Die »EU-Friedensapostel« auf dem Weg zum Krieg«? - Von Doris Auerbach

Entgegen aller Warnungen hat die breite Mehrheit im deutschen Bundestag am 14. 12. die Entsendung von Patriot-Raketen

und 400 Bundeswehrsoldaten in die Türkei beschlossen. Der Vorsitzende der Dänisch-Syrischen Vereinigung, Mohammad Mahfoud und die Generalsekretärin der Organisation, Vigdis Jakupsdottir, hatten sich noch am 13. Dezember per e-mail an die Vorsitzenden und Vizevorsitzenden des Verteidigungs- und Aussenpolitischen Ausschusses im Deutschen Bundestag gewendet: »Wir sind sehr besorgt, daß die Stationierung von Patriot-Raketen die Spannungen in der Region weiter verschärfen wird, anstatt die Lage zu beruhigen. Außerdem befürchten wir unkalkulierbare Konsequenzen für die Welt, während nichts für die syrische Bevölkerung gewonnen wird, um diesen schrecklichen Konflikt zu beenden. Wir sind zutiefst davon überzeugt, daß nur die syrische Bevölkerung selbst eine konstruktive Lösung für den Konflikt, der seit langem von Kräften außerhalb des Landes angefeuert wird, herbeiführen kann. Auf Grund der Sorge um den Frieden in der Region und in der Welt, und des Fakts, daß dies keine normalen Zeiten sind, ergreifen wir diesen ungewöhnlichen Schritt, Sie als Vertreter eines anderen Landes dazu aufzufordern, bei der Patriot-Abstimmung mit Nein zu votieren, da diese Frage für die Zukunft von uns allen entscheidend ist.«  [1]

Umsonst, wie wir wissen 
Wie Sebastian Carlens [2] festhält, »hatte die Bundesregierung zuvor unter Berufung auf das Recht auf kollektive Selbstverteidigung um breite Zustimmung geworben«. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU !) befand, daß die Türkei das vom syrischen Bürgerkrieg am meisten betroffene Land sei. Widerspruch, so Carlens, kam von dem Linkspartei-Vize Jan van Aken, der erklärte, daß »Syrien die Türkei nicht bedrohe; und gegen Chemiewaffenarsenale seien Patriot- Raketen außerdem nicht verwendungsfähig. Die Argumente erinnerten ihn an die US-Propaganda gegen den Irak vor zehn Jahren: Wenn Sie noch einmal die Chemiewaffen als Argument anführen, dann sollen Sie für viele Jahre zwischen Colin Powell und George W. Bush im Fegefeuer schmoren, so van Aken zu de Maizière. Seine Partei werde  - als einzige -  den geplanten Einsatz ablehnen. Doch das Durchwinken immer neuer Kriegseinsätze ist dem Bundestag längst zur Routine geworden.«  »Und auch die Heimatfront«, so Carlens ferner, »ist eingeordnet. In einem offenen Brief an Baschar al-Assad, der vom Berliner Literaturfestival am 12. 12. 12  veröffentlicht wurde, wird dem syrischen Präsidenten der Rücktritt nahegelegt. Falls er dem Vorschlag der Literaten nicht nachkäme, gebe es nur eine andere Lösung: Entweder getötet zu werden, wie Saddam Hussein oder Muammar Al-Ghaddafi, oder ein Leben im Gefängnis in einer sterilen Zelle in Den Haag, heißt es in dem unter anderem von Alfred Grosser, Martin Walser und David Grossman unterschriebenen Papier. Purer Großmachtchauvinismus. Schriftsteller als Lynchmob.«

Offensichtlich gibt es für das, zu was man sich hergeben kann, keine Grenzen mehr. Wie jetzt allerdings bekanntgegeben wurde, zieht wenigstens Alfred Grosser seine Unterschrift unter den Brief  zurück. [3]

