Aus dem Bundeshaus

Wie es in einer Mitteilung der SVP heisst, räumt der Bundesrat der EU

ein Veto-Recht bei der Umsetzung der Bundesverfassung ein. Mit den jetzt gefassten Beschlüssen zur Umsetzung des Zuwanderungsartikels in der Bundesverfassung handelt der Bundesrat unglaubwürdig. 

Einerseits legt er eine lückenhafte Umsetzungsgesetzgebung vor, andererseits stellt er die Umsetzung grundsätzlich in Frage, indem er diese von einer Anpassung des Freizügigkeitsabkommens abhängig macht. Damit wäre eine innerstaatliche Umsetzung des Verfassungsartikels nur mit dem Einverständnis der EU möglich. Diese erhält so vom Bundesrat gewissermassen ein Veto-Recht betreffend die Schweizer Gesetzgebung. Damit sind die Verhandlungen mit der EU schon jetzt zum Scheitern verurteilt. Ein Erfolg ist nur möglich, wenn der Bundesrat die Umsetzung der Verfassungsbestimmung entschieden angeht und eine Kündigung des Freizügigkeitsabkommens in Kauf nimmt. Die SVP fordert vom Bundesrat endlich ein konsequentes Vorgehen, das den Volkswillen respektiert. 

Das am 11. 2. vom Bundesrat verabschiedete Verhandlungsmandat mit der EU ist unbrauchbar. Indem der Bundesrat die Sicherung des bilateralen Wegs auf die gleiche Stufe stellt wie den Verfassungsauftrag zur Steuerung der Zuwanderung, ist kein befriedigendes Verhandlungsergebnis möglich. Der Bundesrat hält zudem fest, dass eine Umsetzung des Verfassungsauftrags nur dann erfolgen wird, wenn das Freizügigkeitsabkommen [FZA] angepasst werden kann: »Die Voraussetzung dafür, dass das Umsetzungskonzept auch für Angehörige der EU/EFTA-Staaten zur Anwendung kommen kann, ist deshalb eine entsprechende Anpassung des FZA (Erläuternder Bericht des Bundesrats, S. 7)«. Damit manövriert sich der Bundesrat für die Verhandlungen in eine unmögliche Ausgangslage: Die EU weiss jetzt, dass die Schweiz nichts unternehmen wird, das nicht ihren ausdrücklichen Segen findet. Somit ist aus der Sicht der EU jegliches Entgegenkommen von Anfang an unnötig. Das macht schon jetzt deutlich, dass der Bundesrat in letzter Konsequenz wohl nicht daran denkt, den Volkswillen umzusetzen. Für die SVP ist klar, dass sie eine Volksinitiative zur Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens lancieren wird, falls der Bundesrat die Umsetzung hintertreibt oder die EU Verhandlungen verweigert. Eine Anpassung des Freizügigkeitsabkommens ist gemäss Entscheid von Volk und Ständen vom 9. Februar 2014 zwingend.  

Ungenügende innerstaatliche Umsetzung  
Beim Vorschlag für die Umsetzung der Verfassungsbestimmung auf Gesetzesstufe anerkennt die SVP zwar, dass sich der Bundesrat in verschiedenen Punkten am Umsetzungskonzept der SVP orientiert. Dieses lehnt sich an die bewährten Eckpunkte der Kontingentsregelung und des Inländervorrangs, welche zwischen 1970 und 2002 Gültigkeit hatten, an. In wichtigen Punkten sind die Vorschläge des Bundesrats jedoch noch ungenügend und müssen nachgebessert werden: Der bundesrätliche Vorschlag sieht keine Beschränkung des Familiennachzugs und keine Massnahmen gegen die Einwanderung in die Sozialwerke vor, obwohl dies die wichtigsten Hebel zur Beseitigung von Fehlanreizen und Missbräuchen sind. Der Bundesrat richtet die Aufenthaltsdauer nicht konsequent auf den Arbeitsvertrag und die Dauer des Arbeitsverhältnisses aus, was für die Wirkung im Ziel absolut entscheidend wäre. Der Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit bis zu einem Jahr ist nicht kontingentiert, was zu Umgehungen führen kann. Die SVP wird im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens auf der Basis ihres Umsetzungskonzepts verschiedene Verbesserungen einbringen. Ziel muss letztlich eine markante Senkung der Zuwanderung sein. 

