»Enduring Freedom«

politonline d.a. Um ermessen zu können, inwieweit die Forderungen eines Robert Gates als blanker Zynismus zu werten sind,

muss man dem alles überlagernden, als regelrechten »Schlachtruf« einzustufenden »Enduring Freedom« beispielsweise auch die Worte Oskar Lafontaines zugrunde legen: »Man sollte es aber nicht nur andauernden Krieg nennen; unserer Überzeugung nach wäre es noch besser, von Enduring Terrorism, also von andauerndem Terrorismus, zu sprechen.« Bereits im Juni 2008 hatte Lafontaine der Bundesregierung vorgeworfen, Deutschland immer tiefer in einen Krieg zu verstricken, »in dem bisher schon Tausende unschuldiger Zivilisten ermordet wurden.« Damit treibe sie die Spirale der Gewalt voran. Der Kampfeinsatz der deutschen Bundeswehr verstösst so permanent gegen die Genfer Konvention. Die von Peter Struck, dem früheren SPD-Verteidigungsminister ausgegebene Parole »Deutschland wird am Hindukusch verteidigt« sei, so Lafontaine, »einer der törichsten Sätze, die ein deutscher Politiker gesprochen hat. …. Denn dann müssen wir sagen, warum nicht auch am Kilimandscharo oder in den Anden oder in den Rocky Mountains?« Mit demselben Recht könnten die Paschtunen jetzt behaupten, »die Ehre unserer Sippe wird in den Alpen oder im Harz verteidigt«. Die soeben vom Bundestag mit überwältigender (!) Mehrheit beschlossene Aufstockung der Truppen in Afghanistan - gegen die die Linksfraktion geschlossen gestimmt hat - dürfte zahlreiche Protestschreiben der Deutschen an die Regierung zur Folge haben. Uns liegt das nachfolgende offene Schreiben an Bundestagspräsident Norbert Lammert vor:
  
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
mit großer Sorge habe ich davon Kenntnis genommen, daß der Deutsche Bundestag heute dem neuen Mandat für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan mit großer Mehrheit zugestimmt hat, welches eine Aufstockung von 4 500 auf 5 350 Soldaten vorsieht, obwohl allen Abgeordneten bekannt ist, daß eine Mehrheit von 60 bis 80 % der Bundesbürger gegen den Afghanistankrieg ist und 69 % einen schnellen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan ohne Wenn und Aber fordern. Das beweisen nicht nur wiederholte Umfragen von Meinungsforschungsinstituten und Medien, sondern auch die vielen Tausend Demonstranten landauf, landab in den vergangenen Jahren sowie vor der heutigen Abstimmung im Bundestag. Diese Forderungen der Mehrheit unseres Volkes werden, wie auch Ihnen bekannt sein dürfte, von Monat zu Monat lauter!
 
Das heutige Abstimmungsergebnis wird ein weiteres Mal zur Folge haben, daß noch mehr Bundesbürger die berechtigte Frage stellen: Was ist das für eine Volksvertretung und was sind das für Volksvertreter, die sich seit Jahren über den erklärten Willen ihres Wahlvolkes bewußt hinwegsetzen und die Forderungen der US-Administration, der NATO sowie der bis ins Mark korrupten, betrügerischen und vom Volk nicht legitimierten afghanischen »Regierung« von Amerikas Gnaden nach Fortsetzung, ja sogar nach Ausweitung des Angriffskrieges, über den Willen der Mehrheit des eigenen Volkes stellen? Vor dem Hintergrund des oben Gesagten möchte ich Sie wissen lassen, daß die Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke mit ihrem heutigen Auftreten im Bundestag ganz in meinem Sinne gehandelt haben. Deren aufsehenerregende plakative Erinnerung an die vielen unschuldigen zivilen Opfer des vom Bundeswehroberst Georg Klein befohlenen Kriegsverbrechens in Kundus und ihre kategorische Ablehnung des neuen Mandats für den weiteren Bundeswehreinsatz gereicht allen Parlamentariern zur Ehre, die sich dem Volkswillen gegenüber verpflichtet fühlen, und darum bekunde ich ihnen auch meinen Respekt. Leider kann ich von Ihrer Entscheidung, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, die Abgeordneten der Linkspartei wegen ihres demonstrativen Hochhaltens der Namen unschuldig ermordeter afghanischer Zivilisten, darunter viele Kinder, des Saales zu verweisen, nicht das Gleiche nicht sagen, was auch für all jene Abgeordneten der Kriegsfraktionen gilt, die Ihre Entscheidung mit Beifall begrüßten. Wie ich las, haben Sie Ihre Entscheidung, die in dieser Form in der Geschichte des Bundestages bisher einmalig ist, mit der Geschäftsordnung des Bundestages begründet.
 