Damit, erklärt Rüdiger Göbel, »ist Deutschland jetzt auch offiziell Kriegspartei in Syrien.« [4] Der Einsatz ist für Anfang 2013 geplant und soll die hochverschuldete BRD zunächst 25 Millionen Euro kosten. Auch US-Verteidigungsminister Leon Panetta hat den Befehl zur Verlegung von Patriot-Abwehrraketen und 400 Soldaten an die türkisch-syrische Grenze unterzeichnet; die Niederlande werden ebenfalls mit je zwei Patriot-Einheiten und 400 Soldaten präsent sein. Elke Hoff, die FDP-Wehrexpertin hatte sich am 14. 12. im Bundestag für das Patriot-Mandat stark gemacht. Die Entsendung deutscher Soldaten mit dem Flugabwehrsystem nach Anatolien sei sinnvoll und notwendig. Einstellungen dieser Art, denke ich, gilt es im Gedächtnis zu behalten. Bekanntlich hatte das NATO-Mitglied Türkei um Schutz gebeten. Man muss sich das einmal vergegenwärtigen: Die aktive Rolle der Türkei beim Aufbau der syrischen Rebellen liegt offen, aber ganz plötzlich sieht sich das Land jetzt bedrängt.  [5]  Wie auch Göbel festhält, war Ankara an der Gründung und am Aufbau der oppositionellen Freien Syrischen Armee beteiligt; über das NATO- Mitgliedsland werden die Aufständischen logistisch unterstützt. All das ist kein Geheimnis. Hierzu schreibt Werner Pirker: »Daß die militärische Zusammenrottung der Westmächte im Grenzgebiet zu Syrien dem Schutz der Türkei vor Aggressionshandlungen der Assad-Truppen dienen soll, glauben wohl nicht einmal die dümmsten Nachbeter westlicher Propagandalügen. Es heißt, die Türkei befürchte ein Übergreifen des syrischen Bürgerkriegs auf ihr Territorium. In Wirklichkeit aber hat Ankara den syrischen Bürgerkrieg von türkischem Territorium aus in das arabische Nachbarland hineingetragen. Die im Sold des Westens und des Golf-Kooperationsrates stehenden syrischen Kontra-Banden wurden in der Türkei ausgebildet, mit Waffen versorgt und in Richtung syrische Grenze in Bewegung gesetzt, wo sie Feuergefechte provozierten und so der türkischen Armee Vorwände lieferten, auf syrisches Territorium zurückzuschießen. Ankara ist schon seit längerem bemüht, die NATO in eine direkte Konfrontation mit dem Levantestaat hineinzuziehen. Doch erst jetzt erachtet die Kriegsallianz die Türkei als hinreichend bedroht, um den Bündnisfall, der ein Eingreifen des Kriegspaktes zugunsten eines Mitgliedslandes vorsieht, ernsthaft in Erwägung zu ziehen.«  [6]

»Der CDU-Außenpolitiker Philip Mißfelder«, vermerkt Rüdiger Göbel ferner, »hat dreist gelogen und behauptet, die Türkei habe deeskalierend im Syrien-Konflikt gewirkt.«  [4]  Mißfelders Parteifreund Andreas Schockenhoff hat die Waffenhilfe für die Assad-Gegner am 12. 12. im Bundestag auf eine nicht zu überbietende Weise verteidigt: »Da der UNO-Sicherheitsrat bis heute blockiert ist und keine wirksamen Maßnahmen ergreifen konnte, war kein anderer Weg möglich, als die syrische Opposition mit Waffen zu versorgen, um das syrische Regime zu stoppen.« Wenigstens sprach der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi, aus, was zu befürchten steht: Er kritisierte den Türkei-Einsatz als »Einmarsch im Nahen Osten.« Offenbar kam diese Wahrheit recht ungelegen, da er damit tumultartige Reaktionen auslöste. Noch heisst es, dass der Einsatz auf das NATO-Territorium beschränkt bleibe und nicht Teil einer Flugverbotszone über Nordsyrien würde. Über eine solche hatten die USA und die Türkei Mitte August beraten. Die Einrichtung einer Flugverbotszone würde allein schon deshalb Krieg bedeuten, weil sie sich nur mittels militärischer Gewalt erzwingen lässt. »Zudem«, so Werner Pirker, »hat die NATO-Intervention in Libyen bewiesen, daß ein Luftkrieg gemeint ist, wenn von einer Flugverbotszone die Rede ist.« 

