Das nächste Monster kommt, und der Euro ist sein bester Freund...

Erst kürzlich warnte der italienische Finanz- und Wirtschaftsminister Giulio Tremonti bei einem Treffen europäischer Regierungsvertreter in Paris

 - ohne dass ihm jemand widersprochen hätte -  dass das nächste Monster der Finanzkrise schon vor der Türe stehe. Dies bestätigt die Einschätzung von Strategic Alert, dass der Januar einen Wendepunkt für das gesamte transatlantische System darstellt: »Die Schuldenbombe steht vor der Explosion, und das Betreiben Schacht’scher Sparpolitik wird mit grösster Wahrscheinlichkeit zu sozialem Chaos und Versuchen führen, faschistische Diktaturen zu installieren.« Die europäische Finanz - Kernschmelze wird mit gewaltiger Kraft den Atlantik überqueren, denn die Federal Reserve wurde zur globalen Zentralbank der letzten Instanz für die europäische Schuldenbombe bestimmt, Hyperinflation hin oder her. In der ersten Woche des neuen Jahres erklärte US-Finanzminister Tim Geithner dem Kongress, dass den Vereinigten Staaten der Bankrott drohe. Ernutzte jedoch die drohende Zahlungsunfähigkeit der Nation, um den Kongress unter Druck zu setzen, damit dieser die Schuldenobergrenze für die Regierung, die schon jetzt bei 14,3 Billionen Dollar liegt, noch weiter anhebt. Einer Erklärung des Vorsitzenden des Wirtschaftsbeirats des Präsidenten Obama, Austan Goldsbee, zufolge wäre jeder Widerstand gegen die Anhebung der Schuldenobergrenze wäre katastrophal. Die Republikaner im Kongress könnten sich möglicherweise widersetzen - aber nicht, weil sie gegen die hyperinflationären Rettungspakete für die Wallstreet sind, sondern um die Frage der Schuldenobergrenze als ein Druckmittel zu verwenden und eine Reihe von Haushaltskürzungen durchzusetzen, bevor sie Obamas Wunsch erfüllen. Im Unterschied zu Geithner verurteilte Tremonti wie schon in der Vergangenheit die hyperinflationären Rettungspakete für die Banken und wies darauf hin, dass das Geld der Steuerzahler während der Grossen Depression dazu genutzt wurde, die reale Wirtschaft zu unterstützen und Arbeitsplätze zu schaffen, während es nun dazu genutzt wird, die Banken zu finanzieren. Tremonti unterstützte jedoch die Eurobond-Pläne, die auch nur eine Methode zur Stützung der Banken sind.
 
Rettungspakete bedeuten: weiter in den Schuldentaumel
Der Start des Europäischen Finanzstabilisierungs-Mechanismus (EFSM) liess bereits erkennen, dass alle diese Pläne letztendlich scheitern werden. Am 5.1. verkaufte der EFSM 5 Mrd. € an fünfjährigen Anleihen, um einen Teil der 22,5 Mrd. € zu finanzieren, die der EFSM Irland leihen soll, was wiederum auch nur einen Teil des 85-Mrd.-Stützungspakets ausmacht; der grosse Bruder des EFSM, der Europäische Finanzstabilitätsfonds (EFSF) soll noch in diesem Monat ebenfalls Anleihen ausgeben. Auch wenn der Verkauf von den Propagandisten der EZB als höchst erfolgreich gerühmt wurde, war er kein triumphaler Erfolg: Trotz ihres AAA-Ratings wurden die Anleihen mit einer Verzinsung von 2,59 % verkauft, was nicht nur über der Verzinsung deutscher, sondern auch französischer Anleihen liegt (2,12 %). Mit anderen Worten: die Kreditwürdigkeit der Anleihen der Kommission ist ungefähr so solide wie Pudding. Aber noch schlimmer ist, dass das Rettungspaket der EU nicht verhindert, dass die Zinsen der EU-Peripheriestaaten weiter ansteigen. Portugal erhielt eine Warnung  bezüglich seiner Überlebenschancen, als es am 5.1. für eine kleinere, sechsmonatige Anleihe 3,7 % Zins bezahlen musste - fast doppelt soviel wie noch am 1.9. (2,045 %). Es wird erwartet, dass Portugal in diesem Jahr rund 20 Mrd. € refinanzieren muss, wobei die ersten dieser Anleihen im April fällig werden.
 
