Die »EU-Friedensapostel« auf dem Weg zum Krieg«? - Von Doris Auerbach 16.12.2012 18:24
Entgegen aller Warnungen hat die breite Mehrheit im deutschen Bundestag am 14. 12. die Entsendung von Patriot-Raketen
und 400
Bundeswehrsoldaten in die Türkei beschlossen. Der Vorsitzende der ›Dänisch-Syrischen Vereinigung‹, Mohammad Mahfoud und die
Generalsekretärin der Organisation, Vigdis Jakupsdottir, hatten sich noch am
13. Dezember per e-mail an die Vorsitzenden und Vizevorsitzenden des ›Verteidigungs- und Aussenpolitischen
Ausschusses im Deutschen Bundestag‹
gewendet: »Wir
sind sehr besorgt, daß die Stationierung von Patriot-Raketen die Spannungen in
der Region weiter verschärfen wird, anstatt die Lage zu beruhigen. Außerdem
befürchten wir unkalkulierbare Konsequenzen für die Welt, während nichts für
die syrische Bevölkerung gewonnen wird, um diesen schrecklichen Konflikt zu
beenden. Wir sind zutiefst davon überzeugt, daß nur die syrische Bevölkerung
selbst eine konstruktive Lösung für den Konflikt, der seit langem von Kräften außerhalb
des Landes angefeuert wird, herbeiführen kann. Auf Grund der Sorge um den
Frieden in der Region und in der Welt, und des Fakts, daß dies keine normalen Zeiten sind, ergreifen wir diesen
ungewöhnlichen Schritt, Sie als Vertreter eines anderen Landes dazu aufzufordern,
bei der Patriot-Abstimmung mit ›Nein‹ zu votieren, da diese Frage für die
Zukunft von uns allen entscheidend ist.« [1]
Umsonst, wie wir wissen Wie
Sebastian Carlens [2] festhält, »hatte die Bundesregierung zuvor unter
Berufung auf ›das Recht auf kollektive
Selbstverteidigung‹ um breite
Zustimmung geworben«. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU !)
befand, daß die Türkei das vom syrischen
Bürgerkrieg ›am meisten betroffene
Land‹ sei. Widerspruch, so Carlens,
kam von dem Linkspartei-Vize Jan van Aken, der erklärte, daß »Syrien die Türkei nicht bedrohe; und gegen Chemiewaffenarsenale
seien Patriot- Raketen außerdem nicht
verwendungsfähig. Die Argumente erinnerten ihn an die US-Propaganda gegen den
Irak vor zehn Jahren: ›Wenn Sie noch einmal die Chemiewaffen als
Argument anführen, dann sollen Sie für viele Jahre zwischen Colin Powell und
George W. Bush im Fegefeuer schmoren‹, so van Aken zu de Maizière.
Seine Partei werde - als einzige - den geplanten Einsatz ablehnen. Doch das
Durchwinken immer neuer Kriegseinsätze ist dem Bundestag längst zur Routine
geworden.« »Und auch die Heimatfront«, so Carlens
ferner, »ist
eingeordnet. In einem ›offenen Brief‹ an Baschar al-Assad, der vom Berliner
Literaturfestival am 12. 12. 12 veröffentlicht
wurde, wird dem syrischen Präsidenten der Rücktritt nahegelegt. Falls er dem
Vorschlag der Literaten nicht nachkäme, gebe es ›nur eine andere Lösung‹:
›Entweder getötet zu werden, wie
Saddam Hussein oder Muammar Al-Ghaddafi, oder ein Leben im Gefängnis in einer
sterilen Zelle in Den Haag‹, heißt
es in dem unter anderem von Alfred Grosser, Martin Walser und David Grossman
unterschriebenen Papier. Purer Großmachtchauvinismus. Schriftsteller als Lynchmob.«
Offensichtlich
gibt es für das, zu was man sich hergeben kann, keine Grenzen mehr. Wie jetzt
allerdings bekanntgegeben wurde, zieht wenigstens Alfred Grosser seine Unterschrift unter
den Brief zurück. [3]
Damit,
erklärt Rüdiger Göbel, »ist ›Deutschland jetzt auch
offiziell Kriegspartei in Syrien‹.« [4] Der Einsatz ist für Anfang
2013 geplant und soll die hochverschuldete BRD zunächst 25 Millionen
Euro kosten. Auch US-Verteidigungsminister Leon Panetta hat den Befehl zur Verlegung
von Patriot-Abwehrraketen und 400 Soldaten an die türkisch-syrische Grenze unterzeichnet;
die Niederlande werden ebenfalls mit je zwei Patriot-Einheiten und 400 Soldaten
präsent sein. Elke Hoff, die FDP-Wehrexpertin hatte sich am 14. 12. im
Bundestag für das Patriot-Mandat stark gemacht. Die Entsendung deutscher
Soldaten mit dem Flugabwehrsystem nach Anatolien sei ›sinnvoll und notwendig‹.
