F. William Engdahl: Amerika überläßt das Töten im Afghanistankrieg seinen ferngesteuerten Drohnen

Das US-Verteidigungsministerium setzt jetzt eine neue Generation automatisch gesteuerter Flugzeuge ohne Piloten, sogenannte »Drohnen« ein, die im Pentagon-Jargon als UAV, Unbemannte Luftfahrzeuge bezeichnet werden, um die anvisierten Ziele mit ferngesteuerten Bomben zerstören zu können.

Unter Einsatz des Navigationssystems GPS können damit bis zu 13.000 Kilometer entfernte Ziele getroffen werden. Welche Auswirkungen diese Waffensysteme auf die künftige Kriegführung sowie die Bereitschaft des Pentagons zu künftigen Kriegen haben werden, ist mehr als besorgniserregend. Die »Entpersönlichung« des Tötens und die Möglichkeit, daß dabei auch unschuldige Zivilisten, die aus Angst vor Luftangriffen fliehen, für »verdächtige Terroristen« gehalten und getötet werden, ist eindeutig der alarmierendste Aspekt dieses jüngsten technologischen Fortschritts, den das Pentagon und Amerikas Militärisch-Industrieller Komplex erzielt haben. Es gibt kleine unbemannte Luftfahrzeuge, wie den Raven (Rabe), der etwa ein Meter lang ist, oder die noch kleinere Wasp (Wespe), die mit einer Kamera ausgestattet ist, die so groß ist wie eine Erdnuß. Diese Geräte, die von der Schulter eines Soldaten in die Luft geschossen werden können, fliegen über die Hausdächer einer Stadt oder in geringer Höhe über das Gelände und übermitteln Videobilder darüber, was gerade in den Straßen oder auf der anderen Seite des Hügels passiert. Und jetzt kommt die nächste Generation. Das Pentagon entwickelt bereits Roboter, die so klein sind wie Fliegen. Damit hofft man die Aufklärung betreiben zu können, die jetzt von besonderen Elite-Einheiten der Bodentruppen ausgeführt werden. Diese Entwicklung der »risikolosen Kriegführung« hat erschreckende Implikationen. Man stelle sich nur folgendes Szenario vor: Eine demokratisch gewählte Regierung in Berlin oder Paris oder in irgendeiner anderen Hauptstadt der Welt will sich von Washingtons Militärpolitik unabhängig machen und fällt die Entscheidung, aus der NATO auszutreten. Wenn dann ein amerikanischer Politiker, sagen wir ein zukünftiger Dick Cheney, der Meinung ist, dieses Regime sei »nicht hilfreich« - was würde ihn davon abhalten, gegen diese Regierung einen Bombenanschlag mit einer ferngesteuerten Drohne zu unternehmen und diesen Angriff »Al-Quaida-Terroristen« in die Schuhe zu schieben? Diese Vorstellung mag sich vielleicht extrem anhören; sie ist aber nicht so extrem in einer Zeit, in der die Machteliten in den USA feststellen müssen, daß ihr globaler Einfluß in dramatischer Weise schwindet: das Fiasko im Irak nimmt zu, die acht Jahre Unilateralismus unter Bush und Cheney zeigen immer noch ihre Auswirkungen und die schlimmste Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren vertieft sich. Mit der Verringerung der menschlichen Kosten eines Krieges könnte man der Versuchung erliegen, noch mehr Kriege zu führen. Es stimmt schon, was US-General Robert E. Lee vor über 150 Jahren sagte: »Es ist gut, daß wir feststellen müssen, daß der Krieg so schrecklich ist; ansonsten würden wir ihn noch lieb gewinnen.«
 
Im Hintergrund die Geheimdienste
Die nachfolgenden Angaben sind dem von Kai Raven verfaßten Artikel Geheime Deals und Technik für den schmutzigen Drohnen-Krieg entnommen 2. Sie lassen starke Zweifel daran aufkommen, ob für den Widerstand, der gegen die Eroberung Afghanistans kämpft, überhaupt noch eine Chance besteht, die Besatzer aus dem Land zu treiben.
 
