»Federal Reserve« stellt die Weichen für eine Hyperinflation à la Weimar - Von F. William Engdahl

Die »Federal Reserve« hat den Aufruf einer großen US-Finanz-Nachrichtenagentur, die von der »Fed« gefordert hatte, öffentlich darzulegen, wer die Empfänger der mehr als zwei Billionen Sonderkredite aus US-Steuergeldern sind und welche Werte die Zentralbank als Sicherheiten für diese Kredite erhält, scharf zurückgewiesen. Dies ist ein weiteres Anzeichen für den Grad von Panik und das Fehlen einer klaren Strategie in den obersten Etagen der US-Finanzinstitute.

Auch die beispiellose Ausdehnung der Geldbasis (Monetary Base) in den vergangenen Wochen stellt die Weichen für eine Hyperinflation à la Weimar, zu der es noch vor 2010 kommen könnte. Am 7. Dezember stellte Bloomberg einen Antrag gemäß des amerikanischen »Freedom of Information Act« (FOIA) auf Freigabe von Einzelheiten der Bedingungen der 11 während der derzeitigen Finanzkrise eingerichteten neuen Kreditprogramme der Federal Reserve. In ihrer Antwort vom 8. Dezember bestand die Fed auf ihrem Recht, interne Memoranden und Informationen über Geschäftsgeheimnisse und -informationen zurückzuhalten. Die Zentralbank bestätigte, daß eine Überprüfung der Akten zu diesem Thema Dokumente im Umfang von 231 Seiten zu Tage gefördert hatte. Bernankes Fed übernahm damit genau die Rolle, die in dem Rettungspaket (»Bailout«) des US-Finanzministeriums (Troubled Asset Relief Program, TARP) in Höhe 700 Milliarden $ vorgesehen war. Der Unterschied zwischen einem Bailout der Fed für notleidende Finanzinstitute und einem Bailout des Finanzministeriums besteht darin, daß Kredite der Zentralbank keine Sicherheiten der Bankenaufsicht beinhalten, die der Kongress für TARP verfügt hat.
 
Kommt es zu einer Hyperinflation?
Der Gesamtumfang der Fed-Kredite betrug am 6. 11. 08 über zwei Billionen $. Er war in den Wochen seit dem 14. September um erstaunliche 138 % oder 1,23 Billionen $ gestiegen. Am 14. September haben die Zentralbankgouverneure die Sicherheitsrichtlinien gelockert und die Hinterlegung von Wertpapieren als Sicherheiten, die nicht als erstklassig (AAA) eingestuft sind, zugelassen. Sie taten dies in der Gewissheit darüber, daß das Finanzsystem am nächsten Tag erheblichen Erschütterungen ausgesetzt sein würde - eine Erschütterung, welche die Gouverneure selbst geschehen lassen hatten. Am 15. September einigten sich Bernanke und Tim Geithner, der Präsident der New Yorker Federal Reserve und inzwischen Obamas Kandidat als neuer US-Finanzminister, mit der Regierung Bush darauf, die viertgrößte Investmentbank, Lehman Brothers, bankrott gehen zu lassen und damit die ungezählten Billionen an Derivaten und anderen, von Investoren aus aller Welt gehaltenen Schuldverpflichtungen platzen zu lassen. Mittlerweile ist man sich darin einig, daß diese Entscheidung eine weltweite Panik im Finanzsystem auslöste, weil man jetzt nicht mehr sicher sein konnte, nach welchen Standards die US-Regierung entschied, welche Institute »zu groß waren, um bankrott zu gehen« und welche nicht. Seither hat das US-Finanzministerium seine Politik über den Bailout von Banken mehrfach geändert, was nach Ansicht vieler Beobachter ein Anzeichen dafür ist, daß Henry Paulson, die Regierung in Washington und die Fed die Kontrolle verloren haben.
 
