Die Verdummung - auch in der UNO - Von Doris Auerbach

Bekanntlich hat Saudi-Arabien, das am 17. Oktober als eines von zehn nichtständigen Mitgliedern

neu in den Sicherheitsrat gewählt worden war, darauf verzichtet, seinen Sitz einzunehmen. Welch ungeheure Hypokrisie der Begründung für diese Reaktion zugrunde liegt, ergibt sich aus einem Rückblick auf die Rolle, die die mit Washington eng zuammenarbeitenden Saudis von Anfang an im Syrienkonflikt gespielt haben. 

Vorausgeschickt sei, dass Syrien sehr wohl wusste, dass sich die USA seit 2001 auf den Angriff auf das Land vorbereitete. 2009 hatte dann die CIA die für Syrien bestimmten Propaganda-Werkzeuge ausgearbeitet, in deren Gefolge der Westen die Freie Syrische Armee FSA als eine revolutionäre Armee darstellte. In Wirklichkeit handelt es sich, was sich unsere Politiker inzwischen hoffentlich bewusst gemacht haben, um konterrevolutionäre Kräfte, um einen Verbund aus Söldnern, ausländischen Kämpfern und religiösen Extremisten, die von ausländischen Interessen bewaffnet und finanziert werden, um in Syrien für Chaos zu sorgen. Diese terroristischen Stellvertreterkrieger wurden bereits 2007 von der USA und Saudi-Arabien rekrutiert, um insbesondere in Syrien einen Regimewechsel herbeizuführen und das Land in einen westlichen Klientelstaat zu verwandeln.   Diese Gruppen, die nicht aus den Protesten vom Februar 2011 stammen, verteidigen nicht etwa die Demokratie: sie bekämpfen sie. Wie auch der syrische Aussenminister Walid Al-Mu’allem erklärt hat, geht die Gewalt in Syrien von der USA aus: 60 % der Gewalt werde vom Ausland gesteuert, vor allem von Saudi-Arabien, Katar und der Türkei. Diese Auffassung vertritt auch Peter-Scholl Latour, dem zufolge Umsturz und angestrebter Fall des Regimes nicht von innen her erfolgen, sondern systematisch von aussen betrieben werden. Auch er sieht Saudi-Arabien, Katar, die Türkei und natürlich die USA hinter den Aufständischen, die Europäer, die ebenfalls kräftig mitmischen, nicht zu vergessen.  

Was die Ausstattung der regimefeindlichen syrischen Milizen mit Waffen angeht, so ist es kein Geheimnis, dass diese durch die Saudis, Katar und die Türkei bewerkstelligt wird. Zu den Waffen, die Saudi-Arabien und Katar seit Monaten finanzieren, gehören laut einem Bericht vom Februar dieses Jahres auch Panzerfäuste und Schnellfeuergewehre. Anfang August 2012 hielt Michel Chossudovsky fest, dass die USA und die NATO die Rekrutierung von ausländischen, in Saudi-Arabien, in Katar und in der Türkei ausgebildeten Kämpfern beschleunigten. Neben der Einschleusung eigener Spezialtruppen zählen dazu auch geheime Operationen von Sondereinheiten der reaktionären Golfmonarchien, insbesondere aus Saudi-Arabien und Katar. Zum gleichen Zeitpunkt stellte die USA den syrischen Rebellen im Kampf gegen die Regierung von Baschar al-Assad 25 Millionen $ zur Verfügung.  