Bitte erlauben Sie mir, darauf aufmerksam zu machen, daß besagte Geschäftsordnung meines Wissens nach für Friedenszeiten erlassen wurde, nicht aber für Zeiten, in denen sich unser Land in einem Angriffskrieg befindet, in dem schon über 30 Angehörige der Bundeswehr ihr Leben lassen mußten und Tausende in ihrer Gesundheit nachhaltig geschädigt wurden. Wir leben also in einer Ausnahmesituation, die nicht das deutsche Volk zu verantworten hat, und diese Ausnahmesituation rechtfertigt nicht nur, sondern gebietet nach meinem Dafürhalten auch Maßnahmen, die unter »normalen« Verhältnissen weder in parlamentarischen Geschäftsordnungen vorgesehen, noch in der parlamentarischen Praxis üblich sind. Für mich als jemand, der den II. Weltkrieg miterleben mußte, und deshalb weiß, was Krieg besonders für die Zivilbevölkerung bedeutet, hat die heutige folgenschwere Entscheidung eines deutschen Parlaments für Krieg nichts mit Achtung des Volkswillens durch die Parlamentsmehrheit zu tun. Und deshalb tragen für mich die Befürworter der Fortsetzung und Ausweitung des Mordens in Afghanistan auch die Verantwortung für jeden weiteren in Afghanistan getöteten oder verletzten Bundeswehrsoldaten.  
Mit freundlichen Grüßen, Hans Fricke, Rostock
 
Den Forderungen des US-Verteidigungsministers Robert Gates entnehme ich, dass wir auf den Modus des ›Dauerkriegs‹ getrimmt werden sollen. So kritisierte Gates anlässlich seiner  Rede in der National Defence University, einer Hochschule des Pentagons, die europäischen Länder aufgrund ihrer Weigerung, der NATO grössere Anteile ihrer Bevölkerung zur Verfügung zu stellen 1. Gates ist gegen eine »Entmilitarisierung Europas«, ganz so, als läge es in seiner Befugnis, uns, der Bevölkerung, eine derartige Richtung anzuweisen, wodurch die bereits gnadenlos verarmten EU-Staaten für die USA und ihre Eroberungskriege auch noch als kriegstributpflichtig einzustufen wären. Gates warnte, »dass die Aversion Europas gegen den Krieg bestimmten, mit Unterstützung der NATO durchgeführten militärischen Operationen der USA ernstlich schade und daher »ein Hindernis« für den anhaltenden Frieden sei, den diese Kriege seiner Ansicht nach irgendwann einmal herbeiführen würden.« Das »irgendwann einmal« ist hier zu betonen, denn der von der USA in Afghanistan in Gang gesetzte Brandherd greift längst auf Pakistan über, so dass Gates Friede höchstwahrscheinlich erst dann eintreten wird, wenn restlos alles zermalmt und auch der letzte Widerstandskämpfer unter den Afghanen im Namen des »Enduring Freedoms« liquidiert ist. Danach hätten wir uns als Geber der Internationalen Gemeinschaft auf Druck der UNO mit Sicherheit wiederum bereit zu halten, um die Kriegsfolgekosten zu schultern. Aus der Sicht Gates stellt die von ihm als Entmilitarisierung bezeichnete Haltung Europas ein langfristig systembedingtes Problem für die NATO dar, deren Mitglieder ihre Militärausgaben auf das von der NATO angeordnete Niveau anheben müssten. Diese Rede datiert vom 25. Februar, insofern kann Gates kaum ignorieren, dass Brüssel auf Grund des drohenden Bankrotts mehrerer EU-Staaten wahrhaftig andere Sorgen hat, als auf die Forderungen von Gates, die für meine Begriffe ein regelrechtes Vasallentum gegenüber der USA und ihren Kriegsplänen erheischen, einzutreten.
 
»Nach der Schlacht von Hastings 1066«, schreibt Douglas Valentine in seinem Artikel Eroberungskrieg und Zensur2, »begrub die Armee William des Eroberers ihre gefallenen Kameraden, ließ aber die Leichen der englischen Verteidiger liegen, auf daß sie auf den Feldern, wo sie lagen, verrotteten. Das ist die brutale Natur des Krieges: der Sieger fügt dem Besiegten alle Arten von Leiden und Demütigungen zu. Was die Vereinigten Staaten von Amerika im Irak und in Afghanistan betreiben, ist mehr oder weniger genau das Gleiche.« Valentins Artikel, den wir hier leicht gekürzt veröffentlichen, zeichnet ein furchtbares Bild, das alle Abgeordneten, die für die Fortsetzung des Afghanistankriegs eintreten, ganz offensichtlich auszublenden imstande sind, es sei denn, sie denken überhaupt nicht mehr darüber nach, was ihre Entscheidung für die Zivilbevölkerung des bekriegten Landes zu bedeuten hat.
 
