Neue Enthüllungen über den Al-Yamamah-Apparat - Von Jeffrey Steinberg

Die Untersuchungen zum 11. September 2001 setzen sich fort. Nun hat eine Klage der Familien der Opfer des 11. 9. einen Schatz an aufschlußreichen Dokumenten über den imperialen anglo-saudischen »BAE-al-Yamamah«-Apparat zutage gefördert [1]. Wie die »New York Times« am 24. Juni berichtete, erhielten Anwälte dieser Familien den Zugang zu Tausenden von Seiten bisher unveröffentlichter Unterlagen, worin die Finanzierung von Al-Kaida und der Taliban durch Mitglieder des saudischen Königshauses vor den Anschlägen belegt wird. Einige dieser Dokumente, darunter Berichte des US-Finanzministeriums, wurden auf Grund des amerikanischen FOIA-Gesetzes [der »Freedom of Information Act«, der dem US-Bürger trotz gewisser Einschränkungen einen größtmöglichen Zugang zu Informationen gewährleistet] zugänglich. Andere, darunter vertrauliche Berichte amerikanischer und deutscher Geheimdienste, wurden den Anwälten der Familien zugespielt, und nun wird vor Gericht darum gestritten, ob dieses Material veröffentlicht werden darf.

Kopien einiger dieser immer noch unter Geheimhaltung stehender Dokumente liegen auch der New York Times vor, was es der Regierung sehr schwer macht, die neuen Enthüllungen zu unterdrücken. Ein Schlüsseldokument, das letzten Monat in den Akten der Sonderkommission zum 11. September entdeckt wurde, bestätigt, daß ein bekannter saudischer Geheimdienstoffizier, Omar Al-Bayoumi, eng mit zwei Flugzeugentführern des 11. 9.  Nawaf Al-Hazmi und Khalid Al-Mihdhar, zusammenarbeitete. Das Dokument der Kommission, ein »Memorandum für die Akten« vom 23. April 2004, enthält die Zusammenfassung eines Gesprächs zweier Mitarbeiter der Kommission, Quinn John Tamm und Dietrich Snell, mit einem namentlich nicht genannten FBI-Informanten (Dr. X), einem Mann aus dem Raum San Diego, bei dem die beiden Entführer im Jahr 2000 längere Zeit gewohnt hatten. In dem Memorandum heißt es: »Dr. X erklärte, daß Omar Al-Bayoumi auch Al-Hazmi in seinem Haus besuchte. Dr. X kannte Al-Bayoumi als saudischen Staatsangehörigen, er hatte ihn am Islamischen Zentrum San Diego, ICSD, kennengelernt. Al-Bayoumi sagte während seines Besuches zu Dr. X: Ich habe sie [Al-Hazmi und Al-Mihdhar] zu Ihnen geschickt. Dr. X erklärte hierzu, daß dies nicht der Fall gewesen sei, sondern daß er die beiden nach dem Freitagsgebet auf dem Korridor des ICSD kennengelernt habe.«
 
In dem Memorandum heißt es weiter: »Al-Hazmi mochte Al-Bayoumi nicht und sagte Dr. X, Al-Bayoumi sei ein saudischer Agent. Al-Hazmi habe sich bei Dr. X darüber beschwert, daß Al-Bayoumi ständig Videoaufnahmen von Personen mache, die mit dem ICSD zu tun hatten. Dr. X bemerkte, das sei auch seine Erfahrung gewesen, wenn er an Veranstaltungen des ICSD teilnahm. Dr. X sagte, Al-Bayoumi habe immer seinen Videorekorder dabei gehabt und versucht, Äußerungen, die am offenen Mikrofon gemacht wurden, aufzunehmen. Dr. X sagte: »Ich habe gehört, daß Al-Bayoumi ein Agent [der Saudis] ist.«
 
