Auch der Libyenkrieg gezielt vorbereitet

Wie in zahlreichen von uns veröffentlichten Artikeln zu Libyen aufgezeigt ist, ist die Rebellenbewegung vom Westen gut orchestriert worden.

So schreibt auch Knut Mellenthin u.a., »daß sich der libysche Bürgerkrieg bisher als Musterfall eines von westlichen Regierungen und Diensten langfristig und sorgfältig geplanten Umsturzes darstellt. Schon die unglaublich schnelle und scheinbar reibungslose Bildung der Aufstandsführung, gerade einmal zehn Tage nach Beginn der bewaffneten Revolte am 17. Februar, stellte ein Meisterstück dar. Immerhin mußten zuvor zehn bis zwanzig zum Teil grundverschieden ausgerichtete exil­oppositionelle Gruppierungen, von Neoliberalen bis hin zu Islamisten, mit regionalen und Stammesführern, aber auch mit übergelaufenen Regierungspolitikern unter einen Hut gebracht werden. Aber letztlich war das erstaunliche Kunststück wohl nur dadurch zu gewährleisten, daß einige ausländische Dienste ein strammes Regiment über den gesamten »Vereinigungsprozeß« führten und ständig ›beratend‹ in die politische und militärische Geschäftsführung der Rebellen eingriffen.« [1]

Dass die USA und die NATO insgeheim einen entscheidenden Beitrag zu den Kämpfen in Libyen geleistet haben, geht auch aus dem nachfolgenden, von den ›Friedenspolitischen Mitteilungen‹ publizierten Bericht [2] hervor:

Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Rebellen, als in den Kämpfen in Libyen ein Patt drohte, von innerhalb des Landes verdeckt operierenden ausländischen Militärberatern angeleitet wurden, die auch die NATO-Flugzeuge, die (libysche) Regierungstruppen bombardierten, einwiesen. Diplomaten geben zu, daß NATO-Staaten und Partnerländer aus dem Mittleren Osten an den Geheimoperationen auf libyschem Boden beteiligt waren. Diese Operationen waren nicht in die NATO-Befehlsstruktur eingebunden, um Verstöße gegen das UNO-Mandat zu vermeiden, das (durch die Errichtung einer Flugverbotszone für libysche Kampfjets) nur den Schutz von Zivilisten erlaubte. Diese weitgehend im Verborgenen agierenden (ausländischen) Unterstützer halfen, die zusammengewürfelte Rebellen-Armee in eine Streitmacht umzuwandeln, die in der Lage war, Tripolis zu erstürmen.

>Am Dienstag, den 23. August, gab der französische Außenminister Alain Juppé in einem Interview mit dem Radiosender Europe 1 zu, daß auch Frankreich ›einige Instruktoren‹ für die Ausbildung der Rebellen-Kämpfer abgestellt hat.< Dieser Satz, der in der ursprünglichen AP-Meldung enthalten ist, fehlt im Nachdruck von English Lybia TV. Die NATO teilte mit, weil es noch einzelne Widerstandsnester gebe, werde sie ihre Mission trotz der schnellen Fortschritte der Rebellen in Tripolis weiter fortsetzen. Obwohl das Bündnis bisher immer bestritten hat, irgendwelche (Boden-)Truppen in Libyen zu haben, gab ein Sprecher Anfang dieses Monats die Anwesenheit ausländischer Soldaten indirekt zu, als er erklärte, die NATO-Zielplaner stützten sich ›auf Angaben von NATO-Informanten vor Ort‹. Analysten haben festgestellt, daß die Luftangriffe immer präziser wurden und immer weniger Kollateralschäden verursachten, was auf die Anwesenheit von Zieleinweisern auf dem Schlachtfeld schließen läßt. Deshalb waren auch gezielte Bombenangriffe auf die wichtigsten Kommunikationseinrichtungen des libyschen Oberbefehlshabers Muammar Gaddafi und auf seine geheimen Waffenlager möglich. Eine zunehmende Anzahl von US-Überwachungs- und Killerdrohnen begleitete den Vormarsch der revolutionären Kräfte rund um die Uhr. Diplomaten geben zu, daß verdeckt operierende Teams aus Frankreich, Großbritannien und einigen osteuropäischen Staaten den Rebellen auch am Boden wichtige Hilfe leisteten. Nach Auskunft eines im NATO-Hauptquartier in Brüssel tätigen Diplomaten, der wegen seiner sensiblen Informationen anonym bleiben wollte, wurde die Rebellen-Armee von [den Nachschub organisierenden] Logistikern, Sicherheitsberatern, vorgeschoben Zieleinweisern, Geheimdienstagenten, Schadensbewertern und anderen Experten unterstützt. Die CIA und andere US-Geheimdienste haben schon vor Beginn und während des Konflikts Informationen mit Hilfe von Kontaktpersonen gesammelt, die sie angeworben haben, als sie mit der Gaddafi-Regierung bei der Bekämpfung militanter, Al-Qaida-naher, islamistischer Gruppen in Libyen zusammengearbeitet haben. Ein anderes Anzeichen für die Beteiligung ausländischer Bodentruppen war die schnelle Verbesserung der Operationsfähigkeit der Rebellen-Armee und besonders die bessere Koordination der Kampftätigkeit, die es zu Beginn des Konfliktes noch nicht gab. »Das ist normalerweise mit ungeschulten Truppen kaum zu erreichen, « sagte Barak Seener, ein Nahostexperte des Royal United Services Institute (des Königlichen Instituts der Vereinigten Streitkräfte, eines britischen Militärforschungsinstitutes). »Da sie so schnell gelernt haben, wurden sie offensichtlich von Spezialkräften ausgebildet.«