Die Steuerung der Zuwanderung ist dringend   
Die Probleme mit der Zuwanderung sind nach wie vor ungelöst: Die Netto-Zuwanderung belief sich auch im vergangenen Jahr auf über 80‘000 Personen. Die Arbeitslosigkeit unter Ausländern in der Schweiz liegt bei mittlerweile 7 %. Das heisst: Arbeitslose Ausländer verlassen unser Land nicht mehr, sondern beziehen hier auf Dauer Leistungen aus den Sozialversicherungen! Gerade vor dem Hintergrund der Aufhebung des Euro-Mindestkurses ist die rasche Umsetzung einer eigenständigen Steuerung der Zuwanderung dringender denn je. Sollte es kurz- und mittelfristig zu grösseren wirtschaftlichen Problemen oder gar zu einer Rezession kommen, ist es um so wichtiger, dass die Schweiz die Zuwanderung über Kontingente und einen Inländervorrang eigenständig steuern kann. Die Schweiz ist mit dem stärkeren Franken als Arbeitsplatz noch attraktiver geworden. Die Lohnunterschiede zum Ausland haben sich vergrössert - und damit auch der Anreiz, inländische Arbeitnehmer durch billigere ausländische Arbeitskräfte zu ersetzen. Der Migrationsdruck wird sich also kurzfristig noch verstärken. Bei einer allenfalls höheren Arbeitslosigkeit ist ein Inländervorrang, wie ihn die Verfassung vorsieht, von zentraler Bedeutung. Im Weiteren ist sicherzustellen, dass Ausländer ohne Arbeit die Schweiz rasch verlassen und nicht über Jahre in den schweizerischen Sozialwerken verbleiben, wie dies heute im Rahmen der Personenfreizügigkeit möglich ist.  

Chaos im Finanzdepartement – jetzt handeln 
Die SVP ist erstaunt, dass sich das Finanzdepartement im Zusammenhang mit den massiv tieferen Bundeseinnahmen offenbar im Blindflug befindet. Die SVP fordert vom Bundesrat ein echtes Sparprogramm. Obwohl die Vorsteherin des EFD behauptet, sie habe bereits im vergangenen Herbst eine entsprechende Entwicklung vorhergesehen, wurde im Rahmen des Budgets 2015 keine Gegensteuer gegeben. Vielmehr haben Bundesrat und Parlament die Ausgaben weiter erhöht. Die Anträge der SVP auf Einsparungen von gegen einer Milliarde Franken wurden abgelehnt. Die SVP verlangt nun, dass der Bundesrat ein Sparprogramm in verschiedenen Varianten vorlegt. Die SVP hat bereits im vergangenen November in einem Finanzpositionspapier aufgezeigt, in welchen Bereichen der Hebel angesetzt werden muss: Das Schwergewicht muss insbesondere bei einer Kürzung der Personal- und Beratungsausgaben und bei jenen Bereichen liegen, welche die höchsten Ausgabenzuwächse in den vergangenen Jahren zu verzeichnen hatten. Die SVP hat diesbezüglich bereits während der vergangenen Wintersession eine Motion (14.4016) eingereicht, welche die Ausgaben im Legislaturfinanzplan 2017-19 auf dem Niveau von 2014 fixiert. 

Bei den Personalausgaben genügt der vom Bundesrat heute angekündigte Personalstopp bei weitem nicht, um die aus dem Ruder gelaufenen Entwicklungen der vergangenen Jahre ungeschehen zu machen: Während der Personalaufwand im Jahr 2007 noch bei 4,492 Milliarden Franken lag, betrug er im Jahr 2014 bereits 5,498 Milliarden Franken und stieg damit um rund ein Fünftel (+22.4 %) bzw. 1 Milliarde Franken an. Im gleichen Zeitraum entstanden so auf Kosten der Steuerzahler rund 1‘200 neue Stellen bei der Bundesverwaltung. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der angespannten Finanzlage wird der Bundesrat nicht um Personalkürzungen herumkommen, wobei die SVP ein Auge darauf haben wird, dass nicht an der Front, sondern beim aufgeblähten Verwaltungsapparat der Hebel angesetzt wird.   

Schliesslich ist auch die krasse Ausgabensteigerung bei der Entwicklungshilfe rückgängig zu machen, denn auch in diesem Bereich sind die Ausgaben über die letzten Jahre massiv angestiegen. Von 1,9 Milliarden Franken im Jahr 2004 auf 2,9 Milliarden Franken im Jahr 2013. 

