Widmer-Schlumpfs Techtelmechtel mit Barroso - Verrat an der Demokratie ? Von Dr. iur. Marianne Wüthrich

Die Schweiz ist ein freier, souveräner Staat. Unsere Vorfahren haben 1291 einen Bund

geschlossen, sie taten sich auf genossenschaftlicher Basis als Schutz-und-Trutz-Gemeinschaft gleichwertiger Bürger zusammen und befreiten sich von Vögten und fremden Richtern. Diesen Bund haben sie im Laufe der Jahrhunderte mit allen Kräften verteidigt und erweitert, und wenn die Solidargemeinschaft auch vielen inneren Spannungen und äusseren Angriffen ausgesetzt war, verloren die Eidgenossen doch nie die gemeinsame Sache aus den Augen. Mit ihrem unerschütterlichen Willen zur Erhaltung ihres Bundes konnten die Schweizer ihre Unabhängigkeit auch nach der schlimmen Zeit der französischen Besetzung zur Zeit der Helvetik wieder erlangen und schliesslich den damals wie heute einzigartigen Bundesstaat von 1848 gründen. Unseren Urgrosseltern, Grosseltern und Eltern gelang es im 20. Jahrhundert mit unermüdlicher Schaffenskraft und unerschütterlichem Widerstandswillen, unser Land durch die existenzbedrohende und entbehrungsreiche Zeit der beiden Weltkriege hinüberzuretten. 

Unser Staatsmodell eine Kostbarkeit  
All diese Schweizerinnen und Schweizer vor uns haben uns, den Nachkriegsgenerationen, ein kostbares Erbe hinterlassen: ein Staatsmodell, «schöner nützt di nüt», ein kleinräumiges Gefüge von 26 souveränen Kantonen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Stadt-, Land- und Bergkantone, Kantone verschiedener Sprachen und Kulturen, mit etwa 3000 autonomen Gemeinden, ein wirtschaftlich blühendes Land mit einem geordneten Staatshaushalt auf allen drei Staatsebenen, dank des direktdemokratischen Kontrollrechts und der vielen Milizen, die für ein paar Franken ihre Verantwortung im Gemeinwesen wahrnehmen. 

Und da erlaubt es sich eine Politikerkaste  - eine fünfte Kolonne -  seit 20 Jahren, unsere freie souveräne und wohlgeordnete Schweiz demontieren zu wollen; da erfrecht sich eine Elite, unser ganzes materielles und ideelles Erbe einer Meute von gierigen EU-Bürokraten zum Frass vorzuwerfen, einer Meute, die sich aus dem von ihr selbst angezettelten politischen und wirtschaftlichen Bankrott herauszuziehen versucht, indem sie sich ein Land, das mit ihrem Scheitern nicht das Geringste zu tun hat, einverleiben und finanziell aussaugen will. Nicht mit uns, dem Schweizervolk! Wir wissen, was wir zu verlieren haben! Wir leisten Widerstand wie unsere Eltern und Grosseltern. 

Beschämend in Haltung und Inhalt  
Am 15. Juni 2012 schrieb die gewesene Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf an den EU-Kommissionspräsidenten Barroso einen Brief, den die Bundesverwaltung mit gutem Grund monatelang unter Verschluss hielt – so beschämend waren Haltung und Inhalt. Wie kommt die Dame dazu, sich bei den Herren Barroso und Konsorten derart anzubiedern, dass sie ihnen in vorauseilendem Gehorsam unseren Rechtsstaat verkauft, ohne uns zu fragen? Was erlaubt sich die Dame, die durch einen wahren Putsch zu ihrem Sitz im Bundesrat gekommen ist, der EU die Übernahme des gesamten Acquis, nicht nur für die Zukunft, sondern auch gleich für die Vergangenheit, zu versprechen, wohl wissend, dass sie ein solches Versprechen gar nicht einhalten kann. Denn in der Schweiz hat noch immer das Volk das Sagen. Wie geht sie mit einem der Pfeiler unseres Staatsfundamentes um - keine fremden Richter - wenn sie ankündigt, die Auslegung des Gerichtshofs der EU zu übernehmen, und untertänig darum bittet, dass die Schweiz beim EuGH Schriftsätze einreichen oder schriftliche Erklärungen abgebendarf? Das dicke Ende: Die Dienerin des Volkes bietet der EU auch noch weitere Milliarden an Kohäsionszahlungen aus unseren Steuerkassen an, als ob wir die mangelnde Kohäsion bzw. das drohende Auseinanderfallen der EU verbockt hätten. Der Bundesrat hat die Interessen der Schweiz und ihrer Bevölkerung zu vertreten. Verpflichtungen hat er allein unserem Land und unserer humanitären Tradition gegenüber, der EU oder anderen Grossmächten ist er zu nichts verpflichtet, ausser zur Einhaltung der ausgehandelten Verträge. Diese Pflicht muss allerdings gegenseitig sein. Wenn ein Vertragspartner sich um seine vertraglichen Pflichten foutiert, ist nicht einzusehen, warum wir uns auf den Kopf stellen sollen, um uns selbst in den Rachen des Löwen zu stürzen. 