Die mit Al-Kaida verbundene Gruppe Jabhat al-Nusra 
Bei ihrem Ziel, den Sturz der syrischen Regierung herbeizuführen, haben sich die USA, Grossbritannien und Frankreich, ähnlich wie 2011 bei dem Bündnis für den Sturz von Gaddafi in Libyen, auf hartgesottene Al-Kaida-Kämpfer gestützt, nämlich auf die effektivste Rebellenfraktion im Kampf gegen die syrische Armee, die Jabhat al-Nusra. [7]  Diese besteht aus irakischen und syrischen Mitgliedern der sogenannten Al-Kaida des Iraks, die dort die US-Besatzer bekämpften, bevor sie über die Grenze gingen, um gegen Assad zu kämpfen. Neuesten Erkenntnissen zufolge ist dieser Al-Kaida-Ableger für fast alle Selbstmordanschläge und die meisten erfolgreichen Militäraktionen gegen die Pro-Assad-Kräfte verantwortlich. Zu dieser Gruppierung vermerkt der US-Journalist der McClatchy Newspapers, David Enders, dass diese für das erfolgreiche Vordringen der Rebellen wesentlich sei; al-Nusra führe noch immer Selbstmordattentate durch, bei denen Hunderte den Tod fänden. Überall im Land führe al-Nusra zusammen mit ähnlichen Gruppen die schwersten Kämpfe an der Front an. In der Folge rückten dann diejenigen Kräfte, die sich als Freie Syrische Armee bezeichnen  -  dieser liess die Regierung Obama immerhin 200 Millionen $ zukommen - in die eroberten Gebiete vor.  [8]  Das US-Aussenministerium hatte seit Monaten geplant, al-Nusra auf die Liste der internationalen Terror-Organisationen zu setzen, hatte dies aber verschoben, weil die Gruppe für den Kampf gegen Assad so wichtig ist. Inzwischen ist Jabhat al-Nusra von der USA aber doch als terroristische Organisation eingestuft worden, eine Entscheidung, die in Syrien auf eine heftige Gegenreaktion stiess; über 100 syrische Oppositions- und Kampfgruppen hatten für den 14. Dezember zu Demonstrationen aufgerufen, um gegen diese Brandmarkung zu protestieren; es wurde eine Petition unterzeichnet, in dem ihre Solidarität mit al-Nusra zum Ausdruck gebracht wurde; gleichzeitig warben sie für das Motto Nein zur amerikanischen Intervention – wir alle sind Jabhat al-Nusra. Auch Ahmed Moaz al Khatib, der Vorsitzende der von der USA, Europa und fast einhundert Ländern als legitime Vertretung des Syrischen Volkes anerkannte Syrische Oppositionskoalition, die National Coalition of Syrians Revolutionary and Opposition Forces [NCSROF], sagte bei dem Treffen der Freunde Syriens am 12. Dezember: Die Entscheidung, eine der Gruppen, die gegen das Assad-Regime kämpft, als terroristische Organisation einzustufen, muß erneut aufgerollt werden. Wir haben ideologische und politische Unterschiede mit bestimmten Parteien, aber die Revolutionäre verfolgen alle dasselbe Ziel, das kriminelle tyrannische Regime zu stürzen.  [9]  Hochrangige US-Geheimdienstexperten betonen, dass die Neosalafisten in der syrischen Opposition inzwischen so vorherrschend geworden sind, dass die Vorstellung, eine Regierung nach Assad ohne sie zu bilden, naiv wäre. Sogar in der von der USA und Europa geförderten neuen politischen und militärischen Führung der Opposition überwiegt die syrische Muslimbruderschaft. Führende Sprecher dieser Gruppe haben betont, dass sie an der engen Zusammenarbeit mit Jabhat al-Nusra und anderen Dschihad-Gruppen festhalten werden. Dennoch schreckt diese Sachlage die CIA nicht davon ab, Saudi-Arabien, die Türkei und Katar dabei zu unterstützen, die Rebellen in der Region mit schweren Waffen zu versorgen.

Wie der syrische Vizepremier Qadri Jamil am 14. 12. erklärte, bestehen mehrere bewaffnete regierungsfeindliche Formationen in Syrien zu 40 % aus ausländischen Söldnern. »In den verschiedenen Gebieten sind die Anteile ausländischer Söldner unterschiedlich. In Damaskus und Umgebung sollen es 10 bis 15 % und in der Nähe der türkischen Grenze 40 % sein«, sagte Jamil am 14. 12. in Moskau zu RIA Novosti. Er äusserte die Überzeugung, dass die beiden Konfliktseiten früher oder später einen Dialog aufnehmen werden. Denn alle Versuche, die bestehenden Probleme mit Waffengewalt zu lösen, seien ausgeschöpft worden, so der syrische Politiker.  

