Ein weiterer Schritt zur Diktatur - Von Prof. Karl Albrecht Schachtschneider

Das Bundesverfassungsgericht hat sich dem Unrecht der politischen Klasse nicht in den Weg gestellt.

Die Bürger Deutschlands und der weiteren Europäischen Union können über das Urteil des Gerichts vom 12. September 2012 nicht froh sein. Es war die wohl letzte Chance, den wirtschaftlichen und politischen Niedergang Deutschlands und der übrigen Union aufzuhalten und sich auf den Weg der praktischen Vernunft zu begeben, um die Mitgliedsstaaten wieder zu Rechtsstaaten, Sozialstaaten und Demokratien zu reorganisieren. Der Union hätte nach dem Ende des Euro-Abenteuers wieder eine Gestalt gegeben werden können und müssen, welche der Freiheit der Bürger und deren Souveränität genügt, ein europäisches Europa, ein Staatenbund der Nationalstaaten, ein Europa der Freiheit, des Rechts und der Staaten. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich, fest in die politische Klasse eingefügt, der europäischen Integrationsideologie  - der Vision eines großen, mächtigen Europas, einer Großmacht neben den Vereinigten Staaten von Amerika, neben China, neben Rußland, neben den neuen erwarteten Großmächten wie Brasilien, Indien und anderen  - unterworfen. Die Union wird ein großer Staat werden, aber ein Staat der Unfreiheit, des Unrechts, der Armut, ein Staat des Krieges, im Innern und nach außen, ein failed state. Die wichtigsten Sicherungen der Freiheit und des Rechts gehen verloren, die horizontale und die vertikale Gewaltenteilung. Seit der Aufklärung sind diese die Kriterien der Republikanität, deren Fehlen die Definition der Despotie ist. Die horizontale Gewaltenteilung, die zwischen der Exekutive und der Legislative, ist in den Parteienstaaten längst entleert, zunehmend auch die Unabhängigkeit der Judikative, wie das Urteil erweist. Darum ist die Stärkung des Parlamentarismus durch alle europapolitischen Urteile des Bundesverfassungsgerichts der jüngeren Zeit nur ein schwacher Schein des Rechtsschutzes der Bürger. Das parteiengeprägte Parlament beschließt, was ihm die Parteienoligarchie vorgibt. Die wiederum ist international eingebunden und von nicht offengelegten Machthabern befohlen, vornehmlich aus der Finanzwelt, die sich als die wirkliche Obrigkeit unserer Niedergangszeit durchgesetzt hat. Demokratie ist dieser zuwider. Darum drängt sie diese Schritt für Schritt zurück, mit allen Mitteln der Propaganda, der Ausgrenzung, der Korruption. Demokratie und Kapitalismus sind nun einmal genauso unvereinbar wie Demokratie und Sozialismus. Nur bürgerliche Gemeinwesen, Republiken, können, müssen aber auch demokratisch sein. Das Bündnis der Kapitalisten mit den Sozialisten ist das Unglück unserer Zeit.