Noch einmal: Nicht mit uns, dem Schweizervolk
Wir wissen, was wir zu verteidigen haben! Wir leisten Widerstand wie unsere Eltern und Grosseltern. Wir fordern unsere Volksrechte ein. Das Unterschriftensammeln sind wir uns gewöhnt: bringen wir den Willen des Souveräns ein!  [1]  

Wem die Macht in den Kopf steigt …… 
thk. Am 21. Dezember 2012 antwortet der Präsident der EU-Kommission, Manuel Barroso, auf das devote Schreiben von Eveline Widmer-Schlumpf. Es ist ein Brief, der nicht an den Gesamtbundesrat gerichtet ist, der in der Schweiz als Kollektivbehörde die Geschäfte führt, sondern persönlich an die Bundespräsidentin. Der Inhalt des Schreibens ist das Resultat von Widmer-Schlumpfs demokratiewidrigen Angeboten, die sie in ihrem Schreiben vom 15. Juni 2012 Barroso angetragen hat. In Verkennung und Ignoranz gegenüber der schweizerischen politischen Realität verlangt Barroso eine Unterordnung der Schweiz unter die EU-Gesetzgebung; vorher werde nichts mehr verhandelt. Er spricht von Homogenität, was nicht anderes heisst als Gleichschaltung aller Staaten in der EU sowie derjenigen, die mit der EU Abkommen treffen wollen. Dabei redet er ständig vom Binnenmarkt, womit hier den EU-Markt gemeint ist. Das Lösen der institutionellen Frage bedeutet nichts anderes als die Übernahme des EU-Rechts durch die Schweiz. Diesen Weg wird die Schweiz niemals gehen.

Hier treffen Feuer und Wasser aufeinander. Das Schweizer Rechtssystem ist ein durch und durch demokratisches. Keine Gesetzesänderung kann vollzogen werden, wenn nicht die Mehrheit des Volkes und je nach Form des Referendums auch die Mehrheit der Stände ihre Zustimmung gibt. Entweder durch ein zustimmendes Referendum, wenn es ergriffen wird, oder durch  stillschweigende Zustimmung, wenn kein Referendum ergriffen wird. In welchem EU-Land gibt es das? Das unsägliche Schuldendebakel innerhalb der EU muss in sich selber saniert werden. Die Ökonomen werden ja längst durchgerechnet haben, wie ein Staatsbankrott durchzuführen ist. Es werden auch längst Pläne bestehen, wie Schulden eines EU-Ausmasses auf den Boden der Realität heruntergeholt werden. Wir sollten uns der Worte Bundesrats Oprechts erinnern, der 1940 gegenüber Hitler-Deutschland trefflich sagte: »Wir gehen nicht wallfahrten!« Wer im Amt als Bundesrätin die Würde und die Rechte des Landes nicht respektiert, tritt zurück. Oder wird ins Glied zurückgeholt.  [2] 

Antwort von Barroso an Widmer-Schlumpf  

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
bezugnehmend auf mein Schreiben vom 7. Juli möchte ich Sie hiermit nach eingehenden Diskussionen innerhalb der Kommission und Gesprächen mit dem Rat der Europäischen Union sowie dem Europäischen Parlament über die Position der Europäischen Union zu der in Ihrem Schreiben vom 15. Juni 2012 vorgeschlagenen institutionellen Lösung informieren. Ich beziehe mich dabei auf die Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union vom 20. Dezember über die Beziehungen zu den EFTA-Staaten. Die Europäische Union anerkennt die Bemühungen, welche die Schweizer Regierung durch die Unterbreitung ihrer Vorschläge unternommen hat. Wir schätzen insbesondere, dass sich die EU und die Schweiz darüber einig sind, dass in dem Binnenmarkt, an dem die Schweiz teilnimmt bzw. teilnehmen möchte, das zentrale Prinzip der Homogenität gelten muss. Ihre Vorschläge, die sich in erster Linie auf ein künftiges Stromabkommen beziehen, wurden speziell auf die Umsetzbarkeit dieses Prinzips bei Unternehmen und Bürgern hin geprüft. Wie Sie wissen, ist es für die EU sehr wichtig, dass zuerst die institutionellen Fragen in bezug auf existierende und zukünftige Verträge zum Binnenmarkt durch ein horizontales Rahmenabkommen, das Homogenität und  Rechtssicherheit für unsere Beziehung gewährleistet, geklärt sind. Wie in den Schlussfolgerungen des Rates dargelegt, ist die Europäische Union der Ansicht, dass dieses horizontale Rahmenabkommen rechtsverbindliche Mechanismen für die Anpassung der Verträge an das sich entwickelnde Binnenmarktrecht vorsieht. 