Die Syrische Oppositionskoalition war am 11. Dezember von der USA sowie von England und Frankreich als die einzige legitime Vertretung der Bevölkerung ihres Landes anerkannt worden. François Hollande hatte sich als erstes Staatsoberhaupt am 17. 11. mit dem neuen syrischen Oppositionschef, Ahmed Muas al-Chatib, in Paris getroffen. Wie beim Sturz Gaddafis nimmt Frankreich bei der Unterstützung der Oppositionskräfte im Syrienkonflikt eine Vorreiterrolle ein und  hat auch auf Waffenlieferungen an die Rebellen gepocht. Mit der Anerkennung der Koalition ist für Obama der Weg für eine grössere Unterstützung durch die Vereinigten Staaten freigemacht. Die Öffentlichkeit liess Obama in einem Interview mit ABC News folgendes wissen: »Natürlich sind mit dieser Anerkennung Verpflichtungen verbunden. Sicherzustellen, dass sie sich effektiv organisieren, dass sie alle Parteien repräsentieren, dass sie sich selbst zu einem politischen Übergang verpflichten, der die Rechte von Frauen und Minderheiten respektiert.« Wer würde diesen Schönwetterparolen auch noch den geringsten Glauben schenken, im Endeffekt geht es auch im Fall Syriens lediglich um die Ressourcen, der Rest interessiert niemand, zumal die Koalition auf die Initiative der USA hin gebildet worden war und zunächst auf der von der USA im November orchestrierten Konferenz in Katar offiziell anerkannt worden war. Sie ist jedoch, wie John Glaser in der Berliner Umschau vom 13. Dezember darlegt, weitgehend eine weitere Exilgruppe ohne starke Wurzeln in Syrien und wird von den bewaffneten  Rebellengruppen, die im Land gegen die Regierung Assad kämpfen, vehement abgelehnt. Zu dieser Oppositionskoalition vermerkt Werner Pirker, dessen unvergleichlich ironische statements gar nicht breit genug bekanntgemacht werden können, folgendes: »Nachdem mit dem sogenannten Syrischen Nationalrat, einer Gruppe von großsprecherischen Exilpolitikern, kein (Kolonial-)Staat zu machen war, erfolgte unter der direkten Anleitung von US-Außenministerin Hillary Clinton die Bildung eines etwas breiter angelegten Oppositionsbündnisses, das nun für den Westen als Vertretung des syrischen Volkes fungieren soll. In bescheidener Zurückhaltung überließ Washington Großbritannien und Frankreich bei der Anerkennung der Kollaborateure den Vortritt, bevor es dem von Clinton handverlesenen Klüngel bescheinigte, das syrische Volk zu repräsentieren. Der amerikanischen Entscheidung folgte ein Rattenschwanz von 127 Ländern – gemeinhin als internationale Gemeinschaft bekannt. Es ist somit ein weitgehender internationaler Konsens, daß das Anti-Assad-Lager als die legitime Führung des syrischen Volkes zu gelten habe: freilich ein vom Westen vorgeschriebener und mit allen Mittel ökonomischer Erpressung durchgesetzter Konsens. Daß die syrische Opposition demokratisch legitimiert sei, wird aus ihrer Kollaboration mit dem demokratischen Westen heraus begründet. Doch wie demokratisch legitimiert kann eine politische Kraft sein, die ihren Machtanspruch nicht aus freien Wahlen, sondern aus der politischen und militärischen Unterstützung durch die westlichen Hegemonialmächte bezieht? Die Parlamentswahlen vom September 2011 und die Kommunalwahlen vom Dezember, an der sich mehrere Parteien beteiligten, sind von der unversöhnlichen Opposition, die keine andere Option als die eines gewaltsamen Umsturzes in Betracht zu ziehen bereit ist, boykottiert worden. Was hat Demokratie noch im mindesten mit der Idee demokratischer Selbstbestimmung zu tun, wenn die Fremdbestimmung zu ihrer Voraussetzung erklärt wird?  ……  Obama und Kumpane habe ihre Quisling-Regierung nominiert. Deutsche Friedensaufrufe zum Krieg, wie der von der Linken-Co-Vorsitzenden Kipping mit unterschriebene, kommen ihrer Realisierung immer näher.«  [10]  Wie es auf der Konferenz der Syrien-Freundesgruppe  - ein Zusammenschluss von rund 100 vor allem westlicher und arabischer Staaten, die im eigentlichen die Feindgruppe gegen al-Assad bildet -  am 12. 12. in Marrakesch hiess, gehe mit der Anerkennung der ›Syrischen Oppositionskoalition‹ keine Aufnahme von Waffenlieferungen an die Gegner Assads einher, jedoch sei dazu eine Tür geöffnet worden.