Freie Wahlen in Gefahr  
Allerdings geben die bürgerlichen Rechte des Parlaments auch Chancen für die Menschen, von Untertanen wieder zu Bürgern zu werden. Dafür müssen diese nur anders wählen. Freilich weiß man nicht, wie lange ihnen die Möglichkeit dafür gelassen wird. Verfassungsschutz, Medien und Wahlsystem behindern schon lange und recht wirksam freie Wahlen. Die Diktatur hat sich schon hinreichend bewaffnet, jedenfalls hat sie alle Organe des Staates fest in ihrer Hand, jetzt auch die »unabhängige« Zentralbank und zunehmend das Bundesverfassungsgericht. Letzteres hätte spätestens 1998 die Einführung der einheitlichen Währung, des Euros, unterbinden müssen. Aber das Zusammenspiel der Parteienoligarchie mit dem Verfassungsgericht läuft wie geschmiert. Vielleicht genügt dafür allein die Ideologie »Europa, Europa«, die postnationale »Religion«, der vermeintliche Fortschritt zu einer neuen Welt, der New World. Die linke Political Correctness ist nun einmal unverbesserlich internationalistisch, egalitaristisch und sozialistisch. Auf Freiheit, auf Recht, auf praktische Vernunft hat sie noch nie Rücksicht genommen. Das ist den Ideologen auch viel zu mühsam und hindert sie vor allem an der Machtentfaltung. Religionen und Ideologien unterscheiden sich insofern nicht. Es geht um die Macht der Priester und der Kommissare, die sie in Gemeinwesen der praktischen Vernunft nicht haben können; denn in diesen sind die Menschen Bürger, also frei. Der Kapitalismus weiß den Verfall der praktischen Vernunft, der Freiheit und des Rechts in den sozialistisch ideologisierten Parteienstaaten trefflich für seine Interessen zu nutzen, sowohl durch Manipulation der Vermögensmärkte die Vermögen weitestgehend an sich zu ziehen, als auch eine imperiale Macht aufzubauen, die diese Vermögen zu sichern erlaubt. Das Bundesverfassungsgericht hält sich aus dem Machtkampf heraus, als wäre dieser nur eine Sache der Politik, die Regierung und Parlament zu verantworten hätten. Es ist aber eine Sache des Rechts. Sowohl der internationale Kapitalismus als auch der internationale Sozialismus sind mit der Souveränität der Völker, mit deren Freiheit und mit deren Recht unvereinbar. Diese zu verteidigen ist Amt des Gerichts. Es ist eingerichtet, um Widerstand gegen das Unrecht unnötig zu machen. Es hat wieder versagt.

Bürgerrechte erneut geschwächt 
Das Gericht hat die Eilanträge abgelehnt, mit denen die völkerrechtliche Verbindlichkeit durch Vertragsratifizierung erstens der Umwandlung der währungsrechtlichen Stabilitätsgemeinschaft in eine Haftungs-, Schulden- und Finanzunion mittels des neuen Art. 136 Abs. 3 AEUV, zweitens des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, der neben dem vorläufigen »Rettungsschirm« die Staatsfinanzierung wirtschaftlich gescheiterter Staaten vor allem durch Deutschland übernehmen soll, und drittens des Fiskalpakts, dessen Kern die illusionäre »Schuldenbremse« und die Verpflichtung zum Schuldenabbau ist, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache und damit in allen Anträgen unterbunden werden sollte. Die Zustimmungsgesetze zu den Verträgen waren alle in weitgehender Unkenntnis ihrer Inhalte vom Bundestag und vom Bundesrat am 29. Juni 2012 verabschiedet worden. Das Gericht hat, um die Ablehnung rechtfertigen zu können, die Anforderungen an eine einstweilige Anordnung entgegen dem Recht und entgegen dem Interesse am Schutz wenigstens des Kerns der Verfassung der Bürger wesentlich verschärft. Es hat nämlich den Erfolg eines Eilantrags, wenn es um die Ratifizierung völkerrechtlicher, zumal europarechtlicher Verträge geht, davon abhängig gemacht, daß die Verfassungsbeschwerden in »summarischer Prüfung« mit »hoher Wahrscheinlichkeit« Erfolg versprechen. Bisher genügte es, daß sie nicht offensichtlich unbegründet sind, abgesehen von der außerdem notwendigen Folgenabwägung einer einstweiligen Anordnung zum Nachteil des verklagten Staates oder deren Ablehnung zum Nachteil der Beschwerdeführer. Das ist eine erneute schmerzliche Schwächung der Bürgerrechte. Das Gericht hat lediglich den Vertragsinhalt in zwei wichtigen Punkten klargestellt und Deutschland dazu verpflichtet, die richtige Interpretation des Vertrags völkerrechtlich sicherzustellen. Zum einen ist das die Begrenzung der Gewährleistung des Stammkapitals des ESM durch Deutschland auf etwa 190 Milliarden Euro, die ernsthaft nicht bestreitbar war, aber doch zu besorgten Interpretationen geführt hat, nämlich dahin, daß die Kapitalabrufe nach dem Vertrag bis zu 700 Milliarden Euro gehen könnten, wenn andere ESM-Mitglieder ihren Zahlungspflichten nicht nachkommen, oder daß die Ausgabewerte der Beteiligungen nicht an den im Vertrag festgelegten Nennwert gebunden seien und sich dadurch die Belastungen Deutschlands beliebig erhöhen ließen. Weiterhin hat das Gericht die demokratiewidrigen Geheimhaltungsregeln des ESM insoweit zurückgewiesen, als sie auch die vollständige Information des Bundestages über die Handlungen des ESM ausgeschlossen hätten. Der Bundestag kann beanspruchen, über allen Informationen, welche die Bundesregierung besitzt, unterrichtet zu werden; denn er hat die Integrationsverantwortung. Das ist gut, aber der Deutsche Bundestag hat hinreichend unter Beweis gestellt, daß er nicht befähigt ist, diese Verantwortung wahrzunehmen. Im Übrigen: Was die Abgeordneten wissen, müssen auch die Bürger wissen dürfen und können; denn die Abgeordneten sind Vertreter des Volkes, dessen Diener und nicht dessen Herren und Vormünder. 

