Die OECD - immer mit im Spiel 23.06.2013 21:01
d.a. Ob Arbeitsmarkt, Sozialsysteme, Entwicklungshilfe, Spardiktate oder Wahlen, es gibt
effektiv kaum
ein Gebiet, auf dem sich die OECD, die Organisation
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, nicht nachhaltig
bemerkbar macht. Die diesen Mai an die Europäische Zentralbank ergangene Weisung
dieses Gremiums besagt, dass erstere ihrem Generalsekretär Angel Gurría zufolge eine ›zu passive Rolle‹
spiele und daher die Gelddruckmaschine noch schneller laufen lassen sollte. [1]
Im Februar dieses Jahres war der
stellvertretende Generalsekretär Yves Leterme sogar der Meinung, Deutschland »ziehe
einer Studie der OECD zufolge deutlich weniger Einwanderer an als andere
europäische Länder.« Offenbar hatte er sich nur ungenügend mit den
Gegebenheiten vertraut gemacht, denn ein Grund hierfür dürfte darin liegen,
dass der normal verdienende Arbeitnehmer in Deutschland unter höheren Abzügen
von seinem Gehalt leidet als dies in fast jedem anderen Industrieland der Fall
ist; nur in Belgien greift der Staat noch stärker zu. Im übrigen war es die
OECD, die Mitte 2011 festhielt, dass seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr
2007 mehr als 13 Millionen Arbeitsplätze in den Industrieländern vernichtet wurden,
was direkt zum Faktor Arbeitslosigkeit überleitet, die allein schon einer
undifferenzierten Forderung nach mehr Einwanderern
krass entgegensteht. Ende 2012 hatte die OECD selbst das Wirtschaftswachstum
für Deutschland entgegen den Prognosen deutlich herabgesetzt; zugleich wurde
mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit gerechnet; wo wäre also hier die
Notwendigkeit zusätzlicher Einwanderer gegeben? Zwar sei das deutsche
Zuwanderungssystem eines der offensten im OECD-Raum, fährt Leterme fort, werde
aber im Ausland immer noch als restriktiv wahrgenommen. Danach trifft die Rüge
auch gleich die deutschen Unternehmen, die mit der Anwerbung von Ausländern
noch zu zurückhaltend seien. Nur etwa jede fünfte Firma wolle demnach
ausländische Fachkräfte einstellen. Damit nicht genug, es folgt eine als
diktatorisch zu betrachtende Anweisung »Diese Grundeinstellung muß sich
ändern«. Es ergeht somit eine Vorschrift, die nach nichts fragt:
weder nach der Bevölkerung, ob sie einer steigenden Einwanderung zugeneigt ist,
noch nach der Grundsituation, ob die Firmen überhaupt einer steigende Anzahl
von Angestellten bedürfen, was im verneinten Fall auch weitere Zuwanderer
ausschliesst. Die Aufforderung an
Deutschland, dass es die Einwanderung stärken muss, war von Seiten Gurrías allerdings schon einmal, im März
2010, gestellt worden. Die Armutseinwanderung, unter die BRD
insbesondere leidet, ist für Leterme natürlich kein Thema. Schätzungsweise dürfte die Zahl der Roma,
die von Südosteuropa nach Deutschland gekommen sind, um die 200.000 Personen
betragen, von denen jede den
Steuerzahler mindestens 12.000 Euro im Jahr kostet.
Im März hatte die OECD verlangt, in Sachen Euro aufs
Ganze zu gehen und für die Eurozone den Worten von Gurria zufolge ›die Mutter aller Brandmauern‹ in Form von 1 Billion Euro gefordert, damit sich
diese gegen die Schuldenkrise wappne, also doppelt soviel wie das bislang für den dauerhaften Rettungsschirm
ESM geplante Kreditvolumen. Woher das Geld kommen soll, blieb, keineswegs
überraschend - man möchte fast sagen, bequemerweise - offen, wächst doch die Verschuldung der
EU-Staaten rasant. Allein
die 17 Länder der Eurozone steigerten ihre Schuldenlast 2012 um 375 Milliarden
€, so dass sich der Schuldenberg in der Eurozone Ende 2012 auf rund 8,6
Billionen Euro summierte. EU-weit sind es sogar 11 Billionen €, etwa 576
Milliarden € mehr als ein Jahr zuvor.
