Ebola - Das Pentagon kommt nach Afrika - Von Manlio Dinucci

Mit einem grossen Sinn für Kommunikation - oder mit vollendeter Scheinheiligkeit -

hat Präsident Obama seinen Plan zur Bekämpfung der Ebola-Seuche angekündigt. Das Unglück, das die Afrikaner trifft, ist für ihn allerdings lediglich ein Vorwand, um seine Truppen auf dem Kontinent zu entfalten. Angesichts der »beispiellosen Epidemie von Ebola, die sich in Westafrika exponentiell verbreitet«, wird die USA »auf Antrag der Regierung von Liberia« ein militärisches Kommandozentrum in Liberia einrichten. Hier gilt es einzufügen, dass jeder halbwegs informierte Leser an einer solchen Antragsstellung auf Anhieb seine Zweifel haben dürfte! 

Laut AFRICOM, das United States Africa Command, dessen Verantwortungsbereich den gesamten afrikanischen Kontinent mit Ausnahme Ägyptens umfasst, wird das neue Kommandozentrum das Hauptquartier der gemeinsamen Befehlszentrale bilden, General Darryl Williams, der sich in Liberia bereits vor Ort befindet, unterstehen, über mindestens 3000 US-Soldaten, eine Luftbrücke und einen Hub in Senegal verfügen und die Befehls- und Kontroll-Funktion für die internationale Anti-Ebola-Operation übernehmen. Laut Obama ist es »ein Beispiel, für das, was geschieht, wenn Amerika die Führung zur Bewältigung grosser globaler Herausforderungen übernimmt«. Er hat letztere in seiner Rede im Präventions- und Kontrollzentrum in Atlanta urbi et orbi aufgezählt, und gleichzeitig behauptet, dass nur Amerika »die Fähigkeit und den Willen habe, die Welt gegen die Terroristen des IS zu mobilisieren, die Welt gegen die russische Aggression aufzurufen, und die Ebola-Epidemie aufzuhalten und zu vernichten.« Warum auch nicht, halten wir hierzu fest: Derartiges kann er ohne weiteres vortragen, würde es doch keiner in Brüssel oder keine der EU-Regierungen wagen, ihm öffentlich zu widersprechen, selbst wenn er es unterlässt, zwei hauptsächliche Faktoren zu erwähnen, zum einen, dass es sein eigenes Land ist, das den IS mit Unterstützung der Saudis, Katar und der Türkei selbst geschaffen hat, zum anderen, dass es sich mitnichten um eine russische Aggression handelt, sondern nachweislich ausschliesslich um eine von der USA im Verbund mit dem Westen gegen Russland gerichtete. 

Selbst wenn die Möglichkeit einer Ebola-Verbreitung in den Vereinigten Staaten extrem gering sei, sagte Obama in seiner Rede ferner, hat sie in Westafrika den Tod von mehr als 2400 Männern, Frauen und Kindern verursacht. Ein sicherlich tragisches Ereignis, schreibt Dinucci, aber ein begrenztes, wenn man es mit der Tatsache vergleicht, dass Westafrika eine Bevölkerung von rund 350 Millionen Einwohnern hat und die ganze Sub-Sahara-Region fast 950 Millionen; und wenn man bedenkt, dass dort mehr als 1 Million Erwachsene und Kinder wegen AIDS sterben, die Malaria jedes Jahr mehr als 600.000 Todesfälle verursacht, vor allem bei Kindern, und die Diarrhoe in  Afrika südlich der Sahara und in Südasien jährlich ungefähr 600.000 Kinder unter 5 Jahren tötet. Dennoch hatten Hollande, Merkel, Renzi und Cameron das Virus am 14. Oktober bei einer Video-Konferenz abschliessend als den schlimmsten Gesundheitsnotfall der letzten Jahre bezeichnet. Es ist nun einmal so, merken wir an, dass Stellungnahmen der Obrigkeit keinerlei Einschränkungen unterliegen. 