Die Schweiz und der EU-Binnenmarkt 
Der Bundesrat verwickelt sich in Widersprüche: Die Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel über den sogenannten Rahmenvertrag treten in diesen Tagen in ihre entscheidende Phase. Deshalb ist es angebracht, daran zu erinnern, was die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N) in Form von Auflagen an die Adresse des Bundesrats vor Verhandlungsbeginn beschlossen hat. Diese wurden in zwei Kommissions-Motionen formuliert. Die Parlamentsdienste fassten die aufgrund dieser Kommissions-Motionen entstandene Ausgangslage für die Verhandlungen Schweiz-EU mit folgenden Worten zusammen:  

Institutionelle Fragen 
Ende 2013 konsultierte der Bundesrat die APK zu den Eckwerten seines Verhandlungsmandats betreffend die institutionellen Fragen zwischen der Schweiz und der EU. Im Zentrum der Beratungen der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats APK-N, die das Mandat mit 14 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung genehmigte, stand die Frage, wie die Anliegen der Schweiz, z. B. betreffend die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit oder die demokratischen Mitspracherechte, in den Vorschlägen des Bundesrats berücksichtigt werden können. Die Kommission wies den Bundesrat zudem darauf hin, dass das Ziel der Verhandlungen einzig darin bestehen soll, den gegenseitigen Marktzugang mittels Verträgen zu erleichtern. Deshalb verlangte  die APK-N  - dies mit 13 zu 1 Stimmen bei 7 Enthaltungen -  gegenüber der EU klar zu signalisieren, dass die Schweiz nicht Teil des europäischen Binnenmarktes werden will. Mit dem gleichen Stimmenverhältnis unterstützte die APK-N die klare Haltung des Bundesrats, wonach  sich die Schweiz weder verpflichten dürfe, EU-Recht automatisch zu übernehmen, noch sich der EU- oder der EWR-Gerichtsbarkeit zu unterstellen. Der Bundesrat habe die von der APK-N deutlich angenommenen Vorstösse als seinem Verhandlungskonzept dienend beurteilt und vor der Kommission befürwortet. 

Um so mehr verwundert, dass die beiden derart deutlich angenommenen und vom Bundesrat positiv beurteilten, inhaltlich zweifellos gewichtigen Vorstösse bis heute vom Nationalrats-Plenum nicht behandelt worden sind. Es droht ihnen allmählich die «stille Liquidation», weil Vorstösse, die zwei Jahre nach Antragstellung nicht behandelt worden sind, gemäss Ratsreglement automatisch aus Abschied und Traktanden fallen. Damit dies mit den beiden richtungsweisenden Vorstössen zu den laufenden Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel nicht geschieht, hat Nationalrat Christoph Mörgeli nunmehr die Behandlung dieser beiden APK-Vorstösse in der bevorstehenden März-Session verlangt. Diese wollen die automatische Übernahme von EU-Recht durch die Schweiz verhindern. Sie stehen damit in klarem Widerspruch zu Konzessionen, die der Bundesrat, auch bezüglich der von Bundesbern angebotenen Unterstellung der Schweiz unter den EU-Gerichtshof, gegenüber der EU im Laufe der Verhandlungen bereits eingegangen ist.

Man ist wahrhaftig gespannt zu erfahren, wie sich der Bundesrat zu den damit von ihm selbst verursachten Widersprüchen stellt.

 

Orientierungsloser und verunsicherter Bundesrat - Von Martin Baltisser 
Die Orientierungslosigkeit und Verunsicherung des Bundesrats in diesen Tagen ist erstaunlich und beunruhigend zugleich. Wer ohne Plan nach Brüssel reist, um herausfordernde Verhandlungen anzustossen, kehrt - als logische Konsequenz - ohne Ergebnis zurück. Dabei wäre die Ausgangslage eigentlich klar. Die Regierung kann mit einem Volksentscheid im Rücken auf den für die Schweiz zwingenden Bedarf nach einer Änderung der vertraglichen Modalitäten hinweisen. Dies ist selbstverständlich nur dann glaubwürdig möglich, wenn eine Kündigung des betreffenden Vertrages, in diesem Fall jener über die Personenfreizügigkeit, als Option im Raum steht. Ist der Bundesrat dazu nicht bereit, wird er bei den Verhandlungen mit der EU nie auf einen grünen Zweig kommen.  