Am 16. 8. 12 schreibt Werner Pirker von der Jungen Welt: »Es ist es mittlerweile kein Geheimnis mehr, daß Mister President die CIA höchstpersönlich dazu ermächtigt hat, den »regime change« von Damaskus in ihre bewährten Hände zu nehmen. Längst ist bekannt, daß die Despoten am Golf die Aufrüstung der Anti-Assad-Kräfte übernommen haben, wobei die Türkei das Training und die CIA die Waffenlieferungen koordiniert.« Im türkischen Adana, nahe der syrischen Grenze, wurde ein Kommandozentrum eingerichtet, wo türkische Regierungsbeamte, Offiziere der Söldnertruppen und Gesandte aus Saudi-Arabien und Katar unter der konspirativen Betreuung durch die CIA die Führung des »syrischen Volksaufstandes« übernommen haben. Am 14. 11. 2012 berichtet Kurt Nimmo, dass der britischen Zeitung Daily Starzufolge von Saudi-Arabien und Katar finanzierte Terroristen von Al-Kaida sowie Mitglieder der FSA für Mordanschläge ausgebildet werden: »Spezialeinheiten des britischen Special Air Service [SAS] und des Special Boat Service [SBS] sowie Soldaten des Aufklärungsspezialregiments hielten sich in Syrien auf, um die Aufständischen in der Anwendung neuer Waffen und Explosivstoffe zu unterweisen und Todeskommandos der Rebellen für Anschläge auf Präsident Assad und dessen führende Militärs auszubilden.« Wie Nimmo ferner ausführt, »lassen sich Saudi-Arabien und Katar die Unterstützung der Bemühungen, al-Assad zu stürzen und zu ermorden, einige Zigmillionen Dollar kosten. Über die Türkei und eine im Verborgenen agierende Gruppe, die als eine Art Kommandozentrum von Istanbul aus operiert, wird die Verteilung der wichtigen Rüstungsgüter, die angeblich von Saudi-Arabien und Katar bereitgestellt werden, organisiert und mit Hilfe türkischer Geheimdienstkreise an die Grenze zu Syrien und dann zu den Rebellen transportiert.« Die ›Freie Syrische Armee‹, die in erster Linie der Türkei unterstellt ist und deren Hauptquartier in der Air Base der NATO von Incirlik installiert ist, fasst die Mehrheit der Kämpfer zusammen, einschliesslich der al-Kaida Brigaden. 80 % ihrer Einheiten erkennen den in Saudi-Arabien stationierten Takfiristen Scheich Adnan al-Arur als ihren geistlichen Anführer an. Die von Saudi-Arabien und Katar finanzierte, auch als Terrorgruppe bezeichnete al-Nusra, ein Ableger der sunnitischen Organisation Islamischer Staat im Irak, kommt vom Islamismus her; sie bekämpft die religiöse Vielfalt Syriens und steht für die Einführung von Scharia-Gerichten. 

Zu diesen Fakten treten die ebenfalls längst offenliegenden geostrategischen Aspekte hinzu. 2009 hatte Assad, um die Interessen seines langjährigen Verbündeten Russland zu schützen, die Unterzeichnung eines Abkommens mit Katar zum Bau einer Überland-Pipeline von Katar über Syrien nach Europa abgelehnt. Katar verfügt über eines der grössten Erdgasvorkommmen der Erde, das es zu Geld zu machen gedenkt und die Planung einer Pipeline von Katar durch Saudi-Arabien und Syrien zur Türkei, um das Erdgas nach Europa zu überführen, hatte seit Jahren bestanden. »Als Assad im März 2011 mit dem Iran und dem Irak ein Abkommen über eine alternative Pipeline unterzeichnete«, schreibt F. William Engdahl, »begannen der Westen und besonders Saudi-Arabien, Milliarden von Dollars in die Aufrüstung von Söldnertruppen zu stecken, darunter in die Al-Kaida-Dschihadisten, die nach Syrien geschickt wurden, um das Land ins Chaos zu stürzen und Assad abzusetzen.« Der Bau wichtiger Öl- und Gaspipelines, die Saudi-Arabien und Katar mit dem östlichen Mittelmeerraum und der Türkei verbinden und deshalb partiell durch syrisches Gebiet führen sollen, ist natürlich auch ein Ziel des Westens. Syrien, eine der ältesten Zivilisationen der Welt, soll zerstört werden, »weil es sich den westlichen Interessen nicht beugen will, weil es eigene nationale Interessen verfolgt und weil es die 1978 geknüpfte Allianz mit dem Iran nicht aufgibt«. Die USA und Europa, heisst es, seien entschlossen, die Regierung von Assad zu vernichten, dafür nähmen sie, wie schon im Irak, die Zerstörung von Land und Gesellschaft billigend in Kauf.   