Diese und einige andere Krankheiten, allesamt Armutskrankheiten, welche jedes Jahr im sub-saharischen Afrika Millionen an vorzeitigen Todesfällen und Behinderungen verursachen, dies infolge von Unter- und Mangelernährung, Mangel an Trinkwasser sowie schlechten hygienisch-gesundheitlichen Bedingungen, in denen die arme Bevölkerung lebt; letztere macht laut Angaben der Weltbank 70 % der Gesamtbevölkerung aus, wovon sich 49 % in extremer Armut befinden. Das Ebola-Virus war 1976 im nördlichen Zaire entdeckt worden; die Seuche tötete damals 280 Personen, bevor sie verschwand. Seit 1976 waren in Afrika 30 Ebola-Ausbrüche gemeldet worden, von denen jedoch keiner die Virulenz des Ausbruchs von 1976 erreichte. Die Sterblichkeitsrate der Krankheit beträgt ca. 20 %, springt jedoch auf 90 %, wenn der Patient keine Transfusionen bekommt, wie das im allgemeinen in Guinea, Liberia und Sierra Leone der Fall ist. Daher die wichtige Rolle der Ärzte ohne Grenzen resp. von Hilfen wie die Kubas.   

Die Kampagne von Obama gegen Ebola trägt Züge eines Vorwands  
Westafrika, wo das Pentagon unter der offiziellen Motivation, gegen Ebola zu kämpfen, seinen eigenen Sitz installiert, ist sehr reich an Rohstoffen: Erdöl in Nigeria und Benin, Diamanten in Sierra Leone und der Elfenbeinküste, Phosphat in Senegal und Togo, Kautschuk, Gold und Diamanten in Liberia, Gold und Diamanten in Guinea und Ghana, Bauxit in Guinea. Die fruchtbarsten Ländereien sind für die Monokultur von Kakao, Ananas, Erdnüssen und Baumwolle für den Export reserviert; die Elfenbeinküste ist der grösste Produzent der Welt von Kakao. Von der Nutzung dieser Ressourcen kommt fast nichts der Bevölkerung zugute, weil die Einnahmen zwischen Multis und den lokalen Eliten geteilt werden, die sich auch durch den Export von Edelhölzern bereichern, mit schwerwiegenden, zur Entwaldung führenden Folgen. Die Interessen der US-amerikanischen und europäischen Multis sind jedoch durch populäre Rebellionen gefährdet, wie z.B. im Niger-Delta, wo sie durch die ökologischen und sozialen Folgen der Ölausbeutung verursacht werden, aber auch durch die Konkurrenz aus China, deren Investitionen für die afrikanischen Länder wesentlich nützlicher und vorteilhafter sind. Um ihren eigenen Einfluss auf dem Kontinent zu bewahren, errichtete die USA AFRICOM, das unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe afrikanische Offiziere und lokale Spezialeinheiten mittels Hunderten von militärischen Aktivitäten rekrutiert und ausbildet. Ein wichtiger Stützpunkt für diese Operationen ist die Task Force des Marine Corps in Sigonella [Sizilien], die mit hybriden Ospreys-Flugzeugen ausgerüstet ist und abwechselnd Staffeln vor allem nach Westafrika sendet. Genau dorthin, wo die Obama-Kampagne gegen das Ebola-Virus beginnt.  [1] 

Inzwischen hat die USA auch die website Fighting Ebola, a Grand Challenge for Development, eingerichtet und mehr als 4000 Soldaten des AFRICOM nach Westafrika verlagert, »was«, wie Réseau Voltaire festhält, »zweifellos ihren politischen Interessen dienen, aber nur wenig Auswirkung auf die Krankheit selbst haben wird.«

