US-Sicherheitskreise bemühen sich um Kriegsvermeidung

Hochrangigen US-Nachrichtendienstexperten zufolge unternimmt ein Netzwerk von

erfahrenen aktiven und pensionierten Militärs, Geheimdienstoffizieren und Diplomaten der USA koordinierte Anstrengungen, um das schwer geschädigte Verhältnis zwischen Washington und Moskau zu reparieren. Zu den Hauptstreitpunkten gehört die Regimewechsel-Politik der Regierung Obama in Libyen und Syrien, ferner der Aufbau der NATO-Raketenabwehr, die Rußlands strategisches Kernwaffenarsenal gefährdet, sowie die kaum verhüllte Unterstützung der USA für internationale Narko-Terror-Organisationen, die Rußland und die Länder der ehemaligen Sowjetunion mit Heroin überschwemmen und dort Terroranschläge verüben. 

Die kommende Reise des US-Generalstabschefs General Martin Dempsey nach Moskau bietet eine entscheidende Chance für eine Einigung der beiden führenden Atommächte der Welt auf eine gemeinsame Strategie zur Kriegsvermeidung. Dempsey gehört zu den Militärführern der beiden Nationen, die die Gefahren in der gegenwärtigen strategischen Machtprobe am besten verstehen. Tatsächlich hat sich die Gefahr des Abrutschens in einen großen Krieg an mehreren Fronten verschärft, u.a. in Syrien, Nordkorea und im Iran. Die Lage in Syrien ist zwei Jahre nach Beginn des von außen finanzierten Feldzugs zum Sturz der Regierung Assad noch immer ein Patt.  Beim EU-Gipfel am 14. / 15. März hatten der französische Präsident Hollande und der britische Premier Cameron auf eine Beendigung des Waffenembargos, das eine direkte Bewaffnung der Opposition untersagt, gedrungen, die Entscheidung war jedoch auf Grund des heftigen Widerstands von Deutschland und Österreich verschoben worden. Auch das Treffen der EU-Außenminister in Dublin am 22. März endete bezüglich Syrien eine Einigung, obgleich das EU-Embargo gegen Syrien Ende Mai ausläuft. Erleichterung bedeutet die Aussage des schwedischen Außenministers Carl Bildt, der sagte, daß es im Kreis der Außenminister wenig Begeisterung für die Idee gegeben habe, einen Konflikt mit Waffen zu schüren.  

In der USA hat Außenminister Kerry angekündigt, den syrischen Rebellen 60 Mio. € an   nichttödlicher Hilfe zu gewähren. Das völlige Versagen der westlichen Politik zeigt sich darin, daß diese Hilfe säkularen Fraktionen der Opposition, die von den von Saudi-Arabien finanzierten radikalen Dschihadisten verdrängt werden, zugute kommen soll. Europa und die USA versuchen immer noch, die syrische Opposition unter ihre Kontrolle zu bringen, ohne in Konflikt mit den Saudis und anderen Golfstaaten zu geraten, die hinter den radikalen Islamisten stehen, die den Westen meistens genauso hassen wie Assads Alawiten-Regime. Am 16. 3. meldete die  Los Angeles Times, CIA-Analysten erstellten schon Listen von sich unter den Rebellen in Syrien befindenden Terroristen, die irgendwann mit US-Drohnen getötet werden könnten. Die Regierung Obama weitet auch ihre Militäraktivitäten im Asien-Pazifik-Raum aus, angeblich als Reaktion auf Nordkoreas Raketen und Kernwaffentests und die Drohung des Landes mit Angriffen auf die USA, dies als Vergeltung für neue Sanktionen des UN-Sicherheitsrats. US-Regierungsexperten geben offen zu, daß sie den gegenwärtigen Zustand der nordkoreanischen Führung nicht klar einschätzen können. In Bezug auf den Iran wiederholte der Chef der US-Nachrichtendienste, General James Clapper, am 12. März die Einschätzung, daß der Iran trotz seiner Fortschritte bei der Urananreicherung noch keine Arbeit an einer Atombombe begonnen hat.

Das gesamte strategische Bild ist von regionalen Kriegen, Instabilitäten und Provokationen geprägt, so daß die Schwelle zum Weltkrieg leicht überschritten werden könnte, und genau das will die eingangs beschriebene Fraktion verhindern. Am 15. 3. kündigte Chuck Hagel, der neue US-Verteidigungsminister, an, daß die USA auf die geplante vierte Stufe ihrer Raketenabwehr in Europa verzichte, weil die Technologie zu fehlerhaft ist. Da Moskau seit langem den Verzicht auf diese Stationierung fordert, bietet sich vielleicht eine Chance auf eine Einigung, wenn General Dempsey im Mai nach Moskau reist. 

10 Jahre Chaos und Zerstörung durch die Anglo-Amerikaner im Irak  
Zehn Jahre nach der Irak-Invasion, durch die Hunderttausende Iraker starben, eine der modernsten Volkswirtschaften und Gesellschaften in Südwestasien zerrüttet wurde und eine Ära religiös-ethnischer Kriege in der ganzen Region eingeläutet wurde, laufen die beiden Kriegsverbrecher Tony Blair [der Anstifter des Krieges im Dienste des Empire] und George W. BUSH, der damalige US-Präsident, noch immer frei herum. Während G.W. Bush wenigstens in die verdiente Bedeutungslosigkeit herabgesunken ist, reist Blair immer noch durch die Welt und schürt neue Kriege, die in einem Weltenbrand enden könnten.