Einstellungen dieser Art, denke ich, gilt es im Gedächtnis zu behalten. Bekanntlich
hatte das NATO-Mitglied Türkei um Schutz gebeten. Man muss sich das einmal
vergegenwärtigen: Die aktive Rolle der Türkei beim Aufbau der syrischen
Rebellen liegt offen, aber ganz plötzlich sieht sich das Land jetzt bedrängt. [5] Wie
auch Göbel festhält, war Ankara an der Gründung und am Aufbau der
oppositionellen ›Freien Syrischen
Armee‹ beteiligt; über das NATO- Mitgliedsland
werden die Aufständischen logistisch unterstützt. All das ist kein Geheimnis. Hierzu
schreibt Werner Pirker: »Daß die militärische Zusammenrottung der Westmächte im
Grenzgebiet zu Syrien dem Schutz der Türkei vor Aggressionshandlungen der Assad-Truppen
dienen soll, glauben wohl nicht einmal die dümmsten Nachbeter westlicher
Propagandalügen. Es heißt, die Türkei befürchte ein Übergreifen des
syrischen Bürgerkriegs auf ihr Territorium. In Wirklichkeit aber hat Ankara den
syrischen Bürgerkrieg von türkischem Territorium aus in das arabische
Nachbarland hineingetragen. Die im Sold des Westens und des
Golf-Kooperationsrates stehenden syrischen Kontra-Banden wurden in der Türkei
ausgebildet, mit Waffen versorgt und in Richtung syrische Grenze in Bewegung
gesetzt, wo sie Feuergefechte provozierten und so der türkischen Armee Vorwände
lieferten, auf syrisches Territorium ›zurückzuschießen‹. Ankara ist schon seit längerem
bemüht, die NATO in eine direkte Konfrontation mit dem Levantestaat
hineinzuziehen. Doch erst jetzt erachtet die Kriegsallianz die Türkei als
hinreichend bedroht, um den ›Bündnisfall‹, der ein Eingreifen des Kriegspaktes
zugunsten eines Mitgliedslandes vorsieht, ernsthaft in Erwägung zu ziehen.« [6]
»Der
CDU-Außenpolitiker Philip Mißfelder«, vermerkt Rüdiger Göbel ferner, »hat
dreist gelogen und behauptet, die Türkei habe deeskalierend im Syrien-Konflikt
gewirkt.« [4] Mißfelders Parteifreund Andreas Schockenhoff
hat die Waffenhilfe für die Assad-Gegner am 12. 12. im Bundestag auf eine nicht
zu überbietende Weise verteidigt: »Da der UNO-Sicherheitsrat bis heute
blockiert ist und keine wirksamen Maßnahmen ergreifen konnte, war kein anderer
Weg möglich, als die syrische Opposition mit Waffen zu versorgen, um das
syrische Regime zu stoppen.« Wenigstens sprach der Vorsitzende der
Linksfraktion, Gregor Gysi, aus, was zu befürchten steht: Er kritisierte den
Türkei-Einsatz als »Einmarsch im Nahen Osten.« Offenbar kam diese Wahrheit
recht ungelegen, da er damit tumultartige Reaktionen auslöste. Noch
heisst es, dass der Einsatz auf das NATO-Territorium beschränkt bleibe und
nicht Teil einer Flugverbotszone über Nordsyrien würde. Über eine solche hatten
die USA und die Türkei Mitte August beraten. Die Einrichtung einer Flugverbotszone
würde allein schon deshalb Krieg bedeuten, weil sie sich nur mittels militärischer Gewalt erzwingen lässt. »Zudem«, so Werner Pirker, »hat die NATO-Intervention in Libyen
bewiesen, daß
ein
Luftkrieg gemeint ist, wenn von einer Flugverbotszone die Rede ist.«
Die mit Al-Kaida
verbundene Gruppe Jabhat al-Nusra Bei ihrem
Ziel, den Sturz der syrischen Regierung herbeizuführen, haben sich die USA, Grossbritannien
und Frankreich, ähnlich wie 2011 bei dem Bündnis für den Sturz von Gaddafi in Libyen, auf hartgesottene Al-Kaida-Kämpfer gestützt,
nämlich auf die effektivste Rebellenfraktion im Kampf gegen die syrische Armee,
die Jabhat al-Nusra. [7] Diese besteht aus irakischen
und syrischen Mitgliedern der sogenannten ›Al-Kaida des Iraks‹, die dort
