Verfassungsklage gegen Griechen-Hilfe - Von Markus Zydra

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe muss sich ab Anfang Mai mit den geplanten Nothilfen für Griechenland beschäftigen. Der Staatsrechtler

Karl-Albrecht Schachtschneider, der frühere Zentralbankrat Wilhelm Nölling und die beiden Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty und Wilhelm Hankel wollen bis dahin ihre Verfassungsbeschwerde eingereicht haben. Am Mittwochabend [21. 4. 10] haben die vier Wissenschaftler das Grundgerüst ihrer Klage vorgelegt. »Die Verfassungsrichter sollen untersagen, dass die Nothilfen an Griechenland ausgezahlt werden«, sagte Schachtschneider. In Athen verhandeln derzeit die EU und der IWF mit der griechischen Regierung über die Bereitstellung von Krediten. Griechenland muss an den Kapitalmärkten mittlerweile äusserst hohe Zinsen bezahlen. Am Donnerstag [22.4.] lag der Zinssatz für 10jährige griechische Staatsanleihen bei 8.7 %. Einige Experte rechnen mittelfristig mit einer Insolvenz des Landes, weil die Zinsen weit höher liegen als das Wirtschaftswachstum. Deutschland hat sich bereit erklärt, zunächst 8.4 Milliarden € als Kredit bereitzustellen. »Das widerspricht dem Bail-out-Verbot der Europäischen Verträge«, sagte Schachtschneider und verwies auf Artikel 125 des Lissabon-Vertrags: Demnach dürfe die EU finanziell angeschlagenen Mitgliedstaaten nicht helfen. Die vier emeritierten Professoren hatten bereits 1998 vor dem Bundesverfassungsgericht vergeblich gegen die Einführung des Euros geklagt. Nun sehen die Wissenschaftler allerdings bessere Chancen für einen Klageerfolg, da die Finanzkrise das Problem sichtbar gemacht habe. »Die Richter haben damals festgestellt, dass der Euro so stabil wie die DM werden sollte, und das ist ja nachweislich nicht der Fall«, sagte Starbatty bei der Vorstellung der noch nicht ganz fertigen Klageschrift. »Griechenland ist durch den Euro kreditwürdig gewesen, obwohl es das Land niemals war«, sagt Hankel. Griechenland solle deshalb den Euro-Raum verlassen, um über die Abwertung der eigenen Währung wieder wettbewerbsfähig zu werden. »Als Ultima Ratio ist auch ein Austritt Deutschlands aus der Währungsunion möglich«, sagte Schachtschneider. Die Kläger machen geltend, dass die Griechenlandhilfen das grundsätzliche Eigentumsrecht der Bürger und das Sozialstaatsprinzip verletzen, weil die hohen Schulden einiger EU-Staaten mittelfristig zu hohen Inflationsraten führen würden. [1]
 
Anmerkung d.a. Wie inzwischen bekannt, hat Griechenland am 23. April die Milliardenhilfen der EU und des IWF beantragt. Die Euro-Länder haben Athen allein für dieses Jahr bis zu 30 Mrd. € über bilaterale Kredite in Aussicht gestellt. Zusammen mit Hilfen des IWF könnten die Griechen auf insgesamt 45 Milliarden € zählen. Angesichts der ihrerseits mit Milliarden verschuldeten EU-Staaten ist es indessen schwer vorstellbar, wie der gesamte Mechanismus funktionieren soll. Auf die BRD entfallen nach Regierungsangaben rund 28 % der Summe, also 8,4 Mrd. € allein für das erste Jahr. Falls Griechenland noch mehr Geld benötigt, könnten in den beiden Folgejahren weitere Milliarden fällig werden, was, macht man sich die in dem neuesten Bericht von Transparency International (TI) 2 dargelegten Fakten bewusst, so gut wie vorhersagbar ist: Wie aus der Untersuchung von TI hervorgeht, konnte die Regierung im vergangenen Jahr nur 19 % der griechischen Wirtschaftsleistung als Steuereinnahmen verbuchen, auch weil viele das Finanzamt belügen. Niemand glaubt, dass nur 15.000 Griechen mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen, sagte Finanzminister Giorgos Papakonstantinou gegenüber dem britischen Guardian. Doch genau das stehe in ihren Steuererklärungen. Griechenland gilt mit einem Prozentsatz von 30 % als EU-Spitzenreiter in Sachen Steuerhinterziehung. Insgesamt wird die Steuerhinterziehung damit auf fast 20 Milliarden € jährlich geschätzt. Jetzt plant Finanzminister Papakonstantinou härtere Massnahmen gegen Steuersünder. Die Steuerbelastung ist vergleichsweise niedrig: Einkommen von Arbeitnehmern sind laut der Bundesagentur für Arbeit bis 12.000 Euro einkommensteuerfrei, auf Einkommen über 75.000 € werden 40 % erhoben. Schwarzarbeit ist in den meisten Branchen üblich. Ob Taxifahrer, Kellner oder Gärtner: Die sogenannte Schattenwirtschaft erreicht laut OECD in Griechenland rund 65 Mrd. € jährlich. Auf zweistellige Milliardenbeträge beliefen sich die nicht gezahlten Arbeitgeberbeiträge an Renten- und Krankenkassen. Eine Studie des griechischen Gewerkschaftsverbands ergab, dass nahezu jeder zweite Grieche schwarz arbeitet und deshalb keinen Rentenanspruch erwirtschaftet. Diese Schwarzarbeiter sind später auf die Unterstützung ihrer Kinder angewiesen. Über die Hälfte der Rentenkassen steht wegen der Schwarzarbeit vor dem finanziellen Zusammenbruch, jährlich fehlen durch sie etwa zwei Milliarden €.
 