Ich nehme zur Kenntnis, dass die Anpassung von Verträgen zwischen der EU und der Schweiz laut Ihrem Vorschlag nicht unbedingt automatisch, sondern dynamisch erfolgen und Ausnahmen ermöglichen sollte. Solche Ausnahmen sind für die EU in bezug auf die Gewährleistung eines einheitlichen Rechts problematisch, was sich unserer Meinung nach auch nicht durch entsprechende Ausgleichsmassnahmen kompensieren lässt. Ich freue mich, dass Sie sich in Ihrem Brief bereit erklären, die Verpflichtung zur Berücksichtigung der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union in die Verträge zwischen der EU und der Schweiz zu übernehmen. Allerdings sehen Ihre Vorschläge auch vor, dass sich nur Schweizer Organe mit möglichen Verstössen seitens der nationalen Behörden gegen die Regeln in den Verträgen befassen. Wie Sie wissen, ist ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes davon abhängig, dass ausserhalb der beteiligten Staaten unabhängige Kontrollmechanismen existieren. Für die EU wäre es daher notwendig, dass die Abkommen mit der Schweiz auch internationale Mechanismen zur Überwachung und gerichtlichen Kontrolle vorsehen, wodurch ein Niveau an Rechtssicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet würde, das den im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraums geschaffenen Mechanismen entspricht. 

Ich möchte betonen, dass die Europäische Union bereit ist, ihre wichtigen Beziehungen zur Schweiz zu vertiefen, auch was den Binnenmarkt und die oben erwähnten Grundsätze angeht. Ich freue mich insbesondere darauf, den Dialog darüber weiterzuführen, wie diese Grundsätze in unseren Verträgen mit Ihrem Land berücksichtigt werden könnten. Zu diesem Zweck hat bereits ein Treffen zwischen Staatssekretär Rossier und unserem Auswärtigen Dienst stattgefunden. Ich bin mir durchaus der Herausforderungen bewusst, welche die Anpassung der bilateralen Verträge an die Anforderungen eines über mehrere Länder hinweg funktionierenden Marktes erfordert. Vor allem aber bin ich überzeugt, dass eine Klärung der institutionellen Fragen unsere Beziehung stärken und festigen wird und für unsere Wirtschaftsakteure und Bürger bedeutende Vorteile bietet. Ich  begrüsse den jüngst getroffenen Beschluss über die Beteiligung der Schweiz am Euratom-Forschungsrahmenprogramm 2012/2013. Des weiteren hoffe ich, dass die EU bald ihre internen Verfahren hinsichtlich der Unterzeichnung und Verabschiedung eines Kooperationsabkommens über Satellitennavigationsprogramme abschliessen kann, und lade Sie ein, Ihrerseits das Notwendige zu veranlassen, um dieses Abkommen zu einem raschen Abschluss zu bringen. Ich anerkenne zudem die Fortschritte bei den unter der Leitung der Arbeitsgruppe zum Verhaltenskodex stattfindenden Gespräche um den schädlichen Steuerwettbewerb. Ich hoffe, dass diesbezüglich in den nächsten sechs Monaten weitere konkrete Fortschritte erzielt werden können. 

Wie Sie wissen, ist der Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union für den 1. Juli 2013 vorgesehen. Ich freue mich schon jetzt auf die Erweiterung unserer Verträge im Hinblick auf dieses neue Mitglied der Europäischen Union. In diesem Zusammenhang möchte die Kommission Verhandlungen über den finanziellen Beitrag der Schweiz für Kroatien aufnehmen. Darüber hinaus möchte ich Ihnen mitteilen, dass der Rat die Kommission in seinen Schlussfolgerungen ebenfalls dazu aufgerufen hat, Sondierungsgespräche für einen erneuten Erweiterungsbeitrag der Schweiz in die Wege zu leiten, da die Periode für die finanzielle Unterstützung im Juni dieses Jahres  abgelaufen ist. Die EU misst der Fortsetzung dieser grosszügigen Solidarität eine hohe Bedeutung bei. Sie ist unserer Meinung nach ein wesentlicher Bestandteil unserer sehr intensiven Beziehungen mit der Schweiz und der Teilnahme dieses Landes an einem erweiterten europäischen Markt. Die Kommission ist sehr daran interessiert, Gespräche zu diesen beiden Themen so bald wie möglich aufzunehmen. Ich hoffe, dass diese Punkte auch im Rahmen des Treffens zwischen unseren Vertretern am 29. Januar angesprochen werden können. 

Ich wünsche Ihnen bei dieser Gelegenheit frohe Festtage und ein erfolgreiches Jahr 2013.

Mit vorzüglicher Hochachtung. José Manuel Barroso  - Brüssel, 21. Dezember 2012   [2]  

 

[1]  Quelle:  http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1292
Zeit-Fragen
    2013    Nr.4 vom 21.1.2013 

[2]  http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1295Zeit-Fragen  2013  Nr.4 vom 21.1.2013   Antwort von Barroso an Widmer-Schlumpf

[3]  Quelle: www.europa.admin.ch
Übersetzung des Briefes im Auftrag der Auns, Originaltext französisch;