Im Griff der Lobbyisten - Von Ruth Firmenich und Lydia Krüger

Welchen Einfluß hat die Wirtschafts- und Finanzlobby auf den europäischen Gesetzgebungsprozeß? Entspricht die europäische Politik dem mehrheitlichen Willen der Bevölkerung in den Mitgliedstaaten?

Oder dient die europäische Integration immer mehr dazu, unpopuläre Maßnahmen unter Umgehung der nationalen Parlamente von oben durchzudrücken? Wieso ist die EU so unbeliebt und das Interesse an europäischen Fragen so gering? Eine mögliche Erklärung lieferte das geschäftsführende Vorstandsmitglied der IG Metall, Hans Jürgen Urban, in der Zeitschrift Mitbestimmung Nr. 3/2009. Ihm zufolge haben wir es inzwischen mit einem Europa zu tun, in dem die »Institutionen der repräsentativen Demokratie äußerlich intakt bleiben, während demokratische Politik zunehmend durch eine Mixtur aus Passivität frustrierter Bevölkerungen, ausgeklügelten Polittechniken der Eliten und einer ausufernden politischen Lobbymacht transnationaler Konzerne unterspült wird«. Von dieser These ausgehend soll im folgenden ein Blick auf die Lobbymacht der Konzerne sowie die ausgeklügelten Polittechniken der europäischen Eliten geworfen werden.
 
Motoren der Wirtschaftsintegration
Vom europäischen Binnenmarkt bis zur Währungsunion, von der Deregulierung der Finanzmärkte bis zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen, von der Förderung von Gentechnik und Atomkraft bis zur Kommerzialisierung des Bildungs- und Gesundheitswesens - an unzähligen EU-Verordnungen und -Richtlinien waren und sind große Konzerne beteiligt.  Zu den einflußreichsten Lobbyverbänden in Europa zählen der »Runde Tisch der Industriellen« (European Round Table of Industrialists, ERT), dem 47 Chefs transnationaler Konzerne angehören, sowie der Runde Tisch der Finanzdienstleister (European Financial Services Round Table, EFR), in dem sich 19 Vertreter europäischer Großbanken und Versicherungskonzerne zusammengeschlossen haben. Diese und andere Verbände, zu nennen wäre auch der Unternehmensverband BusinessEurope, bringen Initiativen auf den Weg, an denen sich die Politik der EU über viele Jahre hinweg orientiert. Der ERT wurde 1983 gegründet, um die Idee eines europäischen Binnenmarkts, die in den 70er Jahren kaum vorangekommen war, zu forcieren. Dabei setzte man von Anfang an auf die enge Zusammenarbeit mit der EU-Kommission. So waren auf dem Gründungstreffen des ERT nicht nur 17 Industriekapitäne, sondern auch die EU-Kommissare für Finanzen sowie Forschung und Industrie anwesend. Ziel des ERT ist die Herausbildung bzw. Stärkung von weltweit dominierenden europäischen Großkonzernen. Im Januar 1985 legte der ERT ein Strategiepapier vor, in dem die wichtigsten Hindernisse für die europaweite Tätigkeit der Konzerne benannt wurde und das einen ambitionierter Fünfjahresplan mit etwa 50 Maßnahmen zum Abbau von Handels- und Investitionsschranken enthielt. Wenige Monate später veröffentlichte die EU-Kommission ihr »Weißbuch zur europäischen Einigung«, in dem die Vorschläge des ERT nahezu wortgleich übernommen wurden. Lediglich der Zeitpunkt für die Vollendung des Binnenmarktes wurde von 1990 auf 1992 verschoben. Zentrale Anliegen des ERT in den 90er Jahren waren die Schaffung einer starken europäischen Gemeinschaftswährung sowie die Erweiterung der EU nach Osten zur Vergrößerung des Marktes. Bei beiden Projekten konnte sich die Industrielobby mit ihren Vorstellungen durchsetzen: Mit den Maastricht-Kriterien und einer unabhängigen Zentralbank wurde die EU auf eine restriktive Geld- und Fiskalpolitik festgelegt, und die Staaten Osteuropas mußten sich einem radikalen Transformations- und Privatisierungsprogramm unterwerfen. Auch die im Jahr 2000 verabschiedete Strategie von Lissabon trägt die klare Handschrift der Konzerne und Wirtschaftsverbände. Mit dieser Strategie soll die EU bis 2010 zum »wettbewerbsfähigsten und dynamischsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt« gemacht werden. Hierzu sollte ein Binnenmarkt für Dienstleistungen geschaffen, also weitere Dienstleistungsbereiche kommerzialisiert und privatisiert sowie Löhne und soziale Standards einer Dumpingkonkurrenz ausgeliefert werden. Die deutsche Agenda 2010 mit ihren Hartz-Gesetzen paßt sich nahtlos in die Lissabon-Strategie ein, die die Kosten für die Unternehmen durch sogenannte Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und »Modernisierung« der Sozialsysteme zu senken sucht. Daß diese Priorität auch in Krisenzeiten zu gelten habe, unterstrich der ERT in einem Brief an die europäischen Regierungschefs vom November 2008, in dem es heißt, daß »jede Maßnahme, die die Kosten für die Unternehmen reduziert, als Maßnahme zur Unterstützung des wirtschaftlichen (Wieder-)Aufschwungs begriffen werden muß.«
 