Die ausländischen Militärberater haben die libyschen Rebellen-Truppen immer mit aktuellsten Aufklärungsergebnissen versorgt, so daß diese ihre begrenzte Feuerkraft optimal gegen Gaddafis Armee einsetzen konnten. Ein US-Offizieller, der unter der Bedingung, anonym bleiben zu können, dazu bereit war, auch über geheime Operationen zu sprechen, sagte, anfangs hätten nur Militärberater aus Katar mitgewirkt, diese seien aber später durch französische, italienische und britische Berater verstärkt worden. Mit dem Einsatz der Militärberater seien mehrere Absichten verfolgt worden; man habe den Rebellen nicht nur helfen, sondern auch verhindern wollen, daß Al-Qaida-Leute zu viel Einfluß auf die Aufständischen bekommen. Die Arbeit der Geheimdienste auf dem Boden wurde durch eine ständig ausgeweitete Überwachungstätigkeit am Himmel ergänzt, die vor allem dem Aufspüren von Angriffszielen diente. Mit bewaffneten US-Predator-Drohnen wurde der Weg für die vorrückenden Rebellen freigeräumt. Der Einsatz der US-Drohnen auf dem libyschen Kriegsschauplatz sei für die Rebellen sehr wichtig gewesen, weil sie dadurch ständig neueste Aufklärungsergebnisse über ihre jeweiligen Umgebung bekommen hätten, sagte General Jean-Paul Palomeros, der Stabschef der französischen Luftwaffe. »Je genauer die Aufklärungsergebnisse sind, desto wertvoller sind sie,« erklärte Palomeros gegenüber der US-Nachrichtenagentur The Associated Press / AP. »Das war Teil eines Gesamtpaketes: Viel Zeit wurde auch für das Organisieren der oppositionellen Kräfte verwendet.« Weil die USA in den letzten Wochen vermehrt Drohnen einsetzte, konnte sie auch näher bei den Städten Präzisionsschläge durchführen und den Rebellen einen raschen Vormarsch durch Zawiya und auf Tripolis ermöglichen.

Ein an den Sitzungen des britischen National Security Council (des Nationalen Sicherheitsrates) Beteiligter teilte mit, im Laufe der Zeit sei die Zusammenarbeit zwischen der NATO und den Rebellen-Gruppen besonders bei der Koordination von Luftangriffen immer besser geworden. Nachdem die libyschen Rebellen von Soldaten aus Großbritannien und anderen Nationen ausgebildet worden seien, hätten sich ihre militärische Fähigkeiten erheblich verbessert. Durch immer präzisere NATO-Luftangriffe unterstützt, konnten die Rebellen die Gaddafi-Truppen allmählich zurückdrängen und deren Nachschubrouten blockieren; gleichzeitig floß der Opposition immer mehr Geld und Nachschub zu. Die NATO-Bombenangriffe, die Durchsetzung der Flugverbotszone (für libysche Flugzeuge), das Waffenembargo (für die libysche Armee) und die vor der Küste patrouillierenden NATO-Kriegsschiffe verschafften den Rebellen genügend Luft, damit sie sich mit [auch von der NATO beschafften] Waffen und Munition versorgen konnten. So wurden sie befähigt, sich nach und nach in eine einigermaßen wirkungsvolle Kampftruppe zu verwandeln.

