Irak - Die Kontrolle über das Öl

politonline d.a. Den nachfolgenden Ausführungen Engdahls sei ein kurzer Abriß vorangestellt, der aufzeigt, wie das zentrale Interesse der Bush Regierung im Irak beschaffen war:

Dieses gipfelte in der radikalen Privatisierung der irakischen Wirtschaft und dem Ausverkauf ihrer lukrativen Teile an US-Konzerne, dies trotz der offensichtlichen Illegalität und Völkerrechtswidrigkeit des Vorhabens 1. Am 19. September 2003 hatte Bush den Diplomaten und Terrorismusexperten Paul Bremer zu seinem Beaufragten für den Wiederaufbau im Irak ernannt, der mit seiner Order 39 die Privatisierung irakischer Staatsunternehmen verfügte. Diese erlaubt es ausländischen Unternehmen, bis zu 100 % der Anteile an irakischen Banken, Minen und Fabriken zu übernehmen, sowie 100 % der künftigen Profite außer Landes zu schaffen. Bremers Order 39 ist nicht nur ein Verstoss gegen die Verfassung des Landes, die die Privatisierung staatlicher Unternehmen untersagt und Ausländern den Besitz irakischer Unternehmen verbietet, sondern sie steht auch in eindeutigem Widerspruch zum Haager Abkommen von 1907 und den Genfer Konventionen von 1949, die die Rechte und Pflichten von Besatzungsmächten regeln. Wie die derzeitigen von uns bereits an anderer Stelle vermerkten »traumhaften« Konditionen für die im Irak einsteigenden Unternehmen beschaffen sind, hat German Foreign Policy festgehalten 2: Zu diesen zählen großzügige Steuererleichterungen für ausländische Investoren, nämlich 10 Jahre Steuerfreiheit; daneben aber auch zollfreie Einfuhren; der freie Gewinntransfer ins Ausland sei gesichert, berichtet das Berliner Außenministerium. Deutsche Firmen sind in dem mittelöstlichen Staat schon jetzt viel aktiver, als es die offizielle Statistik vermuten läßt, verlautet aus Managerkreisen. Demnach betätigen sich inzwischen alle großen deutschen Unternehmen im Irak, operieren dort aber oft unter anderem Namen, um ihre Herkunft zu verschleiern. Man ziehe nun Steinbrücks Jagd auf alle Steuersünder in Betracht, während seine eigenen Unternehmen kaltblütig von einer Steuerbefreiung in einem total zerstörten Land profitieren, das solche dringend für den Wiederaufbau benötigte. Falls es nicht auffallen sollte: Dafür darf dann die Internationale Gemeinschaft, der konstant ausgeblutete Steuerzahler des Westens, für Entwicklungshilfe im größeren Rahmen, die Ausbildung von Polizisten im Irak und vieles andere aufkommen.
 