die US-Besatzer bekämpften, bevor sie über die Grenze gingen, um gegen Assad zu
kämpfen. Neuesten Erkenntnissen zufolge ist dieser Al-Kaida-Ableger für fast
alle Selbstmordanschläge und die meisten erfolgreichen Militäraktionen gegen
die Pro-Assad-Kräfte verantwortlich. Zu dieser
Gruppierung vermerkt der US-Journalist der ›McClatchy Newspapers‹, David
Enders, dass diese für das erfolgreiche Vordringen der Rebellen wesentlich sei;
al-Nusra führe noch immer Selbstmordattentate durch, bei denen Hunderte den Tod
fänden. Überall im Land führe al-Nusra zusammen mit ähnlichen Gruppen die
schwersten Kämpfe an der Front an. In der Folge rückten dann diejenigen Kräfte,
die sich als ›Freie Syrische Armee‹ bezeichnen -
dieser liess die Regierung Obama immerhin 200 Millionen $ zukommen - in
die eroberten Gebiete vor. [8] Das
US-Aussenministerium hatte seit Monaten geplant, al-Nusra auf die Liste der
internationalen Terror-Organisationen zu setzen, hatte dies aber
verschoben, weil die Gruppe für den Kampf gegen Assad
so wichtig ist. Inzwischen ist Jabhat al-Nusra von der USA aber doch als
terroristische Organisation eingestuft worden, eine Entscheidung, die in Syrien
auf eine heftige Gegenreaktion stiess; über 100 syrische Oppositions- und
Kampfgruppen hatten für den 14. Dezember zu Demonstrationen aufgerufen, um
gegen diese Brandmarkung zu protestieren; es wurde eine Petition unterzeichnet,
in dem ihre Solidarität mit al-Nusra zum Ausdruck gebracht wurde; gleichzeitig
warben sie für das Motto ›Nein zur
amerikanischen Intervention – wir alle sind Jabhat al-Nusra‹. Auch Ahmed Moaz al Khatib, der Vorsitzende der von der USA, Europa
und fast einhundert Ländern als ›legitime
Vertretung des Syrischen Volkes‹
anerkannte ›Syrische Oppositionskoalition‹, die ›National Coalition of Syrians Revolutionary and Opposition Forces‹ [NCSROF], sagte bei dem Treffen der ›Freunde Syriens‹ am 12. Dezember: Die Entscheidung, eine der Gruppen, die gegen
das Assad-Regime kämpft, als terroristische Organisation einzustufen, muß
erneut aufgerollt werden. Wir haben ideologische und politische Unterschiede
mit bestimmten Parteien, aber die Revolutionäre verfolgen alle dasselbe Ziel,
das kriminelle tyrannische Regime zu stürzen. [9] Hochrangige US-Geheimdienstexperten betonen, dass die
Neosalafisten in der syrischen Opposition inzwischen so vorherrschend geworden sind,
dass die Vorstellung, eine Regierung nach Assad ohne sie zu bilden, naiv wäre.
Sogar in der von der USA und Europa geförderten ›neuen‹ politischen und militärischen Führung
der Opposition überwiegt die syrische Muslimbruderschaft. Führende Sprecher
dieser Gruppe haben betont, dass sie an der engen Zusammenarbeit mit Jabhat al-Nusra
und anderen Dschihad-Gruppen festhalten werden. Dennoch schreckt diese Sachlage
die CIA nicht davon ab, Saudi-Arabien, die Türkei und Katar dabei zu
unterstützen, die Rebellen in der Region mit schweren Waffen zu versorgen.
Wie der
syrische Vizepremier Qadri Jamil am 14. 12. erklärte, bestehen mehrere bewaffnete
regierungsfeindliche Formationen in Syrien zu 40 % aus ausländischen Söldnern. »In den verschiedenen
Gebieten sind die Anteile ausländischer Söldner unterschiedlich. In Damaskus
und Umgebung sollen es 10 bis 15 % und in der Nähe der türkischen Grenze 40 %
sein«,
sagte Jamil am 14. 12. in Moskau zu RIA Novosti. Er äusserte die Überzeugung,
dass die beiden Konfliktseiten früher oder später einen Dialog aufnehmen
werden. Denn alle Versuche, die bestehenden Probleme mit Waffengewalt zu lösen,
seien ausgeschöpft worden, so der syrische Politiker.