Als Antwort auf die sich verschärfende Krise hat Bernankes Fed entschieden, die sogenannte Geldbasis (Monetary Base) auszuweiten. Als Geldbasis bezeichnet man allgemein die Summe der Sichtreserven bei der Zentralbank plus den Bargeldumlauf; sie bildet die Grundlage für mögliche weitere Zentralbankkredite an die Wirtschaft. Seit dem Bankrott von Lehman Bros. ist diese Geldausweitung gegen Jahresende (im Vergleich zum Vorjahr) um 38 % gestiegen, ein beispielloser Wert in der 95-jährigen Geschichte der Federal Reserve seit ihrer Gründung im Jahr 1913. Die bis dahin höchste jährliche Wachstumsrate betrug nach Angaben der Datenbank der Federal Reserve 28 %; das war im Dezember 1939, als die USA begannen, ihre Industrie für ein Eingreifen in den Krieg in Europa fit zu machen. In der ersten Dezemberwoche diesen Jahres war die Ausdehnung der US-Geldbasis sogar um atemberaubende 75 % angestiegen: von 836 Milliarden $ im Dezember 2007, als die Krise unter Kontrolle zu sein schien, auf 1.479 Milliarden $ im Dezember 2008 - eine Explosion um 76 % innerhalb eines einzigen Jahres. Da die Federal Reserve bis zum Zusammenbruch von Lehman Bros. im September die Ausweitung der Geldbasis kontrolliert und praktisch konstant gehalten hatte, passierte die Ausweitung um 76 % ausschließlich in den letzten drei Monaten; aufs Jahr umgerechnet entspräche diese dreimonatige Steigerung einer Geldexpansion von über 300 %.
 
Doch trotzdem verleihen die Banken weiterhin kein Geld, was bedeutet, daß sich die US-Wirtschaft in einem seit den 1930er Jahren nicht mehr gesehenen freien Fall in eine Depression befindet. Die Banken vergeben keine Kredite mehr, weil sie entsprechend den Richtlinien der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) von ihrem eigenen Kapital 8 % des Wertes neuer Geschäftskredite hinterlegen müssen. Aber die Banken wissen nicht, wie viele der Immobilien und anderen notleidenden Wertpapiere in ihrem Besitz möglicherweise in den nächsten Monaten kollabieren bzw. wertlos werden und in welchem Ausmaß sie dann gezwungen sein werden, riesige Summen an frischem Kapital aufzunehmen. Also tauschen die Banken zwei Billionen $ an mutmaßlichen »Giftmüll«-Wertpapieren, sogenannten Asset Backed Securities (ABS) in Form von Subprime-Hypotheken, Aktien und anderen hochriskanten Krediten gegen Bargeld von der Federal Reserve und Kredite vom US-Finanzministerium sowie andere (noch) als erstklassig (AAA), also risikofrei, eingestufte Regierungsanleihen. Das Ergebnis ist, daß die Federal Reserve jetzt auf weitgehend wertlosen Papieren aus dem Finanzsystem im Wert von etwa 2 Billionen $ sitzt. Zu den Kreditnehmern gehören Lehman Brothers, Citigroup und JP Morgan Chase. Letztere ist nach dem Wert ihrer Guthaben die größte US-Bank. Die Banken widersetzen sich der Freigabe von Informationen, weil dies »Schwäche« signalisieren und Baisse-Spekulationen oder gar einen Sturm der Anleger auf ihre Bank zur Folge haben könnte. Die Krise wird durch das Geschäftsmodell noch weiter verschärft, das die US-Banken erstmals Ende der 1970er Jahre zur Erhöhung der Einlagen angewandt haben, nämlich den Erwerb von »Großeinlagen« (wholesale deposits) durch die Übernahme von Anleihen anderer Banken auf dem Übernacht-Interbanken-Markt. Der Vertrauensverlust seit dem Bankrott von Lehman Bros. ist so tiefgreifend, daß keine Bank auf der Welt einer anderen noch genügend traut, um ihr Kredite zu gewähren. Somit bleiben nur noch die klassischen Kleineinlagen von Privatpersonen oder Unternehmen bzw. Scheckkonten übrig. Die Großeinlagen durch Kleineinlagen zu ersetzen, ist ein Prozeß, der im günstigsten Fall Jahre, nicht Wochen, beanspruchen wird. Verständlich, daß die Federal Reserve darüber nicht sprechen will. Das ist auch der Grund für die strikte Weigerung, etwas über die eigenen Einlagen in Höhe von 2 Billionen $ zu sagen, die sie von Mitgliedsbanken und anderen Finanzinstituten erhalten hat. Einfacher ausgedrückt: wenn die Fed öffentlich bekannt machte, über welche angeblichen »Sicherheiten« sie verfügt, dann wüßte die Öffentlichkeit, welche möglichen Verluste der Regierung ins Haus stehen können. Der Kongress verlangt von der Federal Reserve und dem US-Finanzministerium mehr Transparenz bei der Vergabe ihrer Finanzspritzen. Am 10. Dezember sagte der demokratische Abgeordnete David Scott aus Georgia bei einer Anhörung des Ausschusses für Finanzdienste im Repräsentantenhaus, die Amerikaner seien »hereingelegt« worden, eine saloppe Umschreibung für Betrug.
 