Auch alt Bundesrat Adolf Ogi hat bei seiner Analyse, welche er am 8. 2. über die Presse vornahm, einen wichtigen Unterschied zu früheren Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU ausser Acht gelassen. Er und seine Regierungskollegen hätten früher unmissverständlich auf den Volksentscheid in der Schweiz und die damit zusammenhängende Verpflichtung gegenüber dem Souverän hingewiesen. Die Ausgangslage wäre damit von Seiten der Schweiz klar umrissen gewesen und mit dem nötigen Selbstbewusstsein vorgetragen worden. Der Unterschied hierzu liegt heute darin, dass Bundesräte den ihnen peinlichen Volksentscheid relativieren und gar offen proklamieren, auf diesen Entscheid zurückzukommen. Im offiziellen Verhandlungsmandat sollen zwei sich widersprechende Ziele, die eigenständige Steuerung der Zuwanderung und der Erhalt der Bilateralen I und damit der Personenfreizügigkeit, auf die gleiche Stufe gestellt werden. Auf diese Weise sind Verhandlungen schon vor deren Aufnahme zum Scheitern verurteilt. Dem Bundesrat bleibt noch eine kleine Chance, bei dem nächsten Entscheid über das weitere Vorgehen das Ruder herumzureissen. 

Note ungenügend 
Völlig inakzeptabel ist die Tatsache, dass ein Jahr nach dem Volksentscheid vom 9. Februar 2014 zur neuen Verfassungsbestimmung noch immer keine Umsetzung auf Gesetzesstufe vorliegt. Dies, obwohl das Staatssekretariat für Migration (SEM) bereits beim Treffen mit der SVP Mitte März 2014 die Basis für ein Kontingent-System mit Inländervorrang als Vorlage auf dem Tisch hatte; ein System, das sich notabene auf bewährte frühere Konzepte und die heute noch immer angewendete Praxis für Drittstaaten (160 Länder weltweit) anlehnt. Auch das Umsetzungskonzept der SVP basiert darauf. Dass die Präsentation der rechtlichen Umsetzung im Inland nun bereits über Monate hinausgezögert wird, stellt dem Bundesrat ein miserables Zeugnis aus. Mit unverständlichem Taktieren wurde wertvolle Zeit verschenkt, um bestehende Probleme anzugehen. 

Propagandamaschinerie hochgefahren 
Die Zeit ist aus Sicht des Bundesrats natürlich nicht ungenutzt verstrichen. Vielmehr wurde in den letzten Monaten eine veritable Propagandawalze hochgefahren, welche zum Ziel hat, den Volksentscheid vom 9. Februar zu diskreditieren und die bilateralen Abkommen mit der EU zu glorifizieren. Dazu werden Studien bestellt, Zahlen frisiert, Wissenschaft, Verbände und Medien als willfährige Gehilfen eingespannt. Jede noch so abwegige Verbindung zwischen irgendwelchen, vermeintlich negativen Entwicklungen und der Annahme der Volksinitiative gegen Masseneinwanderung wird breitgeschlagen.  

Finanzpolitik im Blindflug 
Nun soll gar der Einbruch der Bundeseinnahmen auf die Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit zurückzuführen sein, wie ein Medium inzwischen insinuiert hat. Dumm ist nur, dass die Steuereinnahmen von 2014 zu einem schönen Teil auf den Abschlüssen von 2013 beruhen und dass sogar noch im Jahr 2014 bei vielen Schweizer Unternehmen Rekordergebnisse erzielt wurden, wie die in diesen Tagen präsentieren Jahresabschlüsse belegen. Zudem gab es 2014 so viele Firmengründungen wie noch nie. Real sind hingegen beispielsweise die wirtschaftliche Schwäche im Euro-Raum und die Auswirkungen der Boykott-Politik gegenüber Russland. 