Die ›Syrische Oppositionskoalition‹ war am 11. Dezember von der USA sowie
von England und Frankreich als die einzige ›legitime
Vertretung‹ der Bevölkerung ihres
Landes anerkannt worden. François
Hollande hatte sich als erstes Staatsoberhaupt am 17. 11. mit dem neuen
syrischen Oppositionschef, Ahmed Muas al-Chatib, in Paris getroffen. Wie beim
Sturz Gaddafis nimmt Frankreich bei der Unterstützung der Oppositionskräfte im
Syrienkonflikt eine Vorreiterrolle ein und hat auch auf Waffenlieferungen an die Rebellen
gepocht. Mit der Anerkennung der Koalition ist für Obama der Weg für eine grössere Unterstützung
durch die Vereinigten Staaten freigemacht. Die Öffentlichkeit liess Obama in
einem Interview mit ›ABC News‹ folgendes wissen: »Natürlich
sind mit dieser Anerkennung Verpflichtungen verbunden. Sicherzustellen, dass
sie sich effektiv organisieren, dass sie alle Parteien repräsentieren, dass sie
sich selbst zu einem politischen Übergang verpflichten, der die Rechte von
Frauen und Minderheiten respektiert.« Wer
würde diesen Schönwetterparolen auch noch den geringsten Glauben schenken,
im Endeffekt geht es auch im Fall Syriens lediglich um die Ressourcen, der Rest
interessiert niemand, zumal die Koalition auf die Initiative der USA hin
gebildet worden war und zunächst auf der von der USA im November orchestrierten
Konferenz in Katar offiziell anerkannt worden war. Sie ist jedoch, wie John
Glaser in der ›Berliner
Umschau‹ vom 13. Dezember darlegt, weitgehend eine weitere Exilgruppe
ohne starke Wurzeln in Syrien und wird von den bewaffneten Rebellengruppen, die
im Land gegen die Regierung Assad kämpfen, vehement abgelehnt. Zu
dieser Oppositionskoalition
vermerkt Werner Pirker, dessen unvergleichlich ironische statements gar nicht
breit genug bekanntgemacht werden können, folgendes: »Nachdem mit dem sogenannten ›Syrischen
Nationalrat‹, einer Gruppe
von großsprecherischen Exilpolitikern, kein (Kolonial-)Staat zu machen war,
erfolgte unter der direkten Anleitung von US-Außenministerin Hillary Clinton
die Bildung eines etwas breiter angelegten Oppositionsbündnisses, das nun für
den Westen als Vertretung des syrischen Volkes fungieren soll. In
bescheidener Zurückhaltung überließ Washington Großbritannien und
Frankreich bei der Anerkennung der Kollaborateure den Vortritt, bevor es dem von
Clinton handverlesenen Klüngel bescheinigte, das syrische Volk zu
repräsentieren. Der amerikanischen Entscheidung folgte ein Rattenschwanz von
127 Ländern – gemeinhin als ›internationale
Gemeinschaft‹ bekannt. Es
ist somit ein weitgehender ›internationaler
Konsens‹, daß das Anti-Assad-Lager als die
legitime Führung des syrischen Volkes zu gelten habe: freilich ein vom Westen
vorgeschriebener und mit allen Mittel ökonomischer Erpressung durchgesetzter ›Konsens‹. Daß die
syrische Opposition demokratisch legitimiert sei, wird aus ihrer Kollaboration
mit dem ›demokratischen Westen‹ heraus begründet. Doch wie demokratisch legitimiert kann
eine politische Kraft sein, die ihren Machtanspruch nicht aus freien Wahlen, sondern
aus der politischen und militärischen Unterstützung durch die westlichen
Hegemonialmächte bezieht? Die Parlamentswahlen vom September 2011 und die
Kommunalwahlen vom Dezember, an der sich mehrere Parteien beteiligten, sind von
der unversöhnlichen Opposition, die keine andere Option als die eines
gewaltsamen Umsturzes in Betracht zu ziehen bereit ist, boykottiert worden. Was
hat Demokratie noch im mindesten mit der Idee demokratischer Selbstbestimmung
zu tun, wenn die Fremdbestimmung zu ihrer Voraussetzung erklärt wird? …… Obama
und Kumpane habe ihre Quisling-Regierung nominiert. Deutsche ›Friedensaufrufe‹ zum
Krieg, wie der von der Linken-Co-Vorsitzenden Kipping mit unterschriebene,
kommen ihrer Realisierung immer näher.« [10] Wie es auf der Konferenz der
Syrien-›Freundesgruppe‹ -
ein Zusammenschluss von rund 100 vor allem westlicher und arabischer Staaten, die
im eigentlichen die Feindgruppe gegen al-Assad bildet - am 12. 12. in Marrakesch hiess, gehe mit der
Anerkennung der ›Syrischen Oppositionskoalition‹ keine Aufnahme von
Waffenlieferungen an die Gegner Assads einher, jedoch sei dazu eine Tür
geöffnet worden.