Jedes Mittel recht 
Zur Inszenierung des Krieges scheint inzwischen jedes Mittel recht zu sein. So überschlugen sich die westlichen Medien gerade erst kürzlich mit Schlagzeilen, dass Assad angeblich gewillt sei, Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen. Von Präsident Obama und Aussenministerin Hillary Clinton angeführte Spitzenvertreter der USA äusserten düstere Warnungen, während Medien die falsche Behauptung verbreiteten, in Flugzeugen der syrischen Luftwaffe seien bereits Kanister mit Saringas verladen worden. »Es ist sicher kein Zufall«, schrieb Strategic Alert, »daß der britische Ex-Premier Tony Blair, der heute, ähnlich wie früher auf George W. Bush, großen Einfluß auf Obama hat, dieselbe schwarze Propaganda verbreitete und um Unterstützung für die extremistische syrische Opposition warb. Man erinnere sich, daß es Blair war, der das aufgemotzte Dossier über die angeblichen Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein im Irak produzierte, das sich im nachhinein als Lügengespinst herausstellte, mit dem jedoch Präsident Bush 2003 die Irak-Invasion rechtfertigte. Der britische Außenminister William Hague sagte sogar am 8. Dezember vor Reportern in Bahrain, die Regierung Obama habe das syrische Regime unmittelbar gewarnt, nachdem Beweise für Vorbereitungen Assads auf einen Chemiewaffeneinsatz aufgetaucht seien. Auf die Frage, was das für Beweise seien, antwortete Hague: Wir können das keinesfalls näher erläutern, weil das Geheimdienstquellen sind, von denen wir diese Dinge erfahren. Also erneut Lüge und Vertuschung. Zahlreiche Waffenexperten haben diese Propaganda entkräftet. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte der Presse, Rußland sei den Vorwürfen gründlich nachgegangen und zu dem Schluß gelangt, daß es sich um eine Desinformation handle. Die Regierung Assad habe Moskau nachdrücklich versichert, daß sie keine Absicht habe, chemische Waffen gegen syrische Bürger einzusetzen. UNO-Generalsekretär BAN Ki-Moon sagte am 7.12., seinem Büro lägen keine bestätigten Berichte über Vorbereitungen auf Einsätze von Chemiewaffen vor.«  [7]  

Wie weiter?
Das Nationale Sicherheitsteam der Regierung Obama hatte laut
Strategic Alertbereits am 1. und  2. Dezember hinter verschlossenen Türen getagt, um letzte Einzelheiten für die Eskalation der Kampagne der NATO zum Sturz der Regierung ASSAD in Syrien auszuarbeiten. Optionen sind nach Angaben informierter hochrangiger US-Geheimdienstexperten u.a. das Ausspähen der Bewegungen der syrischen Armee für die Opposition, offene Waffenlieferungen an die Rebellen oder sogar direktes militärisches Eingreifen der USA und/oder der NATO. Auch wenn die Vereinigten Stabschefs ein direktes militärisches Engagement der USA vehement ablehnen, sind dennoch verschiedene Methoden indirekter Hilfe beim Sturz des Regimes im Gespräch.  [11]   Einem Bericht von Jason Ditz zufolge »verliert das Pentagon ungeachtet der extrem spekulativen Natur der syrischen Bedrohung bei der Vorbereitung einer Reihe von US-Optionen für verschiedene Möglichkeiten, in Syrien einmarschieren zu können, keine Zeit. Zur Debatte steht eine vollständige Besetzung von Syrien, die Schätzungen zufolge 75.000 Mann erfordern würde, sowie Zehntausende mehr für eine sich daran anschliessende unbefristende friedenserhaltende Operation.« Letztere bedeutet nicht weniger als die totale Vereinnahmung des Landes. »Wie Regierungsvertreter erklären«, so Ditz ferner, »besässe die USA alles, was hierfür gebraucht würde. Die Obama-Administration hat sich bekanntlich vor den Wahlen zurückgehalten, direkt in den syrischen Bürgerkrieg hineinzureden, ist jedoch, seit sie die Wahl gewonnen hat, Berichten zufolge immer mehr darauf aus, sich daran zu beteiligen.«  [12]  