Und zur Erinnerung: Es war die SVP, welche im Hinblick auf das Budget 2015, wie in den Jahren zuvor, vor finanzpolitischen Fehleinschätzungen gewarnt und zur Zurückhaltung gemahnt hatte. Niemand ist im Parlament ihren konsequenten Kürzungsanträgen gefolgt. Stattdessen wurde weiter mit der grossen Kelle angerührt, obwohl eine Verschlechterung der Konjunkturlage bereits absehbar war. Heute denken nun plötzlich auch die Wirtschaftsverbände und die Mitte-Parteien über eine Plafonierung der Staatsausgaben und des Bundespersonalbestandes nach. Wetten, dass auch dieses Mal den grossspurigen Forderungen wieder gewundene Begründungen folgen werden, weshalb eine zurückhaltende Ausgabenpolitik nicht realisierbar sei. 

 

Neuinterpretationen und Behauptungen statt Senkung der Zuwanderung - Von Adrian Amstutz 
Die Befürworter einer grenzenlosen und ungesteuerten Zuwanderung schlagen derzeit wild um sich. Die Kritik am bundesrätlichen Konzept zur Umsetzung des Verfassungsartikels zur Steuerung der Zuwanderung hat ihnen ganz offensichtlich zugesetzt. Leider bleiben die teilweise nachweislich falschen, teilweise nicht belegten Behauptungen meist unwidersprochen. Derweil hält die unbegrenzte Zuwanderung mit netto jährlich über 80‘000 Personen, was der Stadtbevölkerung von Luzern entspricht, an. Bundespräsidentin Sommaruga lehnte sich am weitesten zum Fenster hinaus. In der Samstagsrundschau von Schweizer Radio SRF vom 14. Februar 2014 verstieg sie sich zur Behauptung, das in der bundesrätlichen Vorlage eingebaute Veto-Recht für die EU sei eine Folge des Initiativtextes, und die Initiative fordere lediglich, dass das Freizügigkeitsabkommen (FZA) mit der EU neu zu verhandeln und anzupassen sei. Von einer Kündigung sei nicht die Rede. 

Diese Aussagen von Bundespräsidentin Sommaruga widersprechen nicht nur dem Volkswillen, der eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung verlangt, sondern stehen in diametralem Widerspruch zur unmissverständlichen Auslegung des Verfassungstextes durch den Bundesrat selber in seiner Botschaft ans Parlament und allen Verlautbarungen vor der Abstimmung. Die Interpretation des Verfassungstextes war stets klar. Die Verfassung verlangt spätestens drei Jahre nach Annahme von Art. 121a  - also ab dem 9. Februar 2017 -  eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung für sämtliche Ausländerinnen und Ausländer, also auch für Personen aus der EU, mit Kontingenten und Inländervorrang. Dazu ist das Freizügigkeitsabkommen mit der EU neu zu verhandeln und anzupassen, weil dieses, was von niemandem bestritten wird, der neuen Verfassungsbestimmung widerspricht. Die Verfassung ist selbstverständlich auch dann durchzusetzen, wenn das Abkommen nicht angepasst werden kann, sei dies durch eine entsprechende innerstaatliche Gesetzgebung, sei dies, wie in den Übergangsbestimmungen vorgesehen, per Verordnung des Bundesrats, falls das Gesetz nach drei Jahren noch nicht in Kraft ist, sei dies durch Kündigung des Vertrags zur Personenfreizügigkeit. Dies war bisher auch immer die Einschätzung und Haltung des Bundesrates. 

Sommaruga liegt nachweislich falsch 
Die Aussagen von Bundespräsidentin Sommaruga kommen deshalb einem Meinungsumschwung um 180 Grad gleich. Dies zeigt ein kurzer Blick in die Botschaft des Bundesrats ans Parlament vom Dezember 2012. Die Interpretation ist glasklar und unmissverständlich: »Wie bereits unter Ziffer 3.1.3 erwähnt, müsste das FZA spätestens nach Ablauf von drei Jahren gekündigt werden, sollte es in dieser Frist nicht gelingen, das Abkommen initiativkonform neu auszuhandeln.« (S. 317 der Botschaft)  Da der Bundesrat die Chancen auf einen Verhandlungserfolg in der Botschaft als gering einstufte, kam er zu folgendem Fazit: »Die Initiative ist mit dem FZA nicht vereinbar. Das FZA müsste im Falle einer Annahme der Initiative mit grösster Wahrscheinlichkeit gekündigt werden. « (S. 317 der Botschaft)  Auch bezogen auf seine Verpflichtung, die Verfassung bei Bedarf per Verordnung durchsetzen zu müssen, war die Interpretation des Bundesrates eindeutig: »Falls die Ausführungsgesetzgebung zu Artikel 121a BV drei Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände noch nicht in Kraft getreten ist, müsste der Bundesrat entsprechende Ausführungsbestimmungen vorübergehend auf dem Verordnungsweg erlassen (Absatz 2). Damit soll laut den Initiantinnen und Initianten gewährleistet werden, dass die neuen Verfassungsbestimmungen innerhalb eines absehbaren Zeitraums umgesetzt werden.« (S. 312 Botschaft) 