Bundestag wird Deutschland weiter bluten lassen  
Ich hege wenig Zweifel, daß der Bundestag dem Ansinnen, die Gewährleistung Deutschlands und damit die Finanzierungspflicht des Deutschen Volkes zu erweitern, wenn der ESM das anfordert, »europabegeistert« folgen wird, bis zum bitteren Ende. Die Abgeordneten haften doch nicht mit dem eigenen Vermögen. Es gilt das wichtigste innere, nie gesagte Argument: Uns geht es doch gut; wir sind auf der richtigen Seite. Im Bundestag sitzen allenfalls vereinzelt Abgeordnete mit bürgerlichem Gewissen, mit Verantwortungsgefühl für die »Menschen im Lande«, mit Leidenschaft für Deutschland. Jedem willigen Vollstrecker winkt auch ein Amt in der Europäischen Union oder ein Job in der Industrie, möglichst der Finanzindustrie, sollte er sein einträgliches Mandat für jüngere Interessenten räumen müssen, freilich nachdem er die Pensionsansprüche ersessen hat, was sehr schnell geht. Das Bundesverfassungsgericht gibt seinem berechtigten Mißtrauen Ausdruck, daß der Europäische Gerichtshof den Vertragstext entgegen dem Wortlaut und entgegen den gebotenen Interpretationsmethoden wie üblich integrationistisch entgegen den Interessen Deutschlands auslegt und Deutschland für verpflichtet erklärt, über die 190 Milliarden Euro hinaus dem ESM Kapital zur Verfügung zu stellen. Der Bestand und die Vertiefung der Europäischen Union ist diesem »Gericht« das höchste »Rechtsprinzip«, in dessen Interesse auch die Verträge gebeugt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht nicht ausschließen können, aber mit seiner Ratifikationsauflage größtmöglich erschwert. Deutschland wäre an eine vertragswidrige Vertragsauslegung ohnehin nicht gebunden, hätte aber, wenn es die Vertragstreue zur Geltung bringen wollte, nur die Möglichkeit, die Union zu verlassen. Das wäre richtig, aber das ist von der politischen Klasse keinesfalls zu erwarten, solange das Volk sie nicht dazu zwingt. Das Volk aber ist in die Irre geführt. Die einzige Rettungschance für Deutschland und Europa liegt in einer anderen Besetzung des Deutschen Bundestages. Die Alternative auf mittlere Sicht ist nicht nur die wirtschaftliche Destabilisierung Deutschlands und der übrigen Union, sondern in deren Gefolge die politische Destabilisierung. Deren Folgen sind freilich ungewiß. Sie müssen keineswegs die Rückkehr zum Recht sein. Eher ist die harte Diktatur der Europäischen Union zu erwarten.  

