BP und die Frage der Korruption

d.a. Bei den kommenden Wahlen im November werden amtierende Abgeordnete kaum Chancen haben, wiedergewählt zu werden, gleich welcher Partei sie angehören.

Die Obama-Administration hat das Vertrauen der Bevölkerung vollständig verloren, und jeder Tag, an dem das Ölloch weiter seine destruktive Flüssigkeit in 1500 Meter Tiefe ausspeit, wächst der Zorn. Jeden Tag kommen zudem neue Beweise für sträfliche Fahrlässigkeiten seitens BP zu Tage, offensichtlich das Resultat einer rücksichtslosen Profitgier, die jetzt gigantische Schäden für die betroffenen Menschen und die Natur zur Folge hat. Hinzu kommt, dass Obamas - anstatt die Katastrophenbekämpfung und -aufklärung sofort nach Bekanntwerden der Explosion auf der BP-Bohrinsel im Golf von Mexiko staatlichen Stellen zu übertragen - den Bock zum Gärtner machte und die Angelegenheit BP selbst, dem Verursacher des Desasters, überliess. Die Umweltkatastrophe wird möglicherweise die ganze Ostküste verseuchen 1.
 
»Washingtons Kürzel für Korruption und Kumpanei«, erklärt Ralph Sina vom WDR-Hörfunkstudio in Washington 2, »hat 3 Buchstaben: MMS. Das Kürzel steht für Minerals Management Services.« Wie er darlegt, ist mit der Behörde für Mineralienförderung nichts anderes gemeint als die Öl-Lizenzabteilung des US-Innenministeriums. Die hemmungslose Kumpanei dieser Behörde mit der Mineralölindustrie ist einer der Gründe für die größte Ölkatastrophe in der US-Geschichte. Keine andere Kontrollabteilung eines Ministeriums ist so stark von der Industrie unterwandert. Der Skandal, ein Erbe der Bush-Ära, ist seit rund 10 Jahren bekannt. Doch erst drei Wochen nach der Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon fand Präsident Barack Obama dafür die angemessenen Worte. Seit zu langer Zeit herrsche ein allzu behagliches Verhältnis zwischen den Ölkonzernen und der amerikanischen Bundesbehörde, die ihnen die Bohrlizenzen erteile, so formulierte es der Präsident. Das Verhältnis war sogar so behaglich, dass einige Mitarbeiter der Konzerne und des Ministeriums buchstäblich unter einer Decke steckten, was zu Sex and Drugs and Rock'n-Roll-Beziehungen zwischen Repräsentanten der Öl-Multis und ihren sogenannten Kontrolleuren führten. Diese sorgten bereits vor dem Beginn der Obama-Präsidentschaft für Schlagzeilen. Angesichts der exzessiven Kokain- und Marihuana-Partys müsse es in der Ölabteilung des Innenministeriums dringend einen Neuanfang geben, heisst es in der Bilanz eines entsprechenden Berichts. Sowohl unter Bush wie auch bisher unter der Obama-Regierung seien die Bohrgenehmigungen nach der Devise Augen zu und durch erteilt worden, so die Ermittlungen des US-Senats. Ölgesellschaften wie BP bescheinigten sich einfach selber, dass ihre Sicherheitsvorkehrungen auf den Plattformen völlig ausreichend seien. Sie mussten noch nicht einmal Gefälligkeitsgutachter einschalten, um die staatlichen Kontrolleure zufriedenzustellen. Selbst als BP von der Deepwater Horizon aus das tiefste Bohrloch der Welt in den Meeresboden fräste, fragten die sogenannten Aufseher nicht nach Notfallplänen für einen größtmöglichen anzunehmenden Unfall. Der Supergau wurde einfach ausgeblendet. Der nationale US-Radiosender NPR liess hierzu verlauten: »Die Ölaufsichtsbehörde ist für die Regierung schliesslich auch eine Art Goldesel«; rund 13 Mrd. $ nimmt das Ministerium pro Jahr mit Ölbohrlizenzen ein. Angesichts leerer Staatskassen der USA [notgedrungen eine Folge der uferlosen US-Kriegsausgaben; Anmerk. der Redaktion] wollte man diese Geldquelle nicht verstopfen. So wurden gesetzlich vorgeschriebene Umweltexpertisen erst gar nicht eingeholt. Oder Gutachten einfach beiseite gewischt, wenn sie - wie im Fall der Deepwater Horizon von der Bohrung abrieten. Die Öl-Behörde soll jetzt aufgeteilt werden. Kontrolleure der Sicherheitsmassnahmen dürfen in Zukunft keine Lizenzen mehr erteilen, damit  Interessenkonflikte vermieden werden. So schrieb etwa die  Financial Times Deutschland: »BP liess das Unternehmen in einer Tiefe bohren, die technisch nicht mit letzter Sicherheit zu kontrollieren ist»; und das Wall Street Journal wies darauf hin, dass die Sicherheitstechnik der Deepwater Horizon nicht auf dem modernsten Stand gewesen sei. Es habe ein Schalter gefehlt, mit dem das Bohrloch verschlossen werden können hätte. Die Erklärung hierfür hielt die Basler Zeitung vom 30. April fest, nämlich »dass BP zusammen mit anderen Ölfirmen im Kongress lobbyiert hatte, damit diese Schalter -  anders als etwa in Norwegen und Brasilien - nicht zur Vorschrift werden. …. Kein Wunder: Ein Stück kostet 500'000 Franken.« Dieser Fakt war interessanterweise nur einmal zu lesen und fand in der Folge keine Erwähnung mehr in den Berichterstattungen.
 