Jedes Mittel recht Zur
Inszenierung des Krieges scheint inzwischen jedes Mittel recht zu sein. So
überschlugen sich die westlichen Medien gerade erst kürzlich mit Schlagzeilen,
dass Assad angeblich gewillt sei, Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung
einzusetzen. Von Präsident Obama und Aussenministerin Hillary Clinton angeführte
Spitzenvertreter der USA äusserten düstere Warnungen, während Medien die
falsche Behauptung verbreiteten, in Flugzeugen der syrischen Luftwaffe seien
bereits Kanister mit Saringas verladen worden. »Es ist sicher kein
Zufall«, schrieb ›Strategic Alert‹, »daß der britische Ex-Premier Tony Blair, der
heute, ähnlich wie früher auf George W. Bush, großen Einfluß auf Obama hat, dieselbe
schwarze Propaganda verbreitete und um Unterstützung für die extremistische
syrische Opposition warb. Man erinnere sich, daß es Blair war, der das ›aufgemotzte‹ Dossier über die angeblichen
Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein im Irak produzierte, das sich im
nachhinein als Lügengespinst herausstellte, mit dem jedoch Präsident Bush 2003 die
Irak-Invasion rechtfertigte. Der britische Außenminister William Hague sagte sogar
am 8. Dezember vor Reportern in Bahrain, die Regierung Obama habe das syrische
Regime unmittelbar gewarnt, nachdem ›Beweise‹ für Vorbereitungen
Assads auf einen Chemiewaffeneinsatz aufgetaucht seien. Auf die Frage, was das
für Beweise seien, antwortete Hague: ›Wir können das keinesfalls
näher erläutern, weil das Geheimdienstquellen sind, von denen wir diese Dinge erfahren‹. Also erneut Lüge und Vertuschung. Zahlreiche Waffenexperten
haben diese Propaganda entkräftet. Der russische Außenminister Sergej Lawrow
sagte der Presse, Rußland sei den Vorwürfen gründlich nachgegangen und zu dem Schluß
gelangt, daß es sich um eine Desinformation handle. Die Regierung Assad habe
Moskau nachdrücklich versichert, daß sie keine Absicht habe, chemische Waffen
gegen syrische Bürger einzusetzen. UNO-Generalsekretär BAN Ki-Moon sagte am
7.12., seinem Büro lägen keine bestätigten Berichte über Vorbereitungen auf
Einsätze von Chemiewaffen vor.« [7]
Wie weiter? Das
Nationale Sicherheitsteam der Regierung Obama hatte laut ›Strategic Alert‹ bereits am 1. und 2. Dezember hinter verschlossenen Türen getagt,
um letzte Einzelheiten für die Eskalation der Kampagne der NATO zum Sturz der
Regierung ASSAD in Syrien auszuarbeiten. Optionen sind nach Angaben informierter
hochrangiger US-Geheimdienstexperten u.a. das Ausspähen der Bewegungen der
syrischen Armee für die Opposition, offene Waffenlieferungen an die Rebellen
oder sogar direktes militärisches Eingreifen der USA und/oder der NATO. Auch
wenn die Vereinigten Stabschefs ein direktes militärisches Engagement der USA
vehement ablehnen, sind dennoch verschiedene Methoden indirekter Hilfe beim
Sturz des Regimes im Gespräch. [11] Einem Bericht von Jason Ditz zufolge »verliert das Pentagon ungeachtet
der extrem spekulativen Natur der syrischen ›Bedrohung‹ bei der
Vorbereitung einer Reihe von US-Optionen für verschiedene Möglichkeiten, in
Syrien einmarschieren zu können, keine Zeit. Zur Debatte steht eine
vollständige Besetzung von Syrien, die Schätzungen zufolge 75.000 Mann
erfordern würde, sowie Zehntausende mehr für eine sich daran anschliessende
unbefristende ›friedenserhaltende‹ Operation.«
Letztere bedeutet nicht weniger als die totale Vereinnahmung des Landes. »Wie
Regierungsvertreter erklären«, so Ditz ferner, »besässe die USA alles, was hierfür
gebraucht würde. Die Obama-Administration hat sich bekanntlich vor den Wahlen
zurückgehalten, direkt in den syrischen Bürgerkrieg hineinzureden, ist jedoch, seit
sie die Wahl gewonnen hat, Berichten zufolge immer mehr darauf aus, sich daran
zu beteiligen.« [12]
Der
Chef der britischen Streitkräfte, General Sir David Richards, hatte am 11.