Zentralistischer Bundesstaat formiert sich 
Art. 136 Abs. 3 AEUV rechtfertigt das Bundesverfassungsgericht als stabilitätsverpflichtete  Weiterentwicklung der Währungsunion im Rahmen der Struktur derselben, die ihr der Maastricht-Vertrag gegeben hat und geben mußte. Es gesteht nicht zu, daß diese Vertragsänderung die Stabilitätsgemeinschaft in eine Haftungs- und Schuldenunion umwandelt, das Gegenteil einer Stabilitätsgemeinschaft, zudem gänzlich unbestimmt in den Voraussetzungen und den Vorschriften, welche den Nehmerländern zu machen sind, also den Auflagen. Vor allem diese Vertragsänderung begründet die Finanzunion und beendet die Eigenständigkeit der mitgliedsstaatlichen Haushalte. Sie schafft eine neue Union, endgültig den zentralistischen Bundesstaat, souveränitätswidrig, demokratiewidrig, rechtsstaatswidrig und allemal sozialstaatswidrig. Sie gibt den Integrationspolitikern eine Ermächtigung an die Hand, die sie zu jedweder Integrationsmaßnahme befugt. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung ist ad acta gelegt. Unbestimmte Verträge sind rechtsstaatswidrig und damit der Freiheit der Bürger und deren politischer Form, der Demokratie, unvereinbar. Gegen die völkerrechts- und demokratiewidrige Stimmrechtsaussetzung im ESM der Vertreter der Mitgliedsstaaten im Gouverneursrat oder im Direktorium des ESM, welche ihren Beitrag nicht entrichtet haben, hat das Bundesverfassungsgericht nichts einzuwenden. Das kann auch Deutschland treffen, so daß es zu ruinösen Zahlungen oder Haftungen verpflichtet werden kann, ohne selbst mitzubestimmen. Das ist mit der Souveränität eines Volkes schlechterdings unvereinbar, wie auch die Auflagen an fremde, hilfsbedürftige Staaten, die freilich kaum mehr aufrechterhalten werden, weil sie auch nicht durchgesetzt werden können. Wichtig ist der politischen Klasse nur der Bestand der Union. Diese hat einen großen Vorteil: Sie ist nicht demokratisch. In der Schuldenordnung des Fiskalpaktes sieht das Gericht keinen erheblichen Unterschied zur Regelung der Haushaltsdisziplin des jetzigen Arbeitsvertrages (Art. 126 AEUV), aber auch nicht zur Schuldenordnung des Grundgesetzes. Es läßt den Fiskalpakt also durchgehen. Diese Einschätzung ist mehr als oberflächlich, verpflichtet doch der Fiskalpakt zur Schuldenrückführung, für die Deutschland nach jetzigem Durchschnittszins Deutschlands jährlich 26 Milliarden Euro aufbringen muß, während die Schuldenbremse des Grundgesetzes in Art. 109, wenn diese denn in späteren Jahren zur Anwendung kommen wird, lediglich eine Rückführung der Nettokreditaufnahme vorschreibt. Auch das wird nicht gehen. Außerdem droht der Fiskalpakt Zwangsgelder an und unterwirft die Staaten weitestgehend dem Haushaltsdiktat der Kommission der Union – eindeutig souveränitätswidrig. 

