Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) - Erweiterung des Aufgabengebietes

Am 29. 9. 2011 will der Deutsche Bundestag über eine Fortentwicklung der seit Juni 2010 bestehenden »Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität AG« entscheiden.

Neben einer quantitativen Erhöhung des Haftungsrahmens auf 780 Milliarden Euro (!) wird auch das Aufgabengebiet qualitativ stark erweitert. Neu sind folgende Aufgaben, die über die bisherige Kreditgewährung hinausgehen:

 

1.  Erlaubnis für die Empfängerstaaten der EFSF-Darlehen, diese Darlehen auch zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten zu verwenden.

 

2.  Erlaubnis, Staatsanleihen anderer Eurostaaten im Primär- und/oder Sekundärmarkt aufzukaufen.

 

3.  Erlaubnis, vorsorgliche Maßnahmen durch Bereitstellung von Kreditlinien zu ergreifen. All dies soll in einem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines Europäischen Stabilisierungsmechanismus vom 22. 5. 2010 (BGBI. I, S. 627) festgeschrieben werden

 

Zu den drei Erweiterungen ist folgendes zu bemerken:

 

l.  Zu Punkt 1

Erstmals wird eine schon bisher eingerissene Praxis festgeschrieben: Die von der EFSF auszureichenden und von den Mitgliedsstaaten, insbesondere Deutschland, zu verbürgenden Darlehen dürfen im Endeffekt nicht nur in Landeshaushalten, sondern auch bei Banken landen. Der Begriff Rekapitalisierung von Finanzinstituten, wird nicht erläutert.

 

Rekapitalisierungkann aber nur meinen, den jeweils in Schwierigkeiten geratenen Banken Eigenkapital aus den Darlehen der EFSF zur Verfügung zu stellen. Ob der Empfängerstaat dies durch eine Art von Schenkung tut, oder sich selbst im Wege von Kapitalerhöhungen an den Banken beteiligt und diese dadurch teilverstaatlicht, wird nicht angesprochen. Eines aber ist sicher: Wenn das von dem Empfängerstaat entgegengenommene EFSF-Darlehen im Eigenkapital von Banken landet, ist es endgültig gebunden. Es ist nicht zu sehen, aus welchen Mitteln der Empfängerstaat diese EFSF-Darlehen zurückzahlen soll. Mit sehr hoher  Wahrscheinlichkeit ist also mit dem Ausfall dieser Darlehen zu rechnen. Die deutschen Steuerzahler müssen jetzt die EFSF nicht mehr nur gegen das Risiko von Zahlungsausfällen der Empfängerstaaten absichern, sondern haften auch noch für die Mißerfolge ausländischer Banken, die rekapitalisiert werden müssen, weil sie hohe Verluste hatten. Damit wird die Haftung der Deutschen endgültig uferlos. Es ist nicht einmal darüber nachgedacht worden, daß in diesem Falle der EFSF eine Sicherheit geleistet werden könnte, etwa durch Abtretung der durch Kapitalerhöhung entstehenden Bankbeteiligungen. Auch bleibt es dabei, daß bei bestehender Überschuldung des Empfängerstaates bloße Kreditgewährungen nach  allgemeinem Fachwissen dem Schuldner nicht helfen können und außerdem das hineingepumpte Geld endgültig verloren ist. Das Ganze ist nicht zu Ende gedacht, fachliche Beratung hat offensichtlich gefehlt: Ein grenzenloses und unverantwortliches Abenteuer, dessen Bedeutung den Wählern schnellstens klargemacht werden muß. EFSF könnte auch heißen: Ende für Sicherheit und Freiheit ...

 

2.  Kauf von Staatsanleihen

Mit der Erlaubnis, Staatsanleihen anderer Mitgliedsstaaten, die den Euro eingeführt haben, aufzukaufen, wird die Darlehenstätigkeit gegenüber dem bisherigen Rechtszustand erweitert. Letztlich ist auch der Kauf von Staatsanleihen eine Kreditgewährung. Das Risiko von Zahlungsunfähigkeit ist auch in diesem Falle uneingeschränkt gegeben. Auch müßte klargestellt werden, daß nach Übertragung dieser Aufgabe auf die EFSF die EZB ihre satzungs- und Lissabon-Vertragswidrige Praxis beendet, ihrerseits solche Staatsanleihen aufzukaufen.

 

3.  Kreditlinien

In einer mir vorliegenden Formulierungshilfe für die Fraktionen der CDU/CSU und FDP heißt es zur Erläuterung des Gesetzesentwurfs, die EFSF könne auch vorsorgliche Maßnahmen in Form der Bereitstellung einer vorsorglichen Kreditlinie ergreifen. Das bedeutet praktisch die Zurverfügungstellung von Kontokorrentkrediten, wie sie von Geschäftsbanken ihren Firmenkunden regelmäßig gewährt werden. Diese Art von vorsorglicher Maßnahme läßt sich immer rechtfertigen. Die Leitung der EFSF hat es in der Hand, auch auf diesem neuen Feld die Steuerzahler unabsehbaren Haftungsrisiken auszusetzen.

 

Insgesamt ist festzustellen, daß schon wie bisher, erst recht aber nach der Erweiterung des

Aufgabenbereiches, die EFSF eine Großbank wird, die keiner Bankaufsicht unterliegt. Die

drei Erweiterungen sind uferlose Blankoschecks, für deren Risiken theoretisch alle 17 Mitgliedsstaaten [Aktionäre] der EFSF haften, in Wirklichkeit kommen aber realistischerweise nur noch wenige, insbesondere Deutschland, als solvente haftende Schuldner in Betracht. Es ist ausgerechnet worden, daß Deutschland mit rund 27 % des Haltungsrahmens in Anspruch genommen werden kann, das sind 211 Mrd. €. Darin sind aber Zinsen und Kosten nicht enthalten. In Wirklichkeit ist das Haftungsrisiko weit höher, die Deutsche Bank (FAZ vom 17. 9. 2011) spricht von über 400 Mrd. €.  

 

Wenn der Gesetzesentwurf so verabschiedet wird, haben es andere Staaten nach ihrem Belieben in der Hand, deutsche Haushaltsmittel für sich in Anspruch zu nehmen bzw. zu blockieren. Deutsche Haushaltspolitik wird dadurch unmöglich, andere Staaten bestimmen nicht nur, wie der der deutsche Haushalt auszusehen hat, sondern wie die Deutschen überhaupt zu leben haben. Mit diesem Gesetzesentwurf wird die Axt an die Wurzel des demokratischen Rechtsstaates in Deutschland gelegt, die deutschen Steuerzahler, insbesondere aber die junge nachwachsende Generation, werden praktisch für fremde Staaten und deren Fehlentscheidungen und Schulden als Geisel genommen; ihre Arbeitskraft wird verpfändet. Zerstört werden nicht nur die Grundlagen des demokratischen Staates, sondern auch die Europa-Idee.

 

gez. Rechtsanwalt Dr. iur. Wolfgang Philipp