Widmer-Schlumpfs Techtelmechtel mit Barroso - Verrat an der Demokratie ? Von Dr. iur. Marianne Wüthrich 27.01.2013 15:36
Die Schweiz ist ein freier, souveräner Staat. Unsere Vorfahren haben 1291 einen Bund
geschlossen,
sie taten sich auf genossenschaftlicher Basis als Schutz-und-Trutz-Gemeinschaft
gleichwertiger Bürger zusammen und befreiten sich von Vögten und fremden
Richtern. Diesen Bund haben sie im Laufe der Jahrhunderte mit allen Kräften
verteidigt und erweitert, und wenn die Solidargemeinschaft auch vielen inneren
Spannungen und äusseren Angriffen ausgesetzt war, verloren die Eidgenossen doch nie die
gemeinsame Sache aus den Augen. Mit ihrem unerschütterlichen Willen zur Erhaltung ihres
Bundes konnten die Schweizer ihre Unabhängigkeit auch nach der schlimmen Zeit
der französischen Besetzung zur Zeit der Helvetik wieder erlangen und
schliesslich den damals wie heute einzigartigen Bundesstaat von 1848 gründen.
Unseren Urgrosseltern, Grosseltern und Eltern gelang es im 20. Jahrhundert mit
unermüdlicher Schaffenskraft und unerschütterlichem Widerstandswillen, unser
Land durch die existenzbedrohende und
entbehrungsreiche Zeit der beiden Weltkriege hinüberzuretten.
Unser Staatsmodell – eine
Kostbarkeit All diese
Schweizerinnen und Schweizer vor uns haben uns, den Nachkriegsgenerationen, ein
kostbares Erbe hinterlassen: ein Staatsmodell, «schöner nützt di nüt», ein
kleinräumiges Gefüge von 26 souveränen Kantonen, die unterschiedlicher nicht
sein könnten: Stadt-, Land- und Bergkantone, Kantone verschiedener Sprachen und
Kulturen, mit etwa 3000 autonomen Gemeinden, ein wirtschaftlich blühendes Land
mit einem geordneten Staatshaushalt auf allen drei Staatsebenen, dank des
direktdemokratischen Kontrollrechts und der vielen Milizen, die für ein paar
Franken ihre Verantwortung im Gemeinwesen wahrnehmen.
Und da
erlaubt es sich eine Politikerkaste -
eine fünfte Kolonne - seit 20 Jahren,
unsere freie souveräne und wohlgeordnete Schweiz demontieren zu wollen; da
erfrecht sich eine ›Elite‹, unser ganzes materielles und
ideelles Erbe einer Meute von gierigen EU-Bürokraten zum Frass vorzuwerfen, einer Meute, die sich aus dem von
ihr selbst angezettelten politischen und wirtschaftlichen Bankrott
herauszuziehen versucht, indem sie sich ein Land, das mit ihrem Scheitern nicht
das Geringste zu tun hat, einverleiben und finanziell aussaugen will. Nicht mit
uns, dem Schweizervolk! Wir wissen, was wir zu verlieren haben! Wir leisten
Widerstand wie unsere Eltern und Grosseltern.
Beschämend in Haltung
und Inhalt Am 15.