Die europäische Finanzlobby
Sowohl jünger als auch unbekannter als der ERT ist der European Financial Services Round Table (EFR), der von den großen europäischen Banken im Jahr 2001 mit dem Ziel, einen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen zu schaffen bzw. die großen europäischen Finanzkonzerne zu stärken, eingerichtet wurde. Wie ein Vertreter des Allianz-Konzerns und Mitglied des EFR im Jahr 2002 beklagte, kommen »europäische Pensionsfonds derzeit (…) nur auf ein Fünftel der Größe von US-amerikanischen. Mit der Schaffung eines einheitlichen Marktes ließe sich der Skaleneffekt und damit die Effizienz der Altersvorsorge wesentlich erhöhen.« Zentrale Voraussetzung hierfür ist freilich, daß die Altersvorsorgung europaweit privatisiert wird.
 
Ein zweiter Schwerpunkt der Finanzlobby besteht darin, Regulierungen zu verhindern, welche die Profitmöglichkeiten der Finanzkonzerne schmälern könnten. Lasche Gesetze zur Regulierung von Banken, Versicherungen oder Investmentfonds machten den exzessiven Handel mit Schrottpapieren erst möglich. Wichtige Akteure wie Hedgefonds wurden überhaupt nicht überwacht; gleiches gilt für den Handel mit Derivaten und anderen komplexen Finanzprodukten. Während die Finanzkonzerne europaweit ihre riskanten »Produkte« verkaufen durften, hat sich die EU weder um eine funktionierende europäische Aufsicht, noch um ein einheitliches System der Einlagensicherung, noch um eine Harmonisierung des Verbraucherschutzes gekümmert. Daß sich eine derartige Spekulationsblase bilden konnte, die jetzt mit Billionen Euro an Verlusten zu Buche schlägt, ist also nicht zuletzt auf die erfolgreiche Lobbyarbeit der Finanzindustrie zurückzuführen. Zwar hat sich in der Krise die Ansicht durchgesetzt, daß die »Selbstregulierung« der Finanzmärkte gescheitert ist und daß man auf europäischer Ebene eine funktionierende Aufsicht braucht. Bezeichnend ist aber, daß die achtköpfige Expertengruppe, die von der EU-Kommission mit der Erarbeitung von Vorschlägen für eine neue europäische Aufsichtsstruktur betraut wurde, fast ausschließlich mit Vertretern der Finanzindustrie besetzt ist. So war der Vorsitzende der Gruppe, Jacques de Larosière, lange Zeit für BNP Paribas tätig; Otmar Issing ist Berater von Goldman Sachs, Onno Ruding berät die CitiGroup, und bei Rainer Masera handelt es sich um den ehemaligen Geschäftsführer von Lehman Brothers in Italien. Statt aus der Krise die Lehre zu ziehen, daß man den Einfluß der Finanzindustrie beschneiden muß, wird der Bock zum Gärtner gemacht.
 
