Bernanke gibt zu, dass er falsch lag

US-Notenbankchef Ben Bernanke hat jetzt indirekt zugegeben, daß er im Sommer und Herbst 2007 Unrecht hatte, und daß unsere Einschätzung,

die von einer allgemeinen Zusammenbruchskrise des Weltfinanzsystems mit den USA im Mittelpunkt ausging, richtig war. Bei Bernankes Aussage vor dem Untersuchungsausschuß zur Finanzkrise am 2.9. 10 befragte ihn Prof. Douglas Holtz-Eakin über seine Beteuerungen im Kongreß, man werde die Krise »eindämmen, und sie werde nicht um sich greifen«. Bernanke antwortete, er sei bei dieser Aussage davon ausgegangen, »daß der Gesamtverlust beispielsweise an minderwertigen Hypotheken mit variablem Zinssatz selbst unter sehr  schlechten Szenarien wahrscheinlich nicht mehr als, sagen wir etwa 300-400 Mrd.$ betrüge, was offensichtlich viel Geld sei, aber verglichen mit den globalen Finanzmärkten mit 60 Bio.$ an Marktkapitalisierung in aller Welt war es nur eine sehr kleine Summe. Daher würde der Verlust von 300-400 Mrd.$ Marktwert der Weltwirtschaft so gut wie gar nicht schaden.« Dann räumte er ein: »Was ich nicht erkannte, als ich dachte und sagte, die Krise ließe sich eindämmen, war, daß dies auf der Ansicht beruhte, die Verluste würden handhabbar sein. Was ich nicht erkannte, war das Ausmaß der Fehler und Schwächen im System, die den anfänglichen Schock durch minderwertige Hypotheken verstärkten und daraus eine viel größere Krise machen würden.« Leider setzte sich damals Bernankes Richtung durch und die Welt rettete das bankrotte Finanzsystem mit hyperinflationären Maßnahmen. Diese Politik wurde auf dem Treffen der Zentralbankchefs in Jackson Hole (US-Staat Wyoming) Ende August bestätigt. Wie wir berichteten, kündigte die Federal Reserve unkonventionelle Maßnahmen zum Liquiditätspumpen für die Banken an, am 2.9. folgte die EZB mit der Verlängerung der Notkreditvergabe an die Banken bis 2011. Der Mitherausgeber der Neuen Solidarität, Claudio Celani, fragte EZB-Chef Jean-Claude Trichet auf dessen jüngster Pressekonferenz in Frankfurt, was für ein Gesicht Bernanke gemacht habe, als Trichet in Jackson Hole vor Vorschlägen für eine überraschende Inflation oder sogar Hyperinflation warnte. Trichet antwortete, er sei mit Bernanke völlig einer Meinung, auch Bernanke habe in seiner Rede inflationäre Maßnahmen abgelehnt. Doch die Taten sagen etwas anderes. Die EZB bietet den Banken mindestens bis 18. 1. 2011 weiter Kredite in unbegrenzter Höhe mit einer Woche oder einem Monat Laufzeit und von Oktober bis Dezember dreimal Dreimonatskredite in Leitzinshöhe an. Als Journalisten einwandten, dies sehe doch ganz nach einer Liquiditätsausweitung aus, versuchte Trichet sich herauszureden, die EZB plane bereits drei größere Operationen zur Feinabstimmung bis Dezember, um Liquidität abzuziehen. Ein Reporter der Irish Times fragte Trichet, warum er den Iren unerträgliche Lasten zumute, indem er systematisch verhindere, daß irgendeine Bank in Europa schließt, wie in dem Fall die Anglo-Irish Bank. Er zitierte den irischen Vertreter im EZB-Vorstand, der die vom Markt diktierten Zinsen für Irland lächerlich genannt hatte. Trichet antwortete arrogant: »Das ist ein Problem, wie die irische Regierung und die Iren mit ihren Banken umgehen«, als habe es mit dem Diktat der Bankenrettungspolitik nichts zu tun. Unterdessen erklärte der für seine Direktheit bekannte Schweizer Soziologe Jean Ziegler am 29. August im Rahmen der ZDF-Sendung Nachtstudio, daß die für die Finanzkrise verantwortlichen Banker wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit... vor ein internationales Gericht gehörten« - wie das Nürnberger Tribunal gegen Kriegsverbrechen. Im übrigen sei wegen der staatlichen Bankenrettung Geld aus lebensnotwendigen Nahrungsmittelprogrammen genommen worden und nannte als Beispiel die Schulspeisung für eine Million Kinder in Bangladesch, »die nichts anderes haben als diese einzige Mahlzeit.« 1   
 