Juni 2012 schrieb die gewesene Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf an den
EU-Kommissionspräsidenten Barroso einen Brief, den die Bundesverwaltung mit
gutem Grund monatelang unter Verschluss hielt – so beschämend waren
Haltung und Inhalt. Wie kommt die Dame dazu, sich bei den Herren Barroso und
Konsorten derart anzubiedern, dass sie ihnen in vorauseilendem Gehorsam unseren
Rechtsstaat verkauft, ohne uns zu fragen? Was erlaubt sich die Dame, die durch
einen wahren Putsch zu ihrem Sitz im Bundesrat gekommen ist, der EU die
Übernahme des gesamten Acquis, nicht nur für die Zukunft, sondern auch gleich
für die Vergangenheit, zu ›versprechen‹, wohl wissend, dass sie ein solches
Versprechen gar nicht einhalten kann. Denn in der Schweiz hat noch immer das
Volk das Sagen. Wie geht sie mit einem der Pfeiler unseres Staatsfundamentes um
- ›keine fremden Richter‹ - wenn sie ankündigt, die ›Auslegung des Gerichtshofs der EU‹ zu übernehmen, und untertänig darum
bittet, dass die Schweiz beim EuGH ›Schriftsätze
einreichen oder schriftliche Erklärungen abgeben‹ darf? Das dicke Ende: Die ›Dienerin
des Volkes‹ bietet der EU auch noch
weitere Milliarden an Kohäsionszahlungen aus unseren Steuerkassen an, als ob
wir die mangelnde Kohäsion bzw. das drohende Auseinanderfallen der EU verbockt hätten.
Der Bundesrat hat die Interessen der Schweiz und ihrer Bevölkerung zu
vertreten. ›Verpflichtungen‹ hat er allein unserem Land und
unserer humanitären Tradition gegenüber, der EU oder anderen Grossmächten ist
er zu nichts verpflichtet, ausser zur Einhaltung der ausgehandelten Verträge.
Diese Pflicht muss allerdings gegenseitig sein. Wenn ein Vertragspartner sich
um seine vertraglichen Pflichten foutiert, ist nicht einzusehen, warum wir uns
auf den Kopf stellen sollen, um uns selbst in den Rachen des Löwen zu stürzen.
Noch einmal: Nicht mit uns, dem Schweizervolk! Wir
wissen, was wir zu verteidigen haben! Wir leisten Widerstand wie unsere Eltern
und Grosseltern. Wir fordern unsere Volksrechte ein. Das Unterschriftensammeln
sind wir uns gewöhnt: bringen wir den Willen des Souveräns ein! [1]
Wem die Macht in den
Kopf steigt …… thk. Am
21. Dezember 2012 antwortet der Präsident der EU-Kommission, Manuel Barroso,
auf das devote Schreiben von Eveline Widmer-Schlumpf. Es ist ein Brief, der nicht
an den Gesamtbundesrat gerichtet ist, der in der Schweiz als Kollektivbehörde
die Geschäfte führt, sondern persönlich an die Bundespräsidentin. Der Inhalt
des Schreibens ist das Resultat von Widmer-Schlumpfs demokratiewidrigen
Angeboten, die sie in ihrem Schreiben vom 15. Juni 2012 Barroso angetragen hat.
In Verkennung und Ignoranz gegenüber der schweizerischen politischen Realität
verlangt Barroso eine Unterordnung der Schweiz unter die EU-Gesetzgebung;
vorher werde nichts mehr verhandelt. Er spricht von Homogenität, was nicht
anderes heisst als Gleichschaltung aller Staaten in der EU sowie derjenigen,
die mit der EU Abkommen treffen wollen. Dabei redet er ständig vom Binnenmarkt,
womit hier den EU-Markt gemeint ist. Das Lösen der ›institutionellen Frage‹
bedeutet nichts anderes als die Übernahme des EU-Rechts durch die Schweiz. Diesen
Weg wird die Schweiz niemals gehen.