Tatsächlich stehen der EFSM, der EFSF und die Staaten der Eurozone in Konkurrenz zu den anderen souveränen Staaten, Unternehmen und Banken, die an den internationalen Märkten Geld aufnehmen müssen, wo gelinde gesagt schon jetzt Überfüllung herrscht. »Bevor man EFSF sagen kann, werden weitere Billionen-Geldspritzen der Zentralbanken notwendig sein.« Die Rettungspakete und anderen Schulden bedeuten, dass die EU insgesamt (Regierungen, Banken und Unternehmen) 2011 um 40 % mehr Geld als 2010 - nämlich 2,4 Billionen € - zur Refinanzierung ihrer Schulden aufnehmen muss. Allein die europäischen Banken müssen nach Angaben von Dealogic mehr als 600 Mrd. € refinanzieren, und sie werden versuchen, soviel wie möglich zu Beginn des Jahres aufzunehmen, wenn die Chancen, dies tun zu können, noch besser sind. Nach Angaben der Deutschen Bank beläuft sich diese Summe in den kommenden 3 Jahren auf 1,6 Billionen €.
 
Einnahmen-Kollaps der US-Bundesstaaten
Während US-Präsident Barack Obama in wahrhaft narzisstischer Weise weiterhin seine eigenen Leistungen anpreist, verfällt das Land immer schneller. Seine jüngste Behauptung war, er habe die Arbeitslosigkeit von November bis Dezember von 9,8 % auf 9,4 % gesenkt, aber wie selbst das Arbeitsministerium zugeben musste, war dies vor allem der Tatsache zu verdanken, dass entmutigte Menschen die Suche nach Arbeit aufgegeben haben, und nicht die Folge der Schaffung von Arbeitsplätzen. Im Verlauf des Jahres 2010 gaben 1,45 Mio. Amerikaner die Suche nach einer Arbeit auf und werden deshalb nicht mehr als arbeitslos gezählt. Der tatsächliche Mangel an Arbeitsplätzen hat verheerende Folgen für die Bundesstaaten.
 
Wie das Statistische Amt der USA am 5.1. 11 meldete, fielen die Einnahmen der US-Bundesstaaten von 2008 auf 2009 um 30,8 % - ein Rückgang um 1,1 Bio.$. Die Hauptursache hierfür ist ein deutlicher Rückgang der Einnahmen der Sozialversicherungsfonds, zu denen die Pensionskassen des öffentlichen Dienstes gehören, die Arbeitslosenversicherung, die Unfallversicherung für Beschäftigte und andere Versicherungsfonds (z.B. Medicare und die Lebensversicherung für Veteranen). Dieser Rückgang beruhte sowohl auf gewaltigen Verlusten der staatlichen Pensionskassen bei ihren Investitionen auf den Finanzmärkten, als auch auf steigender Arbeitslosigkeit und Armut, was die Einnahmen verringert und die Ausgaben vergrössert. Als Helicopter-Ben Bernanke am 7.1. bei einer Anhörung des Haushaltsausschusses des Senats auftrat, wurde er von Senator Joe Manchin gefragt, ob es eine Möglichkeit gebe, dass die Fed einen Staat vor dem Sturz in die Zahlungsunfähigkeit bewahren könne, und von Senator John Cornyn, ob die Fed, nachdem sie so viele Schulden ausländischer Banken aufgekauft habe, nicht auch Schulden von Bundesstaaten und Städten aufkaufen könne, antwortete Bernanke jeweils nein.
 
