Gibt es Auswege aus der Überschuldungskrise? - Ohne Disziplin keine Gesundung - Von Ulrich Schlüer

Nur zwei Wege führen aus der Überschuldungskrise. Auf dem Wegweiser zum ersten Weg steht

das Wort «Eiserne Sparpolitik», auf dem anderen Wegweiser «Inflation». Die Überschuldung der westlichen Industrieländer begann 1971 mit der Preisgabe des Gold-Standards für den Dollar, an den bis zu jenem Zeitpunkt alle starken westlichen Währungen mittels fixierten Wechselkursen fest angebunden waren. Solange das Notendrucken von Goldreserven abhängig war, wuchs die Geldmenge zwar langsamer. Die Staaten überschuldeten sich indessen nicht. Die westlichen Länder erholten sich nach dem Zweiten Weltkrieg vielmehr aussergewöhnlich rasch, erreichten bemerkenswerte Stabilität und soliden Wohlstand.  [Hier ist anzumerken, dass den 187 Mitgliedstaaten des Internationalen Währungsfonds eine Goldbindung ihrer Währungen untersagt ist, ein Fakt, auf den so gut wie nie verwiesen wird. Die Schweiz hat die historische Bindung ihres Frankens an das Gold 1992 aufgelöst. Man erinnere sich: Am 29. Mai 1992 wurde die Schweiz unter dem damaligen SP-Bundesrat Otto Stich Mitglied des IWF, nachdem das Schweizervolk am 17. Mai 1992 den Beitritt der Schweiz zu den Institutionen von Bretton Woods (IWF und Weltbank) angenommen hatte. Anmerkung politonline

Vierzig Jahre Verschuldungspolitik
Vor vierzig Jahren begann, zuerst langsam, dann sich laufend verschärfend, die Phase der Verschuldungspolitik – mit massiver Überschuldung als Ergebnis. 40 Jahre finanziellen Schlendrians durch 40 Jahre eiserne Sparsamkeit auszugleichen: Das ist eine herkulische Aufgabe, die einer seit vierzig Jahren vom Ausgaben-Schlendrian verwöhnten Wählerschaft ein ausserordentliches Stehvermögen abverlangt; dementsprechend unpopulär ist «Zumutung» dieser Art. Der neue französische Staatspräsident François Hollande hat die Wahlen gewonnen, weil er sich in Europa zum Führer der erklärten Nicht-Sparer emporschwingen will. Noch mehr Schulden heisst seine Losung – die von der Hoffnung angetrieben ist, die weitere Flutung der Banken und der Wirtschaft mit Milliarden und Billionen könne vielleicht doch irgend einmal einen Wirtschaftsaufschwung auslösen. Japan ging vor zwanzig Jahren den gleichen Weg. Er endete in Maximalverschuldung bei anhaltend schlechter Konjunktur. Die USA schlugen unter Obama diesen Weg ebenfalls ein. Seine Konjunkturprogramme sind gescheitert. Sie werden auch in Europa scheitern. Trotzdem scheint die Illusion, die Verschuldung mittels massiv gesteigerter Verschuldung bekämpfen zu können, auch die europäischen Staatschefs mitzureissen.

Folgen der Inflationierung
Die Inflationierung der Währung bedeutet: Der Staat beraubt seine Bürger Jahr für Jahr eines Teils ihrer Renten und Rentenansprüche, eines Teils ihrer Pensionsansprüche, eines markanten Teils ihrer Ersparnisse. Und er treibt auch Raubbau an allen Löhnen. Natürlich wird man – besonders bei Renten und Löhnen – von Zeit zu Zeit gewisse Anpassungen nach oben vornehmen. Vorläufig droht keine Hyperinflation. Wenn sich die Euro-Länder indessen auf eine Inflationierung ihrer von Brüssel beherrschten Währung in der Grössenordnung von jährlich 5 % absprechen, dann bedeutet das, dass Pensionsansprüche, Renten und Ersparnisse innert zehn Jahren auf die Hälfte ihres heutigen Wertes reduziert werden. Was den Rentnern, den Pensionsberechtigten und Sparern dabei mittels Geldentwertung geraubt wird, damit glauben die Verantwortlichen der Überschuldung die Löcher in ihren Kassen Jahr für Jahr etwas auffüllen zu können. Die Schuldigen an der Finanzlöcher-Politik glauben, ihre Verantwortung für den liederlichen Ausgabenschlendrian mit Raubgut vertuschen zu können. Inflationierung mag all jenen, die nicht über den heutigen Tag hinausdenken, durchaus als verlockend erscheinen. Das erklärt François Hollands vorübergehende Popularität. Doch eine Inflationierungspolitik treibt Millionen in die Verarmung. Wählt die Europäische Union den Ausweg «Inflationierung», dann werden ganze Regionen Europas, insbesondere ganz Südeuropa, wieder ein Ausmass an Armut erleiden, wie es Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gekannt hat. 

