Deutscher Regierungsberater gibt dem Euro noch 5 Jahre

Mit der unverfrorenen Konfiszierung des Geldes der Einleger in zypriotischen Banken

haben die Regierungen der Eurozone eine rote Linie überschritten, was ernste Sorgen selbst bei denen aufkommen lässt, die dem Euro bisher die Treue hielten. Bezeichnend für diese Veränderung sind Äusserungen, die Prof. Dr. Kai Konrad, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, am 21. April gegenüber der Welt am Sonntag machte. Die  Ausrichtung auf eine Sparpolitik durch die EU und die deutsche Regierung, so Konrad, werde die Wirtschaftslage verschlechtern und gleichzeitig die Staatsverschuldung erhöhen, ohne den Euro stabiler zu machen. Jedenfalls habe das Eurosystem keine Zukunft: »Europa ist mir wichtig. Der  Euro nicht. Und dem Euro gebe ich mittelfristig nur eine begrenzte Überlebenschance.« Auf die Frage, ob fünf Jahre eine mittelfristige Lebenserwartung sind, antwortete Konrad: »Konkrete Zeiträume zu benennen, ist schwierig, das hängt von vielen Faktoren ab. Aber fünf Jahre klingt realistisch.« Konrad liess die Frage offen, ob Deutschland zu seiner nationalen Währung  zurückkehren sollte.  [1] 

Deutsche und französische Nationalökonomen, schreibt Dr. Bruno Bandulet, Mitglied der deutsch-französischen Arbeitsgruppe zur Reform des Währungssystems in Europa, fordern die Auflösung der Währungsunion. Am 9. 4. hatte Bernd Lucke, Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg und Vorsitzender der Partei ›Alternative für Deutschland‹ [AfD], für Aufsehen in der französischen Presse gesorgt: Führende deutsche und französische Euro-Gegner hatten sich zum dritten Mal getroffen: Dieses Mal in Paris, um über die europäische Währungskrise zu beraten und um Alternativen zum gescheiterten Euro-Experiment auszuarbeiten. In der gemeinsamen Abschlusserklärung wurde den europäischen Eliten vorgeworfen, dass sie sich ihrer Verantwortung für das reale Europa feige entzögen und das Zerstörungswerk des Euros fortsetzten. Jeder Tag, an dem nicht gehandelt werde, mache die Lösung der Krise schwieriger und teurer. Gefordert wurde, keine Kredite mehr zur Rettung des Euros zu gewähren und ein neues europäisches Währungssystem zu errichten, das auf Realwirtschaft, flexiblen Wechselkursen und nationalen Währungen aufbaut. Übereinstimmung wurde auch darüber erzielt, dass nach der Wiedereinführung nationaler Währungen der Euro als Rechnungseinheit bzw. als Parallelwährung bestehen bleiben soll und dass das schwierige Problem der Altschulden gelöst werden muss. »Die Gründung des Euros war ein schwerer Irrtum. Der Fehler kann nicht dadurch behoben werden, dass man eine neue und künstliche Wirtschaftsordnung schafft, sondern nur dadurch, dass man das System beseitigt«, so das deutsch-französische Kommuniqué. In seinem Vortrag nannte der Ökonom Wilhelm Nölling, der früher dem Zentralbankrat der Bundesbank angehörte, den Euro das grösste Unglück der Währungsgeschichte. Die Euro-Krise bestehe nicht erst seit 2007, sondern seit den 90er Jahren, als es den späteren Euro-Mitgliedern schon vor Einführung der Einheitswährung nicht gelungen sei, die versprochene Konvergenz ihrer Volkswirtschaften zu erreichen. »Das Euro-Abenteuer wird zu Ende gehen, entweder kontrolliert, oder in einer Katastrophe«, so der langjährige Hamburger SPD-Senator. Nölling fungierte in Paris als Sprecher jener deutschen Euro-Gegner, deren dritte Verfassungsbeschwerde im vergangenen Jahr von Karlsruhe lediglich im Eilverfahren behandelt wurde; das Urteil in der Hauptsache steht noch aus. Es wird wohl, wie der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider vermutete, bis nach der Bundestagswahl im September hinausgezögert werden. Schachtschneider erinnerte an die erste, 1992 von Manfred Brunner eingereichte Verfassungsklage gegen den Maastricht-Vertrag. Damals habe das Verfassungsgericht geurteilt, dass Deutschland nur einer Stabilitätsgemeinschaft angehören dürfe und andernfalls berechtigt sei, als ultima ratio die Währungsunion wieder zu  verlassen. Joachim Starbatty befasste sich mit der verheerenden Bilanz von zwei Jahren Euro-Rettung. In Südeuropa würden massenweise Arbeitsplätze vernichtet, die Verschuldung steige weiter, Griechenland stehe im sechsten Jahr der Rezession: »Das Hauptproblem, nämlich die fehlende Wettbewerbsfähigkeit, ist nicht gelöst, die europäische Peripherie muss abwerten können.« Ein Thema, dem sich die französischen Referenten besonders widmeten, war die prekäre wirtschaftliche Lage in Frankreich und der Schaden, den der Euro angerichtet hat. Als der Maastricht-Vertrag 1991 ausgehandelt wurde, so der Ökonom Jean-Luc Gréau, belief sich die französische Staatsschuld auf nur 35 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Jetzt bewege sie sich in Richtung 100 %. »Frankreich läuft den Defiziten hinterher, wir bekommen sie nicht in den Griff.« Und die Kredite an Südeuropa müssten hinzuaddiert werden. »Frankreich benötigt 10 bis 15 Jahre, um aus der Sackgasse zu kommen«, so Gréau; »Frankreich braucht Sauerstoff und den Umbau des Währungssystems.« 