Auf die Aussagen hochrangiger Amtspersonen gestützt, berichtete die Washington Post am 16. 11. 08 in ihrem Artikel »Pakistan and U.S. Have Tacit Deal On Airstrikes« 3, über einen informellen Deal, der im September 2008 zwischen der Bush-Administration und der Regierung Pakistans für den roboterisierten Drohnen-Krieg in Pakistan geschlossen wurde; über diesen waren bezüglich der Drohnen-Angriffe schon lange Vermutungen angestellt worden. Die Linie der CIA, des US-Militärs und der US-Regierung lautet gemäß dem Deal, keine Angriffe mit Predator,  Reaper und Global Hawk Drohnen in den Stammesgebieten zu bestätigen und Stillschweigen zu bewahren, während die Regierung Pakistans die Linie verfolgt, die Angriffe gegenüber der pakistanischen Bevölkerung öffentlich zu mißbilligen; ferner sei auf Regierungsebene Pakistans die Desinformation zu streuen, daß sich die Angriffe auf die afghanische Seite der pakistanischen Grenzregion richteten. Im Hintergrund sei den Angriffen jedoch stillschweigend zuzustimmen und das Militär wie auch den pakistanischen Geheimdienst mit den Amerikanern kooperieren zu lassen. Wie es in der Washington Post weiter heißt, folgte dem geheimen Deal im September ein intensiver Besuchsverkehr hochrangiger Militärs und Geheimdienstler beider Seiten. Pakistans Präsident Zardari war im gleichen Monat des Dealsauf Besuch bei Bush; General Pasha, Chef des pakistanischen militärischen Geheimdienstes ISI, traf Ende Oktober mit seinen amerikanischen Kollegen in Washington zusammen, US-General Petraeus, seit Ende Oktober Chef des Zentralkommandos (CENTCOM), machte Anfang November eine Stippvisite in Pakistan und am 12. 11. 08 gab es ein informelles Treffen zwischen CIA-Direktor Michael Hayden und Präsident Zardari. Zweck der Gespräche war wohl, die Details des Deals und verdeckten Drohnen-Krieges auszuhandeln und auszuloten, wie es nach der US-Wahl weitergehen würde. Nicht mehr direkt, aber indirekt zwischen den Zeilen wird die Vermutung geäußert, daß die enge Kooperation und Deckung Pakistans neben den 10 Milliarden $ an US-Militärhilfe seit 2001 auch mit den 7,6 Milliarden US$ erkauft wurde, die Pakistan vom IWF zur Bewältigung der Finanzkrise erhält.
[Bez. des IWF siehe http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1142 Warnrufe].
 
Interessant ist auch ein Gespräch Zardaris mit dem demokratischen US-Senator John F. Kerry, daß an die Washington Post herangetragen wurde. Laut diesem habe Zardari Kerry darauf hingewiesen, daß die US-Regierung erkennen müsse, daß Pakistan mehr geleistet habe, als die US-Regierung anerkenne und Pakistan ein Opfer des gleichen Aufruhrs sei, den die USA bekämpfe. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, daß weiter Waffen und Geld nach Pakistan fließen müssen, auch unter Obama. In dem Gespräch soll Zardari auch das Interesse Pakistans angemeldet haben, mit den gleichen Waffen beliefert zu werden, mit denen amerikanische Streitkräfte und Geheimdienste ihren Krieg in Afghanistan und Pakistan führen, sprich Killer-Drohnen und weiteres High-Tech Kampfgerät für Pakistans Militär und Geheimdienste: »Geben Sie [Anm.: die Killer-Drohnen] sie uns, wir sind ihre Verbündete«, soll Zardari Kelly gesagt haben. Von dort spannt der Artikel den Bogen zu den neuen militärischen Systemen, die laut Vertretern der Antiterror-Behörden und -Abteilungen der USA in Pakistan verwendet werden und Gegenstand des Beitrags Rätselraten über geheimes Kill-Programm des US-Militärs waren. Neben den Raketen, die von den Predator Drohnen der CIA abgefeuert werden, so der Artikel, habe man laut der Antiterrorvertreter während des Jahres »neue Hardware in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion zum Einsatz gebracht, die es erlaube, die Bewegungen vermuteter Kämpfer sehr genau zu verfolgen.«
 
Zur neuen Hardware zur Identifizierung, Aufspürung und Lokalisierung, von der viel unter Geheimhaltungstehe, gehöre demnach der konzertierte Einsatz leistungsfähiger Sensoren an Spionagesatelliten, von Flugzeugen, Luftschiffen und Drohnen jeder Größe verschiedenster Typen. Oder - wie es der Staatssekretär für Geheimdienste im Pentagon James R. Clapper Jr. während einer Konferenz (wohl auf dem Geospatial Intelligence Symposium 2008) umschrieb: »Die neuen Produkte der Kriegsführung sind sehr laserähnlich und präzise geworden. Mit ihnen hat man die Möglichkeit, sobald man weiß, hinter was man her ist, dasselbe sehr lückenlos und ununterbrochen beobachten und überwachen zu können, also beharrlich., um dann, im richtigen kritischen Augenblick, mit der nötigen Rücksicht zur Reduzierung von Kollateralschäden, das [betreffende] Individuum auszuschalten.« Daß es Unterschiede zwischen der Realität des verdeckten Drohnen-Krieges in Pakistan und den Umschreibungen des Geheimdienstlers gibt, zeigt die mit jedem Drohnen-Angriff steigende Anzahl ziviler Opfer.
 