Wie reagiert die Wirtschaft? 
Solche Perspektiven müssten eigentlich die führenden Köpfe der Wirtschaft aufrütteln. Verarmte Bevölkerungen sind keine interessanten Kunden und Konsumenten. Verarmte Bevölkerungen bescheren der Wirtschaft Rückschläge, lang andauernde Rezession, ja Depression. Das wird auch vielen Betrieben den Garaus machen. Noch setzt die Wirtschaft ganz auf die Anbindung des Schweizer Frankens an den Euro. Eine Alternative dazu sieht sie nicht. Doch auch diese Anbindung an eine auf Inflation getrimmte Währung birgt grosse Gefahren: Sie drängt die Schweiz in die gleiche Inflationierungspolitik, wie sie sich derzeit in der EU durchzusetzen scheint. Ob dies den existentiellen Interessen unserer Bevölkerung, auch der Rentner und Pensionsberechtigten, auch all unserer Sparer und Lohnempfänger dient?

In den letzten Wochen scheint der Dollar gegenüber dem Schweizer Franken an Wert langsam aber doch stetig zu gewinnen. Das verwundert, ist doch die USA, Herrin über den Dollar, das derzeit weltweit wohl am gefährlichsten überschuldete Land. Und der Dollar-Raum wird mit Papiergeld ohne jedes Wert-Fundament buchstäblich «frisch ab Notenpresse» geradezu masslos geflutet. Massnahmen, die auf bewusste Schwächung der eigenen Währung abzielen. Wenn der Dollar gegenüber dem Schweizer Franken trotzdem steigt, dann dokumentiert dies keineswegs eine Gesundung des Dollars. Es dokumentiert vielmehr, dass der Euro, an dem der Schweizer Franken festgebunden ist, noch rascher an Wert verliert als der Dollar. Die Stützung des Euros durch den Franken lässt den Euro nicht gesunden. Vielmehr läuft der Franken Gefahr, von der Schwindsucht des Euros angesteckt zu werden. 

Die Alternative 
Es gäbe durchaus eine den Franken aus dem Überschuldungsschlamassel heraushaltende, die Wirtschaft trotzdem stärkende Alternative zur Politik der Fesselung des Frankens an den Euro. Diese Politik heisst «Entlastung»: Entlastung von Wirtschaft und Gewerbe, ja jeglicher wertschöpfenden Aktivität in unserem Land. Entlastung von staatlichen Gebühren, Abgaben, Steuern, vor allem von kostentreibenden bürokratischen Auflagen. Und zwar um mindestens 25 %. Unmöglich umzusetzen? Für politisch Blinde schon; für jene, die Strategien über den heutigen Tag hinaus erarbeiten, ist dies der für die Schweiz wohl einzig gangbare Weg. Er erspart unserer Bevölkerung Inflation. Er erspart der Schweiz Armut. Im Hinblick auf das Überleben in der Europa zweifellos äusserst schwer treffenden Überschuldungskrise wagen wir eine Prognose, von deren Richtigkeit wir überzeugt sind: Diejenigen Staaten, die sich ihre Entscheidungsfreiheit auf dem Fundament einer gesunden stabilen Währung zu bewahren vermögen, werden die Krise politisch am besten bewältigen. Wirtschaftlich gesehen werden jene am besten überleben, die ihre Wirtschaft am konsequentesten von jeglicher übermässig finanziellen und bürokratischen Einschnürung befreien, womit auch den Unternehmen jene Handlungs- und Entscheidungsfreiheit gesichert wird, die sie in schwieriger Zeit unabdingbar brauchen. 

Tatsache ist: Die Überschuldungskrise ist eine Krise grassierender Bürokratie, viel zu aufwendiger Sozial- und Fürsorgeapparate, einer viel zu eng an viel zu teuer ausgebaute Kontrollapparate gebundene Regelungsdichte, die produktive Leistung geradezu überbordend bedrängen. Wer dagegen entschieden vorgeht und die Bevölkerung über die Bedeutung einer solchen Form von Krisenvorsorge umfassend und ehrlich orientiert, der wird am ehesten überleben.

http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/Ohne_Disziplin_keine_Gesundung-668
Der aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 22. Juni 2012