Man
erinnere sich: Bei der Zusammenstellung der 60 intransparentesten Finanzplätze
der Welt, die die NGO ›Tax Justice Network‹ am 2. 11. 2009 veröffentlichte, führte Delaware die Rangliste an,
London schaffte es auf Platz fünf. Nun waren aber zuvor weder die USA noch
Grossbritannien im Zusammenhang mit Steueroasen offiziell genannt worden – wohl
weil die beiden Länder in den massgebenden Gremien OECD und G-20 einen grossen
Einfluss ausüben; denn die drei die offshore centres erfassenden Listen, die schwarze,
graue und weisse, waren von niemand anderem als von der OECD erstellt worden, und
auf der weissen figurierte Grossbritannien und die USA. Daher bezeichnet Jean-Claude Paye diese
Listen als willkürlich, als ›Werkzeuge
des Wirtschaftskriegs‹.
[2] Selbstredend ist auch die
Entwicklungshilfe ein Thema für die OECD; die Ministerkonferenz der OECD war im
Mai 2005 mit einem Bekenntnis zur Globalisierung zu Ende gegangen; es wurde
nicht nur auf die Aufgabe der Industrieländer hingewiesen wurde, letztere umfassend
und nachhaltig zu gestalten, es erging auch das erneute Versprechen der OECD-Länder,
ihre Entwicklungshilfe auszubauen. Bei derartigen Gelöbnissen spielt der Fakt,
dass von letzterer Milliarden in korrupten Taschen versickert sind - was die Schulden der Geberländer über die
Jahre hinweg alles andere als dezimierte -
und noch immer versickert, dies ganz speziell in Afrika.
So hiess es denn auch in einer
Leserzuschrift an die ›Neue Zürcher Zeitung‹ vom 3. Juni: »Afrika
bleibt ein Clan-Geschäft.
Was die politische Klasse und die
Entwicklungshilfeindustrie in Europa und in der Schweiz gerne verschweigen: Die
Bevölkerungen der Länder südlich der Sahara sind ärmer, kränker, hungriger,
ungebildeter, und der Gewalt mehr ausgesetzt als je zuvor. Die Bevölkerungen,
wohl verstanden, nicht aber die Machthaber und ihre Hofschranzen, die sich in einer
Art und Weise an den sogenannten Entwicklungsgeldern und der Plünderung der
Ressourcen bereichern, dass einem die Worte fehlen.«
»Was ist das Empire?« Dies eine Frage in der ›jungen
Welt‹ Ende 2004: »Das sind die US-Regierung,
die internationalen Institutionen, die G-7-Staaten, Weltbank, IWF, WTO, OECD,
NATO, die zusammen mit den Finanzakteuren der Wall Street und den
multinationalen Konzernen die weltweiten Prozesse der sogenannten
Liberalisierung und Privatisierung steuern.«
Wie Funktionäre von
internationalen Organisationen nach Macht streben Dies der
Titel des nachfolgenden Aufsatzes von Beat Kappeler:
Die OECD
mahnt, der Europarat kritisiert, die Weltbank verlangt. Sind das also
hoheitliche Erlasse? Überhaupt
nicht, sondern hier schreiten auf hohen Stelzen und im Hermelinmantel der Macht
lediglich die Funktionäre solcher internationaler Organisationen einher. Aber
sie mischen sich immer lauter in alle möglichen nationalen Belange ein. Die
Schweiz ist wieder einmal Zielscheibe; dieses Mal kritisiert eine Untergruppe
des Europarats, dass die Parteienfinanzierung nicht geregelt sei. Wo in aller
Welt betrifft dies ein zwischenstaatliches Problem, wo soll dies andere Länder
stören? Schwacher Trost, dass die anderen Länder ebenfalls unter die
Communiqué-Walze dieses Komitees geraten, schwacher Trost zudem, dass auch
andere Organisationen sich oft massiv in innerstaatliche Fragen einmischen.
So war die
OECD als Diskussions- und Studienforum der Industrieländer gegründet worden, aber
allein im Mai 2013 hat der Generalsekretär die neue italienische Regierung zu
Reformen ermahnt, etwa 10 Länder gerügt, deren Entwicklungshilfe sank, und
Südkorea befohlen, seine Arbeitslosen stärker zu unterstützen. Es fand keine
Ministerkonferenz der Staaten der OECD statt, welche mit halbwegs
demokratischer Legitimation solche Einmischungen diskutiert hätten. Rein
rechtlich gesehen hätten selbst die Minister dazu nichts zu sagen gehabt. Von
der Sache her stehen die erwähnten Handlungsfelder in der nationalen Kompetenz.