Verfassungsrichter befördern die Abschaffung Deutschlands 
All diese Gefahren ignoriert das Bundesverfassungsgericht mit seiner und in seiner Entscheidung. Es macht sich nicht nur für den Niedergang des Rechtsstaates mitverantwortlich, sondern auch für den Zusammenbruch der Lebensgrundlagen in Deutschland und Europa. Es gefährdet den Frieden unseres Kontinents. Es sympathisiert recht offen mit der Integration der Union zum Großstaat, in dem die politischen Führer seit Jahrzehnten die Zukunft und das Heil auch der Deutschen sehen, anders formuliert: mit der Abschaffung Deutschlands. Das Gegenteil ist geboten, rechtlich durch die Souveränität des Deutschen Volkes als die Freiheit seiner Bürger und wirtschaftlich nach den Gesetzen der Ökonomie, die eine Einheit von Staat und Wirtschaft, vor allem Währung,  unverzichtbar machen. Ohne Deutschland, ohne eigenständiges Deutschland ist Europa zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Freiheit, Recht und Wohlstand in Europa kann es nur in einem europäischen Europa mit einem souveränen Deutschland geben. Rechtsstaat, Demokratie und Sozialstaat hängen von der genannten Einheit des Staates mit der Wirtschaft und wegen des Sozialprinzips von der hinreichenden Homogenität des Volkes ab. Es gibt kein europäisches Volk und es wird auch auf lange Sicht keines geben. Ohne Volk aber gibt es keinen Staat des Rechts, keine Freiheit, aber auch keinen Wohlstand und schon gar nicht soziale Gerechtigkeit. Ein europaweiter oder gar globaler Egalitarismus ist nicht nur zum Scheitern verurteilt, weil er menschheitswidrig ist, er führt unausweichlich zu Despotie, ja Tyrannis. Diesen Egalitarismus aber betreibt die politische Klasse, weil das einer kleinen »Elite« unendlichen Reichtum und unbeschränkte Herrschaft über die ganze Menschheit verspricht. Das ist der Grund, warum das Bundesverfassungsgericht nicht bereit ist, festzustellen, daß die Union längst der Bundesstaat ist, der sie nicht sein darf, weil die Völker danach nicht gefragt wurden, einfach deswegen, weil sie das aus guten Gründen nicht wollen. Das große Unrecht erörtert das Gericht gar nicht erst, die schlichteste Methode, ungewünschten Erkenntnissen aus dem Weg zu gehen. Das Bundesverfassungsgericht verweigert nach wie vor den Vermögensschutz aus der Eigentumsgewährleistung, obwohl die Inflation, die auf absehbare Zeit trotz der gegenwärtigen Deflation in der Realwirtschaft im Gegensatz zur starken Inflation der Vermögenswerte, unbestritten zu erwarten ist. Darüber hinaus erscheint eine Währungsreform am Schluß des »Dramas« unausweichlich. Beides sind unbestritten Enteignungen, nicht der großen Vermögen, sondern auch und vor allem der Vermögen der kleinen Leute, nämlich der Rentenansprüche, der Pensionsansprüche, der Transferansprüche, die alle nur rechtlich gesicherte Erwartungen an den Staat sind, welche durch nichts von den Anspruchsberechtigten geschützt werden können. Auch die Grundstücksvermögen, Häuser und Wohnungen, dürften entwertet werden, zumal zu erwarten ist, daß sie vor dem endgültigen Zusammenbruch vom Staat mittels Zwangsanleihen zur Finanzierung fremder Staaten mißbraucht werden. Auch das Recht auf Recht, das jeder Bürger aus der politischen Freiheit hat, akzeptiert das Gericht nicht. Es sieht sich aufgrund von Bürgerklagen nicht zur allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle der Politik verpflichtet. 