Mit welchem Einfühlungsvermögen die Anzeigen bezüglich des Ölgeschäfts im Iran betrieben werden, zeigt die Schlagzeile auf, mit der sich der deutsche Taipan Börsenbrief in einer Anzeige in der Neuen Zürcher Zeitung vom 20. April schmückte: »Jetzt wird die größte Beute aller Zeiten verteilt! 6.325 Milliarden US$«. Die Rede ist von einem Unternehmen, das »Anleger über Nacht zu Millionären machen kann.« Sie richtet sich ausdrücklich an den Freund hoher Gewinnchancen. Ganz so, als hätten gerade die exzessiv hohen Renditen nicht die Spekulation auf allen Ebenen angeheizt. Welchen Anteil die Iraker an der Beute haben sollen, ist nicht vermerkt. Es dürfte jedoch abzuschätzen sein, dass es nicht unbedingt geplant ist, diese angemessen ausfallen zu lassen. Jedenfalls ist die Anzeige von einer Arroganz und totalen Gefühllosigkeit, die einen sprachlos zurückläßt 3. Im übrigen bestehen hinsichtlich des Offenlegens, wie man sich in dem immer noch besetzten Land bewegt, keinerlei Hemmungen: So sind, wie wir ebenfalls schon einmal darlegten, die Mitarbeiter von Unternehmen bei Autofahrten in der Stadt mit einer Eskorte unterwegs: Vorne sondiert ein Scout-Fahrzeug die Lage, hinten hält ihnen ein Gunship-Fahrzeug, aus dessen offener Heckscheibe ein fest installiertes Maschinengewehr ragt, den Rücken frei. Mit welcher Demütigung dies für die Iraker verbunden sein muß, scheint nicht weiter von Interesse, geschweige denn die Möglichkeit, daß der eine oder andere Iraker dieser Vorrichtung gelegentlich zum Opfer fallen könnte. Das nennt man »sich mit professionellem Schutz bewegen«. Laut Joachim Guilliard, dem Mitherausgeber von »Der Irak-Krieg, Besetzung, Widerstand«, ist der von langer Hand vorbereitete Ausverkauf des Landes in vollem Gange: »In der [neuen] Verfassung ist schon festgeschrieben, daß alle von den Besatzern erlassenen Gesetze auch in Zukunft bestehen bleiben, nicht zuletzt das Recht ausländischer Firmen, irakische Unternehmen zu hundert Prozent zu übernehmen.«
 
»Exxon« soll die entscheidende Kontrolle über das irakische Öl erhalten - F. William Engdahl
Die US-Regierung bestritt energisch, daß es bei dem Krieg in Wirklichkeit um die Kontrolle des Öls ging. Und doch war es so - wenn auch nicht in der Art und Weise, wie allgemein angenommen wurde. In diesen Tagen, d.h. 6 Jahre nach der Invasion des Iraks im März 2003 und nach 6 Jahren, in denen Dick Cheneys alte Firma, der amerikanische Rüstungs- und Baukonzern Halliburton, insgesamt 15 permanente US-Militärbasen im Land errichtet hat, die noch lange bestehen werden, wenn die übrigen US-Truppen das Land verlassen haben werden, gibt die weltgrößte Ölgesellschaft Exxon bekannt, an der Förderung auf den großen bislang unerschlossenen irakischen Ölfeldern maßgeblich beteiligt zu sein. Exxon Mobil Corp hat vor kurzen eingeräumt, der Ölmulti führe mit Bagdad Gespräche zur Schaffung eines »Investitionsklimas, das es dem Konzern erlaubt, ein wichtiger Player auf dem irakischen Energiesektor zu werden«, so der Vorstandsvorsitzende von Exxon. Vor Beginn der Operation Shock and Awe im März 2003 zur Übernahme der Ölfelder durch die USA hatte die Regierung Saddam Husseins langfristige Erschließungsabkommen mit chinesischen, russischen und französischen Ölgesellschaften für die Entwicklung der irakischen Erdölfelder geführt.
 
