und überall, so dass sie für alle Verpflichtungen immer ein Schlupfloch haben. Der Staat ist zwar für alle sozialen Aufgaben zuständig, aber diese sind so aufgeteilt, dass auch hier niemand für etwas verantwortlich ist. Gemeinden delegieren sogar soziale Aufgaben an Privatunternehmen. Das System ist sozialistisch, aber nicht sozial. Dadurch verlieren viele den Boden unter den Füssen, sie fühlen sich nicht länger verwurzelt und geborgen. Der Computer in der Primarschule wird mithelfen, bereits Kinder vereinsamen zu lassen. Teamgeist, Zusammenstehen, sich gegenseitig helfen, wird bereits den Kindern ausgetrieben. Einsame Menschen sind leicht manipulierbar und für das Konsumieren zugänglicher. Um dafür zum nötigen Kleingeld zu kommen, locken Wettbewerbe und Lotterien aller Art.
 
Das Rezept, um der ganzen Misere abzuhelfen, ist eigentlich ganz einfach. Verantwortlichkeiten müssen wieder ganz klar zugewiesen werden und zwar privat, wie in Politik und Wirtschaft: Eheleute müssen ihre Angelegenheiten ohne staatliche Einmischung regeln. Die Kindererziehung ist Sache der Eltern, die Lehrerschaft ist für eine erfolgreiche Bildung zuständig, der Staat hält sich wieder strikt an die Gewaltentrennung und ordnet sich so, dass die Zuständigkeiten klar aufgeteilt sind. Die Gesetze sind nur da, um grobe Verstösse der Verantwortung  im weitesten Sinne zu regeln.
 
Jeder einzelne Bürger muss sein Verhalten in Bezug auf Verantwortung hinterfragen. Jeder und jede muss selbst mehr zugreifen, statt um der Bequemlichkeit willen wegzuschauen. Wir Bürger sind der Staat und deshalb müssen wir uns alle in irgendeiner Weise in dessen Dienst stellen. Die da oben machen so lange, was sie wollen, bis wir erwachen und aktiv am Erhalt unseres schönen Landes teilnehmen. Andernfalls wird unsere einzigartige direkte Demokratie zu Recht bald einmal der Vergangenheit angehören.
 
Hanny Haidvogl-Werder, Gelterkinden