Soeben platzte nun China als Opfer der Weltbank in die Öffentlichkeit. Die
Weltbank - eher ihre nirgendwo
demokratisch gewählten Funktionäre -
erstellen jährlich eine Rangliste der Wirtschaftsfreundlichkeit der
Mitgliedsländer. Hier sticht die Schweiz zwar immer schmeichelhaft obenaus,
China hingegen fasste wegen seiner nicht dem westlichen Standard entsprechenden
Regeln für Firmengründungen, Währung, Arbeitsmarkt [im «Doing Business»-Report]
Prügel. Doch auch der Weltdachverband der Gewerkschaften tobt, weil jede
Schutzmassnahme im Arbeitsmarkt den Daumen der Weltbank-Sekretäre nach unten
dreht. Tatsächlich verstossen manche Schutzregeln sogar gegen die Interessen
der Arbeitenden. Aber sollen angestellte Funktionäre einer zwischenstaatlichen
Organisation den Mitgliedsregierungen auf diese Weise dreinreden, sollen sie
solche Regeln von der Mongolei über die Schweiz, Frankreich bis zu Ecuador über
den gleichen Leisten schlagen? Das sei Ranglisten aus der Zivilgesellschaft
vorbehalten, dem World Economic Forum, dem Wettbewerbsreport des IMD oder
Transparency International.
Das
Fachwort aber für die selbsternannten, ausgreifenden zwischenstaatlichen
Unionen heisst ›mission creep‹. Auch der Internationale Währungsfonds IWF masst
sich dies an. Seit den Rettungspaketen des Euros stützt er einzelstaatliche
Budgets innerhalb eines Währungsgebiets, nicht die Währung an sich, wozu er
gegründet wurde. So beteiligt er sich nun sogar am Paket für Zypern, einer
kleinen Insel innerhalb des Euro-Raums von insgesamt 331 Millionen Einwohnern.
Die Schweiz zahlt mit, das Parlament beschloss wieder Milliarden für den IWF.
Doch nie hat der IWF für eine Inselprovinz Indonesiens bezahlt, auch ein
Währungsraum von 240 Millionen. In Zypern war der Währungsfonds sogar für die
Amputation der kleinen Bankeinlagen. Den Gipfel solch aufgeblasener
Organisationen zeigen die Fotos der Gipfeltreffen – auf den Schlussbildern der
G-20 lächeln die Funktionäre der OECD, des Währungsfonds, der Weltbank neben
den souverän gewählten Präsidenten. Es gilt, offen einzuschreiten, gerade auch
von Seiten der Schweiz als Land ohne abhängig machende Hilfspakete, sondern als
souveränes, zahlendes Mitglied. Man muss Einmischungen in nationale Belange
zurückweisen und sie in einem offiziellen Brief aus den Verträgen ausnehmen –
in Strassburg, in der OECD, im Währungsfonds. Wir hören da noch wenig aus
Bundesbern. Richten wir den Scheinwerfer am Ende noch selbstkritisch auf das
Wuchern nicht gewählter Organisationen in der Schweiz selbst. Dazu gehören die
Konferenzen der kantonalen Erziehungsdirektoren, der Finanzdirektoren. Sie
erlassen nun schon Schulreformen und Steuerdekrete und haben Funktionärsstäbe
dazu aufgebaut. Oder zeigen wir einmal mehr die Verordnung des Bundesrates vor,
welche Stiftungsräte von Greenpeace oder der Konsumenten mit Rekursrechten
bekleiden, obwohl sie keine Mitglieder haben und nie gewählt wurden. Der
Hermelinmantel solch vermeintlicher Macht muss ihnen entwunden werden. [3]
[1] http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2122 2. 6. 13 Wie die Banken die Politik regieren [2] http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1250 20. 6. 09 Die
G-20-Staaten und die Hierarchisierung des internationalen Kapitals - Von
Jean-Claude Paye Siehe auch
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=972 5. 7. 08 Zum Thema offshore centres, Steuerbegünstigung und
Steuerhinterziehung [3] Quelle gekürzt: http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1503 Zeit-Fragen Nr.20/21 vom 11.6.2013
Aus der NZZ am Sonntag vom 12.5.2013
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