Destabilisierung

d.a. Mit welchem Mitteln man die Destabilisierung von Nationen, in diesem Fall des Irans, betreibt, geht aus einem Bericht von German Foreign Policy [1] hervor.

Spuren einer Terroroffensive iranischer Sezessionisten, die von den USA unterstützt werden, weisen nach Deutschland. Gleichzeitig mit einem Bombenanschlag im Ostiran, dem Ende letzter Woche über 40 Menschen zum Opfer fielen, haben auch Terroristen im Westiran neue Attentate gestartet. Verantwortlich ist diePartei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK), die ihre Kämpfer jahrelang in der BRD rekrutierte; ihr Chef residiert in Köln und hat vor wenigen Tagen bekräftigt, daß seine Organisation im Iran »überall zuschlagen« könne. Beide Attacken zielen darauf ab, die Kontrolle Teherans über größere Teile des Landes entscheidend zu schwächen. Dem Vorhaben, der Zentralregierung in Teheran Macht zu entreißen und ethnischen Minderheiten umfangreiche Sonderrechte zuzusprechen, hat sich jüngst auch die Stiftung der Partei des künftigen deutschen Außenministers (FDP) angeschlossen. Damit fördert sie eine Destabilisierung des Irans, der sich westlichen Ordnungskonzepten verweigert.
 
Mit dem mehr als 40 Todesopfer fordernden Bombenanschlag haben iranische Sezessionisten vergangene Woche ihre Bemühungen um eine Destabilisierung des Landes fortgesetzt. Ziel des Anschlags waren hochrangige iranische Militärs; Schauplatz war die Region Sistan-Belutschistan im Südosten des Landes, die bereits seit Jahren Ort brutaler Sezessionskämpfe ist. Blutige Attentate verübt dabei vor allem die Organisation Jundallah, die auch dieses Mal als Urheberin des Massakers genannt wird. Jundallah will Belutschistan aus dem iranischen Staat lösen. Teheran beschuldigt die USA und Großbritannien, die Jundallah zu unterstützen, um das Regime zu schwächen und prowestliche Kräfte in die Regierung zu bringen. In der Tat haben US-Geheimdienstkreise in den vergangenen Jahren mehrfach Informationen an die Presse lanciert, die eine Kooperation zwischen der CIA und Jundallah sowie weiteren iranischen Sezessionisten bestätigen 2; auch Insider aus dem Ostiran, etwa ein Bruder des Jundallah-Anführers, bekräftigen diese Vermutung 3.
 
Partisanen im Gebirge
Gleichzeitig mit dem blutigen Anschlag im Ostiran hat die Partei für ein freies Leben in Kurdistan, die PJAK, ihre Attentate im Nordwestiran wieder aufgenommen 4. Wie kurdische Medien berichten, erschossen PJAK-Mitglieder am vergangenen Freitag einen Repräsentanten des iranischen Staates in Salmas unweit der Grenze zur Türkei. Die PJAK steht den Separatisten von der türkischen PKK nahe und kämpft offiziell für eine autonome Region Iranisch-Kurdistan ganz nach dem Modell der autonomen Region Kurdistan im Irak. Kritiker halten dies nur für eine Etappe auf dem Weg zur Schaffung eines kurdischen Großstaats. Die PJAK gibt an, in den letzten Jahren mehrere hundert iranische Repressionskräfte getötet zu haben. Ihr Chef hat unmittelbar vor dem jüngsten Attentat erklärt, die Partisanen im Gebirge des Nordwestirans seien nur ein geringer Teil der PJAK 5. Mit einem Angriff auf einen Militärflughafen bei Teheran habe seine Organisation im vergangenen Jahr bewiesen, »daß wir überall zuschlagen können«.
 
Sitz in Deutschland
Die Tätigkeit der PJAK in Deutschland war in den letzten beiden Jahren mehrfach Gegenstand von Medienberichten. Demnach hat die Organisation nicht nur zahlreiche Milizionäre in der Bundesrepublik angeworben; dem PJAK-Chef Haji Ahmadi gelingt es laut einer Fernsehdokumentation, regelmäßig zu seinen Milizen zu reisen, die in der Autonomen Region Kurdistan im Irak stationiert sind - unter den Augen eines Berlin eng verbundenen Clans (Barzani), der gegenwärtig Irakisch-Kurdistan beherrscht. Die deutschen Behörden sind ausweislich der offiziellen Verfassungsschutz-Berichte über die Tätigkeit der PJAK informiert, schreiten jedoch - anders als im Falle der türkischen PKK - nicht ein. Der Bundesnachrichtendienst soll laut Berichten Kontakte zu Haji Ahmadi unterhalten haben. Auch in der USA genießt die PJAK laut mehreren Recherchen Unterstützung 6. Zwar hat die Regierung Obama die Organisation zu Beginn ihrer Amtszeit auf die offizielle Washingtoner Terrorliste gesetzt, um gegenüber Teheran Gesprächsbereitschaft zu signalisieren; wirkungsvolle Sanktionen gegen sie sind bislang jedoch nicht bekannt.
 