Anmerkung politonline: 
Das vom Pentagon am 1. 10. 2008 geschaffene militärische AFRICOM-Kommando mit Sitz in Stuttgart ist von F. William Engdahl schon damals umfassend analysiert und in allen Details, die noch immer unverändert zutreffen, beschrieben worden.  [2]  Es konzentriert sich insbesondere auf die 53 Länder des afrikanischen Subkontinents und »ist ein deutliches Zeichen für Washingtons Sorge, die wirtschaftliche Kontrolle über die Rohstoffe des vergessenen Kontinents zu verlieren«. In dem zum selben Zeitpunkt veröffentlichten Dokument des Pentagons, Army Modernization Strategy, wird, wie Engdahl schreibt, vorsichtig ausgedrückt, die Umfassung des gesamten Universums, und nicht nur der ganzen Welt, zum strategischen Ziel der US-Armee erklärt. Es ist höchst bedeutsam, dass die Strategen dieses Dokuments davon ausgehen, dass die USA in den nächsten »30 bis 40 Jahren« an ständigen Kriegen zur Kontrolle der Rohstoffe beteiligt sein wird. Wie in dem Pentagon-Dokument erklärt wird, »droht der USA eine mögliche Rückkehr traditioneller Sicherheitsgefährdungen durch neu auftretende, fast ebenbürtige Mächte, und zwar jetzt, wo wir im weltweiten Wettstreit um knapper werdende Rohstoffe und Überseemärkte stehen.« Die einzigen »neu auftretenden, fast ebenbürtigen Mächte« auf der Welt sind heute China und Russland. China sucht, so Engdahl ferner, derzeit überall auf der Welt nach sicheren Quellen für Öl, Metalle und andere Rohstoffe, um seine Wachstumsziele erfüllen zu können. »Aber auch Russland spielt, wie ich in meinem Buch Apocalypse Now dargelegt habe, eine strategische Rolle, nämlich als Lieferant grosser Mengen wichtiger Ressourcen, von Öl und Gas bis hin zu praktisch allen Metallen und Rohstoffen, die für hochentwickelte Industrieländer wichtig sind. Russland spielt neben Südafrika und anderen Staaten des südlichen Afrikas in dieser Hinsicht eine Schlüsselrolle, weil es über diese strategische Rohstoffe, die nicht unter der Kontrolle der USA stehen, verfügt; dies ist zweifellos ein wichtiger Faktor hinter der von Washington seit 1991 verfolgten militärischen Konfrontationspolitik zur Einkreisung Russlands unter Einsatz der NATO.« Und diese setzt sich gegenwärtig für alle sichtbar fort. Die Einrichtung des AFRICOM-Kommandos in Stuttgart hatte den damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten und späteren OSZE-Vizepräsidenten Willy Wimmer zu scharfen Protesten veranlasst: Das Hauptquartier müsse »von deutschem Boden verschwinden.« Erfolglos.

Im Lauf des letzten Jahrhunderts hat die USA wie sonst keine Weltmacht zuvor die Erde mit einem Netz von Militärstützpunkten umspannt; heute gibt es mehr als 702 militärische Anlagen in 132 Ländern, darunter auch Militärbasen in Zentralasien; was Europa betrifft, so dürfte die US-Militärbasis Incirlik in der Türkei wohl die bekannteste sein. Ende April traf Obama bei seinem Asienbesuch vom 22. bis 29. 4. mit den Philippinen eine Vereinbarung, gemäss der dort etliche US-Militärstützpunkte aufzubauen sind, was sich natürlich gegen China richtet. Damit die Verfassung der Philippinen, die eine Stationierung ausländischer Truppen im Land untersagt, umgangen werden kann, werden diese ganz einfach als Gasteinrichtungen bezeichnet, was unmittelbar die Assoziation zu Bestechung und Korruption erzeugt. Fast jeder einzelne von der USA geführte Krieg hat neue Militärbasen hinterlassen.  