Hier
treffen Feuer und Wasser aufeinander. Das Schweizer Rechtssystem ist ein durch
und durch demokratisches. Keine Gesetzesänderung kann vollzogen werden, wenn
nicht die Mehrheit des Volkes und je nach Form des Referendums auch die
Mehrheit der Stände ihre Zustimmung gibt. Entweder durch ein zustimmendes
Referendum, wenn es ergriffen wird, oder durch stillschweigende Zustimmung, wenn kein
Referendum ergriffen wird. In welchem EU-Land gibt es das? Das unsägliche
Schuldendebakel innerhalb der EU muss in sich selber saniert werden. Die
Ökonomen werden ja längst durchgerechnet haben, wie ein Staatsbankrott
durchzuführen ist. Es werden auch längst Pläne bestehen, wie Schulden eines
EU-Ausmasses ›auf den Boden der
Realität heruntergeholt werden‹. Wir
sollten uns der Worte Bundesrats Oprechts erinnern, der 1940 gegenüber Hitler-Deutschland
trefflich sagte: »Wir gehen nicht wallfahrten!« Wer im Amt als Bundesrätin die
Würde und die Rechte des Landes nicht respektiert, tritt zurück. Oder wird ins
Glied zurückgeholt. [2]
Antwort von Barroso
an Widmer-Schlumpf
Sehr
geehrte Frau Präsidentin, bezugnehmend
auf mein Schreiben vom 7. Juli möchte ich Sie hiermit nach eingehenden
Diskussionen innerhalb der Kommission und Gesprächen mit dem Rat der
Europäischen Union sowie dem Europäischen Parlament über die Position der
Europäischen Union zu der in Ihrem Schreiben vom 15. Juni 2012 vorgeschlagenen
institutionellen Lösung informieren. Ich beziehe mich dabei auf die
Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union vom 20. Dezember über die
Beziehungen zu den EFTA-Staaten. Die Europäische Union anerkennt die
Bemühungen, welche die Schweizer Regierung durch die Unterbreitung ihrer
Vorschläge unternommen hat. Wir schätzen insbesondere, dass sich die EU und die
Schweiz darüber einig sind, dass in dem Binnenmarkt, an dem die Schweiz
teilnimmt bzw. teilnehmen möchte, das zentrale Prinzip der Homogenität gelten
muss. Ihre Vorschläge, die sich in erster Linie auf ein künftiges Stromabkommen
beziehen, wurden speziell auf die Umsetzbarkeit dieses Prinzips bei Unternehmen
und Bürgern hin geprüft. Wie Sie wissen, ist es für die EU sehr wichtig, dass
zuerst die institutionellen Fragen in bezug auf existierende und zukünftige
Verträge zum Binnenmarkt durch ein horizontales Rahmenabkommen, das Homogenität
und Rechtssicherheit für unsere
Beziehung gewährleistet, geklärt sind. Wie in den Schlussfolgerungen des Rates
dargelegt, ist die Europäische Union der Ansicht, dass dieses horizontale
Rahmenabkommen rechtsverbindliche Mechanismen für die Anpassung der Verträge an
das sich entwickelnde Binnenmarktrecht vorsieht.
Ich nehme
zur Kenntnis, dass die Anpassung von Verträgen zwischen der EU und der Schweiz
laut Ihrem Vorschlag nicht unbedingt automatisch, sondern dynamisch erfolgen
und Ausnahmen ermöglichen sollte. Solche Ausnahmen sind für die EU in bezug auf
die Gewährleistung eines einheitlichen Rechts problematisch, was sich unserer Meinung
nach auch nicht durch entsprechende Ausgleichsmassnahmen kompensieren lässt. Ich
freue mich, dass Sie sich in Ihrem Brief bereit erklären, die Verpflichtung zur
Berücksichtigung der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union in die
Verträge zwischen der EU und der Schweiz zu übernehmen. Allerdings sehen Ihre
Vorschläge auch vor, dass sich nur Schweizer Organe mit möglichen Verstössen
seitens der nationalen Behörden gegen die Regeln in den Verträgen befassen. Wie
Sie wissen, ist ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes davon
abhängig, dass ausserhalb der beteiligten Staaten unabhängige
Kontrollmechanismen existieren. Für die EU wäre es daher notwendig, dass die
Abkommen mit der Schweiz auch internationale Mechanismen zur Überwachung und gerichtlichen
Kontrolle vorsehen, wodurch ein Niveau an Rechtssicherheit und Unabhängigkeit
gewährleistet würde, das den im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraums
geschaffenen Mechanismen entspricht.
