Gefrässiger Internationaler Währungsfonds - Nein zur Verschleuderung von 30 Milliarden

Votum von Nationalrat Ulrich Schlüer zum Beitritt der Schweiz zu den «Neuen Kreditvereinbarungen» des IWF,

abgegeben am 1. März 2011 (Auszüge)
 
Ich beantrage namens der Minderheit und namens der SVP-Fraktion, auf alle drei IWF-Vorlagen nicht einzutreten.
 
Verschwendungs-Kompromiss
Wir befinden uns ja eigentlich im zweiten Akt einer äusserst peinlichen Kompromissfindung, beginnend mit einem Kniefall der Mitte-Parteien vor der Linken bezüglich Entwicklungshilfe, der jetzt zum Kniefall der Linken vor den Mitteparteien bezüglich IWF-Finanzierung führt. Das Ergebnis ist eine Einigung auf einem Niveau, das die höchstmögliche Verschwendung von Geldern, die den Bürgern gehören, bewirkt.
 
«Euro-Rettung» für 30 Milliarden
Worum geht es: Es geht um die Euro-Rettung. Der IWF will uns insgesamt mit 30 Milliarden daran beteiligen. Die Schweizerische Nationalbank hat bereits für Unsummen Euros eingekauft. Der Kurs schwankt, aber der Verlust aus den Eurokäufen beträgt gut 20 Mrd. Schweizerfranken zu Lasten der Währungsreserven. Jetzt sollten wir 16,5 Milliarden Sonderhilfe bewilligen sowie 1 Milliarde für den IWF-Treuhandfonds. Und dann auch noch die 12 Milliarden, die wir vor anderthalb Jahren blockiert haben, die uns dann zurückbezahlt werden sollten, wenn wir die heute zur Diskussion stehenden 16,5 Milliarden bewilligt haben, die aber - wie das beim IWF immer ist - nicht zurückbezahlt werden. Vielmehr soll damit - es wird dazu bald eine separate Vorlage kommen - eine weitere Beteiligung von rund 12 Milliarden verlangt werden. Das ergibt insgesamt weitere 30 Milliarden Franken an Sonderhilfe, welche die Schweiz für die Euro-Rettung bezahlen müsste.
 
Weshalb muss die Schweiz den Euro retten? Hat denn die Schweiz diese marktuntaugliche Währung geschaffen? Wir haben uns vom Euro distanziert, weil wir der Ansicht waren, dass er nie funktionieren werde. Jetzt sollen wir mit - alles in allem - rund 50 Milliarden Franken, mit Geld, das den Bürgern gehört, diese Währung retten?
 
IWF verletzt eigene Statuten
Was der IWF macht, ist statutenwidrig. Der IWF ist nicht geschaffen worden, um überschuldete Staaten zu retten. Der IWF ist geschaffen worden, um Zahlungsbilanzhilfe zu leisten, vorübergehende Hilfe. Jetzt sollen hochverschuldete Staaten Milliarden erhalten. Es wird uns grossartig gesagt, wir hätten noch nie Geld verloren, wenn wir mit dem IWF geschäftet hätten. Doch das, was der IWF jetzt vorhat, hat er auch noch nie gemacht. Es soll daher niemand behaupten, dass die Verschuldungsproblematik auf dieser Welt gelöst sei, wenn wir jetzt Schweizer Milliarden in die gähnenden Schuldenlöcher hineinschütten.
 
Ich gehörte zu jener Gruppe der SVP, die in Bezug auf diese Vorlage von Nationalbank-Direktionspräsident Hildebrand ins Gebet genommen worden ist. Wir haben ihn dabei gefragt: Besteht wenigstens in irgendwelchen Ansätzen ein Konzept, wie man die Überschuldung der EU-Staaten in den Griff bekommen könnte? Dann könnte man darüber diskutieren, ob die Schweiz eine Übergangshilfe leisten soll. Wir erhielten aber bloss zur Antwort: Es sei jetzt alles vorzukehren, damit nicht auch Portugal und Spanien in den Verschuldungsschlamassel geraten. Es besteht bei EU und IWF nicht einmal der Ansatz eines Konzepts, wie man die Verschuldungskrise in den Griff bekommen will. Aber man plädiert dafür, dass die Schweiz jetzt einmal insgesamt 50 Milliarden Franken - das ist der effektiv für den Euro aufgewendete Betrag - beitragen soll. …
 
Rettung der EU?
Die verlangten Schweizer Milliarden sind für den Anteil des IWF am Rettungsschirm für den Euro in Höhe von 750 Milliarden Euro vorgesehen, wovon der IWF 250 Milliarden zu übernehmen hat. Wenn hier jemand auftritt und behauptet, die Schulden, um die es da geht, seien eine rein theoretische Zahl, diese habe überhaupt nichts mit Geld zu tun, wenn hier ein weiterer Sprecher auftritt und sagt, diese Schuldensanierung sei kostenlos und risikolos - dann haben diese Personen in ihrem Leben wohl noch nie eigenständig Geld verdient.
 