Das Gericht schützt die Bürger nicht wirklich 
Das Gericht kapriziert sich fast ausschließlich auf die Budgetbefugnisse des Parlaments, die es gegen demokratiewidrige Selbstaufgabe durch die Abgeordneten festigt. Das bringt den Bürgern wenig, wenn nicht nichts, weil das Parlament des republikwidrigen Parteienstaates so gut wie jeder Maßnahme zustimmt, welche ihm von der Finanz-, Medien- und Parteienoligarchie vorgeschrieben wird. Erst die »evidente Überschreitung der äußersten Grenzen« der Refinanzierbarkeit der Kredite und der Belastbarkeit des Volkes hält das Gericht für judiziabel. Bis dahin würden allein die Regierung und vor allem das Parlament die Verantwortung haben; deren »weiten Einschätzungsspielraum« der Gefahren, die das Gericht durchaus sieht und anspricht, müsse das Gericht um der Gewaltenteilung willen respektieren. Genau das ist das ständige Argument des Bundesverfassungsgerichts, um sich den Geboten des Rechts zu entziehen. Recht ohne Gerichtsschutz ist wertlos. Es schafft den Frieden des Rechtsstaates nicht. Es läßt Enttäuschung entstehen und drängt irgendwann zur Gewalt. Ein Gericht muß seine Kontrollaufgabe streng praktizieren und auch akzeptieren, daß politische Maßnahmen, die den Grundrechten aller Wahrscheinlichkeit nach gemäß den ökonomischen Gesetzen zuwider sind und den Bürgern schaden, mit dem Recht unvereinbar sind. Es muß den Gefahren wehren und darf die Bürger nicht schutzlos auf das Unglück warten lassen. Wenn der Schaden eingetreten ist, ist es zu spät für die Vermögen, zu spät für das Recht, zu spät für die Freiheit. Das Gericht hat nicht festgestellt, ja im Gegensatz zum Lissabon-Urteil nicht einmal erwogen, daß die durch die Vertreter des Volkes erzwungene Finanzierung fremder Staaten mit dem Vermögen des Volkes die Souveränitätsgrenzen eines Volkes freier Bürger überschreitet und zumindest das Einverständnis der Bürger durch ein neues Verfassungsgesetz erfordert, nämlich durch ein neues Verfassungsgesetz, welches ein neues Volk, das der Unionsbürger, und einen neuen Staat, den der Union, begründet, die funktional, dem Prinzip der einheitlichen Lebensverhältnisse folgend, längst praktiziert werden. Das würde die Zustimmung des Bundesvolkes, aber auch der 16 Landesvölker, die Zustimmung der Völker der anderen Mitgliedsstaaten und die konstitutive Zustimmung des neuen Unionsvolkes voraussetzen,  wohl unüberwindbare Barrieren, die darum zu umgehen versucht werden. 

Hoffnungen, keine Erwartungen 
Immerhin hat das Gericht ausführlich und richtig das Verbot der Staatsfinanzierung durch das Europäische System der Zentralbanken und die Europäische Zentralbank dargelegt, die dieses Verbot systematisch mißachten und weiter »ohne Grenzen« zu mißachten angekündigt haben. Über den Antrag, die Verletzung des Staatsfinanzierungsverbots durch die Maßnahmen des ESZB und der EZB festzustellen, den ich namens der von mir vertretenen Beschwerdeführer und im eigenen Namen gestellt habe, will das Gericht erst im Hauptsacheverfahren befinden. Das nährt die Hoffnung, daß es nicht wiederum wie im ersten Prozeß gegen die Euro-Rettungspolitik diese Beschwerde entgegen dem Maastricht- und dem Lissabon-Urteil als unzulässig zurückweist. Das wäre erneut ein schwerer Verstoß gegen das Bürgerrecht auf Schutz vor ausbrechenden Rechtsakten der Union, vor deren eigenmächtiger Machtergreifung, also Ultra-vires-Handlungen, die das demokratische Prinzip der begrenzten Ermächtigung verletzen. Ich mache mir Hoffnungen, keine Erwartungen. Das Gericht pflegt ja in seiner Integrationsjudikatur mit Mahnungen auskommen zu wollen. Der Bürgerschutz durch Rechtsschutz leidet dabei größte Not. Der Versuch, Widerstand gegen das Verfassungsunrecht von Regierung und Parlament durch Verfassungsgerichtsschutz zu leisten, ist in Karlsruhe erwartungsgemäß wieder einmal gescheitert. Aber: Wir werden obsiegen. Mehr und mehr Bürger werden sich ihrer Verantwortung für Deutschland bewußt werden, um ihrer selbst, ihrer Kinder und Kindeskinder willen. »Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!«

 

Quelle:  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/karl-albrecht-schachtschneider/ein-weiterer-schritt-zur-diktatur.html;jsessionid=FB79DCFD227E5180039350CF889E2ADC   
18. 9. 12  Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider  -  Ein weiterer Schritt in die Diktatur