Ich möchte
betonen, dass die Europäische Union bereit ist, ihre wichtigen Beziehungen zur
Schweiz zu vertiefen, auch was den Binnenmarkt und die oben erwähnten
Grundsätze angeht. Ich freue mich insbesondere darauf, den Dialog darüber
weiterzuführen, wie diese Grundsätze in unseren Verträgen mit Ihrem Land berücksichtigt
werden könnten. Zu diesem Zweck hat bereits ein Treffen zwischen Staatssekretär
Rossier und unserem Auswärtigen Dienst stattgefunden. Ich bin mir durchaus der
Herausforderungen bewusst, welche die Anpassung der bilateralen Verträge an die
Anforderungen eines über mehrere Länder hinweg funktionierenden Marktes
erfordert. Vor allem aber bin ich überzeugt, dass eine Klärung der
institutionellen Fragen unsere Beziehung stärken und festigen wird und für
unsere Wirtschaftsakteure und Bürger bedeutende Vorteile bietet. Ich begrüsse den jüngst getroffenen Beschluss über
die Beteiligung der Schweiz am Euratom-Forschungsrahmenprogramm 2012/2013. Des
weiteren hoffe ich, dass die EU bald ihre internen Verfahren hinsichtlich der
Unterzeichnung und Verabschiedung eines Kooperationsabkommens über
Satellitennavigationsprogramme abschliessen kann, und lade Sie ein, Ihrerseits
das Notwendige zu veranlassen, um dieses Abkommen zu einem raschen Abschluss zu
bringen. Ich anerkenne zudem die Fortschritte bei den unter der Leitung der
Arbeitsgruppe zum Verhaltenskodex stattfindenden Gespräche um den schädlichen
Steuerwettbewerb. Ich hoffe, dass diesbezüglich in den nächsten sechs Monaten
weitere konkrete Fortschritte erzielt werden können.
Wie Sie
wissen, ist der Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union für den 1. Juli 2013
vorgesehen. Ich freue mich schon jetzt auf die Erweiterung unserer Verträge im
Hinblick auf dieses neue Mitglied der Europäischen Union. In diesem
Zusammenhang möchte die Kommission Verhandlungen über den finanziellen Beitrag
der Schweiz für Kroatien aufnehmen. Darüber hinaus möchte ich Ihnen mitteilen,
dass der Rat die Kommission in seinen Schlussfolgerungen ebenfalls dazu
aufgerufen hat, Sondierungsgespräche für einen erneuten Erweiterungsbeitrag der
Schweiz in die Wege zu leiten, da die Periode für die finanzielle Unterstützung
im Juni dieses Jahres abgelaufen ist.
Die EU misst der Fortsetzung dieser grosszügigen Solidarität eine hohe
Bedeutung bei. Sie ist unserer Meinung nach ein wesentlicher Bestandteil
unserer sehr intensiven Beziehungen mit der Schweiz und der Teilnahme dieses
Landes an einem erweiterten europäischen Markt. Die Kommission ist sehr daran
interessiert, Gespräche zu diesen beiden Themen so bald wie möglich
aufzunehmen. Ich hoffe, dass diese Punkte auch im Rahmen des Treffens zwischen
unseren Vertretern am 29. Januar angesprochen werden können.
Ich
wünsche Ihnen bei dieser Gelegenheit frohe Festtage und ein erfolgreiches Jahr
2013.
Mit
vorzüglicher Hochachtung. José Manuel Barroso
- Brüssel, 21. Dezember 2012 [2]
[1] Quelle:
http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1292 Zeit-Fragen 2013 Nr.4 vom 21.1.2013
[2] http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1295Zeit-Fragen 2013 Nr.4 vom 21.1.2013
Antwort von Barroso
an Widmer-Schlumpf
[3] Quelle: www.europa.admin.ch
Übersetzung des Briefes im Auftrag der Auns, Originaltext französisch;
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