Washington trägt Mitschuld an Kriegsverbrechen in Gaza - Von Bill Van Auken

Das israelische Massaker an den Palästinensern in Gaza ist ein Kriegsverbrechen, für das nicht nur die israelische Regierung die Verantwortung trägt, sondern auch die der Vereinigten Staaten. Die gnadenlose Bombardierung, die schon in den ersten 48 Stunden mindestens 300 Todesopfer und 1.000 Verwundete gekostet hat, kommt dem bewußten Hinschlachten von unschuldigen Zivilisten gleich und kann nur als Staatsterror bezeichnet werden.

Die Opferzahlen werden mit Sicherheit noch steigen. Viele der Opfer sind Frauen und Kinder. Der israelische Armeechef Generalleutnant Gabi Aschkenasi sagte: »Das ist erst der Anfang.« Der Vorwand, daß dieser Angriff eine Vergeltung für die Raketenangriffe aus Gaza auf israelisches Territorium sei, ist absurd. Israel hat sich unter dem Deckmantel des angeblichen Waffenstillstands mit der Hamas-Regierung in Zusammenarbeit mit Washington seit Monaten auf diese Bombardierungswelle und die bevorstehende Bodenoffensive vorbereitet. »Das sind alles Verbrecher«, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Gordon Johndroe. Er behauptete, Israel »verteidige sich« nur gegen Terroristen. Das ist die offizielle Darstellung, die von den Massenmedien nachgeplappert und von der Führung der Demokratischen Partei mitgetragen wird. Nur wenige machen sich die Mühe, daran zu erinnern, daß nicht ein einziger Israeli von den selbstgebastelten Raketen getötet wurde, die angeblich die israelische Bombardierung des Gazastreifens und die Tötung von 300 Menschen rechtfertigen. Diese unverhältnismäßige Reaktion ist wohl kaum ein Versehen. In den vergangenen acht Jahren sind gerade einmal eine Handvoll Israelis durch Raketen und Mörserbeschuß aus dem Gazastreifen umgekommen. In der gleichen Zeit hat das israelische Militär fast 5.000 Palästinenser umgebracht. Niemand nimmt auch nur Notiz von der Tatsache, daß Israel seine Angriffe gegen das am meisten übervölkerte und ärmste Stadtgebiet der Welt genau zu der Tageszeit aufnahm, zu der die Schulkinder sich auf den Weg nach Hause machten. In dieser Lage sind die ritualistischen Ermahnungen Washingtons an Israel, »zivile Opfer zu vermeiden«, eigentlich nur eine Verhöhnung der Opfer. Nach der Verleumdung eines ganzen Volkes als Verbrecher gab das Weiße Haus grünes Licht für ein Blutbad. Was noch wichtiger ist, es hat die unabdingbar notwendigen Mittel für die Verübung dieses Verbrechens geliefert. Die USA gewähren Israel jedes Jahr für 3 Milliarden Dollar Militärhilfe und rüsten es mit seiner Tod bringenden Handelsware aus: mit F-16 Kampfflugzeugen, Apache Kampfhubschraubern, TOW- und Hellfire-Raketen und dem Treibstoff und den Ersatzteilen, die für ihren Einsatz notwendig sind.
 