Die EU-Kommission
Das Verhältnis zwischen EU-Kommission und Lobbyisten läßt sich als Symbiose bezeichnen: Während die EU-Kommission auf den »Input« der Wirtschaftsverbände und Konzerne angewiesen zu sein scheint, haben umgekehrt die Lobbyisten ein starkes Interesse an einer Zusammenarbeit mit der EU-Kommission, um für sie europaweit günstige Rahmenbedingungen und Gesetze durchzusetzen. Nun ist es durchaus üblich, daß die Legislative vor wichtigen Gesetzesvorhaben Verbandsvertreter oder Unternehmenschefs konsultiert. Problematisch wird es jedoch, wenn Konzerninteressen von der Legislative und Exekutive systematisch bevorzugt werden, während andere organisierte Interessen - man denke an Gewerkschaften, Verbraucherschutz- oder Umweltverbände - so gut wie keine Berücksichtigung finden. Genau dies ist bei der EU-Kommission der Fall, wie folgende Beispiele illustrieren. Auf öffentlichen Druck hin wurde im März 2007 eine Liste von 55 »Sonderberatern« der EU-Kommission veröffentlicht. Daraus geht u.a. hervor, daß EU-Energiekommissar Andris Piebalgs sich von Rolf Linkohr (SPD) beraten ließ, einem bekannten Lobbyisten für die Atomenergie. Passenderweise setzte sich die EU in ihrem Strategiepapier »für eine europäische Energiepolitik« 2007 »mit Nachdruck für den Ausbau der Atomenergie in Europa« ein (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10. 1. 2007). Zwar mußte Linkohr auf öffentlichen Druck hin im Jahr 2007 entlassen werden, dafür jedoch läßt sich Kommissionspräsident José Barroso seit 2007 in Energie- und Klimafragen von Peter Sutherland beraten, dem Vorsitzenden des Energieriesen BP. [Anmerk.: und jahrelangem Teilnehmer von Bilderberger-Konferenzen, was auch auf Davignon zutrifft]. Louis Michel, Entwicklungshilfekommissar, nimmt die Beratungsdienste von Etienne Davignon in Anspruch. Dieser ist nicht nur Gründungsmitglied des ERT, sondern auch Vizepräsident von Suez, einem mächtigen Strom- und Wasserkonzern, der sich für die Privatisierung des Wassers in Entwicklungsländern stark macht.
 
Vor allem die für die Wirtschaft wichtigen Kommissare, die z. B. für den Binnenmarkt oder die europäische Wettbewerbspolitik zuständig sind, verfügen in der Regel über beste Kontakte zu Konzernen und Lobbyverbänden. Ein gutes Beispiel liefert die Neelie Kroes, die EU-Wettbewerbskommissarin, die 2007 den Versuch unternommen hatte, das deutsche System der Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu zerschlagen. Vor ihrer Zeit als Kommissarin saß Neelie Kroes im Aufsichtsrat von Unternehmen wie ABP-PGGM (Pensionsfonds), NIB (Investmentbank), Ballast Nedam (Baufirma), McDonalds Netherlands, Royal P&O Nedlloyd (Containerschifflinie) und Nederlandse Spoorwegen (privatisierte niederländische Eisenbahn) und soll am illegalen Verkauf von Kriegsschiffen mitgewirkt haben. Auch Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy hat sich in den letzten Jahren vehement für die Interessen der Industrie eingesetzt: Er sperrte sich hartnäckig gegen eine Überwachung von Hedgefonds und machte sich im Interesse großer Softwarefirmen für ein strenges europäisches Patentgesetz stark – um nur einige Beispiele zu nennen. Nicht selten wird in der undurchsichtigen EU-Bürokratie die Schwelle von Lobbyismus zu offener Bestechung und Korruption überschritten. So wurde die gesamte EU-Kommission im März 1999 aufgrund von Vorwürfen der Korruption und Vetternwirtschaft zum Rücktritt gezwungen. Für Aufsehen sorgte seinerzeit auch der von 1993 bis 1999 amtierende EU-Kommissar für Industriepolitik, Informationstechnik und Telekommunikation, Martin Bangemann (FDP), der zum 1. Juli 2000 in den Vorstand des spanischen Konzerns Telefónica wechselte, ein Unternehmen, für das er zuvor in Brüssel zuständig war. Auch in umgekehrte Richtung funktioniert die Drehtür zwischen Wirtschaft und Politik wie geschmiert: So war beispielsweise Klaus Regling, der Exgeneraldirektor für Wirtschaft und Währung in der EU-Kommission, bis zum Jahr 2001 Geschäftsführer des Hedgefonds »Moore Capital Strategy Group«. Heute ist Regling - gemeinsam mit Goldman-Sachs-Berater Otmar Issing und seinem Zögling Jörg Asmussen - eines von sechs Mitgliedern der von der Bundesregierung einberufenen Expertenrunde Neue Finanzarchitektur.
 
