Zur Frage der Ausbildung von Imamen

d.a. Wie hinlänglich bekannt, hat Bundeskanzlerin Merkel nicht nur um Verständnis für die islamischen Werte geworben,

sondern sich darüber hinaus erneut für die Ausbildung von Imamen an deutschen Universitäten ausgesprochen. Die Ausbildung von islamischen Religionslehrern war bereits Ende März ein Thema in Baden-Württemberg und betrifft die Theologischen Fakultäten der drei baden-württembergischen Universitäten Freiburg, Heidelberg und Tübingen. So soll die islamische Theologie ebenso zur akademischen Ausbildung gehören wie etwa die christlichen Theologien. Ziel ist laut einem Bericht der  »Badischen Zeitung« vom 31. März, in einem mit vier bis sechs Professoren ausgestatteten eigenen Fachbereich islamische Theologie zu lehren [1]. Daraus sollen unter anderem Religionslehrer hervorgehen, die an den deutschen Schulen qualifizierten Unterricht anbieten; dies als Alternative zu den Koranschulen, in denen die Unterrichtssprache zumeist nicht Deutsch ist. Zudem sollen deutschsprachige Imame ausgebildet werden, die in den Moscheen oder in den muslimischen Gemeinden arbeiten und lehren. Das Land ist allerdings entscheidend darauf angewiesen, dass dem Angebot an muslimischen Theologen auch die verschiedenen muslimischen Religionsgemeinschaften zustimmen. Um diese Akzeptanz zu erreichen, soll ein Rat für islamische Studien gebildet werden, in dem alle unterschiedlichen Gemeinden durch Religionsgelehrte und andere Persönlichkeiten vertreten sein sollen.   
 
Einer Erklärung Berlins vom 14. 10. zufolge soll an der Universität Tübingen erstmals in Deutschland ein Islam-Studiengang eingerichtet werden. Weitere Standorte für die Ausbildung sind die Universitäten Münster und Osnabrück. Laut Bundesbildungsministerin Annette Schavan (ausgerechnet von der CDU; Anmerk. der Redaktion) werden nun erstmals muslimische Geistliche für Deutschland vollständig an staatlichen Hochschulen ausgebildet. Mit dem Studiengang Islamische Theologie soll eine bessere Integration muslimischer Mitbürger erreicht werden. An deutschen Hochschulen wird bislang nur ein sehr kleiner Teil der islamischen Religionslehrer ausgebildet. Die Hochschulen von Münster und Osnabrück müssen nach den Worten der Ministerin allerdings erst noch ein gemeinsames kooperatives Konzept entwickeln. »Da, wo einer Religion die Chance gegeben wird, eine Theologie zu entwickeln, tut es auch dieser Religion gut«, erklärte Schavan, die selbst katholische Theologie studiert hat. Theologie kläre auf. Insofern sei der Schritt letztlich auch eine wichtige Facette für die Integration.
 
Die geisteswissenschaftlich fundierte Hochschulausbildung islamischer Theologen in Deutschland startet somit im kommenden Jahr. Ab dem Wintersemester 2011/12 soll nun in Tübingen, Münster und Osnabrück der neue Fachbereich »Islamische Studien« die Ausbildung von islamischen Religionslehrern für die Schulen sowie von Imamen mit theologischer Forschung verbinden, wie Schavan angekündigt hat. Der Bund wird das Projekt in den kommenden Jahren mit mindestens 5 Millionen Euro fördern. Allerdings lehnen grosse muslimische Verbände wie die Türkisch-Islamische Union (DITIB) das Vorhaben entschieden ab. Anders als bei den Theologen der christlichen Kirchen existieren für Imame in Deutschland bisher keine anerkannten Ausbildungswege und die Angebote zur Ausbildung islamischer Religionspädagogen für Schulen gibt es erst seit kurzem 2.
 
Die Imam-Ausbildung wird als wichtiger Schritt für die Integration bezeichnet und soll die Moscheen modernisieren. Ob sich diese Erwartung erfüllt, muss sich allerdings erst noch herausstellen. Bislang stammen etwa drei Viertel der mehr als 2000 Imame in der BRD aus der Türkei.
 