November auf BBC erklärt, dass die britischen Streitkräfte auf eine ›sehr begrenzte‹ Militäroperation in Syrien vorbereitet
seien, sollte sich dort die ›humanitäre Lage‹ - im Klartext: der
weiterhin geschürte Krieg - in den nächsten
Monaten verschlechtern. Da Syrien von ›Partnern‹ Grossbritanniens wie die Türkei, der Libanon und Jordanien umgeben
sei, werde überlegt, britische Truppen zu deren Schutz dort zu stationieren. Grossbritannien prüfe
zudem, wie ein Waffenembargo an die Aufständischen in Syrien umgangen oder ausser
Kraft gesetzt werden könne. Hingegen erklärte der syrische Geschäftsmann Riad
Seif, man brauche keine Militärintervention. »Wir werden uns mit Waffen und
einem Netz von Abwehrraketen schützen«. Das sei ein Versprechen der ›Freunde Syriens‹. Der englische ›Daily
Star‹ berichtete
am 11. November, dass sich »Spezialeinheiten des britischen ›Special Air Service‹ (SAS)
und des ›Special Boat Service‹ (SBS) sowie Soldaten des ›Aufklärungs-Spezialregiments‹ in Syrien aufhalten, ›um die
Aufständischen in der Anwendung neuer Waffen und Explosivstoffe zu unterweisen
und ›Todeskommandos‹ der
Rebellen für Anschläge auf Präsident Assad und dessen führende Militärs
auszubilden‹. Im September hatten Al-Kaida
und die ›Freie Syrische Armee‹ bereits ein Kopfgeld in Höhe von 25 Millionen $ auf
Assad ausgesetzt. Die türkische Nachrichtenagentur ›Anadolu‹ zitierte den FSA-Kommandeur Ahmad Hidschasi mit den
Worten, das Geld werde von ›Unterstützern und
Geschäftsleuten aus dem Ausland‹ zur
Verfügung gestellt. Saudi-Arabien und Katar lassen sich die Unterstützung der
Bemühungen, al-Assad zu stürzen und zu ermorden, einige Zigmillionen Dollar
kosten. Über die Türkei und eine ›im Verborgenen agierende Gruppe ‹, die als eine Art Kommandozentrum von Istanbul aus
operiert, wird die Verteilung der wichtigen Rüstungsgüter, die angeblich von
Saudi-Arabien und Katar bereitgestellt werden, organisiert und mit Hilfe
türkischer Geheimdienstkreise an die Grenze zu Syrien und dann zu den Rebellen
transportiert.« [13]
NATO-Generalsekretär
Anders Fogh Rasmussen hatte ›Strategic
Alert‹ zufolge am 4. 12., »nachdem Obama am Vortag Syrien
ähnlich gedroht hatte, verlangt, man solle jetzt endlich gegenüber Syrien und
Iran nicht mehr ›den Kopf in den
Sand stecken‹ – sprich: ein militärisches
Eingreifen vorbereiten. Laut einem Bericht der ›Süddeutschen Zeitung‹
vom 6. 12. stieß Rasmussen bei einem
informellen Abendessen der NATO-Außenminister
in Brüssel indessen auf vehementen Widerstand, vor allem von Seiten der Außenminister Deutschlands, Hollands, Tschechiens und
Polens. Auf der Seite Rasmussens standen dem Zeitungsbericht zufolge Großbritannien, die USA, die Türkei und tendenziell
auch Frankreich. Ein Teilnehmer des Außenministertreffens
hatte laut dieser Zeitung den Eindruck, ›Kriegstrommeln‹ zu hören, als Rasmussen sprach. Dabei
war dieser noch vor wenigen Wochen gegen eine Militärintervention gewesen.
Offenbar hat London, das Zentrum der interventionistischen Fraktion in der NATO
- mit Tony Blair als führendem
internationalen Vertreter [wie beim Irakkrieg 2003] - Rasmussen ins Kriegslager gezogen. Die
deutsche und niederländische Regierung fürchten eine Diskussion über
Vorbereitungen der NATO auf einen Krieg in Syrien, weil schon die Einrichtung
einer Flugverbotszone ein offensiver Kriegsakt und damit ein Bruch des
Völkerrechts wäre. Sie würden in ihren Parlamenten mit der Bitte um Genehmigung
des Einsatzes von Patriot-Luftabwehrraketen in der Türkei auf Widerstand
stoßen, auch wenn nur der Verdacht besteht, daß die NATO einen Militäreinsatz
in Syrien erwäge.« [7] Indessen ist der befürchtete Widerstand gegen
die Stationierung von Patriot-Raketen, wie sich jetzt gezeigt hat, weder in
Deutschland noch in den Niederlanden eingetreten, von der USA ganz abgesehen.
