Peru - Tödliche Zusammenstösse

d.a. Am 5. 6. 09 waren Berichten zufolge mindestens 31 Personen den Zusammenstössen zwischen Sicherheitskräften und Indigenen im peruanischen Amazonasgebiet zum Opfer gefallen.

Das Gefecht ereignete sich in der Nähe von Bagua, das etwas mehr als 1000 km von Lima entfernt liegt. Es  handelt sich um die schwersten Kämpfe, die sich seit April, dem Zeitpunkt, zu dem Gruppen von Indigenen eine Blockade der Strassen und Wasserwege begannen, zugetragen haben. Die Bewohner der Region erklären, dass es neue Gesetze für ausländische Gesellschaften leichter machten, die natürlichen Ressourcen ihres Landes auszubeuten. Der Protest richtet sich gegen Pläne der Regierung, Gemeindeland im Dschungel für die Ölprospektierung, Holzgewinnung, Bergbau und Landwirtschaft im grossen Stil zu erschliessen. Den Führern der Indigenen zufolge hat die Polizei von Helikoptern aus das Feuer auf  die Demonstranten eröffnet. Gemäss Präsident Alan Garcia sollten, wie BBC online darlegt, alle Peruaner von den Ressourcen des Landes profitieren und nicht nur diejenigen, die in der betreffenden Gegend wohnen, da die peruanische Verfassung vorsieht, dass der Staat der Besitzer der Ressourcen an Minen und Wasser ist 1. Hier stellt sich allerdings effektiv die Frage nach den genauen Konditionen, zu denen die ausländischen Firmen tätig würden. Und letztere waren bekanntermassen in den vergangenen Jahrzehnten vor allem in Mittel- und Südamerika vielfach zum Nachteil gerade der Indigenen im Land. Dem Führer und Vorsitzender einer Indigenen-Organisation, Alberto Pizango, der von der peruanischen Regierung wegen »Sezession und Terrorismus« per Haftbefehl gesucht wird, ist soeben politisches Asyl in Nicaragua gewährt worden.
  
Inzwischen wurden zwei Dekrete ausgesetzt: allerdings heisst es diesbezüglich, dass die Regierung Perus lediglich auf Zeit spiele. Die Opposition um die Peruanische Nationalpartei (PNP) des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Ollanta Humala hatte zuvor die vollständige Aufhebung der als »Amazonas-Gesetz« bezeichneten Verordnungen gefordert, da diese »mit Blut befleckt« seien. Doch letztlich setzte die Regierung ihr »Moratorium« mit 57 zu 48 Stimmen durch. Der Widerstandswille ist daher ungebrochen, denn nördlich der Hauptstadt setzten rund 3000 Indigene ihre Blockade wichtiger Strassen zu den Städten Tarapoto und Yurimaguas in der Provinz Loreto fort. Yurimaguas war auch zu Wasser abgeschnitten, da Demonstranten den Fluss Huallaga mit Booten blockierten. Noch weiter nördlich, bei Andoas, legte die Protestbewegung am Wochenende 6./7.09 zwei Ölanlagen der argentinischen Firma Pluspetrol lahm.
 
