Strategic Alert: US-Militär drängt auf Strategie zur Vermeidung eines Iran-Kriegs 26.02.2012 23:26
Die US-Streitkräfte als Institution bleiben davon überzeugt, daß ein Krieg gegen den Iran eine Katastrophe wäre
und sich mit diplomatischen und anderen Mitteln
vermeiden läßt. Dies machte der nationale Geheimdienstkoordinator
James Clapper am 16. Februar gegenüber dem Streitkräfteausschuß
des US-Senats deutlich. Clapper äußerte sich ähnlich wie schon bei einer
Anhörung Anfang Februar: Nach Einschätzung der US-Nachrichtendienste halte sich
Teheran die Option des Baus einer
Kernwaffe offen, habe sich aber noch nicht dafür entschieden. »Und wir denken, daß diese Entscheidung vom
Staatsführer persönlich getroffen würde, und daß er diese auf eine Kosten-Nutzen-Analyse
stützen würde, wobei ich nicht glaube, daß er um jeden Preis eine Kernwaffe
haben will.« Auf die Frage, ob der Iran innerhalb von
1-2 Jahren eine Bombe bauen könnte, antwortete Clapper, das sei technisch möglich,
aber unwahrscheinlich. »Es gibt allerlei
Kombinationen und Permutationen, die beeinflussen, wie lange es dauern würde,
falls die Iraner beschließen, sich eine Kernwaffe zu beschaffen.« Der Leiter des Militärgeheimdienstes DIA, General
Ronald Burgess, sagte aus, der Iran werde wahrscheinlich zurückschlagen, wenn
man ihn angreife, aber nach Einschätzung des DIA »ist es unwahrscheinlich, daß der Iran einen Konflikt beginnt oder bewußt
provoziert.« Die Anstrengungen von Seiten des Militärs,
einen Krieg zu vermeiden, sind nützlich, umso mehr als informierte Beobachter von
EIR berichten, daß es Fortschritte bei den Bemühungen um neue Gespräche
zwischen dem Iran und der ›5+1-Gruppe‹ gebe. Aber die Kriegsfraktion in der USA und in Israel
mobilisiert weiter nach Kräften. Die Lobbygruppe AIPAC, American Israel
Public Affairs Committee, hat beschlossen, ihre Jahreskonferenz vorzuverlegen,
was höchst ungewöhnlich ist. Die Konferenz soll vom 5. bis 6. März stattfinden,
wohl
um die Kriegspropaganda massiv zu verschärfen, noch bevor die ›5+1-Gespräche‹ Ergebnisse erzielen können. Es wird damit gerechnet, daß etwa 200
Kongreßabgeordnete, die zu den größten Säbelrasslern gehören, die
AIPAC-Konferenz besuchen werden. Am 16. 2. wurde im Senat eine Resolution
eingebracht, in der es heißt, es sei im ›lebenswichtigen nationalen Interesse‹ der USA, zu verhindern, daß die iranische Regierung die Fähigkeit zum Bau
einer Atombombe erlange: also schon die theoretische Möglichkeit und nicht die konkrete
Aktivität. Die Resolution ist von 32 Senatoren unterzeichnet, angeführt von Joe
Lieberman, Lindsey Graham und John McCain, aber auch von ›liberalen‹ Demokraten, und wird von der AIPAC unterstützt. Der verrückte Lieberman
sagte, der Iran habe ›nur
zwei Möglichkeiten: Verhandelt friedlich, um euer Kernwaffenprogramm zu
beenden, oder rechnet mit einem Militärschlag, der dieses Programm ausschaltet‹.
Es ist gut, daß die US-Militärführung einen
Angriff auf den Iran ablehnt; zu den Mitteln, auf die zur Kriegsvermeidung zurückgegriffen
werden, zählen jedoch die zu Jahresbeginn von der USA und der EU gegen jedes
Land resp. Unternehmen, das mit der iranischen Zentralbank Geschäfte macht,
verhängten harten Sanktionen. Dies macht Irans Außenhandel jeglicher Art sehr
schwierig, sogar tauschartige Geschäfte sind davon betroffen. Das Ziel hierbei
ist offensichtlich nicht, den Bau von Kernwaffen zu verhindern, sondern
die Iraner auszuhungern, doch es ist unwahrscheinlich, daß diese sich
deshalb gegen ihre Regierung wenden. Bestimmte Nahrungsmittel sind viel knapper
geworden. So haben z.B. malaysische Exporteure die Lieferung von Palmöl, das im
Iran für Margarine und Konditorwaren verwendet wird, wegen Zahlungsrückständen
eingestellt. Die Einfuhr von Mais aus der Ukraine, einem der Hauptlieferanten,
lag im Januar 40 % unter der üblichen Menge. Mais wird im Iran hauptsächlich in
der Viehzucht verwendet. Indien liefert ca. 70 % der iranischen Reis-Einfuhren, die Versorgung steht
aber jetzt dennoch in Frage, da der Iran nicht zahlen konnte. Der Verband der
indischen Reisexporteure empfiehlt seinen Mitgliedern, an den Iran nicht mehr
auf Kredit zu liefern. Wie der indische Handelsminister Rahul Khullar
mitteilte, bemüht sich ein privater iranischer Getreidehändler um einen Vertrag
zur Lieferung einer großen Menge Weizen aus Indien. Der Weizen wäre verfügbar,
aber die Zahlungsbedingungen sind fraglich. Indien ist der zweitgrößte Abnehmer
von iranischem Rohöl, in Höhe von etwa 11 Mrd.$ jährlich: man könnte daher ein
Tauschgeschäft Nahrungsmittel gegen Öl arrangieren. Offenbar haben die beiden
Regierungen am 14. 2. eine Möglichkeit zum Umgehen der Sanktionen
ausgearbeitet. [1]
Kommentar politonline:
Nachdem die EU bekanntlich einen Importstopp iranischen Öls vom 1. Juli an beschloss, hat der Iran seine Öllieferungen an 6
EU-Länder inzwischen eingestellt. Die damit verbundenen Folgen scheinen
indessen erst spät ins Bewusstsein aller Kriegsgurgeln zu dringen. Sehr
plötzlich gefährdet nun der hohe Ölpreis in zunehmendem Mass die globale
Konjunktur, wie dies jetzt auf dem Treffen der Finanzminister und Notenbanker
der 20 grössten Industrie- und Schwellenländer in Mexiko ausgesprochen wurde.
Das hielt jedoch IWF-Vizechef Lipton keineswegs davon ab, insbesondere auf den
Iran zu verweisen, der ein Risiko darstelle. Kein Wort darüber, dass sie
sich dieses Risiko selbst verdanken, indem sie es selbst ausgelöst haben. Die
Sorgen vor einer Eskalation des Konflikts, den sie
nicht müde werden, zu schüren, treiben ganz klar den Ölpreis und damit die
Benzinpreise in die Höhe. Es ist schwer zu sagen, was man diesen ›Geistern‹, denen wir widerstandslos ausgeliefert sind, an Verstand und Überlegung
überhaupt noch zubilligen sollte.
[1] Quelle:
Strategic
Alert, Jahrgang 25, Nr. 8 vom 22. Februar 2012
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