Die syrische Opposition ist in sich vielfach gespalten. Erst jüngst sind Teile der FSA zu den mit Al-Kaida verbundenen Kräften übergelaufen. Indessen sind, wie berichtet wird, andere Fraktionen zur Teilnahme an Gesprächen und zu Diskussionen mit der Regierung Assad bereit. Robert Fisk vom britischen Independent hält in einem seiner Artikel fest, dass eine Delegation der FSA in Damaskus war, um Geheimverhandlungen über eine ausschliesslich syrische Lösung für den Konflikt zu führen, d.h. eine Lösung ohne die Dschihadisten, von denen die meisten Ausländer sind. In dieser Lage schlug ein am 4. 10. im Internet publizierter Bericht der Voice of Russia wie ein Blitz ein. In diesem wurde ein Sabotageteam der Saudis für den Giftgasangriff am 21. 8. in Al Ghouta verantwortlich gemacht. Die Attacke sei von der Gruppe Liwa Al-Islam, die ebenfalls eine Schöpfung der Saudis ist, unterstützt worden. Die neuen Beweise und Aussagen russischer, syrischer und weiterer Quellen, darunter auch von Mitgliedern der syrischen Opposition, liegen inzwischen den Regierungen in der ganzen Welt vor. Ein hochrangiger UNO-Beamte, Berichte von Journalisten und einer christlichen Hilfsaktion sehen hinter der Giftgaslieferung den saudischen Geheimdienst.

»Die USA, Israel, Saudi-Arabien und Katar«, schrieb Peter Wolter in der Jungen Welt schon im August letzten Jahres, »spielen mit dem Feuer; die Achse dieser Verbrecherstaaten ist eine Bedrohung für den Weltfrieden. Krieg wollen nur diejenigen, die davon profitieren: Öl-, Finanz- und Rüstungsindustrie sowie die von ihnen ausgehaltenen Politiker und Militärs. Die friedliebende Mehrheit der Menschen muß erst davon überzeugt werden, wie bösartig und heimtückisch der potentielle Gegner unsere freiheitlich-westlichen Werte bedroht.« »Die Aufspaltungen unter den Arabern«, so Paul Craig Roberts, »machen die Araber für Einmischungen und Beherrschung durch den Westen anfällig. Die Aufspaltung zwischen Sunniten und Schiiten macht es für ein arabisches Land unmöglich, einem anderen zu Hilfe zu kommen. ….. Weder Lawrence von Arabien noch Nasser, noch Gaddafi hatten Erfolg mit ihren Versuchen, ein arabisches Bewusstsein zu schaffen.«  