Die Nachrichten aus Gaza liefern eine anschauliche Beschreibung dessen, was Washington für seine Waffen und sein Geld geliefert bekommt. Der freie Journalist Safa Joudeh schreibt aus Gaza City: »Wo die Bomben eingeschlagen waren, stapelten sich die Leichen. Bei näherem Hinsehen konnte man sehen, daß der eine oder andere der jungen Männer noch lebte. Einer hob die Hand, ein anderer den Kopf. Sie starben vermutlich Minuten später, weil ihre Körper verbrannt waren, und sie Gliedmaße verloren hatten. Sie lagen in Pfützen von Blut.« Ewa Jasiewicz berichtet aus Gaza. »Wir sahen einen bärtigen Mann auf einer Bahre auf dem Flur einer Intensivstation, der ständig zwanghaft zuckte, mit steifen Beinen. Ein Krampf, der auf eine Wirbelsäulenverletzung hindeutete. Wird er jemals wieder gehen oder sprechen können? Auf einer anderen Station hatte ein Baby, nicht älter als sechs Monate, Schrapnellwunden im Gesicht. Ein Verwandter lüftete die Decke um uns sein zartes bandagiertes Bein zu zeigen. Seine Augen waren weit aufgerissen und es gab spitze, immer wiederkehrende, quiekende Laute von sich.« Die israelische Zeitung Haaretz brachte einen Bericht ihres Korrespondenten vor Ort: »Verwandte suchten zwischen den Leichen und Verwundeten nach Angehörigen, um die Toten schnell zu beerdigen. Eine Mutter, deren drei Kinder im Schulalter getötet worden waren und übereinander gestapelt im Leichenhaus lagen, schreit und weint dann, schreit wieder und verfällt in Schweigen.« Die New York Times, die kaum für ihre Sympathie für die Palästinenser bekannt ist, muß zugeben: »Trotzdem waren die Angriffe vom Samstag schockierend. Sie begannen bei hellem Tageslicht, als Polizeikadetten graduierten, Frauen auf dem Markt einkauften und die Kinder aus der Schule kamen. Das Zentrum von Gaza-Stadt bot ein chaotisches Horrorszenarium. Überall Trümmer, heulende Sirenen, und kreischende Frauen vor Dutzenden zur Identifizierung aufgereihten verstümmelten Leichen auf dem Bürgersteig und in der Eingangshalle des Shifa Krankenhauses. Unter den Toten befanden sich Zivilisten, darunter mehrere Bauarbeiter und mindestens zwei Schulkinder in Uniform.« Das ist keine Selbstverteidigung, sondern geplanter Massenmord. Der Zweck der Schockkampagne, wie der Angriff auf Gaza in Israel weithin genannt wird, gleicht dem der USA im Irak - Regimewechsel.
 
Weder das zionistische Regime, noch Washington akzeptierten 2006 den Sieg der Hamas bei den palästinensischen Wahlen. Die Bush-Regierung begrüßte die Wahlen als Teil des angeblich vom amerikanischen Militarismus bewirkten Aufblühens der Demokratie im Nahen Osten - wenigstens bis das Ergebnis bekannt war. Daraufhin taten die USA und ihr israelischer Verbündeter ihr Bestes, einen palästinensischen Bürgerkrieg und einen Militärputsch zu provozieren. Als das nichts nützte, um die Hamas in Gaza von der Macht zu verdrängen, wurden die eineinhalb Millionen Einwohner des Gebiets gnadenlos kollektiv bestraft. Israel verhängte eine Blockade, die die Versorgung mit Lebensmitteln, Medizin, Trinkwasser und Elektrizität verhinderte und Hunderttausende in Armut, Arbeitslosigkeit, Hunger und Krankheit stürzte. Das jetzige Töten ist eine qualitative Verschärfung dieser gnadenlosen Politik, das Leben für die Menschen in Gaza so unerträglich wie möglich zu machen, damit die Hamas-Regierung stürzt. Die New York Times vom 28.12.08 gab eine kurze und knappe Analyse der tatsächlichen Beziehung zwischen der israelischen Blockade und den Raketenangriffen aus Gaza. Die Belagerung, erklärte sie, habe »fast zu einem Stillstand der Wirtschaft in Gaza geführt«, und fügte hinzu: »Es kamen zwar gerade genug Lebensmittel hinein, um Hunger zu vermeiden, aber das Leben ist unerträglich und wird jede Woche schlimmer.« Die Hamas hatte einen Waffenstillstand mit Israel geschlossen, um wieder Handel zu ermöglichen und dieses Leiden zu erleichtern. Während die Raketenangriffe, angeblich Israels Hauptsorge, »im Herbst dramatisch von Hunderten im Monat auf fünfzehn bis zwanzig im Monat zurückgingen«, wie die Times feststellte, »wollte Israel trotzdem die Wiederaufnahme des Handels nicht erlauben, weil die Raketen nicht völlig aufgehört hätten..... « Es war diese Unnachgiebigkeit, die zum Zusammenbruch des Waffenstillstands führte.
 