Nachdem es BP wieder nicht gelungen ist, das Ölleck auf dem Meeresboden zu stopfen, schreibt Strategic Alert am 2. Juni 3, droht die Katastrophe auf die Atlantikküste und den Golfstrom überzugreifen. Beunruhigender als das Versagen von BP ist aber die bewusste Untätigkeit der Regierung:
 
»Die US-Regierung hätte mit Notstandsvollmachten eingreifen müssen: BP enteignen, die Anstrengungen zur Schließung des Lecks übernehmen, den Schaden beheben und BP-Vorstandschef Tony Hayward und andere Verantwortliche des britischen Unternehmens unter Anklage stellen. Solche Maßnahmen sind immer noch möglich. Es liegt schon jetzt genug öffentliches Beweismaterial vor, um Hayward und andere wegen krimineller Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit dem Tod von 11 Arbeitern auf der Bohrinsel Deepwater Horizon  am 20. April anzuklagen. Falls die US-Regierung BP übernimmt, könnte sie dadurch an Beweismaterial für noch schwerwiegendere Anklagen gelangen - nicht ausgeschlossen ist die Möglichkeit von Sabotageakten durch Personal des Energiegiganten oder Vertreter der fraglichen ausländischen Regierung. Die Sicherung dieses Beweismaterials ist einer der dringenden Gründe für eine Enteignung. Man beachte die Aussagen von Mike Williams, leitender Elektrotechniker der gesunkenen Bohrinsel, in der Sendung 60 minutes von CBS-TV am 16.5.:
- Schon Wochen vor dem Unfall hatte BP das Bohrteam unter Druck gesetzt, um einen Zeitverlust wettzumachen, der nach dem Scheitern einer zu hastig durchgeführten ersten Bohrung eingetreten war.
- BP setzte die Entscheidung des Bohrinsel-Kapitäns von der Firma Transocean außer Kraft und ordnete eine zu frühe Entfernung des Bohrschlamms aus dem Bohrloch an, wodurch das Gas entweichen konnte, das die Explosion verursachte.
- BP ignorierte Hinweise auf einen zerstörten Gummiring, der für die korrekte Druckmessung am Bohrlochkopf und als Sicherheitsdämmung für den Fall einer Explosion entscheidend war.
- BP ließ einen von zwei elektrischen Reglern am Unterwasser-Explosionsschutz, der beschädigt war, nicht ersetzen.
 
Zusätzlich zu diesen Punkten wurde folgendes festgestellt:
- BP ließ trotz Warnung des beauftragten Unternehmens Halliburton einen Qualitätstest des die Rohrleitung umgebenden Zements aus.
- BP wurde von Halliburton-Experten in einem Bericht am 18.4. gewarnt, das Bohrloch würde ohne zusätzliche Zentrierungsvorrichtungen wahrscheinlich ein ernstes Problem mit entweichendem Gas haben; trotzdem installierte BP statt wie von Halliburton empfohlen 21 nur 6 solche Vorrichtungen.
 
Am 25. 5. veröffentlichte der US-Kongreß ein Memorandum, dem zufolge die interne BP-Untersuchung ergeben hatte, daß es unmittelbar vor der Explosion Warnzeichen für in das Bohrloch strömendes Gas gab - ein Hinweis auf einen möglichen Gasausbruch. Bohrfachleute sagten in Anhörungen vor dem Kongreß auch aus, BP habe entschieden, keine zweite Rohrschicht zu verwenden, die das Verfahren sicherer, aber teurer macht. Die Untersuchung dieser und weiterer Anklagepunkte steht längst aus. Man sollte auch nicht vergessen, daß nach einer Explosion in Texas 2005, bei der 15 Arbeiter ums Leben kamen, kein BP-Vertreter zur Rechenschaft gezogen wurde.« Wie indessen gemeldet wurde, hat die US-Regierung bereits zivil- und strafrechtliche Untersuchungen gegen BP eingeleitet hat.
 
In der Nacht auf Freitag, den 4. 6., hatte der BP-Konzern zwar mit Unterwasser-Robotern eine Glocke auf die gekappte Steigleitung des Bohrlochs gestülpt, dennoch strömt das Öl weiter aus. Insofern haben sich bislang sich alle Hoffnungen zerschlagen, dass es dem Multi gelingt, den Ölausfluss im Golf von Mexiko zu stoppen. Ungeachtet dieses Tatbestands »haben die US-Behörden am 2. 6. 10 erstmals seit Beginn des Unglücks wieder eine Genehmigung für Bohrungen im Golf von Mexiko erteilt. Die wegen ihrer Nähe zur Industrie in die Kritik geratene Regulierungsbehörde Minerals Management Service vergab die Erlaubnis an das Unternehmen Bandon Oil and Gas für Bohrungen in 50 km Entfernung vor der Küste des Staates Louisiana in etwa 35 m Tiefe.« Offensichtlich wird dem in der Rede von Obama an der Universität Carnegie Mellon in Pittsburgh angetönten Umdenken keine Rechnung getragen; in dieser fordert er »den Kongress auf, die Steuererleichterungen für Ölkonzerne zu beenden und Gesetze zu verabschieden, um die gefährliche Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden.« 4   
  
 
Quellen :
1 http://www.bueso.de/news/helga-zepp-larouche-nein-grenze-hat-tyrannenmacht-weltweiter-massenstreikprozess-wachst   30. 5. 10 Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht
2 http://www.tagesschau.de/ausland/energieaufsicht100.html   20. 5. 10
Konsequenzen für US-Ölbehörde - Kontrolle statt Kokainpartys - Von Ralph Sina
3 Strategic Alert, Jahrgang 24, Nr. 22 vom 2. Juni 2010  BP-Verrat bringt das Faß zum Überlaufen
4 http://bazonline.ch/ausland/amerika/Obama-will-Steuergeschenke-fuer-lkonzerne-streichen/story/14609223   4. 6. 10