Gleiches Recht für alle....

Nicht erst seit der Zwei-Klassen-Grippeimpfung fragt sich mancher Bürger, ob er in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft lebt. »Sechs Maultaschen reichen für eine Kündigung!«

Diese Schlagzeile ist keine Presse-Ente. Sie beschreibt vielmehr den Zustand von Teilen unserer Justiz. Und das in einem Land, in dem gerade die Justiz häufig die Rolle einer politisch willfährigen Zwei-Klassen-Institution spielte. Der Untertan brillierte schon in Heinrich Manns Justiz-Drama. Er ist - viel zu oft - noch immer Justiz-Hauptdarsteller. Wer in Deutschland eine Bank mit der Pistole ausräumt, landet im Knast. Wer sie indes als Vorstand ausraubt, bleibt in aller Regel unbehelligt.
 
Die Zwei-Klassen-Justiz weiß, was sie zu tun hat. In Zeiten schlechter Auslastung zeigen Firmen große Phantasie beim Abschieben überzähliger Mitarbeiter. Arbeitsgerichte folgen den Phantasien nicht selten überaus servil. Insbesondere dann, wenn es sich um Konzerne handelt. Unbescholtene Bürger werden der Öffentlichkeit als Kriminelle präsentiert. Das Motto: »Haltet den Bouletten-Dieb«. Ist der Verzehr einer Boulette - noch dazu beim Zubereiten eines kalten Buffets - tatsächlich kriminell? Ist die »Entwendung« von Aufstrich für ein Brot, der Verzehr abgelaufener Lebensmittel oder das Aufladen eines Handys bei einem Stromverbrauch von 0,0016 Cent kriminell? Um nicht mißverstanden zu  werden - Diebstahl ist ein Vergehen. Aber sind diese Handlungen wirklich Diebstahl und als kriminell einzustufen? Die Firma habe dies per schriftlicher Anweisung verboten. Daher sei es kriminell, unabhängig vom jeweiligen Wert - so die Justiz. Gleiches Recht für alle!
 
Schriftliche Anweisungen hält auch das Aktiengesetz parat.
Ebenso wie das Strafgesetzbuch. Kein Mensch käme allerdings in Deutschland auf die Idee, den Chef einer großen Aktiengesellschaft öffentlich zu stigmatisieren, nur weil er einmal die Woche den Wagen seiner Frau waschen und auftanken läßt - auf Kosten der Firma. Weil er sich zum Geburtstag ein Jagdgewehr schenken läßt - auf Kosten der Firma. Weil er die Wirtschaftsprüfer besticht oder die Frau den Firmenjet für die Einkaufstour nutzt - auf Kosten der Firma. Das sind hierzulande läßliche Petitessen. Der Vorstand ist jedoch nicht Besitzer einer AG. Er ist lediglich deren Verwalter. Bei Selbstbedienung auf Kosten der Aktionäre schaut die Justiz in Deutschland gerne gelangweilt weg.
 
Gleiches Recht für alle?
Man muß hierzulande auf der richtigen Etage arbeiten. Auf Chefetagen sind Wildwest-Manieren häufiger anzutreffen als Otto Normalverbraucher ahnt. Recht und Gesetz spielen oft nur eine untergeordnete Rolle. Eine wichtige Funktion hat dabei der Staatsanwalt. Der ist in Deutschland politisch weisungsgebunden. Hat man die Politik im Griff, so hat man auch die Justiz in der Tasche. So etwas nennt man Herrschaftswissen. Dazu genügt es oft schon, wichtige Politiker an der Leine zu haben. Politiker abhängig zu machen, ist keine Kunst. Es funktioniert mit Geld, aber auch ohne. Männer im gesetzten Alter sind besonders anfällig. Bei der Westdeutschen Landesbank, WestLB, nutzte man für diesen Zweck z. B. einen Bordell-Jet. WestLB Chef Neuber, der den Jet bezahlte, blieb trotz Milliardenbetrügereien bis zu seinem Tod unbehelligt. Wenn trotzdem mal ein Boss - wie Post-Bank-Chef Zumwinkel - öffentlich vorgeführt wird, so hat auch das Methode. Der Mann hatte sich zuvor mit den falschen Leuten angelegt. Sein Herrschaftswissen bewahrte ihn indes final doch noch vor dem Gang in den Knast.
 
Denn selbst wer als Boss die Gesetze nicht kennt, hat auf deutschen Chefetagen nichts zu fürchten. Deutsche Bank-Chef Ackermann mußte im Mannesmann-Prozeß zugeben, das deutsche Aktienrecht nicht zu kennen. Als Angehöriger des Prekariats hätte ihm das bestenfalls Häme eingebracht - und den Rausschmiß  beschleunigt. Denn jeder Bürger weiß: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Herr Ackermann verlor hingegen weder sein Amt noch seine Aufsichtsratsmandate. Daß er Aktiengesellschaften führen und überwachen kann, ohne die rechtlichen Vorgaben zu kennen, ist unter rechtsstaatlich korrekten Bedingungen zwar undenkbar. Bereits vor dem Prozeß wurde ihm allerdings von der Kanzlerin eine weiße Weste attestiert. Polit-Vorgabe für die Justiz. Den Strafbefehl bezahlte Ackermann aus seiner Portokasse und machte danach unbeschwert weiter. Als sei nichts geschehen. Die Kanzlerin lud ihn danach sogar zum Dinner ins Kanzleramt. Ob es dabei Bouletten oder Maultaschen gab, ist nicht überliefert. Die sechs kriminalisierten Maultaschen wären übrigens im Mülleimer gelandet…….
 
Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz, Peine, den 22. Oktober 2009
www.hans-joachim-selenz.de sowie http://www.cleanstate.de/