Von Anfang an war Israels Vorgehen nicht von Sicherheitsüberlegungen bestimmt, sondern von politischen Zielen. An erster Stelle steht der Wunsch, die Hamas-Regierung in Gaza zu stürzen. Eine Rolle spielt auch das Interesse des zionistischen Establishments und Militärs, die demütigende Niederlage im Südlibanon von 2006 wieder gut zu machen. Für Washington hängt die Unterstützung für und die direkte Beteiligung an israelischen Kriegsverbrechen mit seiner strategischen Politik zusammen, eine neue Ordnung im Nahen Osten zu schaffen, die die unbestrittene Kontrolle der USA über die Region und seinen Ölreichtum sicherstellen soll. Israel ist bei diesem blutigen Unternehmen der Juniorpartner und darf seine eigenen aggressiven Interessen verfolgen, weil sie die imperialistischen Interessen der USA fördern. Ein Regimewechsel in Gaza wird von den politischen Strategen der USA als Sprungbrett für ähnliche Änderungen anderswo gesehen, besonders in Syrien und im Iran. Die Ereignisse in Gaza kündigen eine weitergehende Intervention im Nahen Osten an und bringen einen Krieg gegen den Iran näher. Wohlgemerkt, es handelt sich nicht um eine rein amerikanisch-israelische Frage. Der Angriff auf Gaza konnte mit direkter und stillschweigender Unterstützung der arabischen bürgerlichen Regimes durchgeführt werden. Vor allen muss die ägyptische Regierung genannt werden, die entlang ihrer Grenze Maschinengewehre installiert hat, um auf fliehende Palästinenser zu schießen. Die Palästinensische Autonomiebehörde von Präsident Mahmoud Abbas im Westjordanland äußerte ebenfalls Verständnis für die israelischen Verbrechen. In den vergangenen acht Jahren hat die Regierung Bush ihre Nahostpolitik mit unbarmherziger Härte verfolgt. Es deutet jedoch nichts darauf hin, daß sich dies mit dem Einzug des neu gewählten Präsidenten Barack Obama ins Weiße Haus in weniger als einem Monat grundlegend ändern wird.
 
