Medwedjew: »Humanitäre Interventionen« können zur nuklearen Apokalypse führen - Von Helga Zepp-LaRouche

In welch dramatischem Zustand sich die Welt befindet, wird deutlich,

wenn der Geschäftsführer des internationalen Bankenverbandes, Charles Dallara, die Folgen im Falle eines Euro-Austritts Griechenlands als »zwischen einer Katastrophe und dem Weltuntergang« an die Wand malt, und der russische Ministerpräsident Medwedjew einen Tag später warnt: »Die Verletzung der nationalen Souveränität kann zur nuklearen Apokalypse führen«, wie Russia Today titelte. Scheinbar verschiedene Themenbereiche, und doch stehen die beiden Prozesse in engstem Zusammenhang.

Am Vorabend vor seiner Abreise in die USA zum Treffen der G-8 und dem darauf folgenden Gipfel der NATO sprach Medwedjew auf einem Internationalen Rechtsforum in St. Petersburg eine unmißverständliche Warnung aus. Die Politik gewisser westlicher Staaten, unter dem Vorwand humanitärer Interventionen die nationale Souveränität von Staaten zu verletzen, könne leicht zu umfassenden regionalen Kriegen führen, einschließlich des Einsatzes von nuklearen Waffen. Damit übermittelte die russische Regierung erneut die gleiche Botschaft, die schon Präsident Putin selbst in einem Dekret unmittelbar nach seinem Amtsantritt betont hatte: Rußland wird nicht zulassen, daß weitere Aggressionskriege unter dem Vorwand humanitärer Interventionen nach dem Modell des Krieges gegen Libyen, dieses Mal gegen Syrien, den Iran und weitere Staaten geführt werden. Vizepremier Dimitrij Rogosin hatte schon zuvor darauf hingewiesen, daß Osteuropa sich zur Zielscheibe und Geisel mache, indem es an der Einkreisungsstrategie gegenüber Rußland teilnehme, und Generalstabschef Makarow hatte kürzlich auf einer Sicherheitskonferenz in Moskau angekündigt, notfalls einen Präventivschlag gegen die geplanten US-Raketenabwehrsysteme in Osteuropa zu führen, falls die USA und die NATO bei ihrer gegenwärtigen Planung bleiben sollten.

Die Welt befindet sich also am Rande des Dritten Weltkrieges
Die gleiche Botschaft soll Präsident Putin durch die russischen Botschafter auf der ganzen Welt an die jeweiligen Gastgeberländer vermittelt haben, eine Politik der absoluten Achtung der nationalen Souveränität, die inzwischen Putin-Doktrin genannt wird. Damit reagierte Putin sofort nach seinem Amtsantritt auf die Schaffung des sogenannten Greueltaten-Verhinderungsrates der Obama-Administration, einer neuen Regierungsbehörde, die weltweit unter dem Vorwand der Bekämpfung von Verletzungen der Demokratie und der Menschenrechte gegen unliebsame Regime vorgeht.

Anwendung der Blair-Doktrin
Im Grunde setzt Obama damit nur die sogenannte Blair-Doktrin um, die der frühere britische Premier Tony Blair in seiner berüchtigten Rede 1999 in Chicago während des Kosovo-Krieges aufgestellt hatte. Blair behauptete damals, die Ära des Westfälischen Friedens und damit die Respektierung der nationalen Souveränität seien vorüber. Statt dessen habe die Staatengemeinschaft, womit natürlich das anglo-amerikanische Empire gemeint war, das Recht auf militärische Interventionen für humanitäre Zwecke. In der Praxis bedeutete dies seitdem, alle Staaten, die sich dem auf der Sonderbeziehung zwischen der USA und Großbritannien basierenden Empire widersetzen, als zur Achse des Bösen gehörig zu bezeichnen und einen Regimewandel zu erwirken, sei es durch Militärinterventionen, sei es durch Sanktionen oder subversive Aktivitäten.

Akut geht es natürlich um die Destabilisierung Syriens und des Irans und den Regimewechsel in den beiden Ländern. Es ist kein Geheimnis, daß die sogenannte Opposition in Syrien von London, Saudi-Arabien und Katar gesteuert und finanziert wird und zu einem großen Teil aus Al-Kaida- Netzwerken besteht, wozu es gegenwärtig im amerikanischen Kongreß eine Untersuchung gibt. Es ist ebenfalls bekannt, daß Mitglieder des israelischen Geheimdienstes seit geraumer Zeit im Iran unter falscher Flagge Sabotageoperationen ausführen und möglicherweise an der Ermordung iranischer Atomwissenschaftler beteiligt waren. Bekannt ist auch, daß sich im Arabischen Meer, im östlichen Mittelmeer und im Indischen Ozean enorme amerikanische, britische, kanadische und weitere Flottenverbände aufhalten, die über ein atomares Zerstörungspotential verfügen, das um mehrere Größenordnungen über das hinausgeht, was in einem regionalen Konflikt im Nahen Osten und der Golfregion zum Einsatz kommen würde.