Innenpolitisch labil
Nicht-militante Organisationen iranischer Sezessionisten erhalten mittlerweile auch Unterstützung von der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP). Im Juni hielt die Stiftung in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) eine Konferenz ab, die der Nationalitätenfrage im Iran gewidmet war. Es sei an der »Zeit«, die Belange ethnischer Minoritäten im Iran »verstärkt in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit zu rücken«, hieß es in den Tagungsunterlagen; genannt wurden unter anderem Kurden im Nordwestiran sowie Belutschen im Osten des Landes. Bis zu 60 % der iranischen Bevölkerung gehörten ethnischen Minderheiten an und müßten, wie bereits vermerkt, Sonderrechte erhalten, erklärten die Veranstalter nach der Tagung: eine Stärkung zentrifugaler Kräfte, die in Verbindung mit äußerer Einmischung den Bestand des Staates ernstlich gefährden kann. Kritiker des Teheraner Militärregimes warnen vor solcher Einmischung - die inneriranische Opposition laufe dabei höchste Gefahr, daß sie »sofort als westlich gesteuert und ihre Führer als Kollaborateure gebrandmarkt« werden 7.
 
Was deutsche Militärkreise betrifft, so erklärte ein Professor der Bundeswehr-Universität in München tatsächlich, völkische Sezessionsbewegungen seien ein geeigneter Destabilisierungshebel: Iran sei ein Vielvölkerstaat; »diese innenpolitische Labilität könnte und sollte (geheimdienstlich verdeckt, versteht sich) der Hebel westlicher Iran-Politik unterhalb des eigenen militärischen Eingreifens sein.« 8 [Letzteres deutet allein schon auf eine offensichtlich keinen Grenzen unterliegende Anmaßung hin, der in unseren Augen auch nicht ein Hauch von Bemühungen um eine friedliche Koexistenz anhaftet; Anmerk. Redaktion].
 
Abnehmende Bindungen  
Bislang hatte Berlin wegen der beträchtlichen deutschen Wirtschaftsinteressen im Iran immer wieder versucht, einen Ausgleich zwischen Umsturzdrohungen und Kooperationsangeboten an Teheran zu finden. Mittlerweile beginnen sich die Gewichte zu verschieben. Neben der zunehmenden Unterstützung für iranische Sezessionisten fängt Berlin nun auch an, gegen die Spionageapparate des Teheraner Militärregimes vorzugehen. Letzte Woche teilte das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz mit, der iranische Geheimdienst suche iranische Exiloppositionelle in Deutschland auszuspionieren - eine Praxis, die seit Jahren bekannt und von Berlin bislang geduldet worden ist, mit für die Regimekritiker oft blutigen Folgen. Selbst in Wirtschaftskreisen, die während der vergangenen Jahre zu den entschiedensten Befürwortern einer Kooperation mit dem Iran gehörten, kippt inzwischen die Stimmung: Die Entmutigungsstrategie - eine Anstrengung der Bundesregierung, Unternehmen zur Einschränkung ihrer Iran-Geschäfte zu drängen - hat Erfolg; die Ausfuhren in den Iran brachen in den ersten 7 Monaten 2009 gegenüber dem Vorjahr um 10 % ein. Die zunehmenden Umsturzaktivitäten bei gleichzeitig abnehmenden Bindungen erhöhen die Spannungen und lassen eine weitere Eskalation befürchten.
 