Keine Transparenz bei den Bailout-Praktiken
Fed-Chef Ben S. Bernanke und Finanzminister Henry Paulson haben im September gesagt, sie würden die Auflagen des Kongresses für Transparenz bei dem Banken-Rettungsprogramm über 700 Milliarden $ erfüllen. Nach dem »Freedom of Information Act« (FOIA) sind US-Bundesbehörden verpflichtet, der Presse und der Öffentlichkeit Regierungsdokumente zugänglich zu machen. Anfang Dezember hat die zuständige Aufsichtsbehörde des US-Kongresses (GAO), deren Funktion dem Bundesrechnungshof in Deutschland gleicht, den ersten vorgeschriebenen Bericht über die Kreditvergabe im Rahmen des 700 Milliarden $ schweren TARP-Programms des US-Finanzministeriums veröffentlicht. Laut diesem Bericht hat Paulsons Ministerium in den ersten 30 Tagen nach Beginn des Programms 150 Milliarden $ an US-Steuergeldern an Finanzinstitute vergeben, ohne Rechenschaft über die Verwendung der Gelder ablegen zu müssen. Die Vereinigten Staaten von Amerika, das frühere Finanzmekka der Welt, stehen noch vor weiteren Schwierigkeiten, nachdem sich der US-Kongreß aus vornehmlich ideologischen Gründen geweigert hat, ein vergleichsweise mageres Rettungspaket von 14 Milliarden $ an die drei großen Autokonzerne - General Motors, Chrysler und Ford - zu bewilligen.
 
Es ist zwar wahrscheinlich, daß das US-Finanzministerium diesen Unternehmen einen Kredit bis zum 20. Januar gewährt, bis der neugewählte Kongreß einen neuen Plan beschließen kann, aber die Aussicht auf eine Kettenreaktion von Pleiten, die der Bankrott der drei riesigen Konzerne auslösen könnte, ist sehr real. Bei den bisherigen Debatten ist nicht erwähnt worden, daß 25 % der ausstehenden Unternehmensanleihen amerikanischer Unternehmen allein auf das Konto dieser drei Autoproduzenten gehen. Diese Anleihen werden von privaten Rentenfonds, Investitionsfonds, Banken und anderen Instituten gehalten. Zählt man die wichtigsten Zulieferbetriebe der »Großen Drei« hinzu, dann hat man es mit Unternehmensanleihen in Höhe von 1 Billion $ zu tun, die sich jetzt in einer Kettenreaktion in heiße Luft auflösen könnten. Eine derartige Bankrottwelle könnte eine gewaltige Finanzkatastrophe auslösen; dagegen wäre der Bankrott von Lehman Bros. ein mit einem Hurrikan verglichener Schluckauf. Darüber hinaus hat die Panikreaktion der Federal Reserve, seit September die Geldbasis explosiv auszuweiten, in den USA den Weg für eine Hyperinflation à la Weimar oder Simbabwe frei gemacht. Denn das neue Geld wird nicht etwa durch entsprechende Aufrechnungsmaßnahmen der Fed »sterilisiert«. Das Ganze ist ein höchst ungewöhnlicher Schritt, der die Verzweiflung der Fed-Bankiers widerspiegelt. Bis zum September waren die Geldinfusionen der Fed noch gewissermaßen »sterilisiert« worden, was den möglichen Inflationseffekt neutralisiert hatte.
 