Man schätzt, daß der Irak mindestens über die drittgrößten Ölvorkommen der Welt verfügt. Wie ich in meinem Buch Mit der Ölwaffe zur Weltmacht dargelegt habe, ging es Washington bei der unilateralen US-Invasion des Iraks nicht um die Sicherung der zukünftigen amerikanischen Ölversorgung, wie viele angenommen haben, oder darum, Öl für den Fall einer mythischen Ära der sogenannten »Peak-Oil«-Knappheit zu sichern. Es ging vielmehr um das geopolitische Ziel der US-Interessen, auch in Zukunft die Ölversorgung des Schwellenlandes China mit seinem riesigen wirtschaftlichen Potential und in geringerem Maße auch die Ölversorgung Europas und Indiens zu kontrollieren. Da das Ziel eben diese geopolitische Kontrolle über die großen Ölreserven im Mittleren Osten ist, haben es die riesigen amerikanischen Ölgesellschaften auch gar nicht eilig damit, dieses Öl auf einem Markt zu entwickeln, der gegenwärtig mehr als gesättigt ist. Sie wollen vielmehr sicherstellen, daß andere Abnehmerländer, wie China, sich keine unabhängigen langfristigen Lieferverträge mit einer souveränen irakischen Regierung sichern können. Die Politik besteht also in einer »zukünftigen Verweigerung« gegenüber potentiellen Rivalen oder Konkurrenten wie China. Die Regierung des Iraks bereitet derzeit die Vertragsbedingungen für das Bieterverfahren auf sechs großen Ölfeldern vor, auf denen insgesamt mehr als ein Drittel der irakischen Ölreserven lagert. Der Irak hat die Bedingungen für den Vertragsabschluß bereits gelockert, aber die großen anglo-amerikanischen internationalen Ölgesellschaften machen weiter Druck, um erhebliche Zugeständnisse oder eine Vorzugsbehandlung zu erwirken. Exxon ist auch der größte ausländische Investor im nahe gelegenen Qatar; mit seinen dortigen Projekten wird dieser Ölmulti 2009 den größten Teil seines Produktionszuwachses erzielen. So wird Exxon 2009 in Qatar die Produktion von verflüssigtem Erdgas (LNG) auf seiner Anlage Qatargas verdoppeln. Qatar ist bereits heute der weltweit größte Hersteller von exportiertem LNG. Nach Angaben von Exxon kann Qatar LNG billiger liefern als irgendein anderer Anbieter weltweit. Deshalb kann sich das Land auch leichter dem Abwärtsdruck bei den Preisen widersetzen als andere LNG-Produzenten. Diese Einkommensquelle wird von Exxon kontrolliert, während andere Lieferländer durch die fallenden Energiepreise in den Bankrott getrieben werden. In einer Zeit, in der andere Länder von Brasilien bis Rußland gezwungen sind, die Entwicklung großer Öl- oder Gasfelder zu verschieben, kann Exxon seine Kontrolle über den Fluß von Öl und Gas auf der Welt noch verstärken. Exxon-Chef Tillerson hat erklärt, der niedrige Öl- und Gaspreis habe sich auf die Ausgabenpolitik von Exxon nicht ausgewirkt, da das Unternehmen »Investitionsentscheidungen mit einer langfristigen Perspektive plant und sich nicht auf kurzfristige Ausschläge des Ölpreises verläßt«. Exxon wird 2009 etwa 29 Milliarden $ investieren, das ist die Obergrenze des für die nächsten fünf Jahre anvisierten Ausgabenziels von 25 bis 30 Milliarden $ pro Jahr. Das mit diesen Geldern zusätzlich geförderte Gas ist für Großbritannien bestimmt; dort wird auf dem von den Firmen Exxon und Qatar Petroleum gemeinsam errichteten LNG-Terminal South Hook in den nächsten Wochen das erste Gas aus Qatar ankommen. Auch in einem weiteren italienischen Adriahafen wird noch vor Ende Juni 2009 das erste LNG aus Qatar eintreffen. Das Erdgas aus Qatar ist enorm wichtig, denn das Land teilt sich mit dem Iran das zweitgrößte Offshore-Gasfeld der Welt im Persischen Golf. Da Exxon in Qatar eine derart wichtige Rolle spielt und jetzt auch noch im Irak Fuß faßt, gelangt die gesamte Golfregion mit Ausnahme des Irans jetzt unter US-amerikanische Kontrolle, die zusätzlich noch von dem Ring amerikanischer Militärbasen von Qatar bis Irak gesichert wird.
 