Das Europäische Parlament
Als Europaabgeordneter wird man mit Einladungen und Hochglanzbroschüren, Positionspapieren und Ratschlägen von Konzernen und Verbänden geradezu überschwemmt. Nicht selten erhält man Änderungsanträge zu Gesetzesentwürfen sowie Ratschläge, wie man in diesem oder jenem Punkt abstimmen soll. Für die Lobbyisten entscheidend ist allerdings der persönliche Kontakt zu den Abgeordneten - und es gibt unzählige Foren, in denen Abgeordnete mit Vertretern von Konzernen und Verbänden zusammentreffen können. Ein Forum der besonderen Art war das European Business Parliament Scheme, das Vertreter von 28 transnationalen Konzernen mit Europaabgeordneten zusammenbrachte. Für einen Jahresbeitrag von 15.000.- € versprach dieses Forum, den direkten Kontakt zu Europaabgeordneten herzustellen, z. B. durch Auslandsreisen, gemeinsame Abendessen oder Unternehmensführungen. Das Pikante daran: Die im European Business Parliament Schemevertretenen Konzerne - darunter Telefónica, Thalys, Unilever oder Microsoft - durften kostenlos Büros und Infrastruktur des Europäischen Parlaments benutzen; die Lobbyisten erhielten sogar eine offizielle e-Mail-Adresse des Parlaments. Wie üblich wurde diese Subventionierung von Konzerninteressen erst beendet, nachdem es öffentliche Kritik und Proteste hagelte.
 
Transparenz schaffen
Die Zahl der Lobbyisten, die in Brüssel versuchen, die Politik der europäischen Institutionen zu beeinflussen, dürfte in den letzten Jahren deutlich gestiegen sein. Schätzungen zufolge sind in Brüssel mindestens 15.000 Lobbyisten tätig, die überwiegende Zahl für Unternehmen, Wirtschaftsverbände und nahestehende Lobbygruppen. Allerdings gibt es keine verläßlichen Daten, die über Anzahl, Herkunft und finanzielle Mittel der Lobbyisten Auskunft geben, da die EU-Kommission die Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters seit Jahren blockiert. Zwar gibt es seit Juni 2008 ein Lobbyverzeichnis für das Europäische Parlament und die Europäische Kommission. Doch die Eintragung ist freiwillig und es fehlen wirksame Sanktionen, so daß die Mehrheit der Lobbyisten noch immer nicht registriert ist. Eine erste Forderung muß daher sein, endlich ein verpflichtendes Lobbyistenregister in Europa einzuführen, wie es in den USA seit 1995 existiert. Die Lobbyisten sollten dort ihre Namen, ihre Auftraggeber und Kunden, die Themen ihrer Lobbyarbeit sowie ihre Finanzquellen und Budgets offenlegen, wobei falsche Angaben sanktioniert werden müssen. Zwar wäre der Einfluß der Wirtschaftslobby damit nicht gebrochen, es wäre jedoch einfacher, irreführende Lobbystrategien wie etwa die »Campaign for Creativity« - die sich als Interessenvertretung kreativer Berufe ausgab, in Wahrheit jedoch von Softwaregiganten wie Microsoft und IBM gesteuert wurde - zu erkennen und entsprechende Interessenkonflikte und Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft aufzudecken. Um den Einfluß der Lobbyisten auf die europäische Gesetzgebung zu verringern, sollten außerdem Regeln eingeführt werden, die die Kommission zu einer ausgewogenen Besetzung ihrer Expertengremien verpflichten. Eine Beschäftigung von Lobbyisten in der EU-Kommission muß gänzlich verboten werden und es müßte eine Sperrfrist von mindestens drei Jahren eingeführt werden, bevor Abgeordnete oder hochrangige Beamte in Lobbytätigkeiten wechseln dürfen.
 