Aus anderen Dokumenten der Kommission zum 11. September und aus einem vom Weißen Haus unter George W. Bush unterdrückten 28seitigen Bericht über die Verwicklung von Al-Bayoumi und Osama Basnan, eines weiteren saudischen Geheimdienstoffiziers, in die Finanzierung der beiden Flugzeugentführer von der Westküste geht der größere Zusammenhang hervor. Prinz Bandar Bin-Sultan, der damalige saudische Botschafter in den Vereinigten Staaten, und seine Ehefrau, Prinzessin Haifa, zahlten etwa 50 -70.000 $  an Al-Bayoumi, der wiederum einen Teil des Geldes an Al-Hazmi und Al-Mihdhar weitergab, um ihre Miete und ihren Flugunterricht vor den Anschlägen des 11. Septembers zu finanzieren. Prinzessin Haifa ist die Schwester von Prinz Turki Bin-Faisal, der zur Zeit der Anschläge Chef des saudischen Geheimdienstes war und kurz nach dem 11. September 2001 plötzlich zurücktrat. [Am 22. Juni trafen einige Mitglieder der Familien der Opfer des 11. Septembers mit Präsident Obama zusammen, und sie berichteten, er habe zugesagt, das umstrittene 28seitige Dokument aus dem Untersuchungsbericht des Kongresses über den 11. September, das das Weiße Haus unter Präsident Bush als streng geheimeingestuft hatte, zu veröffentlichen.]
 
Hier kommen London und der Skandal um Bandar und den britischen Rüstungskonzern BAE ins Spiel. Wie weithin berichtet wurde, kassierte Prinz Bandar mindestens 2 Mrd. Dollar Schmiergeld für seine Vermittlerdienste beim al-Yamamah-Tauschgeschäft - Waffen gegen   Öl - das ursprünglich 1985 zwischen Premierministerin Margaret Thatcher und den Saudis geschlossen wurde und seither weiterlief. Im Rahmen dieses Geschäfts wurde eine schwarze Kasse von ca. 100 Mrd. $ für verdeckte Geheimdienstoperationen eingerichtet, und man vermutet, daß daraus Gelder stammen, die an Bandar gezahlt wurden und an Entführer des 11. Septembers weiterflossen. Die Dokumente, die die Anwälte der Opferfamilien des 11. Septembers erhalten haben, betreffen vor allem saudische Almosen, die an Al-Kaida und an die Taliban flossen, aber die schwarze Kasse aus dem BAE-al-Yamamah-Geschäft ist der eigentliche Skandal. Nach Angaben eines hochrangigen Beamten des US-Geheimdiensts gibt es deutliche Hinweise darauf, daß ein Teil der BAE-Schmiergelder, die an Bandar flossen, dazu genutzt wurde, mindestens zwei der Entführer des 11. Septembers zu finanzieren. Aber eine genauere Untersuchung wurde vom Weißen Haus unter Bush und Cheney jahrelang unterbunden. Schon am 29. Juni 2007 hatte EIR [Executive Intelligence Review] den »Komplex Bandar-BAE-11.September« beschrieben und Nawaf Al-Hazmi und Khalid Al-Mihdhar als zwei der Entführer identifiziert, die eine bedeutende Unterstützung von saudischen Geheimdienstleuten erhielten, seit sie Anfang des Jahres 2000 in Los Angeles eingetroffen waren. Vor dem 11. September lebten auch die saudischen Agenten Basnan und Al-Bayoumi zeitweise im selben Wohnungskomplex in San Diego, den Parkwood Appartments - wie auch die beiden Entführer. Der frühere demokratische Senator Bob Graham, der zur Zeit der Untersuchung der 11. September-Anschläge den Geheimdienstausschuß des Senats leitete, hat dem FBI vorgeworfen, es habe nicht gründlich genug untersucht, wie die Gelder im Zusammenhang mit den Anschlägen flossen. Sowohl er als auch sein Stellvertreter im Ausschuß, der republikanische Senator Richard Shelby, beschwerten sich bitter, das FBI erlaube dem Untersuchungsausschuß nicht, die FBI-Agenten zu befragen, die Basnan und Al-Bayoumi kurz nach dem 11. September verhört hatten.
 