Wir haben hier also alle Merkmale und Bestandteile eines schmutzigen Krieges, der mit neuen Mitteln der Überwachungs- und Kriegstechnik aufgrund geheimer, stillschweigender Vereinbarungen zwischen den USA und Pakistan geführt wird, bei dem die Bevölkerung auch als Versuchtiere für den Einsatz der Technik herhalten muß, wie sie in Zukunft in anderen Konflikt- und Kriegsgebieten zu sehen sein wird – alles nur, um eine Handvoll zu ersetzender Taliban und Al Qaida Kommandeure auszuschalten? Daß es in der restlichen Presse, insbesondere der deutschen Presse, keine ähnlichen Berichte und Artikel gibt, kann ich mir nur noch mit dem stillschweigenden Einverständnis erklären, daß diese Handvoll es wert sind, daß in Pakistan der neue Typ des Globalen Krieges gegen den Terror durchexerziert wird und er auch deshalb legitim ist, weil er den Sicherheitsinteressen Deutschlands dient.
 
Als Gewinne, heißt es bei Kai Raven ferner 4, werden sich die Militärstrategen, militärischen Forschungseinrichtungen, Rüstungskonzerne und Hersteller von Killer-Drohnen und Drohnen-Rüstung an der Heimatfront die Erfahrungen mit Schwächen und Stärken, die Messungen des Tötungseffekts und die Vermerkung der Optimierungspotentiale gutschreiben, die man durch die Vernichtungseinsätze der ferngelenkten Roboter-Drohnen einheimsen kann. Der Irak, Afghanistan und die pakistanischen Stammesgebiete bieten im Überfluß geeignetes menschliches Testmaterial zum Killen und passende Testumgebungen. Zugleich bieten die alltäglich aufs neue in den Medien und der Presse aufbereiteten Bedrohungskulissen und Terrorgefahren den praktischen Schleier, hinter dem es sich gut massakrieren läßt. Wie man diesen Schleier am effektivsten für die aktuellen Zwecke und Strategien nutzen kann, ist ein weiterer Zugewinn. Sind eigentlich alle Leute, die ich fast täglich als Terrorexperten, Journalisten und Politiker über den Krieg gegen die Terroristen und Islamisten in den terroristischen Rückzugsgebieten der Stammesverbände schwätzen höre, wirklich so strunzdumm? Ich muß das annehmen, denn außer raren Ausnahmen und ein paar kritischen Meinungen, die man ins Feuilleton oder in die Kommentarspalten abschiebt, lese und höre ich von dem oben Gesagten im Fernsehen, im Radio und in den deutschen Zeitungen nichts, absolut nichts.

Anmerkung politonline: Da Artikel dieser Kategorie praktisch keinen Eingang in die Alltagsmedien finden, trägt der Fakt, daß die Parlamentarier diesbezüglich ununterrichtet bleiben, sich wahrscheinlich aber auch gar nicht die Mühe geben, um neben dem Tagespressefutter noch relevante Informationen ausfindig zu machen, dazu bei, daß weder für die Regierungen noch für die Geheimdienste bezüglich des Einsatzes besagter Waffen, die in ihrer Perfektion immer mörderischer werden, irgendwelche Barrieren gegeben sind.  
 
1 http://info.kopp-verlag.de/news/amerika-ueberlaesst-das-toeten-im-afghanistankrieg-seinen-ferngesteuerten-drohnen.html  15.2.09
2 http://blog.kairaven.de/archives/1762-Geheime-Deals-und-Technik-fuer-den-schmutzigen-Drohnen-Krieg-in-Pakistan.html 16. 11. 08; siehe auch
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2009/01/11/AR2009011102236.html
U.S.-Funded Intelligence Center Struggles in Khyber Region 12. 1. 09
3 http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2008/11/15/AR2008111502656.html
16. 11. 08 Pakistan and U.S. Have Tacit Deal On Airstrikes  By Karen DeYoung and Joby Warrick
4 http://blog.kairaven.de/archives/1658-Zum-Global-War-on-Terror-und-dem-roboterisierten-Tod-in-Stammesgebieten.html 4. 10. 08 Zum Global War on Terror und dem roboterisierten Tod in Stammesgebieten