Öffentlich hat sich Obama über die Ereignisse in Gaza in Schweigen gehüllt. Er hat sich jedoch von seinem Feriendomizil in Hawaii aus mit Außenministerin Condoleezza Rice beraten. Seine Berater haben indes selbstgefällig beteuert, dass es »immer nur einen Präsidenten gibt« und daß es für den Vertreter des »Wandels, an den wir glauben können« nicht angebracht sei, seine Ansichten über das mit Flugzeugen, Bomben und Raketen aus Amerika durchgeführte Gemetzel zu äußern. Einige Elemente in der zionistischen Führung haben sich argwöhnisch über die Politik Obamas geäußert und es gab das Gerücht, daß dessen baldige Amtseinführung am 20. Januar bei der Festsetzung des Termins des israelischen Angriffs eine Rolle gespielt haben könnte. Daß Israel diese Aktion ohne vorherige Konsultationen mit der Regierung Bush, aber auch mit Obamas Lager, durchgeführt hat, kann man selbst dem Naivsten nicht erzählen. Es ist viel wahrscheinlicher, daß die israelische Regierung Obama einen Gefallen tat, indem sie ein von ihm gut geheißenes Verbrechen beging, bevor er dafür öffentlich Verantwortung übernehmen mußte, als daß sie aus Furcht vor ungünstigeren politischen Verhältnissen in Washington nach Obamas Einzug ins Weiße Haus versuchte, es rasch über die Bühne zu bringen. Tatsache ist, daß der neu gewählte demokratische Präsident gelobt hat, Amerikas Unterstützung für Israel aufrechtzuerhalten. Selbst während des verbrecherischen Krieges gegen den Libanon 2006 und im Zusammenhang mit den wiederholten israelischen Überfällen auf den Gazastreifen trat er mehrmals für Israels Recht auf Selbstverteidigung ein. Er hat ebenfalls versprochen, die Verpflichtung Amerikas zu honorieren, Israel im kommenden Jahrzehnt Waffenhilfe in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar zukommen zu lassen. Diejenigen, die er für Spitzenfunktionen ausgewählt hat - der Kongreßabgeordnete und frühere Bürger Israels, Rahm Emanuel, wurde sein Stabschef und seine Rivalin um das Präsidentenamt Hillary Clinton Außenministerin - sind dafür bekannt, daß sie die Regierung Bush wegen unzureichender Unterstützung der israelischen Aggression kritisierten. Während der Wahlkampagne im letzten Sommer unternahm Obama eine Reise in die Stadt Schderot im Süden Israels, die von Raketen aus dem Gazastreifen angegriffen worden war. Damals gab er eine ausdrückliche Rechtfertigung für solche Angriffe wie sie jetzt erfolgen. »Wenn jemand Raketen auf mein Haus abfeuern würde, in dem meine beiden Töchter schliefen, würde ich alles in meiner Macht stehende tun, um dem ein Ende zu setzen«, sagte Obama bei seiner Visite. »Und ich würde erwarten, dass die Israelis dasselbe tun.« Weder fand er ein Wort der Sympathie für die Palästinenser, noch gab er an, was er von den Eltern in Gaza erwartet, die mit ansehen mußten, wie ihre Kinder durch die von Amerika gelieferten Bomben und Raketen in Stücke gerissen wurden.
 
Inzwischen hat die Demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi eine Stellungnahme veröffentlicht, die die israelischen Bombardierungen ausdrücklich billigt. »Wenn Israel angegriffen wird«, so Pelosi, »müssen die Vereinigten Staaten unverbrüchlich an der Seite ihres Freundes und demokratischen Verbündeten stehen.« Die Reaktionen Obamas und der Demokraten auf die derzeitigen Greuel im Gazastreifen müssen als deutliches Warnsignal begriffen werden. Im Angriff auf Gaza deuten sich zukünftige Ereignisse an; er darf keinesfalls als letztes Aufflackern der militaristischen Aggressivität der Regierung der lahmen EnteBush verstanden werden. Die Amtsübernahme der neuen Demokratischen Regierung bedeutet nicht das Ende, sondern eher die Fortsetzung der Verbrechen des US-Imperialismus. Bedingt durch die schwerste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression wird der amerikanische Militarismus im verzweifelten Konkurrenzkampf Washingtons um schrumpfende Märkte und lebenswichtige Ressourcen eine immer bedeutendere Rolle spielen. Der Kampf gegen den Krieg kann nur vorankommen und die Kriegstreiber vom Irak bis Gaza, können nur zur Rechenschaft gezogen werden, wenn die Arbeiterklasse unabhängig mobilisiert wird und eine neue Massenbewegung mit einem sozialistischen Programm aufbaut.
 
Quelle: http://www.wsws.org/de/2008/dez2008/gaza-d30.shtml  30. 12. 08
Originalartikel : Washington bears guilt for Gaza war crimes By Bill Van Auken vom 29. 12. 08 auf http://www.wsws.org/articles/2008/dec2008/pers-d29.shtml
Der Autor schreibt fürWorld Socialist Web Site und http://www.globalresearch.ca/ und lebt in New York City