Daß die beiden Entführer in der Wohnung eines FBI-Informanten wohnten, der das FBI auch hierüber unterrichtete, ist ein hochbrisanter Aspekt, der bisher vertuscht wurde. Die Tatsache, daß ausgerechnet der damalige FBI-Direktor Louis Freeh heute als Anwalt Prinz Bandar in dessen Schmiergeld-Prozeß vertritt, dürfte für die weitere Untersuchung der Wahrheit hinter den Anschlägen des 11. September ebenfalls von großer Bedeutung sein.
 
Anmerkung zu BAE d.a.: Wie Strategic Alert  berichtete, »wurdenTony Blair und Lord Charles Powel 2007 in der britischen Presse angegriffen, da sie zusammen interveniert hatten, um die Untersuchung des BAE-al-Yamamah-Skandals durch das Büro für schwere Betrugsfälle (Serious Fraud Office, SFO) zu unterbinden. Lord Powell war unter der damaligen Premierministerin Thatcher maßgeblich am Zustandekommen des al-Yamamah-Geschäfts mit den Saudis beteiligt und arbeitet immer noch als Berater für BAE.«
 
Auf http://www.guardian.co.uk/baefiles/page/0,,2095831,00.html findet sich eine Abbildung von Glympton, dem Landsitz in Oxfordshire, den Prinz Bandar kaufte, nachdem er den al-Yamamah-Waffenhandel arrangiert hatte.  
Der Kauf des Anwesens soll angeblich durch die Gewinne finanziert worden sein, die Prinz Bandar, der Sohn des saudischen Verteidigungsministers Prinz Sultan, aus Englands grösstem Waffenhandelsgeschäft erzielt hatte. US-Quellen zufolge seien Bandar Millionen zugeflossen; es heisst ferner, dass angeblich bis zu 30 Millionen $ auf sein Konto bei der Riggs Bank in Washington eingezahlt worden wären. Es war die damalige Premierministerin Margaret Thatcher, die mit Bandar verhandelte, um den sogenannten al-Yamamah-deal 1985 zum Abschluss zu bringen.
 
Wie die Polizei später errechnete, können mehr als 6 Milliarden £ in Form von korrupten Kommissionen zur Verteilung gekommen sein. Weitere Millionen wurden von BAE auf Konten in der Schweiz eingezahlt, die mit dem Syrer Wafic Said, dem Agenten von Prinz Bandar, in Verbindung gebracht werden. Dieser erbaute den in der Nähe von Glympton liegende Sitz Tusmore Park. Aus gerichtlichen Quellen verlautet, dass BAE viele dieser Zahlungen verschleierte, indem der Konzern diese über die anonyme offshore-Firma Poseidon laufen liess. Angeblich gelangten auf diese Weise auch beträchtliche Beträge an den libanesischen Politiker Mohammed Safadi. In den vergangenen 20 Jahren hat das Programm für  Kampfflugzeuge BAE einen Gewinn von 43 Milliarden £ eingebracht.
 
 
1 Neue Solidarität Nr. Nr. 29. vom 15.  7. 2009
2 Strategic Alert Jahrgang 22, Nr. 18 vom 1. Mai 2008 
Hervorhebungen durch politonline
BAE Systems (kurz: BAE) ist der größte Rüstungskonzern Europas und der zweitgrößte weltweit. Das Unternehmen hat seinen Sitz in London und beschäftigt in zwanzig Ländern ca. 97.500 Mitarbeiter
Zur Finanzierung von Taliban und Al Kaida siehe http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1280
 
Weitere Fakten hierzu finden sich in
US-Ermittler nehmen BAE-Goldschatz ins Visier, Neue Solidarität 23/2008
Prinz Bandars Geheimkarriere vor dem Ende? Neue Solidarität 27/2007
Prinz Bandar und der 11. September Neue Solidarität Nr. 26/2007
Wichtige Aspekte des BAE-Skandals Neue Solidarität Nr. 26/2007
BAE-Skandal stellt Watergate in den Schatten Neue Solidarität Nr. 25/2007