EU-Finanzkommissar Olli Rehn hatte am 19. 8. die Katze aus dem Sack gelassen, als er in Verbindung mit der Freigabe der nächsten griechischen Kredittranche sagte, daß es eigentlich nur um die Banken gehe. Die Regierung habe gute Arbeit geleistet, doch jetzt sei »die wesentliche Herausforderung die Sicherstellung angemessener Liquidität und finanzieller Stabilität des Bankensektors«. Einem Bericht der Bank HSBC zufolge verloren die griechischen Banken in den ersten 5 Monaten dieses Jahres 8 % ihrer Einlagen. Im Juli erreichten Kredite der EZB an diese Banken die Rekordhöhe von 96 Mrd. €, wobei sich Marktteilnehmer wunderten, woher alle die diskontierbaren Sicherheiten kommen, die sie bei der EZB hinterlegen konnten. Zusätzlich borgten Banken aus Portugal bei der EZB nach 41,5 Mrd. € im Juni und 50 Mrd. €. im Juli. Zusammen mit Irland und Spanien gingen damit 387 Mrd. € von der EZB an diese vier Länder. Was ltalien betrifft, so betragen die Staatschulden des Landes 1,8 Bio. €, die dritthöchsten der Welt. 2
 
Ziegler spricht vieles aus, was in dieser Form nicht in die Tagespresse gelangt; so legt er beispielsweise zu Bolivien folgendes dar: Bolivien verlangt heute 82 % der Einkünfte aus der Erdölförderung für die Staatskasse; abgerechnet wird unter offizieller Kontrolle, wenn das Öl durch die Pipeline aus dem Oriente in den Mato Grosso fliesst. Vorher waren es 5 %  für den bolivianischen Staat und 95 % für die Firmen. 201 Öl-, Gas- und Minenkonzerne auf bolivianischem Boden haben es akzeptiert, in Dienstleistungsunternehmen umgewandelt zu werden, weil sie mit 18 % immer noch ein Riesengeschäft machen. Ausgehandelt hat dies Morales während der ersten 6 Monate seiner Amtszeit. Das ist erstaunlich, weil sich bisher jeder, der sich an diese Konzerne herangewagt hat, gescheitert ist: z.B. Mohammad Mossadegh im Iran 1953, der sofort vom englischen Geheimdienst gestürzt wurde, oder Jaime Roldós in Ecuador, dessen Flugzeug mit dem halben Kabinett 1981 in der Luft explodierte. In Bolivien ist die kalte Enteignung, die Überführung von unglaublichen Reichtümern, friedlich gelungen, da die bolivianische Armee sofort am 1. Mai 2006, dem Tag, an dem Morales das Dekret unterschrieb, die Raffinerien besetzt hatte und so noch bevor überhaupt entsprechende Anweisungen aus den Konzernzentralen aus Texas und anderswo in Auftrag gegeben werden konnten, Sabotagen innerhalb der Betriebe verhinderte. Während der Besetzung hielten venezolanische und algerische Ingenieure an den Schaltpulten den Betrieb aufrecht. Zum anderen, weil Petrobras, der Erdölkonzern des brasilianischen Staates, einer der größten Investoren in Bolivien ist und die Übernahme mit vorbereitete. 3
 
 
Quellen:
1 Strategic Alert, Jahrg. 24, Nr. 36 vom 8. September 2010
2 Strategic Alert, Jahrg. 24, Nr. 34 vom 25. August 2010
3 http://www.jungewelt.de/2010/08-21/004.php  21. 8. 10 »Jeder kämpft dort, wo er ist« - Gespräch mit Jean Ziegler. Interview: Martin Lejeune