In Brüssel
setzen die Staats- und Regierungschefs der EU ihre Beratungen über Beistandshilfen
für Assads Gegner fort. Grossbritanniens Premier David Cameron drängte dabei
auf eine Aufhebung des Waffenembargos gegen die syrische Opposition. Die Aufständischen
könnten so auch offiziell von NATO-Staaten ausgerüstet werden, auch mit
Ergebnissen aus der AWACS-Aufklärung. Dagegen hatte Wolfgang Gehrcke, Mitglied
im Vorstand der Fraktion ›Die Linke‹ im Bundestag, schon Anfang November
die Notwendigkeit ausgesprochen, alle Kraft auf das Erreichen eines
Waffenstillstands zu konzentrieren, Waffenlieferungen nach Syrien konsequent zu
unterbinden sowie alle Konfliktseiten zum Dialog und zum Verzicht auf Gewalt
aufzufordern. Ein Dialog ohne Einbeziehung der jetzigen syrischen Regierung
mache keinen Sinn. Ein Regierungswechsel könne am Schluss von Vereinbarungen
der verschiedenen Kräfte in Syrien stehen, ist aber als Vorbedingung
kontraproduktiv. [14] Auch die Aussenminister Irans und
Chinas, Ali Akbar Salehi und Yang Jiechi, haben am 12. 12. in Peking erneut
eine friedliche und politische Lösung ohne ausländische Einmischung für Syrien
angemahnt. Die grössere Gefahr im eskalierenden Syrienkonflikt ist laut ›Strategic Alert‹ die, dass eine direkte militärische Einmischung der USA oder der
NATO zum Sturz Assads ein grosser Schritt in Richtung eines Dritten Weltkriegs
wäre, in dem der Westen gegen Russland und China stünde. Paradoxerweise
verkörpern gerade führende Militärs des Westens, die
über die Regimewechselpolitik und ihre Folgen schockiert sind, heute eine ganz
entscheidende Kraft zur Kriegsverhinderung. Tatsache ist,
dass die 6. US-Flotte seit Monaten vor der Küste Syriens operiert und einige
NATO-Staaten, wie längst öffentlich bekannt, eine vielfältige militärische
Unterstützung für die Rebellen leisten. Entgegen den Bekundungen der
Bundesregierung zielt die Patriot-Stationierung auf den russischen Widerstand
gegen eine westliche Militärintervention in Syrien, wie er sich Anfang 2012 in
der syrischen Marinebasis Tartus u.a. durch den russischen Flugzeugträger ›Admiral Kusnezov‹
manifestiert hatte. Da die Patriot-Staffeln der NATO die Operationsplanungen
für russische Luftstreitkräfte erheblich erschweren würden, birgt deren Stationierung
im Hinblick auf eine mögliche militärische Konfrontation zwischen Russland,
China und der NATO enorme Eskalationsrisiken.
[15]
»Der Countdown zur globalen Machtprobe«, führt ›Strategic Alert‹ ferner aus,
»hat begonnen. Neben dem Kampf gegen Assad ist die Stationierung
von Patriot-Raketen, die angreifende Raketen und Kampfflugzeuge abschießen
können, in der Türkei aber auch Teil einer allgemeinen Neuausrichtung der
NATO-Kräfte auf Einsätze außerhalb des NATO-Vertragsgebiets, so in Afrika, am
Persischen Golf und sogar in Südasien. Die NATO hat auch angekündigt, ihre
Kommandos für die Landstreitkräfte, die bisher in Spanien und Deutschland
sitzen, zu einer übergreifenden Einheit mit Hauptquartier in der Türkei zusammenzufassen.
Das ist ein mehr als deutliches Signal an Moskau. Wie NATO-Vertreter gegenüber
Journalisten erklärten, wird damit das Kommando der Landstreitkräfte zwischen
dem Persischen Golf und der Südgrenze Rußlands stationiert sein. Die Ausweitung
der NATO-Kräfte in der Türkei richtet sich genauso gegen den Iran wie gegen
Syrien, aber das eigentliche Ziel sind die beiden Atommächte Rußland und China.« [11]
»In
Zeiten ›humanitärer‹ Kriegskonjunktur«, legte
Norman Paech Mitte März dar, »ist es gut, sich eines Jahrestages zu erinnern, an
dem das Tor zu einem Krieg geöffnet wurde, der an die 50 000 Tote,
Hunderttausende Verletzte und traumatisierte Opfer, zerstörte Städte und eine
zerbrochene Gesellschaft mit ungewisser Zukunft hinterlassen hat. Am 17. März
2011 ermächtigte der UNO-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 1973 alle
Mitglieder der UNO gemäß Artikel 42 der UNO-Charta
zum Einsatz militärischer Gewalt gegen das Regime Muammar al-Gaddafis. Schon
zwei Tage später, am 19. März, dem 8. Jahrestag des Überfalls auf Bagdad, begannen
11 Staaten unter Führung der USA, Frankreichs und Großbritanniens einen
Luftkrieg gegen Libyen, der erst im Oktober endete – nach dem Tod Gaddafis
unter ungeklärten Umständen.« [16] Bei seinem Besuch in der Türkei am
4. Dezember hatte Putin erklärt, der Einsatz von Patriot-Raketen sei »nicht
der richtige Weg und könnte die Situation verschlechtern.« Ferner,
unter klarer Bezugnahme auf das Vorgehen des Westens in Libyen: »Wir wollen nicht, dass die kürzlich gemachten Fehler wiederholt werden.«
So, wie
die Lage im Augenblick beschaffen ist, ist nicht der geringste Hinweis
vorhanden, dass die von Paech in Erinnerung gerufenen Folgen resp. Putins
Mahnung, dieselben Fehler nicht zu wiederholen, auch nur den kleinsten
Widerhall unter den Angriffsmächten gefunden hätte, sonst könnten diese nicht erneut einen Weg
beschreiten, der, wenn er weiterhin begangen wird, in denselben Morast führen
muss.