Spätestens seit Putin und Medwedjew im Spätsommer letzten Jahres den Tausch ihrer Ämter angekündigt hatten und der gleiche Apparat, der schon für die orangene Revolution in der Ukraine und diverse andere Revolutionen verantwortlich war, versuchte, die sogenannte Weiße Revolution gegen die russische Regierung in Gang zu setzen  - allerdings vergeblich – müßte jedermann klar sein, daß die Absicht des Britischen Empires auch für Rußland Regimewechsellautet. Im Zusammenhang mit der Fortführung des US-Raketenabwehrsystems der Regierung Bush durch Obama in Europa, sowie eine ebenfalls auf Einkreisung ausgerichtete Politik Obamas im Pazifik gegen China ist offensichtlich, daß für die russische Regierung der Stolperdraht, die absolute Grenze, über die es ohne Unfall nicht weitergeht, erreicht ist.

Das Völkerrecht respektieren 
Premierminister Medwedjew wandte sich in seiner St. Petersburger Rede emphatisch gegen die Linie, das System des Völkerrechts sei obsolet geworden. Selbst wenn es, wie alles andere im Leben, modernisiert werden müsse, dürfe dies nicht bedeuten, daß seine Grundprinzipien aufgegeben werden. Besonders gefährlich sei es, die fundamentalen Prinzipien der UN-Charta zu verletzen, die der einzige Gerichtshof seien, vor die die internationale Gemeinschaft ihre Probleme bringen könnte. Und die UN-Charta betone die höchste Macht des Gesetzes und die Souveränität der Staaten. Das extrem wichtige Konzept der nationalen Souveränität dürfe nicht unterminiert werden, andernfalls sei die globale Ordnung in Gefahr. Militärische Operationen gegen andere Staaten unter Umgehung der UNO, das Absprechen der Legitimität bestimmter politischer Regimes durch ausländische Regierungen anstatt durch die eigene Bevölkerung  - wiederum unter Umgehung von internationalen Institutionen -  all dies verschlechtere die Lage in der Welt, und es habe sich gezeigt, daß überstürzte militärische Interventionen in den Angelegenheiten anderer Staaten nur dazu führten, daß radikale Kräfte an die Macht gekommen seien. »Solche Aktionen, die die nationale Souveränität unterminieren, können sehr leicht zu ausgedehnten regionalen Kriegen führen, sogar  - und ich möchte hier niemanden erschrecken -  zum Einsatz von Atomwaffen. Jeder sollte das bedenken, wenn wir das Konzept der staatlichen Souveränität analysieren«, betonte Medwedjew unmißverständlich.

Besonders die Abgeordneten und Senatoren im amerikanischen Kongreß, die mit dem Militär verbunden sind, sind ebenso wie die russische Regierung in höchster Alarmbereitschaft über die Möglichkeit, daß Obama wie im Fall des Angriffskriegs gegen Libyen erneut Militäroperationen gegen Syrien und den Iran und möglicherweise sogar gegen Rußland und China in Gang setzen könnte. Dies beweisen die Gesetzesentwürfe des demokratischen Senators Webb, der verlangt, daß Obama auch vor sogenannten humanitären Interventionen die Zustimmung des Kongresses einholen muß, ferner die Resolution HCR 107des republikanischen Abgeordneten Walter Jones, die das sofortige Amtsenthebungsverfahren gegen jeden Präsidenten, der unprovozierte militärische Aktionen ohne die vorherige Zustimmung des Kongresses in Gang setzt, einleiten soll. Senator Webb hob in seinem Gesetzestext in deutlicher Anspielung auf die Blair-Doktrin die Bedeutung der amerikanischen Verfassung hervor, die im Unterschied zum britischen Recht ausschließlich dem Kongreß das Recht zubilligt, einen Krieg zu erklären - und nicht etwa einem König oder einem Premierminister. Ohne die Antikriegsmobilisierung, die Lyndon LaRouche im November 2011 auf den Weg gebracht hat, und ohne die massiven Interventionen führender amerikanischer Militärs hätte der Krieg gegen Syrien, den Iran und damit gegen Rußland und China aller Wahrscheinlichkeit nach schon stattgefunden. Soeben warnte noch einmal der General a.D. James Cartwright, bis letzten September stellvertretender Generalstabschef der USA, das Konzept des Air-Sea-Battle dämonisiere China, und Rußland habe die berechtigte Sorge, daß das US-Raketenabwehrsystem in Europa das strategische Gleichgewicht zerstöre. »Es gibt die Möglichkeit, daß man einmal ein Szenario entwickeln könnte, in dem wir in einem kühnen Schlag aus dem Blauen einen Präventivschlag ausführen könnten, und dann die Raketenabwehr dazu benutzen, um ihre verbleibenden Raketen zu eliminieren (d.h. ihre Zweitschlagkapazität zu zerstören). Wir müssen von diesem Denken wegkommen.«