Der Milliardenkredit der Deutschen soll über die öffentliche Förderbank KfW abgewickelt werden, der Bund  - also ganz klar der Steuerzahler - würde dann für die Summe nur bürgen. Schäuble hatte Finanzhilfen für Griechenland verteidigt, indem er erklärte, dass »wir die Stabilität des Euros verteidigen, denn Deutschland profitiert davon mindestens so stark wie alle anderen.« Etwas anders sieht das offenbar der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart; er warnte davor, wegen der Milliardenhilfe für Griechenland auf Steuerentlastungen in Deutschland zu verzichten. Wer Griechenland Milliarden an Hilfen in Aussicht stelle und Bürgern und Betrieben in Deutschland sage, dass für sie kein Geld da sei, »der schlägt den Menschen ins Gesicht«.
 
Der Financial Times Deutschland war am 24. April 3 folgender Kommentar der Neuen Osnabrücker Zeitung zu entnehmen: »Grotesk in diesem Schuldenchaos nimmt sich auch das Gebaren der Bundesregierung aus: Noch am 5. März versicherte die Kanzlerin, die Frage deutscher Finanzhilfe für Griechenland stellt sich nicht. Dementsprechend hat sie verhandelt. Nun werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bis zu 8,4 Mrd. € über 12 Monate fällig. Fürs erste, wie sich bereits abzeichnet. Das Schlimmste an all dem ist: Die ohnehin dramatisch zerrütteten Finanzen fast aller übrigen Euroländer geraten noch stärker ins Wanken. Da lasse sich niemand von den gut gemeinten Gesundbet-Ritualen der Notenbanker täuschen.« Der Kommentar der Frankfurter Rundschau las sich wie folgt: »Damit wir dem schlechten Geld für die Bankenrettung nicht immer wieder gutes hinterherwerfen müssen, gehört die Spekulation eingedämmt. Die aberwitzigen Aufschläge auf griechische Staatsanleihen spiegeln keineswegs nur die ehrliche Angst vor einem Staatsbankrott wider, sondern vor allem den Handel mit Kreditderivaten. Um zu verhindern, dass ihretwegen eine weitere Volkswirtschaft oder gar die ganze Währungsunion in die Knie geht, gehören sie endlich verboten.« Der an unsere Politiker gerichtete Ruf nach Abhilfe dürfte allerdings - wie so oft - vergebens zu erfolgen.
 
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung liess sich wie folgt vernehmen: »Das läuft jetzt alles automatisch ab.Mit diesen Worten hat der EU-Währungskommissar Olli Rehn den Antrag aus Athen auf Milliardenkredite in Brüssel willkommen geheißen. So wird der Bruch der Nichtbeistandsklausel im Maastrichter Vertrag zum Albtraum: Dem ersten Milliardenkredit folgt die nächste Tranche, der Rettung für Griechenland folgt Hilfe für Portugal, Italien, Spanien. Beamte der EU-Kommission (...) müssen sich ja vor keinem Wahlvolk rechtfertigen. Wer aber als deutscher Politiker wiedergewählt werden möchte, der sollte der Wahrheit ins Gesicht blicken. (...) Griechenland steckt nicht nur im Schuldensumpf, sondern hat das noch größere Problem, dass seine Wirtschaft durch übermäßigen Konsum auf Pump (...) alles andere als wettbewerbsfähig ist. (...) Nur eine Abwertung führt aus der Abwärtsspirale heraus.«
 
In einem Artikel im Daily Telegraph vom 15.4. erklärte Professor Hankel zu den laufenden Verhandlungen mit den Griechen: »Das ganze Manöver verzögert nur den Tag der  Abrechnung. Es ist nicht im Interesse Griechenlands, das Geld anzunehmen, denn die Lohnsenkungen und Steuererhöhungen würden zu einer endlosen Wirtschaftdepression führen. Sie sollten freiwillig aus der Eurozone austreten, abwerten und ihre Schulden mit Hilfe des IWF umstrukturieren. Das ist der Weg der wirtschaftlichen Vernunft. Letztendlich ist der einzige Weg, den Euro zu retten, die Eurozone zu verkleinern. Es gibt weitere Kandidaten.«
 
 
1 Süddeutsche Zeitung vom 23. April 2010 Seiten 1, 4 und 19
2http://www.handelsblatt.com/politik/international/punkt-fuer-punkt-korruption-und-misswirtschaft-regieren-griechenland;2539120   2. 3. 10 
Korruption: Griechenlands Wirtschaft und Gesellschaft bleiben trotz Wirtschaftskrise fest im Griff der Korruption
3 http://www.ftd.de/politik/europa/:pressestimmen-geld-fuer-griechenland-rettung-ist-gut-angelegt/50105222.html  24. 4. 2010