Die Definition einer großen Großen Depression
Das bedeutet: Wenn die Banken wieder Gelder verleihen, vielleicht in einem Jahr, wird das die amerikanische Wirtschaft inmitten einer deflationären Depression mit Liquidität überschwemmen. Zu diesem Zeitpunkt, oder vielleicht auch schon deutlich früher, wird der Dollar kollabieren, weil ausländische Inhaber von US-Schatzpapieren und anderen Anlagen aussteigen. Das wird nicht angenehm, denn als Resultat davon wird der Euro deutlich aufgewertet, was die Exporte aus Deutschland und anderen Ländern beeinträchtigen wird, falls die EU-Länder und andere Länder außerhalb des $-Raums, wie Russland, die OPEC-Staaten und vor allem China, bis dahin keine Stabilisierungszone außerhalb des Dollars eingerichtet haben. Die Welt steht in den kommenden Monaten vor der größten finanziellen und wirtschaftlichen Herausforderung. Die neue US-Regierung steht vor der Wahl, entweder das ganze Kreditsystem buchstäblich zu verstaatlichen, um für die nächsten fünf bis zehn Jahre den Kreditfluß in die Realwirtschaft zu sichern, oder sie steht vor einem wirtschaftlichen Armageddon, mit dem verglichen die 1930er-Jahre wie eine milde Rezession aussehen werden.
 
John Williams vom angesehenen Magazin Shadow Government Statistics (zu deutsch: Schattenregierungs-Statistik) hat kürzlich eine Definition für den Begriff Depression veröffentlicht. Der Begriff wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Wirtschaftsvokabular verdrängt, weil man ein solches Ereignis für nicht wiederholbar hielt. Seitdem bezeichnet man jeden Wirtschaftsabschwung beschönigend als »Rezession«. Williams hat mir gegenüber erklärt, er habe vor einigen Jahren die US-Wirtschaftsbehörden beim Bureau of Economic Analysis (Amt für Wirtschaftsanalysen) im US-Handelsministerium und beim National Bureau of Economic Research (NBER – US-Wirtschaftsforschungsinstitut) sowie zahlreiche Ökonomen aus der Privatwirtschaft in persönlichen Gesprächen aufgefordert, eine genauere Definition für die Begriffe »Rezession«, »Depression« und »Große Depression« zu liefern. Das war praktisch der einzige Versuch, zu einer präziseren Definition dieser Begriffe zu gelangen. Als Ergebnis präsentierte er zunächst die offizielle Definition der NBER für »Rezession«: in zwei oder mehr aufeinanderfolgende Quartalen Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts (BIP), der Beschäftigung oder der Industrieproduktion. Eine »Depression« ist demnach eine Rezession, bei der die Schrumpfung des Wachstums über 10 % des BIP liegt; und bei einer »Großen Depression« beträgt die Schrumpfung nach Angaben von Williams 25 % des BIP. Zwischen August 1929 und dem Ende der Amtszeit von Präsident Herbert Hoover lagen 43 Monate, in denen die US-Wirtschaft um 33 % schrumpfte. Es sieht so aus, als würde Barack Obama diesen Rekord brechen, es sei denn, er fände noch vor seiner Amtseinführung am 20. Januar eine neue Riege von Wirtschaftsberatern.
 
Quelle: http://info.kopp-verlag.de/news/federal-reserve-stellt-die-weichen-fuer-eine-hyperinflation-a-la-weimar.html 16. 12. 08