Bleibt die Frage, wie sich die Rückkehr zu nationalen Währungen und damit zu realistischen Wechselkursen [als Alternative zur Transferunion] auf die Euro-Volkswirtschaften auswirken würde. Dazu konnte das im März gegründete Institut Pomone [Pour une Organisation Monétaire Nouvelle en Europe] eine Reihe von Berechnungen vorlegen. Mit dem Institut, das die Pariser Konferenz organisierte hat, haben sich die führenden französischen Euro-Gegner eine wissenschaftliche Plattform geschaffen, Persönlichkeiten wie Jean-Pierre Gérard, Gérard Lafay, Roland Hureaux, Michel Robatel und Alain Cotta. Bestritten wurde von den französischen Referenten keineswegs, dass jede Abwertung Inflationsrisiken birgt und einen Verlust an Kaufkraft mit sich bringt. Dafür verbessert sich die Handelsbilanz, die Wirtschaft wächst wieder, die Arbeitslosigkeit sinkt. Eines der ökonometrischen Modelle, die in Paris präsentiert wurden, unterstellt eine Abwertung der gesamten Euro-Zone gegenüber dem US-Dollar um 16 % und Abwertungen innerhalb der Zone, die bei Griechenland mit 45 % am stärksten ausfiele.   Deutschland hingegen würde mit einem Plus von 16 % für die Neue D-Mark am deutlichsten aufwerten. Als Resultat gäbe es in Südeuropa innerhalb von 18 Monaten einen Wachstumsschub, der in Griechenland mit einem Anstieg des BIP um 16,3 % am höchsten ausfiele. In Deutschland hingegen würde die Wirtschaft stagnieren oder sogar um 2,8 % schrumpfen, falls die Neuordnung der Euro-Zone nicht von einer Abwertung zum Dollar begleitet würde. Die Demontage der fast kommunistischen Währung [Wilhelm Hankel] wäre machbar und keine Katastrophe – und würde vor allem Südeuropa aus der Sackgasse führen. Und den deutschen Steuerzahlern blieben die enormen Kosten einer dauerhaften Transferunion erspart. »Dass die Währungsunion in Wahrheit auch für Frankreich mehr Nachteile als Vorteile bringt«, hält Bandulet fest, »dämmert aber immer mehr Ökonomen der Grande Nation.« 