Keine Illusionen über Obama
Die US-Militärs sind weniger romantisch vernebelt als viele Europäer, die immer noch nicht erkennen wollen, daß Obama keineswegs der Messias ist, als der er im Wahlkampf 2008 inszeniert wurde, sondern daß er die gesamte Politik von George W. Bush nicht nur weitergeführt, sondern in allen Bereichen sogar noch eskalieren ließ. Das NDAA-Gesetz erlaubt überall auf der Welt die  zeitlich unbegrenzte Inhaftierung von Personen, einschließlich von Amerikanern, dies ohne jeglichen juristischen Prozeß; durch die Drohneneinsätze starben in den letzten drei Jahren rund 5000 Personen, darunter viele Zivilisten; Obama hat wiederholt die verfassungsmäßigen Rechte des Kongresses außer Kraft gesetzt und in der Tradition von Carl Schmitt per Dekret regiert; und er hat vor allem im Fall des Kriegs gegen Libyen und der brutalen Ermordung Gaddafis demonstriert, daß er absolut bereit ist, sich über die Verfassung hinwegzusetzen. Angesichts der unmittelbaren drohenden Konfrontation mit Rußland und China ist vielen patriotischen Kräften in Amerika klar, daß die große Katastrophe nur durch ein Amtsenthebungsverfahren gemäß Abschnitt 4 des 25. Verfassungszusatzes verhindert werden kann. Die Kriegsgefahr resultiert offensichtlich nicht aus irgend etwas, was Rußland und China tun, sondern daraus, daß sie von Regierungen geführt werden, die auf wirtschaftliches Wachstum sowie wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt setzen, während die transatlantische Welt mit ihrer Casinowirtschaft und grünen Politik gerade untergeht. Und solange sich die europäischen Nationen dem Diktat der EU und damit der Politik des British Empires unterwerfen, sitzen wir in der Falle.

Es gibt einen Ausweg: die sofortige Einführung des Trennbankensystems in der Tradition von Franklin Roosevelts Glass-Steagall-Gesetz, die Rückgewinnung der nationalen Souveränität über die eigene Währung und Wirtschaftspolitik und ein Kreditsystem für den Wiederaufbau der Realwirtschaft, mit einem Wirtschaftswunder für Südeuropa als Teil des Ausbaus der Eurasischen Landbrücke.

Schließen Sie sich der Bürgerrechtsbewegung Solidarität an! Wir haben die einzige Strategie, den Frieden zu gewinnen!