Insgesamt 46 Ölgesellschaften, einschließlich der führenden Unternehmen Chinas, Indiens und Rußlands, hatten dem irakischen Ölministerium Angebote unterbreitet und Absichtserklärungen formuliert, doch letztlich erhielt keine von ihnen einen Zuschlag. Im September 1999 hatte Dick Cheney, damals Vorstandsvorsitzender der weltweit größten Ölproduktionsfirma Halliburton, in London eine Rede vor Vertretern der Ölindustrie gehalten, in der er die Erlangung privater Kontrolle über die staatseigenen Ölreserven des Mittleren Ostens ansprach und sie den »Prize«, den »Hauptgewinn« nannte. Es war kein Zufall, wie es später auch Insider aus der Bush/Cheney-Administration bestätigten, daß ausgerechnet Cheney auf einen »präemptiven Krieg« gegen Saddam Hussein drängte, obwohl Hussein erwiesenermaßen keine Verbindungen zu Osama bin Laden oder den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 hatte. Dieser seltsame Umstand führte bei vielen Beobachtern zu der Vermutung, daß es im Falle des Iraks ausschließlich um die Wiedererlangung der anglo-amerikanischen Kontrolle über das Öl des Landes ging, denn die USA sahen in dem rasanten wirtschaftlichen Aufstieg Chinas und anderer Nationen Eurasiens eine zunehmende Bedrohung ihrer geostrategischen Position. Jeder offizielle Vertreter einer westlichen Ölfirma, der in den Irak kommt, ist auf strengste Sicherheitsmaßnahmen angewiesen; die Ölgesellschaften sehen sich mit denselben logistischen Albträumen konfrontiert, die bereits frühere Anläufe zum Wiederaufbau der Ölinfrastruktur des Iraks - oft mit erheblichem Kostenaufwand - erschwerten. Und die Arbeit in den Wüsten und Sümpfen, die den Großteil der irakischen Ölreserven beherbergen, wäre praktisch unmöglich, wenn sie nicht ausschließlich von irakischen Subunternehmen verrichtet würde, deren Mitarbeiter sich ihrerseits wegen ihrer Kooperation mit westlichen Ölfirmen ständigen Drohungen von Aufständischen ausgesetzt sehen. Der Irak ist nicht nur eines der wenigen Länder, in denen Ölreserven noch zu haben sind, sondern auch eines der wenigen, das nach Ansicht von Brancheninsidern ein beträchtliches Potential zur raschen Erhöhung der Produktion aufweist.
Die kurdische Regionalregierung, die in vieler Hinsicht als eigenständige Entität im Norden des Iraks agiert, hat 2008 ihrerseits eine Reihe von Abkommen geschlossen, u.a. mit der Hunt Oil Company aus Texas, der enge Verbindungen zur CIA nachgesagt werden Und so befindet sich der Irak bald wieder unter Kontrolle anglo-amerikanischer Ölinteressen, eine geopolitische Situation, die bereits ein Hauptergebnis der Geheimverhandlungen bei der Konferenz von Versailles nach dem Ersten Weltkrieg war. Wie ich ebenfalls in Mit der Ölwaffe zur Weltmacht ausführte, beraubten die britischen und französischen Siegermächte die Deutschen ihrer Rechte, in Mesopotamien Öl zu fördern, und Deutschland des Wegerechts für eine Bahnverbindung Berlin-Bagdad - die »Bagdad-Bahn« - einer der Hauptgründe, weshalb England im August 1914 zum »Großen Krieg« blies. Es scheint, als schließe sich der historische Kreis …...
 
1 Quelle: WOZ Nr. 5 vom 29. 1. 04
2 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57469  18.02.2009
Kriegswirtschaft
3 http://www.taipan-online.de/pages/tp500956irakneu30tt/?gclid=CJnrucCKgJoCFc6T3wodKGjDGA  20.4.09
4 http://info.kopp-verlag.de/news/exxon-soll-die-entscheidende-kontrolle-ueber-das-irakische-oel-erhalten.html  8.4.09; siehe auch
http://info.kopp-verlag.de/news/anglo-amerikanische-oelmultis-sichern-sich-den-zugriff-auf-das-irakische-oel.htm  30.6.08 Anglo-amerikanische Ölmultis sichern sich den Zugriff auf das irakische Öl Von F. William Engdahl