USA: Das Ende der Geschichte? - Von Paul Craig Roberts

Jetzt, da die CIA-Stellvertreterarmee Gaddafi ermordet hat, was hat Libyen wohl als Nächstes zu erwarten? Ist Washington bei der Durchsetzung

seiner Pläne erfolgreich, wird Libyen ein weiterer amerikanischer Marionettenstaat [1]. Durch die Luftangriffe der USA und der NATO-Marionetten Washingtons wurde der Großteil der Städte, Gemeinden und der Infrastruktur zerstört. Amerikanische und europäische Unternehmen können sich jetzt beim Wiederaufbau Libyens, der auch aus amerikanischen Steuermitteln finanziert werden wird, eine goldene Nase verdienen. Der Grundbesitz und andere Eigentumswerte werden sorgfältig neu verteilt, um so eine neue, von Washington handverlesene herrschende Klasse zu schaffen. Damit würde Libyen fest unter amerikanischer Knute stehen.

 

Nach der Eroberung Libyens wird AFRICOM [das 2007 unter Präsident Bush eingerichtete Oberkommando für die US-amerikanischen Militäroperationen in Afrika] damit beginnen, gegen andere afrikanische Länder vorzugehen, in denen China in die Energie- und Rohstoffwirtschaft investiert hat. Obama entsandte bereits amerikanische Soldaten unter dem Vorwand nach Zentralafrika, die sogenannte »Widerstandsarmee des Herrn« (LRA), eine kleinere, gegen den auf Lebenszeit herrschenden dortigen Diktator kämpfende Rebellenorganisation, zu zerschlagen. Der republikanische Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses John Boehner begrüßte diese Aussicht auf einen neuen Krieg mit der Erklärung, die Entsendung von US-Truppen nach Zentralafrika »diene den nationalen amerikanischen außen- und sicherheitspolitischen Interessen«. Der republikanische Senator James Inhofe fügte noch mit einem moraltriefenden Wortschwall hinzu, der Einsatz rette »ugandische Kinder«; eine Anteilnahme, die der Senator gegenüber libyschen, palästinensischen, irakischen, afghanischen oder pakistanischen Kindern gegenüber bisher vermissen ließ. Washington will wieder beim großen Spiel um die Macht an vorderster Stelle mitmischen und sieht dabei besonders China als Konkurrenten. Während China in Afrika investiert und als Geschenk auch Infrastrukturprojekte mitbringt, entsendet Washington Soldaten, bombardiert und errichtet Militärstützpunkte. Früher oder später wird sich die aggressive Haltung Washingtons gegenüber China und Rußland bitter an uns allen rächen.

 

Woher soll das Geld kommen, mit dem Washington sein afrikanisches Empire finanzieren will? Wohl kaum vom libyschen Erdöl - der Löwenanteil wurde bereits den Franzosen und Engländern versprochen, weil sie diesem jüngsten unverhohlenen Aggressionskrieg Washingtons  Rückendeckung gaben. Aber diese imperialen Ambitionen lassen sich auch nicht aus den Steuereinnahmen einer zusammenbrechenden amerikanischen Wirtschaft finanzieren, deren Arbeitslosigkeit, wenn sie korrekt berechnet wird, jetzt bei 23 % liegt. Angesichts der extremen Höhe des Haushaltsdefizits kann das Geld eigentlich nur aus der Druckerpresse kommen. Washington hat die Gelddruckmaschinen bereits so auf Fahrt gebracht, daß der städtische Verbraucherpreisindex (CPI-U) gegenüber dem Vorjahreswert (Ende September 2010) um 3,9 %, der Verbraucherpreisindex für städtische Arbeitnehmer und Büroangestellte (CPI-W) um aufs Jahr gerechnete 4,4 % und der Produzentenpreisindex ebenfalls aufs Jahr gerechnet um 6,9 % anstiegen. Der Statistikexperte John Williams  www.shadowstats.com  hat bewiesen, daß die offiziellen Inflationsberechnungen manipuliert sind, um die davon abhängigen Anpassungen der Höhe der Sozialleistungen so gering wie möglich zu halten, damit noch genug Geld für die Kriege Washingtons übrigbleibt. Eine korrekt berechnete US-Inflationsrate läge derzeit bei 11,5 %.