Die medizinische Fachzeitschrift The Lancet berichtete 2006 über Folgen des Krieges: Allein zwischen März 2003 und Juni 2006 gab es durch den Krieg 601.027 gewaltsame Todesfälle; insgesamt forderte der Krieg 654.965 Tote - über die ansonsten zu erwartende Sterblichkeit    hinaus. Schuld an den Todesfällen waren Gewalteinwirkung, schlechtere Gesundheits- und Ernährungsverhältnisse sowie der wegen der jahrelangen Zerstörung durch die anglo-amerikanischen Bombardierungen und rücksichtslose Wirtschaftssanktionen eingetretene Mangel an Infrastruktur und anderer lebenswichtiger Versorgung. In den folgenden Jahren starben zusätzlich Zehntausende an religiös-konfessionell motivierten Gewalttaten. Der Irak ist heute als Nation gespaltener als jemals zuvor in seiner modernen Geschichte. Die Kurden haben einen eigenen Semi-Staat im Norden, relativ ruhig, mit einer Immobilien-Preisblase, aber immer noch mit einem dramatischen Strom- und Wassermangel. Die Araber im zentralen und südlichen Teil des Landes, mehrheitlich Schiiten, haben regionale Strukturen aufgebaut, sie regieren sich hauptsächlich über religiöse Autoritäten und ethnische und einfache soziale Normen. Die westlichen Provinzen Anbar, Salahuddin und Mosul sind rebellisch, weil dort Sunniten vorherrschen und sie durch von Saudi-Arabien gestützte extremistische, teils militante Salafisten unterwandert werden. Die Provinzen drohen mit Abspaltung, Einrichtung einer autonomen Region oder Sabotage aller politischen Beschlüsse der von Schiiten und Kurden geprägten Zentralregierung. Sie werfen der Regierung von Ministerpräsident Nouri Al-Maliki vor, ein verlängerter Arm der Islamischen Republik Iran zu sein.

Der Einfluß des Irans hat zwar in vielen Teilen des Iraks zugenommen, sollte aber auch nicht überschätzt werden. In dem nach der von der USA angeordneten Auflösung moderner Staatsinstitutionen, insbesondere Streitkräfte und Polizei eingetretenen Machtvakuum konnten sich allerlei Mächte und Terrorgruppen im Irak einmischen und zu organischen Bestandteilen der Gesellschaft werden. In der Hauptstadt Bagdad, die seit ihrer Gründung im Jahr 767 traditionell ein Schmelztiegel von Zivilisationen, Kulturen und Religionen war, fordern ethnische Säuberungen ihre Opfer; die Stadt trennt sich nun in schiitische und sunnitische Wohngebiete, mit einer kleinen Enklave für Christen. Zehntausende irakischer Christen sind aus dem Land geflohen oder wurden Flüchtlinge im eigenen Land, weil sie von Terroristen verfolgt werden. Seit 2004 strömen von den Saudis gestützte Gruppen aus dem Al-Kaida-Umfeld ins Land und überziehen die Bevölkerung mit Schrecken. Sie wenden sich gegen schiitische Gruppen, aber auch gegen Sunniten, die mit der Regierung oder, ironischerweise, mit den US-Besatzern kooperiert haben.

Die Politik der Regimewechsel wird in der ganzen Region, erst in Libyen und jetzt in Syrien, mit Hilfe dieser terroristischen Kräfte, die heute die direkte Unterstützung Londons und Washingtons genießen, fortgesetzt. Das einzige, was die irakische Regierung und das chaotische politische System zusammenhält, ist das Geld aus dem Ölexport, dem einzigen noch funktionierenden Wirtschaftszweig. Die irakische Ölförderung ist von früher 2,7 auf 3,4 Mio. Barrel täglich gestiegen und soll 2013 mit Hilfe ausländischer Firmen weiter auf 3,7 Mio. steigen. Aber die Infrastruktur im Land ist fast völlig unbrauchbar. Obwohl seit dem Sturz von Saddam Husseins Regime fast 10 Jahre vergangen sind, ist die Stromversorgung nicht wieder hergestellt, es existiert kaum eine Landwirtschaft, und die Wasserversorgung und Kanalisation sind dermaßen zerstört, daß eine Reparatur unmöglich ist und alles neu gebaut werden müßte. Im Januar und Februar wurden Bagdad und große Gebiete am Tigris und Euphrat nach ungewöhnlich starken Regenfällen überflutet. Was früher für das sehr trockene Land ein Segen gewesen wäre, wurde jetzt zum Fluch. Die größte Gefahr liegt jetzt in dem religiös-konfessionellen Krieg, den die Briten und die Amerikaner schüren, um die Regierungen in Syrien und im Iran zu stürzen. Wenn er nicht aufgehalten wird, werden nicht nur der Irak, sondern die meisten Länder in dieser und benachbarten Regionen vom Krieg verheert werden.

Quelle: Strategic Alert Jahrgang 26,  Nr. 12 vom 20. März 2013