Unter dem Titel ›Die NATO und die Undankbarkeit der Libyer‹ legt Thierry Meyssan folgendes dar:
Die Koalition der Freiwilligen ist in Libyen angetreten, um die Zivilbevölkerung vor der Unterdrückung durch den Tyrannen Gaddafi zu retten. Libyens soziale und politische Strukturen, die aus einer bodenständigen Kultur hervorgehen, sind offensichtlich für viele Westler schwer zu verstehen. Es gibt ein Einkammer-System partizipativer Demokratie, das auf örtlicher Ebene bemerkenswert gut funktioniert, und dabei mit einem ›Forum der Stämme‹ verzahnt ist, das keine zweite Kammer oder eine Art Senat bildet, da es keine gesetzgeberischen Befugnisse hat, aber den Gemeinschaftsgeist der Stämme in das politische Leben einbezieht. Diese Art von Gemeinwesen wird durch die Figur des ›Führers‹ ergänzt, der über keine institutionelle Amtsgewalt verfügt, aber moralische Autorität ausübt. Niemand ist gezwungen, ihm zu gehorchen, aber die meisten tun es, so, wie sie sich im Schoße einer Familie gegenüber einem Älteren verhalten würden, auch wenn sie nichts dazu zwingt. Insgesamt ist dieses System friedlich, und die Leute haben keine Angst vor der Polizei, ausgenommen bei Versuchen der gewaltsamen Machtübernahme oder auch bei der Gefängnismeuterei von Abou Salim (1996), die auf außergewöhnlich blutige Weise niedergeschlagen wurden. Klarstellungen dieser Art verhelfen dazu, den absurden Charakter der Kriegsziele der Koalition der Freiwilligen zu begreifen. Offiziell interveniert diese Koalition gemäß Aufforderung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, um die zivilen Opfer einer Massenrepression zu schützen. Inzwischen sind die Libyer davon überzeugt, daß diese Repression niemals existiert hat.

Das Konzept eines simultanen Angriffs auf Libyen und Syrien wurde von den Machthabern der USA in der Woche nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 aktenkundig festgelegt. Erstmals öffentlich dargelegt wurde es von John Bolton, damals Unterstaatssekretär, in seiner Rede vom 6. Mai 2001 mit dem Titel ›Über die Achse des Bösen hinaus‹ (›Beyond the Axis of Evil‹). Bestätigt wurde es von General Wesley Clark während eines berühmten Fernsehgesprächs am 2. März 2007. Dabei präsentierte der frühere Oberkommandierende der NATO die Liste der Staaten, die von den Vereinigten Staaten in den nächsten Jahren nacheinander angegriffen würden. Die Straussianer [4] hatten vorgesehen, zunächst im Rahmen der ›Umwandlung des größeren Mittleren Ostens‹ Afghanistan, den Irak und den Iran und dann in einer zweiten Phase Libyen, Syrien und den Libanon anzugreifen, um den Umwandlungsprozeß auf die Levante und Nordafrika auszudehnen, sowie ferner in einer dritten Phase Somalia und den Sudan anzugreifen, um auch Ostafrika umzumodeln. Doch in Anbetracht dessen, daß der Angriff auf den Iran aus offenkundigen militärischen Gründen verschoben worden ist, sind wir nun unabhängig von den realen oder imaginären Ereignissen in Bengasi unmittelbar in Phase II hineingeraten. Die Koalition der Freiwilligen sieht sich nun in einen Prozeß hineingezogen, der von ihr nicht gewollt ist und sie überfordert. Die Strategie der USA - umgesetzt von Frankreich und Großbritannien, Partner wie einst in der guten alten Zeit der Suez-Expedition - ging von einer besonders feinsinnigen Analyse des libyschen Stammessystems aus. In Kenntnis davon, daß die Mitglieder bestimmter Stämme, hauptsächlich die der Warfallah, nach dem fehlgeschlagenen Putsch von 1993 aus verantwortungsvollen Posten entfernt wurden, bräuchte die NATO nur deren Frustration zu schüren, sie zu bewaffnen und als Hebel zu benutzen, um das Regime zu stürzen und ein pro-westliches Regime einzusetzen. Bei einem Treffen der Alliierten am 19. März sollen Berlusconi zufolge Sarkozy und Cameron angedeutet haben, daß »der Krieg zu Ende wäre, wenn es, wie man erwartet, zu einer Revolte der Bevölkerung von Tripolis gegen das bestehende Regime käme.«

Diese Strategie erreichte am 27. April mit dem Aufruf der 61 Stammesführer zugunsten des Nationalen Übergangsrats ihren Höhepunkt. Es fällt auf, daß in dem Dokument schon nicht mehr von den dem ›Regime‹ zugeschriebenen Massakern in Bengasi und Tripolis die Rede ist, sondern von der vermutlichen Absicht des Regimes, solche zu begehen. Die Unterzeichner danken Frankreich und der Europäischen Union dafür, ein angekündigtes Blutbad verhindert und nicht dafür, ein im Gange befindliches Blutbad gestoppt zu haben. Seit diesem Aufruf haben sich die Stämme der Opposition - ununterbrochen einer nach dem anderen - der Regierung in Tripolis angeschlossen, und ihre Führer haben Muammar Gaddafi Treue geschworen. In Wirklichkeit hatte dieser Prozeß schon einige Zeit vorher begonnen und war am 8. März in Szene gesetzt worden, als der ›Führer‹ im Hotel Rixos die Huldigung der Stammeschefs entgegennahm, inmitten von westlichen Journalisten, die dabei in menschliche Schutzschilde verwandelt und durch diese neuerliche Provokation in Erstaunen versetzt wurden.