 

Welche Zinsen können Sparer bekommen, ohne damit ein hohes Risiko bei griechischen Staatsanleihen einzugehen? Amerikanische Banken zahlen derzeit 0,5 % auf von der amerikanischen Bundeseinlagenversicherung FDIC abgesicherte Spareinlagen. Auf kurzfristige amerikanische Staatsanleihen spezialisierte Anlagefonds zahlen praktisch keine Zinsen mehr. Aus den offiziellen Statistiken der amerikanischen Regierung läßt sich also ableiten, daß die amerikanischen Sparer jährlich zwischen 3,9 und 4,4 % ihres Sparkapitals verlieren. Legt man die von John Williams berechnete tatsächliche Inflationsrate zugrunde, verlieren sie sogar 11,5 % ihrer aufgelaufenen Rücklagen. Da amerikanische Rentner in der Regel keine Zinsen auf ihre Einlagen erhalten, müssen sie auf ihr Kapital zurückgreifen. Angesichts der negativen Zinsen (also eines realen Kaufkraftverlustes) für ihre Einlagen und der inflationsbedingten Senkung aller Renten, die sie erhalten, wird die Überlebensfähigkeit selbst der vorsichtigsten und sparsamsten Rentner in Frage gestellt, sobald alle Rücklagen oder andere Vermögenswerte einmal aufgebraucht sind. Mit Ausnahme der von Washington so sehr begünstigten Superreichen, jenen ein Prozent der Bevölkerung, die praktisch alle Einkommensverbesserungen der vergangenen Jahre eingestrichen haben, wird der Rest der amerikanischen Bevölkerung selbst sehen müssen, wie er zurechtkommt. Seit Ausbruch der Finanzkrise im Dezember 2007 wurde nichts für sie unternommen. Bush und Obama, Republikaner und Demokraten, haben sich gleichermaßen darauf konzentriert, das eine Prozent zu retten und haben den 99 % der restlichen Bevölkerung zynisch und beleidigend ihre Verachtung und Mißachtung gezeigt. Endlich haben einige Amerikaner, wenn auch noch nicht genug, begriffen, daß sie der fähnchenschwenkende Hurra-Patriotismus auf dem Abfallhaufen der Geschichte landen läßt. Sie wollen nicht kampflos untergehen und besetzen die Straßen. Die Bewegung »Occupy Wall Street« breitet sich aus. Wie wird das weitere Schicksal dieser Bewegung aussehen? Werden der Schnee und die Kälte des Winters die Proteste zum Erliegen bringen oder werden sie einfach in öffentliche Gebäude ausweichen? Wie lange werden die Behörden vor Ort, so unterwürfig sie gegenüber Washington sind, die offensichtliche Botschaft [dieser Bewegung] tolerieren, daß die Bevölkerung keinerlei Vertrauen mehr in die Regierung hat? Wenn die Proteste anhalten, und vor allem, wenn sie wachsen und keineswegs an Zahl abnehmen, werden die Behörden damit beginnen, die Protestbewegung mit Polizeiprovokateuren, die zum Beispiel auf Polizisten schießen könnten, zu unterwandern. Dies lieferte dann den Vorwand, die Protestaktionen gewaltsam abzubrechen und die »Überlebenden«  als »Terroristen« oder »extremistische politische Aktivisten« zu verhaften und sie in eines der extra für den Fall innerer Unruhen gebauten Internierungslager zu bringen, die für 385 Millionen Dollar von dem Unternehmen Halliburton, dessen Vorstandschef Cheney lange Jahre war, errichtet wurden. Der amerikanische Polizeistaat wird sich dann in einem weiteren Schritt in den amerikanischen Konzentrationslager-Staat verwandeln. In den bisher nur wenigen Jahren des 21. Jahrhunderts hat Washington die Prinzipien der amerikanischen Verfassung - der Gewaltenteilung, des Völkerrechts und die Verantwortlichkeit von Regierungen - in den Staub getreten und auch das allerletzte moralische Prinzip geopfert, um eine scheinbar absolute Vormachtstellung in der Welt einzunehmen. Diese ehrgeizigen Ziele versucht Washington zu erreichen, während es gleichzeitig die Wall Street, das Zentrum rücksichtsloser Gier, von allen Regulierungen befreite und es den kurzfristigen Interessen der Wall Street ermöglichte, die amerikanische Wirtschaft zugrunde zu richten, auch wenn sie damit die wirtschaftliche Grundlage des amerikanischen Griffs nach der Weltmacht vernichtete. Werden die USA im wirtschaftlichen Chaos versinken, bevor sie die Welt beherrschen?

 