Für die
EU, die soeben mit dem Friedensnobelpreis bedacht worden ist, gilt der Friede
ganz offensichtlich nur bis zu ihren Grenzen, darüber hinaus kann ja ›gekriegt‹ werden. In Wahrheit hat diese Auszeichnung, wie ich schon einmal
darlegte, drei sehr simple und konkrete Gründe: In der EU selbst darf kein
Krieg mehr stattfinden, da die EU-Bürger dafür zu arbeiten haben, dass die
finanzielle Basis für die zunehmende EU-Militarisierung erhalten bleibt, ferner
müssen sie jeweils als nicht konsultierte Geber die Milliarden bereitstellen, die
im Anschluss an die Zerstörungen in den vom British Empire, der USA und der
NATO überfallenen Ländern für den Wiederaufbau erforderlich sind, und drittens
sind sie gehalten, die durch die Kriege verursachten Asylantenströme
aufzunehmen und zu ernähren.
[1] http://www.bueso.de/node/6200 13. 12. 12 [2] http://www.jungewelt.de/2012/12-13/052.php Große Kriegskoalition - Von Sebastian Carlens [3] http://www.barth-engelbart.de/?p=2749http://www.barth-engelbart.de 16. 12. 12 [4] http://www.jungewelt.de/2012/12-15/056.php 14. 12. 12 Einmarsch
in Nahost - Von Rüdiger Göbel [5] Siehe hierzu »Syrien - Die ›programmierte‹
Zertrümmerung« - Von Doris Auerbach http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1994 2. 9. 12 [6] http://www.jungewelt.de/2012/12-15/064.php Zusammenrottung
- Countdown zum Krieg läuft - Von Werner Pirker [7] Strategic Alert Jahrgang 25, Nr. 50
vom 12. 12. 12 [8] http://www.mcclatchydc.com/2012/12/02/176123/al-qaida-linked-group-syria-rebels.html#storylink=omni_popular 2. 12. 12
By David Enders | McClatchy Newspapers [9] http://www.bueso.de/node/6203 14. 12. 12 [10] http://www.jungewelt.de/2012/12-13/024.php Kriegserklärung - Anerkennung
der syrischen Opposition - Von Werner Pirker [11] Strategic Newsletter Jahrgang 25, Nr. 49 vom 5. 12. 21 [12] www.antikrieg.com
resp. http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=69163&title=Pentagon+erw%E4gt+Optionen+f%FCr+Angriff+auf+Syrien+&storyid=1001355126774 10. 12. 12
Jason Ditz Pentagon erwägt
Optionen für Angriff auf Syrien [13] http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/kurt-nimmo/england-bildet-todeskommandos-fuer-die-ermordung-assads-in-syrien-aus.html 14. 11. 12 England bildet Todeskommandos für die Ermordung Assads in Syrien aus - Kurt
Nimmo [14] http://www.jungewelt.de/2012/11-13/029.php Verzicht
auf Gewalt [15] http://www.darmstaedter-signal.de/aktuell/20121208_AKDS_PM_Patriot.php 8. Dezember 2012 [16] http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Libyen/paech3.html 17. 3. 12 Der
Türöffner zum Krieg - UN-Resolution 1973 diente als Lizenz für
einen Regimewechsel - Von Norman
Paech
Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2018
21. 10. 12 Hände weg
von Syrien - Bündnis gegen den Krieg
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1996 9. 9.
12 Drängen
auf offenen Krieg in Syrien
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1915 12. 3. 12 Sind USA
und NATO in Syrien mit Al Kaida verbündet?
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