Bundespräsidentin Sommaruga ging in ihren Ausführungen vor dem Parlament sogar noch viel weiter. Sie sagte am 20. Juni 2013 vor dem Nationalrat wortwörtlich: »Was passiert, wenn die Initiative angenommen wird? Ich sage es ganz nüchtern: Gemäss Vertrag fallen nach sechs Monaten alle Bilateralen I automatisch dahin - soviel kann man heute sagen.« 

All das soll nun offenbar nicht mehr gelten 
Mit den Relativierungen im erläuternden Bericht des Bundesrats zur Änderung des Ausländergesetzes und den ausweichenden Aussagen von Bundespräsidentin Sommaruga seit dem 11. 2. bestehen grösste Zweifel, dass es dem Bundesrat ernst mit der Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung ist. Er flüchtet sich vielmehr in Wortklaubereien und Neuinterpretationen gesetzestechnischer Natur. Vergessen geht dabei, dass das Volk den Auftrag erteilt hat, die Zuwanderung, welche sich auch im vergangenen Jahr auf netto über 80‘000 Personen belief, wieder eigenständig zu steuern und markant zu reduzieren.

Unbelegte Behauptungen des Arbeitgeberverbandes 
Erstaunlich ist auch, welche Resonanz in diesen Tagen völlig unbelegte Behauptungen haben können, wenn es um die Frage der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative geht. Jede noch so abenteuerliche Kritik an der von Volk und Ständen angenommenen Verfassungsbestimmung wird medial abgefeiert. Selbst gröbste Plausibilitätstests werden offenbar unterlassen, wenn es um die gute Sache und gegen die Mehrheit des Volkes geht, sprich, wenn man die Folgen der Initiative dramatisieren kann. So auch am 15. 2., als der Präsident des Arbeitgeberverbandes in einer Sonntagszeitung Berechnungen anstellte und auf der Basis einer nicht nachprüfbaren Zahl aus seiner eigenen Firma administrative Kosten durch die Kontingentierung in Milliardenhöhe hochrechnete. Hier stellt sich nun vorab die Frage, weshalb der Arbeitgeberverband diese Zahlen nicht in die Arbeitsgruppe des Bundesrates zur Umsetzung der Verfassungsbestimmung einfliessen liess, in der er ja vertreten war.  

Der Bundesrat hat eigene differenzierte Berechnungen angestellt, bei denen er auf Studien zurückgreifen konnte, die auf den heutigen Erfahrungen mit der Zulassung für EU- und Drittstaaten-Ausländer beruhen. Dabei ist unbestritten, dass der administrative Aufwand gegenüber der heutigen Rekrutierung von Arbeitskräften aus Staaten ausserhalb der EU gesenkt werden muss. Die bundesrätlichen Umsetzungsvorschläge, z.B. im Bereich des Inländervorrangs, gehen dann auch in diese Richtung. Der Bundesrat kommt auf belegte Kostenschätzungen im Bereich von 20 bis 100 Millionen Franken. Nicht eingerechnet sind dabei Einsparungen bei den flankierenden Massnahmen, welche einen massiven Regulierungsschub gebracht haben und die nun abgebaut werden können. Die Frage sei  - im Sinne eines Umkehrschlusses -  auch gestellt, wo all die Hundertschaften von Beamten geblieben sind, die nach der Abschaffung des Kontingent-Systems gegenüber der EU im Jahr 2007 überflüssig geworden sein sollen? Ausgeblendet werden schliesslich auch die Folgekosten der massiven Zuwanderung. 

So oder so: Der Arbeitgeberpräsident hat mit einem Schuss ins Blaue maximale Aufmerksamkeit erhalten. Ziel ist die Verunsicherung der Öffentlichkeit. Derzeit sind offensichtlich alle Mittel recht. Einen konstruktiven Beitrag zur möglichst raschen Umsetzung der Verfassung und zur Senkung der Zuwanderung hat er damit hingegen nicht geleistet.