Eine genauere Schilderung der von Armut bedrohten Schicht enthält ein in der jungen Welt erschienener Artikel von Philipp Schläger [2]. »Die Diskrepanz zwischen Reichtum und Armut hat in den Vereinigten Staaten ein neues Rekordhoch erreicht. Seit Jahrzehnten waren nicht mehr so viele Menschen so arm und so wenige so reich. Die Spaltung ist nach Angaben des World Factbook der CIA sogar größer als in Entwicklungs- resp. Schwellenländern. Die Unterschiede sind besonders deutlich in New York zu sehen. Nur wenige Straßen weiter nördlich der 96. befindet sich die Yorkville Common Pantry. Die Kantine im Kellergeschoß in der 109. Straße, nur einen Steinwurf vom Central Park entfernt, schließt gerade ihre Türen. An einigen Tischen sitzen vereinzelt Bedürftige, trinken Kaffee und unterhalten sich leise. »Wir brauchen diesen Ort.« »Immerhin haben wir hier jeden Tag etwas zu essen«, sagen Monica und Benjamin Rodriguez. Sie kamen aus Cleveland, Ohio, nach New York.  In New York wollten die beiden neu anfangen. Aber einen Job fanden sie hier nicht. Nun schlafen sie auf den Stufen der benachbarten Kirche, die auch die Vermieterin der Räumlichkeiten der Yorkville Common Pantry ist. Die 200 $ in »Food Stamps«, die vom staatlichen SNAP-Programm ausgegebenen Essensmarken, seien schon Mitte des Monats aufgebraucht, erklärt Monica. Und die Marken können nur gegen kaltes Essen eingetauscht werden. »Noch nicht einmal eine Tasse heißen Kaffee dürfen wir damit kaufen.« Das bedeutet, daß man eine Küche braucht, um die Lebensmittel zuzubereiten. Auf der Straße geht das nicht. Auch Joseph Midgley hat das Frühstück gerade hinter sich, jetzt liest er Zeitung. »Ziemlich trostlos« seien seine Aussichten, meint der 47jährige Afroamerikaner aus der Bronx nachdenklich. Die Angebote der städtischen Arbeitsvermittlung Workforce1 seien nichts anderes als eine Drehtür. »Sie bieten nur kurzzeitige Beschäftigungen, man ist schnell wieder draußen, ohne Arbeit.« Seit Mai geht das so, nach Jahren seiner Tätigkeit als Marktforscher. Er schüttelt den Kopf über die aggressiven Versuche der Republikaner, die Sozialprogramme für Arme zu kürzen. »Viele Menschen sind auf sie angewiesen.« Doch gleichzeitig sei es sehr schwer, für deren Erhaltung zu kämpfen. Die Betroffenen hätten Angst, darüber zu sprechen, sich zu organisieren und zu wehren, sagt er. »Viele hier haben aufgegeben.« Manche seien in dieser Lage seit 5, 10 oder sogar 15 Jahren. »Da bleibt wenig Energie.« Doch die wäre dringend nötig. Ohne eine starke Lobby sind es gerade die Ausgaben für Arme, die den aktuell immer wiederkehrenden Budgetverhandlungen zum Opfer fallen. Und das, obwohl die Zahl dieser Menschen nach einer Untersuchung der US-Statistikbehörde im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht hat. 15,1 % der US-Bevölkerung leben offiziell in Armut. In absoluten Zahlen sind das 46 Millionen Menschen, der höchste Wert seit 60 Jahren. In New York ist ein Fünftel der Bevölkerung laut jüngsten Erhebungen mittellos, rund 1,6 Millionen Menschen. Allein zwischen 2007 und 2009 sind 75000 Menschen ins Elend abgerutscht. Und 1,8 Millionen sind auf Lebensmittelmarken angewiesen. Die meisten von ihnen, rund 1,4 Millionen, müssen zusätzlich die kostenlose Notversorgung der Suppenküchen nutzen. Dennoch haben die das Repräsentantenhaus beherrschenden Republikaner im Frühjahr drastische Einschnitte im »Emergency Food Assistance Program« (TEFAP) in Höhe von 20 % beschlossen, das sind 51 Millionen $. Ihnen sind die Sozialleistungen ein Dorn im Auge. Das Bundesprogramm sichert die Versorgung der Suppenküchen mit Nahrungsmitteln und ist der größte Einzelposten unter den Geldern für Lebensmittelversorgung der sozialen Einrichtungen. Sollte der Senat, die zweite Kammer im US-Kongreß, diese Kürzungen absegnen, würde alleine in New York ein Netzwerk von rund 1000 lokalen Einrichtungen ein Sechstel der Mittel für Essen verlieren, sagt Daniel Reyes, Programmdirektor der Yorkville Common Pantry. Auch repressive Maßnahmen verhinderten Widerstand. Empfängern von Lebensmittelmarken werden ihre Fingerabdrücke abgenommen. Obdachlose in New York müssen einen Lichtbildausweis mit sich führen. Viele von ihnen haben allerdings keinen und können daher jederzeit festgenommen werden. Deshalb versuchen sie, möglichst wenig aufzufallen. Hinzu kommt, daß ein großer Teil der Betroffenen im höheren Alter ist. Sie glauben, daß sie machtlos sind

 

 

 

[1]  Quelle:  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/paul-craig-roberts/das-ende-der-geschichte.html    27. 10. 11  - gekürzte Fassung

[2]  http://www.jungewelt.de/2011/10-29/004.php  Wochenendbeilage auf Seite 4

Nicht nur die Ärmsten hungern - Von Philipp Schläger, New York - auszugsweise