Anmerkung politonline: Was die Ermächtigung zur Festnahme von in Verdacht geratenen Personen betrifft, so schreibt Strategic Alert Nr. 21 vom 23. Mai, dass Militärs a.D. vom US-Kongress die Rücknahme der Arrestklauseln im NDAA-Gesetzgefordert haben: »US-Präsident OBAMA bekommt es mit stärkerer Opposition gegen die von ihm beabsichtigten Polizeistaatsmassnahmen und die Doktrin der unitarischen Exekutive zu tun, weil er den Krieg gegen den Terrorismus zu totalitären Auswüchsen führt, die selbst dem Duo Bush-Cheney niemand zugetraut hätte.« Der von Obama im Dezember 2011 in Kraft gesetzte Passus erlaubt bekanntlich die unbegrenzte Inhaftierung eines jeden, Amerikaner eingeschlossen, in der USA und in der ganzen Welt ohne Gerichtsverfahren  - falls ein Verdacht von Verbindungen zum Terrorismus besteht. Fakt ist, dass die Entscheidung darüber, wer arretiert werden soll, ausschliessch beim Präsidenten liegt. Im Gegensatz hierzu beabsichtigt ein von dem Demokraten Adam Smith und dem Republikaner Justin Amash vorgeschlagener Zusatz, sicherzustellen, dass jeder, der auf amerikanischem Boden arretiert wird, angeklagt und vor Gericht gestellt werden muss und die Bundesregierung ihre Anklage vor einem Bundesrichter vertreten muss. In einem ungewöhnlichen Schritt intervenierten nun 27 Generäle und Admiräle a.D. mit einem am 16. 5. 12 veröffentlichten Brief und verlangten von den Mitgliedern des Kongresses, den Smith-Amash-Zusatz zu unterstützen. »Als Generäle und Flaggoffiziere a.D. stellen wir dieses Ersuchen nicht leichtfertig. Wir sind jedoch der festen Überzeugung, dass eine stimmige nationale Sicherheitspolitik von der getreuen Befolgung der rechtlichen Vorschriften abhängt. Es ist rechtmässig, dass die Streitkräfte in einem bewaffneten Konflikt Feindkombattanten arretieren, doch die Streitkräfte sollten nicht die Rechtsorgane und Geheimdienste zu Hause ersetzen. Die in der USA Arretierten sollten nicht unbegrenzt ohne Anklage und Prozess in militärischer Zwangshaft gehalten werden.« Zu den Unterzeichnern zählen u.a. Gen. Joseph Hoar, Gen. Charles Krulack, Lt. Gen. Harry Soyster, Brig.Gen. John Johns und Maj. Gen. Antonio Taguba. Dennoch sprach sich das Repräsentantenhaus am 18. 5. 12  gegen den Smith-Amash-Zusatz aus und nahm statt dessen einen anderen, vagen Zusatz an, der den dazu Staat anhält, US-Bürgern ihre verfassungsmässigen Rechte nicht vorzuenthalten. In einem Rechtsfall im südlichen Distrikt von New York gab es jedoch eine juristische Niederlage für das NDAA. Die sieben Kläger argumentierten, dass der inkriminierte Passus ihr durch den 1. Verfassungszusatz garantiertes Recht auf Rede- und Versammlungsfreiheit sowie ihr Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren nach dem 5. Verfassungszusatz verletze. Das Gericht stellte fest, dass das Gesetz tatsächlich den 1. Verfassungszusatz verletzt, indem es die zeitlich unbegrenzte Arretierung von Personen gestattet, die eine Verbindung zu Terroristen hatten, von der sie selbst vielleicht noch nicht einmal wussten. Die Durchführung des Gesetzes ist deshalb ausgesetzt worden. Das Gericht stellte weiter in Aussicht, dass die Kläger wahrscheinlich auch in Bezug auf den 5. Verfassungszusatz Recht bekommen werden, weil die Gesetzesvorschrift so vage sei, dass es praktisch unmöglich sei zu wissen, welches Verhalten Grund für eine zeitlich unbegrenzte Inhaftierung wäre.

Hinsichtlich der derzeitigen Debatte über die Bankentrennung vermerkt Strategic Alert, dass diese besonders in Frankreich und Italien ihren Gang nimmt. Medienberichten zufolge, »will die neue französische Regierung einen Vorschlag für eine Trennbankenregelung in ihr erstes Gesetzespaket aufnehmen. Angeblich soll der Vorschlag über die Volcker-Regel und die Vickers-Regel[Trennmauer innerhalb einzelner Banken] hinausgehen.« In Italien rief der Börsenaufsichtschef Giuseppe Vegas bei dem Jahrestreffen mit Börsianern am 14. 5. 12 zur Wiedereinführung der Bankentrennung auf. Unter Verweis auf den Verlust bei JP Morgan sagte er, die Trennung von Investment- und Geschäftsbanken »würde zu einem besseren Wissen bezüglich der Risiken und zur Definition gezielterer Vorsichtsmassregeln führen.« Der frühere Finanzchef der FIAT-Holding, Gianluigi Gabetti, forderte nicht nur die Wiedereinführung von Glass-Steagall, sondern auch ein Kreditsystem wie unter dem Marshall-Plan. Der Stadtrat von Prato in der Toskana verabschiedete einstimmig eine vom LaRouche-Unterstützer Nicola Oliva eingebrachte Resolution für ein Trennbankensystem. In Deutschland forderten Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück [SPD] in einer Erklärung vom 15. 5. 12 unter dem Punkt Eine wirksame Bekämpfung der Finanzmarkt- und Bankenkrise: »Mit der Rettung von unterkapitalisierten Banken durch Staatsgarantien muss Schluss sein. Wer ein hohes Risiko eingeht, muss auch dafür haften und gegebenenfalls pleite gehen können. Es kann nicht angehen, dass der Staat die Zeche zahlt und für Zockerei haftet. Wir fordern eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanking.«

Nun gilt für grosse Worte stets dasselbe: Erst nach den Wahlen wird jeweils feststellbar, inwieweit diese eine Verwirklichung erfahren oder ob es, wie das nur allzu oft der Fall ist, bei der Ankündigung bleibt.

Quelle: http://www.bueso.de/node/5686   19. 5. 12