Bundeskanzlerin Merkel hat ausgeführt, es gehe nicht nur um den Euro, es gehe auch um die Weiterexistenz der EU. .....
 
Und für dieses Rettungspaket sollen wir insgesamt einige Dutzend Milliarden leisten. Haben denn wir diese Euro-Krise verschuldet? Ist es unsere Aufgabe, die EU zu retten, die Frau Merkel gefährdet sieht? Ich frage Sie einfach: Wenn wir  - und das bestreitet wohl niemand - effektiv vor einer schwierigen Krise in Europa stehen, ist es dann unsere Politik, als erstes unsere eigenen Reserven zu verspielen; diese aufs Spiel zu setzen, in der Meinung, es komme gut und alles sei ja risikolos? Wo sind denn die Schulden entstanden? Die Schulden sind in Staaten entstanden, die über ihre Verhältnisse gelebt und sich bei Banken schwer verschuldet haben. Die Banken mit den höchsten Guthaben sind die deutschen, französischen und englischen Banken. Diese Banken haben bei den hochverschuldeten EU-Ländern Guthaben von 1’500 Milliarden Franken. …..
 
Sind wir für eine solche Überschuldung verantwortlich? Müssen wir für die Länder, die sich auf eine derartige Verschuldung eingelassen haben, die Banken retten? Ist es unsere Aufgabe, diese Hasard-Politik der französischen, englischen, deutschen Banken mit Schweizer Franken, aus Währungsreserven, mit Geld, das unseren Bürgern gehört, aus dem Schlamm zu ziehen? Ist unser Volk dafür verantwortlich?
 
Schweiz zahlt am meisten
Wenn Sie diese IWF-Zahlungen auf die Bevölkerung umrechnen, dann zahlen die Deutschen pro Kopf ihrer Bevölkerung 500 Franken, die Franzosen 450 Franken. Die USA bezahlen sogar nur 350 Franken pro Kopf der Bevölkerung. Und die Schweiz bezahlt 2’000 Franken, das Vierfache von Deutschland, das etwa Sechsfache der USA pro Kopf der Bevölkerung. Sagen Sie mir einmal: Weshalb muss die Schweiz den weltweit mit Abstand höchsten Betrag an dieser Schuldensanierung, die durch den Euro ausgelöst worden ist, bezahlen? Weshalb ist hier die Schweizer Bevölkerung in der Pflicht?
 
Haben wir etwas eingehandelt?
Dann kommt die Frage an unsere Regierung: Haben wir, wenn wir solche Zahlungen leisten, wenn wir jedem Schweizer 2’000 Franken abnehmen, für diese 2’000 Franken auch etwas eingehandelt? Hat der Bundesrat etwas nach Hause gebracht dafür, dass wir den verschuldeten Ländern helfen, ihre Schuldenprobleme zu lösen?
 
Wir haben neue Probleme mit den USA. Die haben den Eindruck, gegen den Schweizer Finanzplatz sei jedes Mittel recht. Gar nichts haben wir eingehandelt gegenüber den USA, was es rechtfertigen würde, dass wir beim IWF so gross einzusteigen bereit sind. Haben wir irgend etwas eingehandelt gegenüber Deutschland? Haben wir wenigstens einmal ein anständiges Anflug-Regime auf den Flughafen Kloten eingehandelt, wenn wir das Vierfache dessen bezahlen, was die Deutschen bezahlen? Nein, wir handeln nichts ein. Der Bundesrat rennt nach Brüssel, er verspricht, gibt Geld aus, das der Bevölkerung gehört, und handelt rein gar nichts für unser Land ein! Weshalb diese Unterwerfung? Weshalb müssen wir, die Schweizerinnen und Schweizer, diese Ausgaben leisten, ohne dass irgendetwas Positives für unser Land dabei herausgeholt wird? Jedes andere Land verhält sich so, wenn es solche Zahlungen leistet. Der Bundesrat aber will Vorreiter, Musterknabe oder Musterfrau sein: Wir müssten bezahlen, ohne etwas dafür einzuhandeln.
 