»Mouhanad Khorchide«, hält Freia Peters in der Welt vom 14. 10. fest 3, »ist gebürtiger Libanese und Professor für islamische Theologie an der Universität in Münster; er hat einen Traum. Dass deutsche Imame in 20 Jahren die Sprache der Menschen sprechen, die hier leben. Dass man nicht mehr wählen muss, sondern beides zugleich sein kann: ein frommer Muslim und ein liberaler Europäer. Wir brauchen, was Geschlechterrollen und das Gottesbild angeht, Schritt für Schritt eine Anpassung des Islams an eine europäische plurale Gesellschaft, erklärt Khorchide. Ein aufgeklärter Islam muss die traditionelle Auslegung des Korans kritisch hinterfragen, die deutsche Kultur implementieren. Und das müssen wir dann in die muslimische Community, an die Basis herantragen.‹ ›Der deutsche Islam ist rot-weiß gefärbt, sagt Rauf Ceylan, Professor für Religionswissenschaften in Osnabrück. Der gebürtige Duisburger und Sohn kurdischer Migranten forscht seit Jahren über Imame in Deutschland und verfolgte Hunderte von Predigten in Moscheen. Sein Ergebnis: Etwa 90 % der Imame sprechen kein Deutsch und predigen einen traditionell konservativen Islam. Die meisten von ihnen kennen die Lebenswirklichkeit von deutschen Jugendlichen nicht. Ein Imam, sagt Ceylan, trage neben seiner Aufgabe als Glaubensvermittler auch soziale Verantwortung, könne Kriminalität und Drogenmissbrauch bekämpfen. Jeden Freitag gingen weit mehr als eine halbe Million Muslime in deutsche Moscheen. Doch bislang vermittelten Imame dort eher die türkische als die deutsche Lebenswirklichkeit. Die Imame hier können nicht über die deutsche Gesellschaft aufklären, sagt Ceylan, weil sie beinahe nichts davon wissen. Die Hoffnung ist nun, bald Transparenz und Moderne in die Moscheen tragen zu können. Die Hochschulen Osnabrück und Münster, Khorchide und Ceylan also, sollen nun ein gemeinsames kooperatives Konzept entwickeln – und so zu einem norddeutschen Zentrum für islamische Forschung werden.«
 
Laut Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, »vermitteln viele Imame reaktionäre Männlichkeitsvorstellungen.« Eine entscheidende Ursache für dieses Problem sieht Pfeiffer in der Vermittlung des muslimischen Glaubens durch Imame, deren grosse Mehrheit eben oft ohne Sprach- und Kulturkenntnisse aus dem Ausland nach Deutschland kämen. Dabei fördere die von solchen Imamen praktizierte religiöse Erziehung von muslimischen Jugendlichen jedoch eher den Rückzug in einen konservativ verstandenen Islam und in die eigene Ethnie. Pfeiffer fordert deswegen, dass Imame künftig eine Sprachprüfung ablegen sollten, bevor sie in Deutschland unterrichten.
 
Für Präsens Nikolaus Schneider geht es um die Durchsetzung der türkischen Religionspolitik auf deutschem Boden 4. »Der Islam ist in unserem Land, er wird bleiben«, erklärt Schneider u.a.. »Die Imame, die hierherkommen, werden von der türkischen Religionsbehörde geschickt und instruiert; der türkische Staat bezahlt sie. Hier muss man fragen: Geht es da wirklich um Integration? Oder geht es um den Versuch, den Islam in Deutschland so zu etablieren, dass eine Parallelgesellschaft errichtet wird?«
 
Auf Grund des Tübinger Vorhabens ging das nachstehende Schreiben an die Stabstelle Alumni Tübingen und das Rektorat der Eberhard Karls Universität Tübingen:
 