Der Chef der britischen Streitkräfte, General Sir David Richards, hatte am 11. November auf BBC erklärt, dass die britischen Streitkräfte auf eine sehr begrenzte Militäroperation in Syrien vorbereitet seien, sollte sich dort die humanitäre Lage  - im Klartext: der weiterhin geschürte Krieg -  in den nächsten Monaten verschlechtern. Da Syrien von Partnern Grossbritanniens wie die Türkei, der Libanon und Jordanien umgeben sei, werde überlegt, britische Truppen zu deren Schutz dort zu stationieren. Grossbritannien prüfe zudem, wie ein Waffenembargo an die Aufständischen in Syrien umgangen oder ausser Kraft gesetzt werden könne. Hingegen erklärte der syrische Geschäftsmann Riad Seif, man brauche keine Militärintervention. »Wir werden uns mit Waffen und einem Netz von Abwehrraketen schützen«. Das sei ein Versprechen der Freunde Syriens. Der englische Daily Star berichtete am 11. November, dass sich »Spezialeinheiten des britischen Special Air Service (SAS) und des Special Boat Service (SBS) sowie Soldaten des Aufklärungs-Spezialregiments in Syrien aufhalten, um die Aufständischen in der Anwendung neuer Waffen und Explosivstoffe zu unterweisen und Todeskommandos der Rebellen für Anschläge auf Präsident Assad und dessen führende Militärs auszubilden. Im September hatten Al-Kaida und die Freie Syrische Armeebereits ein Kopfgeld in Höhe von 25 Millionen $ auf Assad ausgesetzt. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu zitierte den FSA-Kommandeur Ahmad Hidschasi mit den Worten, das Geld werde von Unterstützern und Geschäftsleuten aus dem Ausland zur Verfügung gestellt. Saudi-Arabien und Katar lassen sich die Unterstützung der Bemühungen, al-Assad zu stürzen und zu ermorden, einige Zigmillionen Dollar kosten. Über die Türkei und eine im Verborgenen agierende Gruppe, die als eine Art Kommandozentrum von Istanbul aus operiert, wird die Verteilung der wichtigen Rüstungsgüter, die angeblich von Saudi-Arabien und Katar bereitgestellt werden, organisiert und mit Hilfe türkischer Geheimdienstkreise an die Grenze zu Syrien und dann zu den Rebellen transportiert.«   [13]

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte Strategic Alert zufolge am 4. 12., »nachdem Obama am Vortag Syrien ähnlich gedroht hatte, verlangt, man solle jetzt endlich gegenüber Syrien und Iran nicht mehr den Kopf in den Sand stecken – sprich: ein militärisches Eingreifen vorbereiten. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 6. 12. stieß Rasmussen bei einem informellen Abendessen der NATO-Außenminister in Brüssel indessen auf vehementen Widerstand, vor allem von Seiten der Außenminister Deutschlands, Hollands, Tschechiens und Polens. Auf der Seite Rasmussens standen dem Zeitungsbericht zufolge Großbritannien, die USA, die Türkei und tendenziell auch Frankreich. Ein Teilnehmer des Außenministertreffens hatte laut dieser Zeitung den Eindruck, Kriegstrommeln zu hören, als Rasmussen sprach. Dabei war dieser noch vor wenigen Wochen gegen eine Militärintervention gewesen. Offenbar hat London, das Zentrum der interventionistischen Fraktion in der NATO  - mit Tony Blair als führendem internationalen Vertreter [wie beim Irakkrieg 2003] -  Rasmussen ins Kriegslager gezogen. Die deutsche und niederländische Regierung fürchten eine Diskussion über Vorbereitungen der NATO auf einen Krieg in Syrien, weil schon die Einrichtung einer Flugverbotszone ein offensiver Kriegsakt und damit ein Bruch des Völkerrechts wäre. Sie würden in ihren Parlamenten mit der Bitte um Genehmigung des Einsatzes von Patriot-Luftabwehrraketen in der Türkei auf Widerstand stoßen, auch wenn nur der Verdacht besteht, daß die NATO einen Militäreinsatz in Syrien erwäge.«  [7]  Indessen ist der befürchtete Widerstand gegen die Stationierung von Patriot-Raketen, wie sich jetzt gezeigt hat, weder in Deutschland noch in den Niederlanden eingetreten, von der USA ganz abgesehen.