Aber hinter den erschreckenden Zahlen steht eine Realität für die Bürger, in der es um Leben und Tod geht. In fast allen Bundesstaaten wurde die Personalstärke von Polizei und Feuerwehren drastisch reduziert, was zu einer Zunahme der Kriminalität und der Todesfälle durch Brände geführt hat. Allein in New Jersey, wo 2010 2200 Stellen bei der Polizei gestrichen wurden, stieg die Zahl der Tötungsdelikte um 14 . In der Stadt Oakland in Kalifornien, wo mehr als 10 %  der Polizei eingespart wurden, stieg die Zahl der Schiessereien auf 433, eine Steigerung um 22 %. Arizonas Gouverneur Jan Brewer strich im Oktober die staatliche Finanzierung von Organ-Transplantationen für Arme, die über Medicaid versichert sind, was unmittelbar danach zwei Todesfälle zur Folge hatte. Gleichzeitig wurde angekündigt, dass beim Zentrum für Medicare- und Medicaid-Dienste (CMS) eine Genehmigung beantragt wird, 250.000 Menschen ganz von Medicaid-Leistungen auszuschliessen, um Geld zu sparen. Den gleichen Weg beschreitet der Bundestaat Washington, wo Gouverneur Chris Gregoire vorschlug, die gesamte medizinische Unterstützung für die 56.000 arbeitende Armen im Bundesstaat, die sich nicht für Medicaid qualifizieren, zu streichen. In Texas werden Vorschläge in Umlauf gebracht, alle optionalen Medicaid-Behandlungen, die nach den Vorschriften des Bundes zugelassen sind - wie Medikamente, Dialyse, Behandlungen von Geisteskrankheiten, Brillen oder Hörgeräte - zu streichen. Das würde 3,3 Millionen arme Kinder, Erwachsene und gebrechliche Senioren treffen, die derzeit vom Medicaid-Programm des Landes erfasst sind. Neben der Krankenversorgung und der Sozialhilfe wird auch die Bildung in allen Bundesstaaten zusammengestrichen, mancherorts, wie auf Hawaii, wird sogar die Einführung der Vier-Tage-Woche an den Schulen vorgeschlagen. In Illinois, bekanntlich Präsident Obamas Basis, beträgt das für 2012 erwartete Haushaltsdefizit 15 Mrd.$ - die Hälfte des Gesamthaushalts, und der Bundesstaat lässt sich schon jetzt auf Wuchergeschäfte mit Banken und Hedgefonds ein, um überhaupt weiterarbeiten zu können. Kaliforniens neuer Gouverneur Jerry Brown scheint in die Fusstapfen seines Vorgängers Schwarzenegger treten zu wollen, indem er der Bevölkerung weitere Sparmassnahmen auferlegt. Die Lage zeigt: Ohne eine Glass-Steagall-Reform zum Schutz der Bürger durch ein Trennbankensystem und ohne ein Programm zum Wiederaufbau der Wirtschaft auf der Grundlage der NAWAPA-Initiative gibt es keine Hoffnung. [1]
 
Anmerkung politonline d.a.: Insgesamt deutet alles darauf hin, dass es unmöglich ist, dass hier noch irgendeiner der Beteiligten den Durchblick resp. die Lage im Griff hätte - ob in der EU oder in der USA. Unverständlich ist, dass die US-Bevölkerung unter diesen Umständen noch immer keine Forderung an den Kongress ergehen liess, die klar zum Ausdruck brächte, dass sie eine Fortsetzung der Bereitstellung der wahrhaft irrsinnigen Summen, die ihnen der Afghanistan-Krieg Jahr um Jahr abringt, endgültig verweigert. In der deutschsprachigen Tagespresse waren die letzten Worte von Richard Holbrooke nach seiner Herzoperation nicht vermerkt: und diese lauteten seiner Familie zufolge: »Ihr müsst diesen Krieg in Afghanistan stoppen.« Auch wenn eine ganze Reihe von Kongressmitgliedern in die Rüstungsindustrie investiert hat, bleibt zu hoffen, dass man Holbrookes Worten Gehör schenkt, bevor die Nation an Afghanistan verblutet.
 
1 Quelle: Strategic Alert, Jahrgang 25, Nr. 2 vom 13. Januar 2011
2 http://news.antiwar.com/2010/12/14/holbrookes-dying-words-youve-got-to-stop-this-war-in-afghanistan/ Holbrooke’s Dying Words: ‘You’ve Got to Stop This War in Afghanistan’