»Die Vereinigten Staaten von Amerika verfolgen offiziell die Politik, die Zahl der Menschen, die sie getötet oder verstümmelt, obdachlos gemacht, ausgehungert und Krankheiten, Seuchen und dem Wahnsinn preisgegeben haben, nicht zu erfassen. Es ist daher nicht möglich, das Ausmaß des Elends, das Amerika im Irak verursacht hat, quantitativ zu ermessen, was es natürlich einfacher für die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika macht zu behaupten, daß all dieses Sterben und Leiden den Irakern zugute komme. Es gibt Berichte von 5 Millionen Waisen im Irak. Das sind dreimal so viel wie die gesamte Zahl der Engländer, die William erobert hat. Angesichts derart unermesslicher Zahlen wird leicht vergessen, daß jeder Mensch zählt, genauso wie Du zählst. Irgend jemand weiß, wer diese Menschen sind. Um näher auf den Punkt zu kommen, in vielen, wenn nicht den meisten Fällen kennt die Regierung der USA - die angeheuerten Killer im Militär und in der CIA - genau die Namen und Identitäten aller Personen, die sie ermorden, verstümmeln oder zu Waisen macht. Sie sagt es Dir nicht, aber sie weiß es. In Afghanistan zum Beispiel führten CIA und Militär durch Wiederaufbauteams in den Provinzen weitere zivile Programme durch, und führten mit Hilfe einer geheimen Armee von Informanten in jedem Dorf, in jeder kleineren und größeren Stadt eine Volkszählung durch, ganz ähnlich Williams Domesday Book, das die genaue Erfassung der Bevölkerung und deren Eigentum als Grundlage für die Einhebung von Steuern beinhaltete.  Als Befehlshaber der Okkupationsarmee der  USA will General Stanley McChrystel jeden Afghanen beim Namen kennen, damit er bestimmen kann, wer Taliban ist und wer nicht. McChrystal will wissen, wo jeder wohnt, wie viele Menschen seine Familie zählt, wer seine Frau, Kinder und Angehörigen sind und wo er arbeitet. In Orten wie Marjah tut sich McChrystal etwas schwer, aber er will´s doch wissen und versucht, es zu erfahren, hauptsächlich durch Spione und alle Arten der elektronischen Überwachung einschließlich Satelliten.
 
All diese biographischen Informationen über Afghanen werden in einem Computer in McChrystals Büro gesammelt. Die CIA beobachtet diesen Computer sorgfältig und erstellt zusammen mit ihren Partnern bei den militärischen Spezialeinheiten ein eigenes Verzeichnis für die Taliban *. In diesem Verzeichnis der Taliban wird jeder nach den gleichen biographischen Kriterien beschrieben wie jeder andere Afghane. Zusätzlich wird jeder Taliban entsprechend seinem Rang und seiner Position in der Organisation kategorisiert. Das Fußvolk wird den Marines überlassen. Höherstehende Ziele sind in einem eigenen Verzeichnis erfaßt und gehören der CIA und militärischen Spezialeinheiten. Besonders wertvolle Ziele genießen dieselbe besondere Beachtung, die seinerzeit William der Eroberer den englischen Edelleuten widmete. Darunter fallen Güter - intellektuelle, aber z.B. auch Opiumfelder, die für McChrystal von Interesse sind und über die daher mehr biographische Informationen gesammelt werden: ihre Bewegungen werden 7 Tage in der Woche und 24 Stunden am Tag verfolgt. Durch Spione und ausgeklügelte elektronische Überwachung ist McChrystal ziemlich gut darüber informiert, wenn sie eine sichere Unterkunft verlassen und zu einer anderen fahren. Die Kampfflugzeuge sind vollgetankt und die Drohnen sind bereits in der Luft und warten. Und so und darum wurden am 21. Februar 27 afghanische Zivilisten kurzerhand ermordet, während sie auf der Fahrt zwischen entfernten Provinzen in einem Konvoi von Minibussen waren. Die CIA und die militärischen Spezialkräfte waren darauf aufmerksam gemacht worden, dass dieses und jenes besonders wertvolle Ziel mit seiner Familie unterwegs war, und McChrystal nützte die Gelegenheit, um sie alle zu töten. In einem schmutzigen Krieg wie dem in Afghanistan erfolgt die Tötung besonders wertvoller Ziele fast immer, während sie zuhause sind oder mit ihrer Familie reisen, sonst sind sie im Untergrund und nicht zu erwischen. Weil diese psychologische Kriegsführung der Tötung wichtiger feindlicher Anführer zusammen mit ihren gesamten Familien Politik ist (wenn auch eine geheime Politik), wird sie als schwarze Propaganda bezeichnet. Es ist eine psychologische Kriegsführung, weil sie eine ernüchternde Wirkung auf die Kämpfer der Taliban ausübt, die in höhere Ränge aufsteigen wollen. Es handelt sich um Propaganda, da jeder afghanische Bürger sich dieser Politik bewußt ist. Und sie ist schwarz, weil die Amerikaner nicht glauben können, daß das wahr ist. Sie können aus zwei Gründen nicht glauben, daß das stimmt. Erstens, weil General McChrystal wie ein amerikanischer Edelmann aussieht und wie William Reue zeigt. Und sie glauben es, weil die großen Medien die Große Lüge verbreiten. Und dennoch, ungeachtet der Werbetätigkeit der Korrespondenten der Newsweek, ist General McChrystal nicht weniger grausam als William der Eroberer. Sein Job ist es, Schlachten zu schlagen, Feinde zu töten und ihre Körper zu verstümmeln. Der einzige Unterschied besteht darin, dass William höchstpersönlich vor aller Augen mit einer Streitaxt und einem Schwert tötete, während McChrystal sich fernab von der Schlächterei aufhält, ohne Zeugen, und andere seine schmutzige Arbeit verrichten läßt, mit 2.000-Pfund-Bomben, mit von Drohnen abgefeuerten Raketen, mit Gewehren, und mit Zensur. Das meiste von all dem funktioniert nur, weil niemand jemals etwas über Namen und Lebensläufe der unschuldigen Opfer erfährt.«
 
Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die uns von Seiten der Politiker, ich möchte einmal sagen, konstant vorgegaukelte Demokratie sowie die versprochene Mitsprache in den meisten Fällen, in denen es um US-Interessen geht, weitgehend Makulatur sind. Was die von Europa zu tragenden, sich unaufhaltsam vergrössernden Kosten für den Afghanistankrieg betreffen, so sollte es klar sein, dass es auf Grund der totalen Erfassung des Vermögensstands jedes einzelnen EU-Bürgers ein Leichtes wäre, die Steuern in der Folge noch drastischer zu erhöhen, um die Kriegskosten zu decken. Dank sei allen Parlamentariern, die nicht in der Lage sind, die Konsequenzen des afghanischen Infernos abzuschätzen, und die nicht einmal realisieren, dass das, wozu sie Hand bieten, auch für ihre eigenen Nachkommen zu einer schrecklichen Bürde werden wird. Robert Gates Sicht, gemäss der Europa eine zu grosse Ablehnung gegenüber militärischen Einsätzen an den Tag legt und dadurch Frieden und Stabilität gefährdet, sei daher abschliessend nochmals festgehalten, denn sie leitet unmittelbar zu den Worten Mark Twains über: »Als nächstes wird der Staatsmann billige Lügen erfinden, die die Schuld der angegriffenen Nation zuschieben, und jeder Mensch wird glücklich über diese Täuschungen, die das Gewissen beruhigen, sein. Er wird sie eingehend studieren und sich weigern, Argumente der anderen Seite zu prüfen. So wird er sich Schritt für Schritt selbst davon überzeugen, dass der Krieg gerecht ist und Gott dafür danken, dass er nach diesem Prozess grotesker Selbsttäuschung besser schlafen kann.« 3
 
Zu diesem Krieg las man letztes Jahr auf der Spatzseite: »Haben Sie sich einmal ernsthaft überlegt, dass wir nun schon fast 7 Jahre lang - inzwischen sind es acht - unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen, indem wir dort Leute umbringen und Sachvermögen zerstören lassen, nur weil die Menschen dort nicht nach unserer Pfeife tanzen und unserer Hochfinanz nicht das Recht auf ihr Land abtreten wollen, um es zum Beispiel als Durchlass für den Raub des Kaspischen Erdöls zu nutzen?« 4
 
 
1http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=25022010ArtikelPolitikAK1  25. 2. 10 www.antikrieg.com  
2http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=25022010ArtikelPolitikAK2   25. 2. 10  Eroberungskrieg und Zensur - Von Douglas Valentine  resp.www.antikrieg.com – leicht gekürzt; Hervorhebungen durch politonline
3 www.antikrieg.com
4 http://www.spatzseite.de/  29. 3. 09 Afghanistan
* Die Fakten über die CIA und militärische Spezialeinheiten sind dem Buch The Phoenix Program des Autors entnommen