In Brüssel setzen die Staats- und Regierungschefs der EU ihre Beratungen über Beistandshilfen für Assads Gegner fort. Grossbritanniens Premier David Cameron drängte dabei auf eine Aufhebung des Waffenembargos gegen die syrische Opposition. Die Aufständischen könnten so auch offiziell von NATO-Staaten ausgerüstet werden, auch mit Ergebnissen aus der AWACS-Aufklärung. Dagegen hatte Wolfgang Gehrcke, Mitglied im Vorstand der Fraktion Die Linke im Bundestag, schon Anfang November die Notwendigkeit ausgesprochen, alle Kraft auf das Erreichen eines Waffenstillstands zu konzentrieren, Waffenlieferungen nach Syrien konsequent zu unterbinden sowie alle Konfliktseiten zum Dialog und zum Verzicht auf Gewalt aufzufordern. Ein Dialog ohne Einbeziehung der jetzigen syrischen Regierung mache keinen Sinn. Ein Regierungswechsel könne am Schluss von Vereinbarungen der verschiedenen Kräfte in Syrien stehen, ist aber als Vorbedingung kontraproduktiv.  [14]  Auch die Aussenminister Irans und Chinas, Ali Akbar Salehi und Yang Jiechi, haben am 12. 12. in Peking erneut eine friedliche und politische Lösung ohne ausländische Einmischung für Syrien angemahnt. Die grössere Gefahr im eskalierenden Syrienkonflikt ist laut Strategic Alert die, dass eine direkte militärische Einmischung der USA oder der NATO zum Sturz Assads ein grosser Schritt in Richtung eines Dritten Weltkriegs wäre, in dem der Westen gegen Russland und China stünde. Paradoxerweise verkörpern gerade führende Militärs des Westens, die über die Regimewechselpolitik und ihre Folgen schockiert sind, heute eine ganz entscheidende Kraft zur Kriegsverhinderung. Tatsache ist, dass die 6. US-Flotte seit Monaten vor der Küste Syriens operiert und einige NATO-Staaten, wie längst öffentlich bekannt, eine vielfältige militärische Unterstützung für die Rebellen leisten. Entgegen den Bekundungen der Bundesregierung zielt die Patriot-Stationierung auf den russischen Widerstand gegen eine westliche Militärintervention in Syrien, wie er sich Anfang 2012 in der syrischen Marinebasis Tartus u.a. durch den russischen Flugzeugträger Admiral Kusnezov manifestiert hatte. Da die Patriot-Staffeln der NATO die Operationsplanungen für russische Luftstreitkräfte erheblich erschweren würden, birgt deren Stationierung im Hinblick auf eine mögliche militärische Konfrontation zwischen Russland, China und der NATO enorme Eskalationsrisiken.  [15] 

»Der Countdown zur globalen Machtprobe«, führt Strategic Alert ferner aus, »hat begonnen. Neben dem Kampf gegen Assad ist die Stationierung von Patriot-Raketen, die angreifende Raketen und Kampfflugzeuge abschießen können, in der Türkei aber auch Teil einer allgemeinen Neuausrichtung der NATO-Kräfte auf Einsätze außerhalb des NATO-Vertragsgebiets, so in Afrika, am Persischen Golf und sogar in Südasien. Die NATO hat auch angekündigt, ihre Kommandos für die Landstreitkräfte, die bisher in Spanien und Deutschland sitzen, zu einer übergreifenden Einheit mit Hauptquartier in der Türkei zusammenzufassen. Das ist ein mehr als deutliches Signal an Moskau. Wie NATO-Vertreter gegenüber Journalisten erklärten, wird damit das Kommando der Landstreitkräfte zwischen dem Persischen Golf und der Südgrenze Rußlands stationiert sein. Die Ausweitung der NATO-Kräfte in der Türkei richtet sich genauso gegen den Iran wie gegen Syrien, aber das eigentliche Ziel sind die beiden Atommächte Rußland und China.«  [11] 

»In Zeiten humanitärer Kriegskonjunktur«, legte Norman Paech Mitte März dar, »ist es gut, sich eines Jahrestages zu erinnern, an dem das Tor zu einem Krieg geöffnet wurde, der an die 50 000 Tote, Hunderttausende Verletzte und traumatisierte Opfer, zerstörte Städte und eine zerbrochene Gesellschaft mit ungewisser Zukunft hinterlassen hat. Am 17. März 2011 ermächtigte der UNO-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 1973 alle Mitglieder der UNO gemäß Artikel 42 der UNO-Charta zum Einsatz militärischer Gewalt gegen das Regime Muammar al-Gaddafis. Schon zwei Tage später, am 19. März, dem 8. Jahrestag des Überfalls auf Bagdad, begannen 11 Staaten unter Führung der USA, Frankreichs und Großbritanniens einen Luftkrieg gegen Libyen, der erst im Oktober endete – nach dem Tod Gaddafis unter ungeklärten Umständen.«  [16]  Bei seinem Besuch in der Türkei am 4. Dezember hatte Putin erklärt, der Einsatz von Patriot-Raketen sei »nicht der richtige Weg und könnte die Situation verschlechtern.« Ferner, unter klarer Bezugnahme auf das Vorgehen des Westens in Libyen: »Wir wollen nicht, dass die kürzlich gemachten Fehler wiederholt werden.« 