Ziel des Protestes ist die Annullierung der Dekrete, da diese, so die Demonstranten, einen Eingriff in ihren natürlichen Lebensraum darstellen. Als Teil eines zwischen Peru und der USA für Ende Dezember 2009 geplanten Freihandelsabkommens zielen sie darauf ab, den Zugang zu den Öl- und Gasreserven in der Amazonas-Region für private Investoren zu öffnen. Inzwischen hat der Protest landesweite Dimension erreicht und die Situation in Peru bleibt angespannt. Indigene Verbände forderten im übrigen eine sofortige Aufhebung der Ausgangssperre, die Präsident Alan García in Reaktion auf die gewaltsamen Auseinandersetzungen in den nördlichen Amazonasprovinzen Bagua und Utcubamba verhängt hatte. Die Verbände beschuldigen die Sicherheitskräfte, die Ausgangssperre zur Beseitigung der indigenen Todesopfer zu nutzen. Wie Walter Kategari von der »Interethnischen Vereinigung für Entwicklung des peruanischen Urwaldes« (AIDESEP) bekanntgab, sei aus Bagua zu hören, dass Polizisten die Leichen von Ureinwohnern in Säcke packen und aus Hubschraubern über dem Fluss Marañón abwerfen. Die Aktion diene offenbar dazu, die Zahl der indigenen Opfer und Verschwundenen herunterzuspielen. Der Regierung warf er vor, den gerechten Kampf der Ureinwohner um den Schutz ihrer Territorien als Vandalismus darzustellen. Ähnliche Vorwürfe erhebt Gregor MacLennan von der Nichtregierungsorganisation »Amazon Watch«, der sich auf Augenzeugenberichte beruft, die ebenfalls die Versenkung von Leichen im Marañón bestätigen. Innerhalb Perus nimmt die Kritik am Kurs der Regierung zu. Nelson Manrique von der Pontifikalen Katholischen Universität Perus warnte die Regierung davor, die Ureinwohner als eine Bedrohung des peruanischen Staates darzustellen. Er habe starke Zweifel an der offiziellen Version der Regierung, dass es unter den bis an die Zähne bewaffneten und mit AK-47-Sturmgewehren ausgestatteten Sicherheitskräften mehr Opfer gegeben haben soll als unter den mit Pfeil und Bogen bewehrten Ureinwohnern. Die in der »Interethnischen Vereinigung für die Entwicklung des Regenwaldes« (AIDESEP) zusammengeschlossenen Indigenenverbände befürchten Ausverkauf und Raubbau im tropischen Amazonasgebietes, das knapp 65 % Perus bedeckt und grosse Vorräte an Erdöl und Gas birgt 3.
 
Die indigenen Völker organisieren sich immer effektiver. So trafen sich an den in der Tradition der Aymara- und Quechuavölker heiligen Ufern des Titicacasee zuletzt 7000 Delegierte verschiedener Indigenen-Verbände. Auf dem zu Wochenbeginn in der peruanischen Kleinstadt Puno zu Ende gegangenen vierten »Treffen der indigenen Völker Abya Yala« bündelten sie ihre Kräfte im »Kampf gegen die anhaltende Kolonisierung Amerikas« und riefen zu Protestaktionen in ganz Lateinamerika auf 4. Letzten Meldungen zufolge setzte die Polizei am 12. 6. Tränengas ein, um Tausende von Protestierenden vom Kongress fernzuhalten 5. In allen Städten Perus sammelten sich Demonstranten in den Strassen, um die Bewegung der Indigenen zu unterstützen. Präsident Garcia hatte zwar gehofft, dass die Aussetzung der betreffenden Dekrete dazu dienen könnte, die Spannungen zu mildern, um Verhandlungen zwischen der Regierung und den Indigenen anzubahnen, jedoch zeichnet es sich ab, dass sowohl die Führer der Indigenen als auch oppositionelle Gruppen die Dekrete ein für allemal ausser Kraft gesetzt sehen wollen. Dies drückt auch ihr Slogan - Der Dschungel steht nicht zum Verkauf - aus.
 
 
1 http://news.bbc.co.uk/2/hi/americas/8086595.stm  5.6.09
2 http://www.jungewelt.de/2009/06-12/051.php  12. 6. 09 Amazonas-Dekret ausgesetzt
3 http://www.jungewelt.de/2009/06-11/042.php  11. 6. 09
Terror gegen Ureinwohner - Peru: Schwere Vorwürfe an Regierung
Von Milagros Salazar (IPS) und Johannes Schulten
4 http://www.jungewelt.de/2009/06-06/036.php Protest gegen Dekret 1090 Perus Präsident Alan García gerät wegen seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik weiter unter Druck - Von Benjamin Beutle
5 http://news.bbc.co.uk/2/hi/americas/8096719.stm   12.6.09