Alumni-Mitgliedschaft
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Engler,
Presseberichten zufolge werden an der Universität Tübingen »vom nächsten Jahr an erstmals in Deutschland islamische Geistliche« ausgebildet. Das verstösst gegen unser Grundgesetz.
Es versteht sich von selbst, dass ich unter diesen Voraussetzungen und als Angehöriger der
christlich-abendländischen Kirche, Heimat und Kultur, kein Angehöriger dieser Universität sein wollte oder gar weiterhin Mitglied Ihrer Alumni sein möchte. Ich müsste mich echauffieren, wenn ich diese Entwicklung meiner ehemaligen Hochschule weiter
kommentieren müsste, und ich verbitte mir jegliche weitere Zuschrift von Ihnen. Sollten diese Berichte falsch sein oder einen üblen Scherz darstellen, erhalten Sie hiermit Gelegenheit zur handschriftlichen Richtigstellung an meine Kanzlei binnen drei Tagen.
Mit vorzüglichster Hochachtung - Rechtsanwalt Gunther Marko, Sulz am Neckar
 
Das in der Regel gut informierte Informationsquelle German Foreign Policy berichtete vor zwei Jahren 5, dass sich »deutsche Repressionsbehörden bei ihrem sogenannten Anti-Terror-Kampf in zunehmendem Masse deutscher Islamwissenschaftler bedienten.« Diese würden von Polizeibehörden und Geheimdiensten direkt an deutschen Hochschulen angeworben; gleichzeitig propagierten Arbeitsagenturen und Universitäten ihrerseits entsprechende Laufbahnen für Akademiker. Im Visier der Fahnder befindet sich vor allem das Internet. Anhand einer Hitliste werden nicht nur dezidiert islamistische Webseiten überwacht, sondern auch neutrale Internetpräsenzen, auf denen terroristische Inhalte vermutet werden. Koordiniert werden die Spionageaktivitäten vom Gemeinsamen Internetzentrum [GIZ] des Bundes und der Länder in Berlin-Treptow, wo deutsche Polizei- und Geheimdienststellen direkt miteinander verzahnt sind. Flankierend werden entsprechende Einrichtungen auf europäischer Ebene und auf Ebene der Bundesländer geschaffen. Wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble unlängst bei seinem Besuch in Berlin-Treptow ausführte, habe sich das GIZ innerhalb kurzer Zeit zu einem zukunftsweisenden Kompetenzzentrum für die Beobachtung des extremistischen und terroristischen Islamismus im Internet entwickelt. Die Einrichtung, so Schäuble ferner, ermögliche es, relevante Entwicklungen im Internet so früh wie nur irgend möglich zu erkennen, um die Strukturen islamistischer Terroristen zu identifizieren und zu zerschlagen. Zu den Mitarbeitern des GIZ zählen 30 Experten - vorzugsweise Islamwissenschaftler - die die verschiedenen Ausprägungen der arabischen Sprache beherrschen.
 
Indessen verkündete die DITIB, der Ableger des türkischen Staates und grösster muslimischer Verband, muslimische Theologen sollten weiterhin vor allem in der Türkei ausgebildet werden. Zu den neuen Plänen aus Berlin wollte der Verband keine Stellung nehmen. Im März des kommenden Jahres will die BRD über die Unterstützung eines weiteren Standortes für islamische Theologie entscheiden. Zunächst gehe es darum, akademische Persönlichkeiten zu suchen, die den Anforderungen der Universitäten entsprechen: Zumindest teilweise sollen sie in Deutschland ausgebildet worden sein, ihre Forschung soll sich vor allem an der Gegenwart orientieren. Auch die Bezahlung der Imame ist noch unklar. Ein Vorschlag aus Niedersachsen sieht vor, Imame gleichzeitig als Lehrer für Religionsunterricht zu beschäftigen. Das sei eine gute Idee, so Ceylan, die ihm der Verwirklichung seines eigenen Traums näherbringen könnte: Islamische Theologen, die sich als deutsche Muslime fühlen.   
 
1 BZ vom 31. 3. 2010 - Landesregierung - Deutsche Imame für die Muslime
2 http://www.jungewelt.de/2010/10-15/032.php  15. 10 10 Deutschland startet Imam-Ausbildung
3 http://www.welt.de/politik/deutschland/article10296823/Imam-Ausbildung-soll-die-Moscheen-modernisieren.html    14. 10. 10   Von Freia Peters
4 http://www.welt.de/politik/deutschland/article10223893/Der-Islam-ist-in-unserem-Land-er-wird-bleiben.html  11. 10. 10  Interview mit Matthias Kamann -  "Der Islam ist in unserem Land, er wird bleiben
5 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57057  31.10.2007
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