Mitte Juni 2012 hatte die USA Berichten zufolge ihre geheimen Luftwaffenstützpunkte in Afrika bereits verstärkt. Wie es hiess, würden die Basen in Burkina Faso und in Mauretanien für die Überwachung der Aktivitäten der Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) benutzt. Ein Bericht der Washington Post vom 13. 6. 12 hielt fest, dass für die Spionageflüge über dem afrikanischen Kontinent nicht gekennzeichnete, in der Schweiz hergestellte einmotorige Turboprop-Maschinen des Typs Pilatus PC-12 benutzt würden. Die Flugzeuge seien mit hochmodernen Sensoren ausgestattet und könnten Tausende von Kilometern zwischen den Stützpunkten und den Landebahnen in der Wildnis zurücklegen.  [3]  Strategisch besonders wichtig ist ferner das Atoll Diego Garcia im Indischen Ozean, vor allem mit Blick auf den Iran; das 27 Quadratkilometer grosse Atoll bildet einen der wichtigsten US-Militärbasen ausserhalb Nordamerikas. 

Was die afrikanische Elite angeht, so war, wie dies German Foreign Policy Mitte September darlegte, an der Präsidentin Liberias, Ellen Johnson Sirleaf, scharfe Kritik laut geworden; sie sei schlichtweg unfähig und gehe angesichts des wachsenden Unmuts über ihre Amtsführung nun zu Repressalien gegen kritische Journalisten und Medien über, hiess es. Das Urteil trifft auch den Westen, da Washington und Berlin die ehemalige Weltbank-Mitarbeiterin, die in Harvard studiert hat, systematisch unterstützt haben; von 1992 bis 1997 leitete sie das Regionalbüro der UN- Entwicklungsorganisation UNDP für Afrika. Im Westen wurde sie nach ihrer Amtseinführung als Präsidentin im Januar 2006 mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht. In den nächsten Jahren folgte sie einem prowestlich-neoliberalen Kurs, öffnete ausländischen Konzernen den Zugriff auf die reichen Rohstoffe des Landes, und wurde dabei vom Westen, insbesondere von der traditionell eng mit Liberia verbundenen USA, zuverlässig gestützt. Dass ihr nur wenige Tage vor den Präsidentenwahlen 2011 werbewirksam der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde, rief zwar empörte Proteste der Opposition hervor, sicherte ihr aber letztlich eine zweite Amtsperiode. Noch im Juni dieses Jahres konnte Johnson Sirleaf, die zuweilen Eiserne Lady Afrikas genannt wird, ihren zahlreichen Ehrungen in westlichen Ländern eine weitere hinzufügen: Sie erhielt den Weltwirtschaftlichen Preis des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel. Gravierende Korruptionsvorwürfe sind im Westen stets ignoriert worden, zumal die liberianische Präsidentin sich für Rohstoffinteressen der Industriestaaten immer offen gab. Berlin hatte ihr noch vor wenigen Jahren entschiedenen Reformwillen bescheinigt.  [4] 

Die von der USA gegen Russland gerichteten Strategien sind sowohl in der USA selbst wie auch bei uns in Europa längst Gegenstand zahlreicher Publikationen. Allein, ob Brüssel oder die Mehrheit der EU-Regierungen, sie alle spielen ergebenst mit, auch wenn sie dadurch ihre eigenen Länder gefährden. An was liegt es also, oder wodurch sind sie gehindert, eine gemeinsame Front zu bilden, um gegen diese Geopolitik aufzustehen?

Erpressbarkeit oder Machtsucht?

 

[1]  Quelle: Il Manifesto, 20. 10. 14   
Die von Réseau Voltaire aus dem Italienischen ins Deutsche übertragene Fassung ist auf 
http://www.voltairenet.org/article185704.html
  veröffentlicht worden 
Ebola, das Pentagon kommt nach Afrika  -  von Manlio Dinucci;  24. 10. 14

[2]  http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1066  31. 10. 08  
USA errichten AFRICOM, Pentagon plant Strategie für Rohstoffkriege - Von F. William Engdahl

[3]  http://www.jungewelt.de/2012/06-15/036.php  15. 6. 12

[4]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58953   19. 9. 14