So, wie die Lage im Augenblick beschaffen ist, ist nicht der geringste Hinweis vorhanden, dass die von Paech in Erinnerung gerufenen Folgen resp. Putins Mahnung, dieselben Fehler nicht zu wiederholen, auch nur den kleinsten Widerhall unter den Angriffsmächten gefunden hätte, sonst  könnten diese nicht erneut einen Weg beschreiten, der, wenn er weiterhin begangen wird, in denselben Morast führen muss.

Für die EU, die soeben mit dem Friedensnobelpreis bedacht worden ist, gilt der Friede ganz offensichtlich nur bis zu ihren Grenzen, darüber hinaus kann ja gekriegt werden. In Wahrheit hat diese Auszeichnung, wie ich schon einmal darlegte, drei sehr simple und konkrete Gründe: In der EU selbst darf kein Krieg mehr stattfinden, da die EU-Bürger dafür zu arbeiten haben, dass die finanzielle Basis für die zunehmende EU-Militarisierung erhalten bleibt, ferner müssen sie jeweils als nicht konsultierte Geber die Milliarden bereitstellen, die im Anschluss an die Zerstörungen in den vom British Empire, der USA und der NATO überfallenen Ländern für den Wiederaufbau erforderlich sind, und drittens sind sie gehalten, die durch die Kriege verursachten Asylantenströme aufzunehmen und zu ernähren.

 

[1]  http://www.bueso.de/node/6200  13. 12. 12 
[2]  http://www.jungewelt.de/2012/12-13/052.php  Große Kriegskoalition - Von Sebastian Carlens 
[3]  http://www.barth-engelbart.de/?p=2749http://www.barth-engelbart.de  16. 12. 12 
[4]  http://www.jungewelt.de/2012/12-15/056.php   14. 12. 12 
Einmarsch in Nahost  -  Von Rüdiger Göbel 
[5]  Siehe hierzu
»Syrien - Die programmierte Zertrümmerung« - Von Doris Auerbach http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1994  2. 9. 12 
[6]  http://www.jungewelt.de/2012/12-15/064.php
Zusammenrottung - Countdown zum Krieg läuft  -  Von Werner Pirker 

[7]  Strategic Alert Jahrgang 25,  Nr. 50 vom 12. 12. 12 
[8]  http://www.mcclatchydc.com/2012/12/02/176123/al-qaida-linked-group-syria-rebels.html#storylink=omni_popular  2. 12. 12  By David Enders | McClatchy Newspapers
[9]  http://www.bueso.de/node/6203    14. 12. 12 
[10]  http://www.jungewelt.de/2012/12-13/024.php
   
Kriegserklärung - Anerkennung der syrischen Opposition -
Von Werner Pirker 
[11]  Strategic Newsletter Jahrgang 25,  Nr. 49 vom 5. 12. 21  
[12]  www.antikrieg.com resp.  http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=69163&title=Pentagon+erw%E4gt+Optionen+f%FCr+Angriff+auf+Syrien+&storyid=1001355126774  
10. 12. 12    Jason Ditz   Pentagon erwägt Optionen für Angriff auf Syrien 

[13]  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/kurt-nimmo/england-bildet-todeskommandos-fuer-die-ermordung-assads-in-syrien-aus.html   14. 11. 12  England bildet Todeskommandos für die Ermordung Assads in Syrien aus  -  Kurt Nimmo 
[14]  http://www.jungewelt.de/2012/11-13/029.php  Verzicht auf Gewalt 
[15]  http://www.darmstaedter-signal.de/aktuell/20121208_AKDS_PM_Patriot.php
8. Dezember 2012 

[16]  http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Libyen/paech3.html    17. 3. 12  
Der Türöffner zum Krieg  -  UN-Resolution 1973 diente als Lizenz für einen Regimewechsel - Von Norman Paech

Siehe auch  http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2018  21. 10. 12 
Hände weg von Syrien - Bündnis gegen den Krieg

http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1996   9. 9. 12
Drängen auf offenen Krieg in Syrien 

http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1915    12. 3. 12 
Sind USA und NATO in Syrien mit Al Kaida verbündet?