Nun ist keiner der angeführten Fakten wirklich neu. Angesichts all dieser Saudi-Arabien schwer belastenden Vorgängen bietet also der Golfstaat ein einmaliges Spektakel, indem er den ihm   zugedachen Sitz im UNO-Sicherheitsrat ablehnt, dies unter der geradezu als absurd zu wertenden Begründung, dass es der internationalen Staatengemeinschaft noch immer nicht gelungen ist, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden.Die Kritik Saudi-Arabiens richtet sich vor allem gegen die Unfähigkeit des UNO-Sicherheitsrats, eine Beendigung des syrischen Bürgerkriegs zu erreichen. Es ist unbeschreiblich, mit welcher Dreistigkeit hier die Tatsachen verdreht werden: Ist doch das Vorgehen und die Politik der im Sicherheitsrat permanent einsitzenden USA als engstem Verbündeten der Saudis und Katars eher der Garant dafür, dass sich der Krieg noch lange hinziehen kann. Ferner war bislang nicht festzustellen, dass die anti-syrische Kriegsallianz aus USA, EU, Türkei und Arabischer Liga, die sich wie zum Hohn Freunde Syriens nennt, effektive Anstrengungen unternimmt, um auf eine friedliche Lösung des Konflikts zuzusteuern. Im übrigen ist dies nicht die erste von Saudi-Arabien an den UNO- Sicherheitsrat gerichtete, für meine Begriffe gleicherweise abstruse Kritik. Ende September 2012 hatten die Saudis, zusammen mit der Türkei, folgendes Argument vorgebracht: Die Untätigkeit des Gremiums angesichts des Syrienkonflikts habe dem Assad-Regime grünes Licht dafür gegeben, das eigene Volk anzugreifen, so der saudi-arabische Vize-Aussenminister Abdulasis bin Abdullah vor der Vollversammlung in New York, während Ahmet Davutoglu erklärte, die Blockade in dem UN-Gremium spiele Despoten in die Hände. Leider hat es den Anschein, als würden derartige, den eigentlichen Tatbestand verfälschende Aussagen von den UNO-Mitgliedern mühelos geschluckt. Nicht überraschen sollte ferner der Umstand, dass Frankreich für die Frustration über die Lähmung des Sicherheitsrats Verständnis äusserte, hatte Frankreich doch bereits Ende Mai letzten Jahres vehement einen Militäreinsatz ins Spiel gebracht, der glücklicherweise von Russland abgelehnt wurde. 

Nicht eine der Stimmen, die sich mit der humanitären Lage der Flüchtlinge befassen und uns ununterbrochen dazu auffordern, grössere Kontingente aufzunehmen, bringt es über sich, die Ursache der Katastrophe zu erwähnen resp. die wahren Urheber anzuklagen; das Wort Krieg findet sich in keinem einzigen statement. Wie üblich ergehen Ermahnungen lediglich an uns. Antonio Guterres vom UNHCR verlangt von der Internationalen Gemeinschaft, also von den Steuerzahlern dieses Globus, tiefgreifendere Massnahmen zwecks Beteiligung an den Kosten für die Unterbringung der, wie er sagt, nicht endenwollenden syrischen Flüchtlingsströme. Der bereits erwähnte Ahmet Davutoglu, ausgerechnet Aussenminister des Landes, das direkt in den Aufstand involviert ist, klagt eifrig mit: Die Internationale Gemeinschaft sei ihren Verpflichtungen bezüglich der humanitären Krise nicht wie erforderlich nachgekommen. Und, noch unglaublicher: Sie habe es verfehlt, eine ausreichende humanitäre Reaktion zu zeitigen, um dieser sinnlosen Gewalt ein Ende zu bereiten.

Wer wollte sich da nicht verhöhnt fühlen! Zumal wir in diesem Inferno auch nicht ein Wörtchen mitzureden haben.

 

[1]  www.jungewelt.de/2012/08-08/026.php   Der Tag danach  -  Karin Leukefeld  
[1]  Strategic Alert Jahrgang 26 Nr. 41 vom 9. Oktober 2013   

Siehe auch  
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2144    21. 7. 13 
Blair trommelt für Krieg

http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2111   12. 5. 13 
Sind die unprovozierten aggressiven Akte Israels gegen Syrien der Auftakt zu einem grösseren Krieg?

http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2032  12. 11. 12 
Notiz zu Syrien                                   

http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1994   2. 9. 12 
Syrien – Die
»programmierte« Zertrümmerung  -   Von Doris Auerbach

http://www.voltairenet.org/Wer-kampft-in-Syrien  26. 7. 12 
Wer kämpft in Syrien?  -  von Thierry Meyssan

http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1965   17. 6. 12 
Syrien steht im Zentrum des Kriegs um Erdgas  -  Von Imad Fawzi Shueibi

http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1963   10. 6. 12  
Die Destabilisierung Syriens  -  gezielt

http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1938    23. 4. 12  
Syrien  - Unverändert nach Planung

http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1875   22. 1. 12  
Syrien - Fakten versus Meldungen