Wem gehören die Währungsreserven?
Und jetzt zur entscheidenden Frage: Wem gehören überhaupt die Währungsreserven? Das Geld, das als Geld der Nationalbank «risikolos» ausgegeben wird, das offenbar niemandem gehört? Wem gehören die Währungsreserven der Nationalbank? Sie gehören sicher nicht der Regierung, sie gehören sicher nicht der Politik. Die Währungsreserven der Nationalbank sind der Ausweis des Fleisses, der Einsatzbereitschaft, der Erfindungskraft der Bevölkerung. Währungsreserven sind Volksvermögen! Wann je wurde in diesem Land ein Beschluss  gefasst, dass der Bundesrat über diese Währungsreserven in irgendwelchen Staatsverträgen einfach verfügen könne? Sie sind nicht legitimiert, Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf, dieses Geld zu behändigen und auszugeben - das bringt Sie offenbar zum Lachen, aber es ist eine ernste Frage. Sie sind nicht legitimiert, dieses Geld zu behändigen und auszugeben, um da irgendeinen Direktoriumssitz beim IWF oder sonst etwas zu retten. Dieses Geld gehört der Bevölkerung und nicht der Politik! Deshalb ist das, was Sie hier machen, Verschwendung von Volksvermögen! Nichts anderes - ohne dass Sie dazu autorisiert sind. Und diejenigen, die diese Politik mittragen, das sei hier festgehalten, handeln gegen die Schweiz! …
 
Dem Referendum unterstellen!
Die Schweiz ist dem IWF 1992 durch Volksabstimmung beigetreten. Zu keinem Zeitpunkt wurde dem Souverän je gesagt, dass mit diesem Beitritt verbunden sei, dass wir für die Verschuldung von anderen Ländern mitzuhaften hätten. Es wurde von Zahlungsbilanzhilfe gesprochen - das war der Zweck des IWF - aber nie von einer Haftung bei Überschuldung, die von den Verursacherstaaten selbst nicht mehr bewältigt werden kann. Das ist eine massive Zweckänderung beim IWF! Dass das Volk auch etwas dazu zu sagen haben muss, ist nichts anderes als selbstverständlich, wenn man die Interessen des Volkes in diesem Haus überhaupt noch ernst nimmt. Es fand eine eigenmächtige Änderung der IWF-Statuten unter dem Diktat der von der Verschuldungskrise am stärksten belasteten Länder, nämlich der USA und der Euro-Staaten statt. Diese Länder haben diese Veränderung des IWF-Zweckes durchgesetzt. Wenn wir beim IWF schon Mitglied sind, bezahlen und uns mit Milliarden engagieren müssen, dann fragen Sie doch bitte das Volk, ob es damit einverstanden ist. …
 
Und es stellt sich die Frage der Kantone: Die Kantone sind diejenigen, die am stärksten, am massivsten zur Kasse gebeten würden, wenn die Nationalbank tatsächlich bezahlen müsste, also den zu leistenden Garantien tatsächlich Zahlungen folgen lassen müsste. Die Kantone werden zu diesem Milliarden-Geschäft, das wir jetzt hier als Staatsvertrag behandeln, überhaupt nicht befragt. Es sind allerdings nicht die Kantone selbst, es sind die Steuerzahler der Kantone, die schliesslich zur Kasse gebeten werden. Wenn Sie hier so sicher sind, dass das Volk ob diesem Solidaritäts- und Stabilisierungsbeitrag hell entzückt ist, dann lassen Sie das Volk doch bitte auch dazu abstimmen. … Es geht um Volksvermögen, über das hier verfügt wird; das Volk sollte dazu Mitsprache haben. …
 
 
Quelle: Der aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 4.3.2011
Im hier festgehaltenen Text werden insgesamt drei zum IWF-Geschäft abgegebene Voten,
basierend auf dem Text des provisorischen Amtlichen Bulletins der Bundesversammlung, zu
einer einzigen Stellungnahme zusammengefügt. Für die Übergänge wurden sprachliche
Anpassungen vorgenommen, die am Gehalt des Gesagten nichts ändern. Ulrich Schlüer