Die Erklärung dafür ist einfach: vor den Ereignissen von Bengasi hatte die innere Opposition gegen Gaddafi keinerlei Grund, das Regime zu stürzen. Der Aufruf vom 27. April basierte auf Informationen, welche die Unterzeichner heute als Manipulation ansehen. Inzwischen hat sich jeder von ihnen der nationalen Regierung angeschlossen, um gegen die äußere Aggression zu kämpfen. Nach islamischer Kultur sind die Rebellen, die ihren guten Glauben unter Beweis gestellt haben, automatisch begnadigt und unter die nationalen Kräfte eingereiht worden. Im übrigen ist es für unsere Analyse wenig bedeutsam, ob die Repression durch das Regime Gaddafis eine historischen Realität oder westliche Propaganda ist; was zählt, ist zu wissen, was die Libyer heute als souveränes Volk denken. Hier muß man die politischen Kräfteverhältnisse beachten. Der Nationale Übergangsrat hat es nicht verstanden, sich eine soziale Basis zu schaffen. In seiner provisorischen Hauptstadt Bengasi, die eine Stadt von 800.000 Einwohnern war, feierten im Februar Zehntausende seine Gründung. Heute ist die »durch die Rebellen befreite« und »von der NATO beschützte« Stadt eine tote Agglomeration, die nicht mehr als einige Zehntausend Einwohner zählt, oft Leute, die nicht die Mittel haben, wegzugehen. Nicht vor den Kämpfen sind die Leute von Bengasi geflohen, sondern vor dem neuen Regime.

Umgekehrt war das ›Gaddafi-Regime‹ in der Lage, bei Demonstrationen am 1. Juli in Tripolis 1,7 Millionen Menschen zu mobilisieren; man ist dazu übergegangen, jeden Freitag regionale Demonstration zu organisieren. So waren es letzte Woche in Sabha (im Süden) über 400.000, und für Freitag (15. Juli) erwartet man in Az Zawiyah (im Westen) eine gleiche Menge. Wohlgemerkt: Diese Demonstrationen richten sich gegen die NATO, die über eintausend Landsleute getötet, die nicht-ölwirtschaftliche Infrastruktur zerstört und jegliche Versorgung durch eine Seeblockade unterbrochen hat. Zu guter Letzt hat das libysche Volk gesprochen. Aus seiner Sicht ist die NATO nicht gekommen, um es zu beschützen sondern um das Land zu erobern.


Alle Hervorhebungen durch politonline

1 http://www.jungewelt.de/2011/08-24/047.php

Maßarbeit  -  Die NATO und der nationale Übergangsrat  - Von Knut Mellenthin

2 Quelle: Originalbeitrag: US, NATO were crucial, unseen hands in Libya fight AP, vom 23. August 2011 auf  http://english.libya.tv   http://english.libya.tv/

Die Herausgeber der Luftpost - Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein haben den sehr aufschlußreichen Artikel, der die Angaben des französischen Journalisten und Augenzeugen Thierry Meyssan bestätigt, vollständig übersetzt und mit Ergänzungen in Klammern versehen. Der englische Originalbeitrag befindet sich auf der Website des TV-Senders Lybia for the free, ein Sender, der offensichtlich von den libyschen Rebellen betrieben wird und seit März 2011 aus Doha, der Hauptstadt Katars, sendet [siehe auch http://www.libya-watanona.com/http://english.libya.tv/about/

3 Quelle: http://www.nrhz.de/neinzurnato/?p=338   11. 7. 2011 

Quelle des Originals: http://www.voltairenet.org/L-OTAN-face-a-l-ingratitude-des

L'OTAN face à l'ingratitude des Libyens - par Thierry Meyssan - Übersetzung aus dem Französischen von Klaus von Raussendorff

Meyssan ist Präsident und Gründer von Réseau Voltaire und der Konferenz Axis for Peace

Siehe auch http://www.jungewelt.de/2011/08-31/022.php   31. 8. 11 Aufstand nach Plan -  Hintergrund. Zuverlässige Freunde des Westens - Über die Führungsriege der libyschen Rebellen - Von Knut Mellenthin

4 Die Schüler von Leo Strauss (Anm.d.Red.)