Konzernspenden verbieten
Finanzkonzerne geben große Summen aus, um direkten Einfluß auf die Politik zu nehmen. In den USA erhielten die beiden großen Parteien zwischen 1998 und 2008 etwa 1,7 Milliarden US-$ von der Finanzindustrie; weitere 3,4 Milliarden wurden für direkte Lobbyarbeit ausgegeben. Auch in der BRD zählen Finanzkonzerne zu den großzügigsten Parteispendern, die vor allem CDU/CSU, FDP und SPD mit Millionengaben unterstützten *. Es ist höchste Zeit, Parteispenden aus der Wirtschaft gänzlich zu verbieten. Parteien sollten nur ihren Mitgliedern und der Allgemeinheit verpflichtet sein, nicht aber irgendwelchen Konzernen, die sich von ihnen günstige Gesetze erhoffen
 
EU demokratisieren
Daß Lobbyisten gerade in Europa so ungehindert agieren können, ist nicht zuletzt die Folge mangelnder Transparenz und Demokratie. So darf das Europäische Parlament im Gegensatz zum Bundestag keine eigenen Gesetzentwürfe einreichen und hat auch in bezug auf wichtige Bereiche wie die Außen- und Verteidigungs-, die Innen- oder Wettbewerbspolitik kaum Mitspracherechte. Da nicht einem Parlament, sondern der EU-Kommission das Recht auf Gesetzesinitiativen vorbehalten ist, haben es Konzerne und Lobbyisten sehr viel einfacher, ihre Interessen durchzusetzen. Denn im Gegensatz zu den Abgeordneten brauchen die Kommissare nicht zu befürchten, für ihre Politik von der Bevölkerung abgewählt zu werden. Auch mit Protesten von Betroffenen dürften sie in ihrer Enklave in Brüssel deutlich seltener konfrontiert werden. Hinzu kommt das Ungleichgewicht zwischen fortgeschrittener Marktintegration einerseits und weitgehend im nationalen Rahmen verharrender Sozialpolitik andererseits, das zur Folge hat, daß die organisierte Macht der Wirtschaftsinteressen kaum durch organisierte Gegenkräfte beschränkt wird. So sind Gewerkschaften und soziale Bewegungen in Brüssel relativ schwach vertreten, da sie den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit meist auf nationaler oder lokaler Ebene sehen. Vergrößert wird das demokratische Vakuum in der EU noch dadurch, daß die Entscheidungsprozesse in Europa undurchsichtig und kompliziert sind und das mediale Interesse an europäischen Fragen vergleichsweise gering ist. Glaubt man den Umfragen, so droht in Deutschland bei den Europawahlen am 7. Juni nach der bereits extrem niedrigen Wahlbeteiligung von 43 % im Jahr 2004 ein neuer Negativrekord. Als Grund für die Wahlenthaltung wird häufig angegeben, daß sich durch die Stimmabgabe ohnehin nichts ändern lasse. Dabei ist es die Wahlenthaltung, die einer marktradikalen EU und den Lobbyisten in die Hände spielt. Nichts ist dienlicher für die neoliberale Herrschaftselite als eine Bevölkerung, die passiv bleibt und über die man einfach hinwegregieren kann. Dies gilt es zu verhindern. Zumal die Sozialdemokraten Europas bereits die Wiederwahl José Barrosos angekündigt haben - des bisherigen EU-Kommissionspräsidenten, der wie kaum ein anderer für den wirtschaftsliberalen Kurs der EU und das unkontrollierte Treiben der Lobbyisten steht.
 