Die holländische Krankheit 
Wie es aussieht, schreibt F. William Engdahl, ist das gesamte Konstrukt der Euro-Zone vulnerabel. Der nächste Dominostein, der nach Ansicht vieler Insider und Quellen in niederländischen Bank- und Immobilienkreisen fallen könnte, ist das sparsame Nachbarland Holland. Die Wirtschaft der Niederlande kollabiert, Häuser stehen leer, die Menschen können sich keine neuen Autos mehr leisten, viele Städte und Kommunen stehen finanziell am Abgrund. Paradoxerweise sind die niederländischen Banken von der gleichen Immobilienblase betroffen wie die USA und Spanien vor mehr als zehn Jahren. Kredite wurden vergeben, die den Wert der Häuser weit überstiegen, Häuser wurden an Kunden verkauft, die sich diese nicht leisten konnten und über keinerlei Sicherheiten verfügten. Das holländische Immobilien-Kasino funktionierte wunderbar, bis der Bankrott des Investmenthauses Lehman Bros. im September 2008 diese Art der Kreditvergabe weltweit zum Einsturz brachte. Seit 2008 sind die Häuserpreise in Holland um durchschnittlich 18 % gesunken, viele Besitzer schulden ihrer Bank mehr, als ihr Haus zur Zeit wert ist. Die Banker nennen diesen Zustand unter Wasser sein. Bis 2012 taten die Banken so, als würden die Hypotheken für Immobilien bedient, die Kunden zahlten die Mindestzinsen, das Trugbild eines gesunden Bankensystems wurde aufrechterhalten. Dann trat die neue Regierung unter dem konservativ-liberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte ihr Amt an und begann umgehend, bisher bestehende Steuerschlupflöcher zu stopfen. Seit Januar sind diese Massnahmen nun spürbar. Banken und Hausbesitzer müssen sich der Realität stellen – und die ist nicht gerade schön. Niederländische Banken haben insgesamt rund 650 Milliarden Euro an Hypothekenkrediten in ihren Büchern. Die Verschuldung der Privathaushalte liegt bei 250 % des verfügbaren Einkommens. Zum Vergleich: In Spanien beträgt sie lediglich 125 %. Der langsame Einbruch der Immobilienblase in Holland droht jetzt die gesamte Wirtschaft und die Banken mit ins Verderben zu reissen. Die Arbeitslosigkeit steigt, der Konsum sinkt, das Wachstum ist zum Stillstand gekommen. Trotz harter Sparmassnahmen wird die Regierung in diesem Jahr gegen das Defizitkriterium der EU verstossen, gemäss dem eine Neuverschuldung in Höhe von mehr als 3 % des BIP untersagt sind. Die Wirtschaft der Niederlande verzeichnet einen weiteren Rückgang, die Arbeitslosigkeit ist mit offiziell 8,1 % so hoch wie seit den 1980er Jahren nicht mehr.

Es ist geradezu paradox, dass der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem nicht nur gleichzeitig der neue Chef der Euro-Gruppe, sondern jetzt auch Chef der EU-Aufsicht ist, die vor einigen Wochen 60 % der unversicherten Bankguthaben bei zyprischen Banken beschlagnahmte und vermutlich weiteren törichten Euro-Ländern strikte Sparmassnahmen verordnen wird. Sein eigenes Haushaltsdefizit gerät ausser Kontrolle, das Maastrichter Schuldenlimit von 3 % wird überschritten. Um diese Peinlichkeit zu verhindern, hat er bereits Schäuble-Brüningsche Methoden der Haushaltskürzung angewendet, die die Krise genauso wie in Griechenland eher noch verschlimmern werden. Schon jetzt hat er 46 Milliarden Euro aus dem Haushalt gestrichen, doch da das nicht ausreicht, debattiert das Parlament bereits für 2014 über weitere Kürzungen in Höhe von 4,3 Milliarden Euro bei öffentlichen Dienstleistungen und in der Gesundheitsfürsorge. Zwei Jahre strikter Sparpolitik haben die Wirtschaftskrise nur verschärft. Im Februar gab es die grösste Zahl von Unternehmensbankrotten seit 1981. Dijsselbloem wird wohl schon bald sein eigenes Land als nächsten Krisenkandidaten für einen Euro-Land-Bailout beaufsichtigen. Es gibt keinen Zweifel: Der Euro ist der falsche Weg zur wirtschaftlichen Gesundheit der EU und ihrer Mitgliedsländer.

 

[1]  Strategic Alert Jahrgang 26, Nr. 18 vom 1. Mai 2013  
[2]  Quelle:  auszugsweise 
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/f-william-engdahl/der-naechste-krisenkandidat-in-euro-land-die-niederlande.html  25. 4. 13 Der nächste Krisenkandidat in Euro-Land ..… die Niederlande  -  Von F. William Engdahl