Zum gleichen Thema schreibt Rainer Rupp, daß der russische Präsident, Dmitri Medwedew, nach dem jüngsten blutigen Anschlag der von Pakistan aus operierenden Terrorgruppe Dschundallah [bei GFP Jundallah]  im Südosten des Irans in einem Kondolenzschreiben an Mahmud Ahmadinedschad seine Bereitschaft erklärt hat, dem Iran beim Vorgehen gegen den Terrorismus zu helfen 9. »Der Kampf gegen Terrorismus und Extremismus, egal von wo diese Bedrohung ausgeht, verlangt, daß alle Länder ihre Kräfte bündeln«, heißt es in dem Schreiben des Kremls, der damit die Bereitschaft zu einer russisch-iranischen Front gegen Dschundallah unterstrich. Doch diese Allianz würde sich unweigerlich auch gegen den US-Geheimdienst CIA richten. Nach Angaben der englischsprachigen Ausgabe der türkischen Zeitung Islami Davet vom 4. 8. 09 hat Dschundallah eingeräumt, von der Mujahedin-e-Khalq (MEK) unterstützt zu werden. Diese in Deutschland auch als »Volksmudschaheddin« bekannte oppositionelle Gruppe aus dem Iran hatte unter Saddam Hussein Zuflucht im Irak gefunden. Obwohl die ehemals linksradikale Organisation noch immer auf der offiziellen US-Terrorliste steht, weil sie einen US-Diplomaten umgebracht hatte, steht die MEK seit der US-Invasion des Iraks unter dem Schutz der CIA, die sie als Faustpfand gegen Teheran ausbildet und finanziert. Wenn Dschundallah daher erklärt, sie werde von der MEK unterstützt, ist die CIA nicht weit. Im US-Nachrichtensender ABC News hatten Brian Ross und Christopher Ischam bereits am 3. April 2007 unter Berufung auf Nachrichtenquellen in den USA und Pakistan erklärt, daß die Dschundallah »seit 2005 von US-Geheimagenten ermutigt und beraten wird«. Weiter berichteten Ross und Ischam, daß ein hochrangiger US-Regierungsbeamter erklärt habe, daß »Gruppen wie Dschundallah beim Aufspüren von Al-Qaida Mitgliedern sehr hilfreich waren.« Nach einem Anschlag im Februar 2007 beschuldigte auch der pakistanische General Mohammad Ghafari die britischen und US-amerikanischen Dienste offen der Mittäterschaft.
 
2007 hatte US-Präsident George W. Bush in einer Direktive die CIA angewiesen, mit verdeckten Operationen einen Regimewechsel in Iran herbeizuführen. Dazu gehöre auch »die Versorgung mit Waffen und Geld für militante, iranische Gruppen wie Dschundallah«, hieß es damals in einem Bericht des britischen Telegraph. Als sich Pakistan im Mai 2008 anschickte, sechs Mitglieder der Dschundallah, darunter Abdolhamid Rigi, den Bruder des Anführers der Gruppe, an den Iran auszuliefern, berichtete ABC News unter Berufung auf »US-Regierungsbeamte«, daß »US-Geheimdienstler versuchen, die Auslieferung an den Iran zu verhindern«. Offenbar erfolglos, denn Abdolhamid ist inzwischen von einem iranischen Gericht zum Tode verurteilt worden. Während seines Prozesses brüstete er sich damit, daß Dschundallah Geld und Waffen von den USA und Israel erhalte, die dafür noch mehr Anschläge im Iran verlangten. »Das Geld dafür kommt direkt aus der Geheimschatulle der CIA«, zitierte dazu die Wochenzeitung Sunday Telegraph einen ehemaligen hochrangigen CIA-Mitarbeiter in Washington. Und der ehemalige Agent der Abteilung für Terrorismusbekämpfung im US-Außenministerium, Fred Burton, erklärte 2007 gegenüber dem Blatt, daß »die jüngsten Anschläge im Iran ganz auf der Linie der US-Anstrengungen liegen, Irans ethnische Minoritäten zu versorgen und auszubilden, um das Regime in Teheran zu destabilisieren«. 
   
1 Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57651  20. 10. 2009
Destabilisierungshebel (III)
2 US funds Terror Groups to sow Chaos in Iran; The Daily Telegraph 25. 2. 2007. Bush sanctions black ops against Iran; The Daily Telegraph 27. 5. 2007
3 Rigi's Brother exposes US Ties with Jundullah; presstv.ir  9. 6. 2009
4 Kurdish PJAK Rebels resume Attacks in Iranian Kurdistan; www.ekurd.net 17.10.2009
5 PAK-Rebellen: »Wir können überall im Iran zuschlagen«; Die Presse 15.10.2009
6 Seymur M. Hersh: The Next Act; The New Yorker 27. 11. 2006. US wages Covert War on Iraq-Iran Border; Asia Times 28. 11. 2007
7 »Endlich Freiheit«; www.boell.de 18. 6. 2009
8 Die Zerrissenheit des Irans; Die Welt 7.03.2007
9 http://www.jungewelt.de/2009/10-22/002.php
Geheimer Krieg - US-Geheimdienst CIA unterstützt »Dschundallah«-Terroristen im Iran - Von Rainer Rupp
 
Bezüglich der Aktivitäten der Friedrich-Naumann-Stiftung siehe z. B.
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=894  22.3.08
Die Unruhen in Tibet und die Rolle der Stiftungen
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=905  12. 4. 08
Tibet: Wie alles gesteuert wird - nicht ohne das Zutun der Stiftungen
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1079  22.11.08
Stiftungen: Sie geben keine Ruhe, ungeachtet aller zu erwartenden Folgen