 
http://www.jungewelt.de/2009/06-06/006.php alle Hervorhebungen durch politonline
* nähere Angaben hierzu siehe Rechenschaftsberichte der Parteien nach dem Parteiengesetz (1998–2006) bzw. Homepage www.parteispenden.unklarheiten.de
Ruth Firmenich ist Politologin und Kandidatin der Partei Die Linke für das Europäische Parlament. Sie leitet die Büros von Sahra Wagenknecht in Brüssel und Strassburg und ist Vorsitzende der Assistentenvereinigung im Europäischen Parlament.
Dr. Lydia Krüger ist Soziologin, Politologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin von Sahra Wagenknecht
 
Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=694 Die EU - Das Superkonto
Ausschnitt aus http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=10 50. Bilderberger-Treffen vom 3. bis 6. Juni 2004 in Stresa (Lago Maggiore) - ein Bericht von Doris Auerbach
Der Bilderberger Giovanni Agnelli liess sich wie folgt vernehmen:  "Die europäische Integration ist unser Ziel, und wo die Politiker versagten, werden wir Industriellen erfolgreich sein". Dazu sind sie auf dem besten Weg, denn der Einfluss der multinationalen Konzerne ist in stetem Wachsen begriffen. Der erste Vorsitzende der Bilderberger, Prinz Bernhard der Niederlande, bekannte: "Es ist schwierig, die im Nationalismus aufgewachsenen Völker umzuerziehen und sie an die Idee zu gewöhnen, ihre Souveränität an übernationale Organisationen  abzutreten". Es darf nicht verkannt werden, dass letztere auch nicht einen Hauch an Demokratie aufweisen. Er machte auch keinen Hehl aus dem Hauptziel der Bilderberger, eine Weltregierung und eine globale Armee durch die UNO einzusetzen. Zwar verfügen die Bilderberger nicht über eine Exekutive, es stehen ihnen jedoch mächtige nationale und transnationale Instrumente zur Verfügung, um ihre Interessen, die ganz offenbar nicht die unsrigen sind, unter Umgehung der nationalen Parlamente zu koordinieren. Im Zusammenhang mit dem, was als Umgehung bezeichnet wird, sei daran erinnert,  dass der  für das Machtgefüge entscheidende institutionelle Teil der EU-Verfassung  nicht etwa in den Arbeitsgruppen des Konvents erstellt, sondern von Giscard d'Estaing und dem von ihm beherrschten Konventspräsidium mehr oder weniger diktiert wurde. Merkwürdig ist der Zusatz, der sich bei dem jetzt an der Konferenz anwesenden holländischen Parlamentsmitglied  Bert  Koenders findet: 'President of the  Parliamentary Network of the World Bank'.  Einen Hinweis auf ein derartiges Netzwerk konnte ich bislang nirgends finden. Es stellt sich somit die Frage, ob dieses mit dem 'Ausschuss 133'  zusammenarbeiten soll, damit ein zusätzliches, über die Weltbank laufendes Lobbying aufgebaut werden kann. Der 'Ausschuss 133' regelt die Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten der EU bei Verhandlungen über Handelsfragen. Dort haben sich die Beauftragten der transkontinentalen Gesellschaften eingenistet. Er unterliegt keinerlei Kontrolle, da er in den Statuten und Verträgen der EU gar nicht vorkommt,  was den 'Ausschuss 133'  nicht daran hindert, die Interessen und Gesichts-punkte der wichtigsten transnationalen Gesellschaften und Finanzgruppen Europas vor jeder neuen Verhandlungsrunde unter einen Hut zu bringen. 3  Ich zweifle daran, dass dieser Ausschuss der Mehrheit der  EU-Parlamentsmitglieder überhaupt bekannt ist. Offenbar sind auch die wenigsten über die Bilderberger-Treffen orientiert.
 
Siehe auch: Belén Balanyá, Ann Doherty, Olivier Hoedeman, Adam Ma’anit und Erik Wesselius: Konzern Europa - Die unkontrollierte Macht der Unternehmen, Rotpunktverlag 2001, ISBN3-85869-216-6